Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AY 12/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 13.09.2007 bis 31.10.2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII zu gewähren. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragsstellers trägt der Antragsgegner.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast.) ist irakischer Staatsangehöriger. Er erhielt in der Vergangenheit folgende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG):
Leistungen nach § 3 AsylbLG 23.12.2002 bis 28.02.2004 14 Monate, 9 Tage 07.04.2005 bis 31.10.2005 6 Monate, 24 Tage 01.02.2007 bis 28.02.2007 1 Monat ab 01.06.2007 laufend.
Leistungen gemäß § 2 AsylbLG 01.03.2007 bis 30.05.2007 3 Monate
Leistungen nach § 1a AsylbLG 01.11.2005 bis 30.11.2005 1 Monat 11.04.2006 bis 31.01.2007 9 Monate, 20 Tage
Nachdem der Antragsgegner (Ag.) durch Bescheid vom 07.03.2007 zunächst für den Monat März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt hatte und auch in den Folgemonaten April und Mai 2007 eine stillschweigende Bewilligung/Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG erfolgt war, bewilligte der Ag. durch Bescheid vom 23.05.2007 für den Monat Juni 2007 nur noch - wie zuletzt bis Februar 2007 - Leistungen nach § 3 AsylbLG. Zur Begründung führte er aus, dass bei nochmaliger Überprüfung festgestellt worden sei, dass der Ast. nicht nach § 2 AsylbLG leistungsberechtigt sei. In der Zeit vom 01.11.2005 bis 01.02.2007 seien Leistungskürzungen gemäß § 1a AsylbLG erfolgt. Bei einem Unterbrechungszeitraum der Leistungen gemäß § 3 AsylbLG bis zu 6 Monaten erfolge die weitere Berechnung der 36-Monatsfrist für den Erwerb der § 2 AsylbLG-Leistungsberechtigung erst ab dem Neubeginn der Leistung nach § 3 AsylbLG. Ab einer Unterbrechung über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten werde die 36-Monatsfrist nach Wegfall dieser Unterbrechung neu berechnet. Die Unterbrechung der Leistungen nach § 3 AsylbLG habe inm Fall des Ast. 15 Monate betragen und am 01.02.2007 geendet. Eine Leistungsberechtigung nach § 2 AsylbLG komme daher erst ab dem 01.02.2010 in Betracht, vorausgesetzt, dass keine Kürzung nach § 1a AsylbLG in dieser Zeit durchgeführt werde.
Am 13.09.2007 hat der Ast. um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er ist der Auffassung, die Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG sei rechtswidrig gewesen. In der Zeit der Leistungseinschränkung habe ein Abschiebestopp in den Irak bestanden. Die Gründe, die der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegen standen, hätten daher außerhalb des Einflussbereiches des Ast. gelegen, sodass diese nicht von ihm im Sinne des § 1a AsylbLG zu vertreten gewesen seien.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu ge- währen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzu- ehnen.
Er verweist u.a. auf einen Beschluss des OVG Niedersachsen vom 27.03.2001, wonach Unterbrechungen von mindestens 6 Monaten des Leistungsbezuges dazu führten, die 36-Monatsfrist neu anlaufen zu lassen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Ast. muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.
Der Ast. hat die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit für eine gerichtliche Entscheidung ergibt sich bereits daraus, dass die begehrten Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII lediglich geeignet sind, das sog. soziokulturelle Existenzminimum des Ast. sicherzustellen. An diesem haben sich nach dem SGB XII bemessene Leistungen zu orientieren (LSG NRW, Beschluss vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 AY ER). Ein dringendes Regelungsbedürfnis ist nicht schon deswegen abzulehnen, weil der Ast. zumindest die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG weiter bezieht. § 3 AsylbLG gewährt keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne der §§ 27 ff. SGB XII i.V.m. der jeweils gültigen Regelsatzverordnung, sondern nur die erheblich niedrigeren Grundleistungen, die unterhalb des sozio- kulturellen Existenzminimums liegen (LSG Hamburg, Beschluss vom 27.04.2006 - L 4 B 84/06 ER AY; LSG NRW, Beschluss vom 29.03.2006 - L 20 B 6/06 AY ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.03.2006 - L 3 ER 37/06 AY; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.03.2006 - L 8 B 13/05 AY ER).
Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gebotene summarische Prüfung des Anordnungsanspruchs hat ergeben, dass dieser zu bejahen ist.
