S 13 KR 234/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 234/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Krankenversicherungs-(KV-) und Pflegeversicherungs-(PV-)Beiträge für die Zeit vom 01.05.2008 bis 31.12.2009 und die Erhebung von Säumniszuschlägen (SZ) gemäß § 24 Abs. 1a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).

Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezog bis zum 30.04.2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und war deshalb gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Seit 01.05.2008 war der Kläger als Dachdecker selbstständig erwerbstätig. Am 22.08.2008 zeigte er der Beklagten eine Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (sog. "Bürgerversicherung") an und beantragte eine Beitragsentlastung wegen geringer Einkünfte. Auf entsprechende Aufforderung der Beklagten legte der Kläger erstmals am 19.12.2008 eine Gewinnermittlung für 2007 über 9.355,02 EUR Gewinn und die entsprechende Einkommensteuer-Erklärung für 2007 vor. Erstmals an diesem Tag überwies er einen Betrag von 300,00 EUR auf die bis dahin angelaufenen Beiträge.

Durch bestandskräftigen Bescheid vom 08.01.2009 setzte die Beklagte zugleich im Namen der Pflegekasse vorläufig die KV-Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage (pro Kalendertag 1/60 der monatlichen Bezugsgröße) fest, ab 01.05.2008 monatlich 196,93 EUR, ab 01.07.2008 monatlich 200,03 EUR und ab 01.01.2009 monatlich 215,46 EUR. Den bis zum 31.12.2008 angelaufenen Beitragsrückstand bezifferte die Beklagte unter Einbeziehung der Überweisung von 300,00 EUR mit 1.294,04 EUR. Zugleich wies sie daraufhin, dass bei Beitragssäumnis ein Ruhen der Leistungsansprüche in Betracht kommen könne und SZ in Höhe von 5 % pro Monat ab dem zweiten Monat der Säumnis erhoben werden müssten.

Dagegen legte der Kläger am 21.01.2009 Widerspruch ein; er hielt die 5 %-Verzinsung pro Monat für rechtswidrigen Zinswucher.

Am 31.01.2009 erteilte er der Beklagten eine Einziehungsermächtigung bezüglich des festgestellten aktuellen Beitrags von 215,46 EUR und einer vereinbarten Rate von 50,00 EUR auf die Beitragsschuld. Gleichwohl kam es im Februar 2009 zum wiederholten Mal zu einer Rücklastschrift. Daraufhin stellte die Beklagte nach Anhörung des Klägers durch bestandskräftigen Bescheid vom 18.03.2009 das Ruhen der Leistungsansprüche in der KV gemäß § 16 Abs. 3a SGB V fest.

Am 18.05. und 15.06.2009 richtete die Beklagte Einkommensanfragen an den Kläger und forderte ihn auf, in einem beigefügten Fragebogen konkrete Angaben zum Einkommen zu machen. Mit Schreiben vom 08.07.2009 forderte die Beklagte den Kläger erneut auf, die Einkommensanfrage zu beantworten; zugleich wies sie ihn daraufhin, dass die Beiträge rückwirkend ab 01.05.2008 nach der Höchststufe berechnet werden müssten, wenn er den ausgefüllten und unterschriebenen Einkommensfragebogen sowie die erforderlichen Nachweise nicht spätestens bis 22.07.2009 vorgelegt habe. Auch darauf reagierte der Kläger nicht.

Daraufhin hob die Beklagte zugleich im Namen der Pflegekasse durch bestandskräftigen Bescheid vom 31.07.2009 den vorläufigen Bescheid vom 08.01.2009 auf und setzte die KV-/PV-Beiträge rückwirkend ab 01.05.2008 nach der Beitragsbemessungsgrenze (=Höchstbeitrag) fest, für die Zeit ab 01.05.2008 in Höhe von 570,60 EUR, ab 01.07.2008 in Höhe von 579,60 EUR, ab 01.01.2009 in Höhe von 628,43 EUR und ab 01.07.2009 in Höhe von 606,38 EUR.

Mit Schreiben vom 19.11.2009 wandte sich der Kläger an die Beklagte; er fasste das Ergebnis eines Gesprächs mit einem Sachbearbeiter der Beklagten dahingehend zusammen, dass die Forderung der Beklagten an ihn mittlerweile 12.300,00 EUR betrage und trotz all seiner Einwände in voller Höhe bestehen bleibe, dass er die "Verzinsung in Höhe von 5 % pro Monat nur für die Zukunft dadurch abwenden könne, dass er den oben genannten Betrag anerkenne und in eine Ratenzahlung einwillige und dass diese Ratenzahlung mit einer Jahresverzinsung von ca. 2 % nur dann gewährt werde, wenn er eine monatliche Ratenhöhe von ca. 280,00 EUR aufzubringen imstande sei. Der Kläger wies daraufhin, dass er von der Beklagten als Härtefall nach dem Mindestbeitragssatz eingestuft worden sei und sich die Höhe seiner Beiträge auf ca. 215,00 EUR belaufen habe. Seine Einkünfte seien sehr gering, seit Beginn des Jahres 2009 sei seine finanzielle Situation sehr schwierig. Es gebe objektive Gründe, die dazu geführt hätten, dass er die Anfragen hinsichtlich seiner Einkommensverhältnisse nicht habe beantworten können. Der Kläger verlangte in dem Schreiben von der Beklagten, dass diese unverzüglich eine seinen realen Einkommensverhältnisse entsprechende Einstufung über den gesamten Versicherungszeitraum wiederherstelle und mit ihm eine faire und tragbare Lösung erreiche, ihm die Begleichung vernünftiger Forderungen zu ermöglichen. Genaue und differenzierte Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen, wie in der Einkommensanfrage erbeten, machte er nicht.

Durch bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 08.01.2009 als unbegründet zurück. Die dagegen am 25.03.2010 erhobene Klage (S 13 KR 78/10) nahm der Kläger auf Hinweis des Gerichts wegen Versäumnis der Klagefrist zurück.

Am 09.02.2010 überreichte der Kläger der Beklagten eine Aufstellung über seine Einnahmen und Ausgaben im Jahre 2009. Auf entsprechende Anfrage teilte das Finanzamt Aachen-Kreis der Beklagten am 06.04.2010 mit, dass der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2007 am 05.02.2009 ergangen sei und Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9.355,00 EUR ausweise. Daraufhin setzte die Beklagte durch bestandskräftigen Bescheid vom 26.04.2010 im Rahmen einer Härtefallregelung die Beiträge zur KV/PV endgültig ab 01.01.2010 wieder nach der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage fest; der Gesamtbeitrag betrug danach 210,78 EUR pro Monat.

Die (unzulässige) Klage im Verfahren S 13 KR 78/10 sah die Beklagte als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an, und zwar sowohl gegen die SZ-Erhebung als auch gegen die Beitragsfestsetzung durch Bescheid vom 31.07.2009. Sie lehnte diesen Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 10.05.2010 ab mit der Begründung, die beanstandeten Beitragsbescheide seien sowohl hinsichtlich der durch Bescheid vom 31.07.2009 festgesetzten Höchstbeiträge als auch hinsichtlich der erhobenen SZ rechtmäßig ergangen.

Dagegen erhob der Kläger am 07.06.2010 Widerspruch, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 09.08.2010 als unbegründet zurückwies.

Seit dem 04.08.2010 erhielt der Kläger wieder Leistungen nach dem SGB II und war darüber wieder pflichtversichert.

Am 08.09.2010 hat der Kläger