Der Anspruch folgt allerdings nicht bereits aus dem Bescheid vom 07.03.2007, durch den Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt worden sind. Entgegen der Auffassung des Ast. bedurfte es keiner Aufhebung dieser Entscheidung ab 01.06.2007 gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 48 SGB X, da es sich bei dem Bescheid nicht um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Sozialhilfeleistungen, zu denen auch solche nach dem AsylbLG zählen, sind keine rentenähnliche Dauerleistungen und werden grundsätzlich nur für die nächstliegende Zeit bewilligt. Zwar ist der Leistungsträger nicht gehindert, den Hilfefall für einen längeren Zeitraum zu regeln; entscheidend ist jedoch, was Inhalt des betreffenden Verwaltungsakts ist (BSG, Urteil vom 08.02.2007 - B 9b AY 1/06 R). Der Bescheid vom 07.03.2007 bewilligt und berechnet ausschließlich und ausdrücklich die Leistungen nach dem AsylbLG "für den Monat 03/07". Auf Seite 4 des Bescheides wird ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen, dass die bewilligte Leistung zunächst nur für den Monat des Beginns der Hilfe gewährt wird; trete eine Änderung nicht ein, erfolge (ohne Antrag) aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung die Weiterzahlung der Leistung in der in diesem Bescheid angegebenen Höhe.
Daraus wird deutlich, dass der Ag. die Leistung nach § 2 AsylbLG nicht mit Dauerwirkung, sondern nur für den Monat März 2007 bewilligen wollte und bewilligt hat. Für die Monate April und Mai 2007 erfolgten jeweils (stillschweigend) entsprechende Neubewilligungen. Dementsprechend ist auch der Bescheid vom 23.05.2007, durch den dem Ast. (wieder) die niedrigeren Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt worden sind, als neuer Bewilligungsbescheid "für den Monat 06/07" formuliert und gewollt. Auch die Bewilligungen für die jeweiligen Folgemonate nach Juni 2007 sind dementsprechend (stillschweigende) Bewilligungsentscheidungen jeweils für einen Monat.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich jedoch daraus, dass der Ast. spätestens ab der 2. Hälfte des Monats Juni 2007 die zu diesem Zeitpunkt noch geltende Frist von 36 Monaten eines Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt hat. Dabei sind die Zeiten des Bezugs gekürzter Leistungen nach § 1a AsylbLG mit einzubeziehen. Denn die Kürzungen in diesem Zeitraum waren offensichtlich rechtswidrig. Es ist kein Verhalten des Ast. ersichtlich, das in den oben aufgeführten Zeiträumen des Bezugs von Leistungen nach § 1a AsylbLG eine Leistungskürzung gerechtfertigt hätte. Dies wäre nach der allein in Betracht kommenden Alternative des § 1a Nr. 2 AsylbLG nur dann der Fall gewesen, wenn beim Ast. aus von ihm zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten. Es kann hier dahinstehen, ob die in der Kürzungs- mitteilung vom 21.10.2005 dargelegten Gründe, dass der Ast. nicht im Besitz eines irakischen Reisedokuments sei und nicht bereit sei, den zur Ausreise erforderlichen Pass zu beschaffen, überhaupt geeignet sind, den Rechtsmissbrauchstatbestand zu erfüllen. Selbst wenn der Ast. sich derart verhalten hätte, wäre dieses Verhalten nicht dafür ursächlich gewesen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht hätten vollzogen werden können. Denn auch wenn er alle Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt hätte und im Besitz gültiger irakischer Reisedokumente gewesen wäre, hätte er gegen seinen Willen nicht abgeschoben werden können, da zum damaligen Zeitpunkt ein Abschiebestopp in den Irak bestand. Dies wird auch vom Antragsgegner nicht bestritten.
Es kann hier dahinstehen, ob in einer Mitteilung über die Kürzung von Leistungen nach § 3 AsylbLG auf solche nach § 1a AsylbLG überhaupt ein Verwaltungsakt zu sehen ist (verneinend: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.12.2006 - L 8 B 24/06 AY ER). Wenn es sich bei den entsprechenden Kürzungsbescheiden um Verwaltungsakte gehandelt hat, wären diese jedenfalls als nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X aufzuheben, da - wie dargelegt - das Recht bei Erlass dieser Verwaltungsakte unrichtig angewandt worden ist (zur Anwendbarkeit von § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht ausführlich: SG Aachen, Urteil vom 19.06.2007- 20 AY 4/07).
Sind nach alledem die Zeiten des Bezugs gekürzter Leistungen nach § 1a AsylbLG wegen der Rechtswidrigkeit dieser Kürzungen als Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG anzusehen, so ergibt sich aus der Addition der Leistungsbezugszeiten, dass der Ast. spätestens in der 2. Hälfte des Juni 2007 die - damals noch geltende - 36-Monatsfrist nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt hat. Soweit zwischenzeitlich durch Artikel 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) die Frist in § 2 Abs. 1 AsylbLG auf 48 Monaten angehoben worden ist, wirkt sich dies im Fall des Ast. nicht aus, da diese Regelung erst im August 2007 in Kraft getreten ist, zu einem Zeitpunkt also, als der Ast. schon Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII hatte. Die Frist des § 2 AsylbLG wird durch einen Leistungsbezug "über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten" (jetzt: 48 Monaten) erfüllt. Die Frist kann auch durch den Bezug von Leistungen unmittelbar nach dem SGB XII oder nach § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII erfüllt werden (SG Aachen a.a.O.). Deshalb sind in die Fristberechnung auch die 3 Monate des Bezugs nach Leistungen nach § 2 AsylbLG vom 01.03. bis 30.05.2007 einzubeziehen. Soweit der Ag. unter Bezug auf eine Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 27.03.2001 meint, nachhaltige Unterbrechungen eines Leistungsbezugs (von mindestens 6 Monaten) und das "Untertauchen" des Ast. über längere Zeiträume führe zu einem Neubeginn der Frist nach § 2 AsylbLG nach dem Ende des Unterbrechungstatbestandes, findet dies im Gesetz keine Stütze und wird - soweit ersichtlich - von der sozialgerichtlichen Rechtssprechung nicht geteilt.
Die Kammer hat die Verpflichtung des Antragsgegners auf den Zeitraum bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung beschränkt, da für eine weitergehende Verpflichtung kein Anordnungsgrund besteht. Die Kammer geht jedoch davon aus, dass der Antragsgegner, sofern sich die Sach- und Rechtslage nicht maßgebend ändern sollte, weiterhin nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bemessene Leistungen erbringen wird. Andernfalls stünde es dem Ast. frei, wiederum um gerichtlichen Eilschutz nachzusuchen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anordnung des § 193 SGG.
Gründe:
I.
Der Antragsteller (Ast.) ist irakischer Staatsangehöriger. Er erhielt in der Vergangenheit folgende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG):
Leistungen nach § 3 AsylbLG 23.12.2002 bis 28.02.2004 14 Monate, 9 Tage 07.04.2005 bis 31.10.2005 6 Monate, 24 Tage 01.02.2007 bis 28.02.2007 1 Monat ab 01.06.2007 laufend.
Leistungen gemäß § 2 AsylbLG 01.03.2007 bis 30.05.2007 3 Monate
Leistungen nach § 1a AsylbLG 01.11.2005 bis 30.11.2005 1 Monat 11.04.2006 bis 31.01.2007 9 Monate, 20 Tage
Nachdem der Antragsgegner (Ag.) durch Bescheid vom 07.03.2007 zunächst für den Monat März 2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt hatte und auch in den Folgemonaten April und Mai 2007 eine stillschweigende Bewilligung/Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG erfolgt war, bewilligte der Ag. durch Bescheid vom 23.05.2007 für den Monat Juni 2007 nur noch - wie zuletzt bis Februar 2007 - Leistungen nach § 3 AsylbLG. Zur Begründung führte er aus, dass bei nochmaliger Überprüfung festgestellt worden sei, dass der Ast. nicht nach § 2 AsylbLG leistungsberechtigt sei. In der Zeit vom 01.11.2005 bis 01.02.2007 seien Leistungskürzungen gemäß § 1a AsylbLG erfolgt. Bei einem Unterbrechungszeitraum der Leistungen gemäß § 3 AsylbLG bis zu 6 Monaten erfolge die weitere Berechnung der 36-Monatsfrist für den Erwerb der § 2 AsylbLG-Leistungsberechtigung erst ab dem Neubeginn der Leistung nach § 3 AsylbLG. Ab einer Unterbrechung über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten werde die 36-Monatsfrist nach Wegfall dieser Unterbrechung neu berechnet. Die Unterbrechung der Leistungen nach § 3 AsylbLG habe inm Fall des Ast. 15 Monate betragen und am 01.02.2007 geendet. Eine Leistungsberechtigung nach § 2 AsylbLG komme daher erst ab dem 01.02.2010 in Betracht, vorausgesetzt, dass keine Kürzung nach § 1a AsylbLG in dieser Zeit durchgeführt werde.
Am 13.09.2007 hat der Ast. um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er ist der Auffassung, die Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG sei rechtswidrig gewesen. In der Zeit der Leistungseinschränkung habe ein Abschiebestopp in den Irak bestanden. Die Gründe, die der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegen standen, hätten daher außerhalb des Einflussbereiches des Ast. gelegen, sodass diese nicht von ihm im Sinne des § 1a AsylbLG zu vertreten gewesen seien.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu ge- währen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzu- ehnen.
Er verweist u.a. auf einen Beschluss des OVG Niedersachsen vom 27.03.2001, wonach Unterbrechungen von mindestens 6 Monaten des Leistungsbezuges dazu führten, die 36-Monatsfrist neu anlaufen zu lassen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Ast. muss glaubhaft machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO), dass ihm ein Anspruch auf die geltend gemachte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren für ihn mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Anordnungsgrund). Einstweilige Anordnungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage dringend geboten ist.
Der Ast. hat die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches glaubhaft gemacht.
Ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit für eine gerichtliche Entscheidung ergibt sich bereits daraus, dass die begehrten Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII lediglich geeignet sind, das sog. soziokulturelle Existenzminimum des Ast. sicherzustellen. An diesem haben sich nach dem SGB XII bemessene Leistungen zu orientieren (LSG NRW, Beschluss vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 AY ER). Ein dringendes Regelungsbedürfnis ist nicht schon deswegen abzulehnen, weil der Ast. zumindest die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG weiter bezieht. § 3 AsylbLG gewährt keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne der §§ 27 ff. SGB XII i.V.m. der jeweils gültigen Regelsatzverordnung, sondern nur die erheblich niedrigeren Grundleistungen, die unterhalb des sozio- kulturellen Existenzminimums liegen (LSG Hamburg, Beschluss vom 27.04.2006 - L 4 B 84/06 ER AY; LSG NRW, Beschluss vom 29.03.2006 - L 20 B 6/06 AY ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.03.2006 - L 3 ER 37/06 AY; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.03.2006 - L 8 B 13/05 AY ER).
Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gebotene summarische Prüfung des Anordnungsanspruchs hat ergeben, dass dieser zu bejahen ist.
Der Anspruch folgt allerdings nicht bereits aus dem Bescheid vom 07.03.2007, durch den Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt worden sind. Entgegen der Auffassung des Ast. bedurfte es keiner Aufhebung dieser Entscheidung ab 01.06.2007 gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 48 SGB X, da es sich bei dem Bescheid nicht um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Sozialhilfeleistungen, zu denen auch solche nach dem AsylbLG zählen, sind keine rentenähnliche Dauerleistungen und werden grundsätzlich nur für die nächstliegende Zeit bewilligt. Zwar ist der Leistungsträger nicht gehindert, den Hilfefall für einen längeren Zeitraum zu regeln; entscheidend ist jedoch, was Inhalt des betreffenden Verwaltungsakts ist (BSG, Urteil vom 08.02.2007 - B 9b AY 1/06 R). Der Bescheid vom 07.03.2007 bewilligt und berechnet ausschließlich und ausdrücklich die Leistungen nach dem AsylbLG "für den Monat 03/07". Auf Seite 4 des Bescheides wird ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen, dass die bewilligte Leistung zunächst nur für den Monat des Beginns der Hilfe gewährt wird; trete eine Änderung nicht ein, erfolge (ohne Antrag) aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung die Weiterzahlung der Leistung in der in diesem Bescheid angegebenen Höhe.
Daraus wird deutlich, dass der Ag. die Leistung nach § 2 AsylbLG nicht mit Dauerwirkung, sondern nur für den Monat März 2007 bewilligen wollte und bewilligt hat. Für die Monate April und Mai 2007 erfolgten jeweils (stillschweigend) entsprechende Neubewilligungen. Dementsprechend ist auch der Bescheid vom 23.05.2007, durch den dem Ast. (wieder) die niedrigeren Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt worden sind, als neuer Bewilligungsbescheid "für den Monat 06/07" formuliert und gewollt. Auch die Bewilligungen für die jeweiligen Folgemonate nach Juni 2007 sind dementsprechend (stillschweigende) Bewilligungsentscheidungen jeweils für einen Monat.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich jedoch daraus, dass der Ast. spätestens ab der 2. Hälfte des Monats Juni 2007 die zu diesem Zeitpunkt noch geltende Frist von 36 Monaten eines Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt hat. Dabei sind die Zeiten des Bezugs gekürzter Leistungen nach § 1a AsylbLG mit einzubeziehen. Denn die Kürzungen in diesem Zeitraum waren offensichtlich rechtswidrig. Es ist kein Verhalten des Ast. ersichtlich, das in den oben aufgeführten Zeiträumen des Bezugs von Leistungen nach § 1a AsylbLG eine Leistungskürzung gerechtfertigt hätte. Dies wäre nach der allein in Betracht kommenden Alternative des § 1a Nr. 2 AsylbLG nur dann der Fall gewesen, wenn beim Ast. aus von ihm zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten. Es kann hier dahinstehen, ob die in der Kürzungs- mitteilung vom 21.10.2005 dargelegten Gründe, dass der Ast. nicht im Besitz eines irakischen Reisedokuments sei und nicht bereit sei, den zur Ausreise erforderlichen Pass zu beschaffen, überhaupt geeignet sind, den Rechtsmissbrauchstatbestand zu erfüllen. Selbst wenn der Ast. sich derart verhalten hätte, wäre dieses Verhalten nicht dafür ursächlich gewesen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht hätten vollzogen werden können. Denn auch wenn er alle Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt hätte und im Besitz gültiger irakischer Reisedokumente gewesen wäre, hätte er gegen seinen Willen nicht abgeschoben werden können, da zum damaligen Zeitpunkt ein Abschiebestopp in den Irak bestand. Dies wird auch vom Antragsgegner nicht bestritten.
Es kann hier dahinstehen, ob in einer Mitteilung über die Kürzung von Leistungen nach § 3 AsylbLG auf solche nach § 1a AsylbLG überhaupt ein Verwaltungsakt zu sehen ist (verneinend: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.12.2006 - L 8 B 24/06 AY ER). Wenn es sich bei den entsprechenden Kürzungsbescheiden um Verwaltungsakte gehandelt hat, wären diese jedenfalls als nach § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X aufzuheben, da - wie dargelegt - das Recht bei Erlass dieser Verwaltungsakte unrichtig angewandt worden ist (zur Anwendbarkeit von § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht ausführlich: SG Aachen, Urteil vom 19.06.2007- 20 AY 4/07).
Sind nach alledem die Zeiten des Bezugs gekürzter Leistungen nach § 1a AsylbLG wegen der Rechtswidrigkeit dieser Kürzungen als Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG anzusehen, so ergibt sich aus der Addition der Leistungsbezugszeiten, dass der Ast. spätestens in der 2. Hälfte des Juni 2007 die - damals noch geltende - 36-Monatsfrist nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt hat. Soweit zwischenzeitlich durch Artikel 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) die Frist in § 2 Abs. 1 AsylbLG auf 48 Monaten angehoben worden ist, wirkt sich dies im Fall des Ast. nicht aus, da diese Regelung erst im August 2007 in Kraft getreten ist, zu einem Zeitpunkt also, als der Ast. schon Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII hatte. Die Frist des § 2 AsylbLG wird durch einen Leistungsbezug "über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten" (jetzt: 48 Monaten) erfüllt. Die Frist kann auch durch den Bezug von Leistungen unmittelbar nach dem SGB XII oder nach § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII erfüllt werden (SG Aachen a.a.O.). Deshalb sind in die Fristberechnung auch die 3 Monate des Bezugs nach Leistungen nach § 2 AsylbLG vom 01.03. bis 30.05.2007 einzubeziehen. Soweit der Ag. unter Bezug auf eine Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 27.03.2001 meint, nachhaltige Unterbrechungen eines Leistungsbezugs (von mindestens 6 Monaten) und das "Untertauchen" des Ast. über längere Zeiträume führe zu einem Neubeginn der Frist nach § 2 AsylbLG nach dem Ende des Unterbrechungstatbestandes, findet dies im Gesetz keine Stütze und wird - soweit ersichtlich - von der sozialgerichtlichen Rechtssprechung nicht geteilt.
Die Kammer hat die Verpflichtung des Antragsgegners auf den Zeitraum bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung beschränkt, da für eine weitergehende Verpflichtung kein Anordnungsgrund besteht. Die Kammer geht jedoch davon aus, dass der Antragsgegner, sofern sich die Sach- und Rechtslage nicht maßgebend ändern sollte, weiterhin nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bemessene Leistungen erbringen wird. Andernfalls stünde es dem Ast. frei, wiederum um gerichtlichen Eilschutz nachzusuchen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anordnung des § 193 SGG.
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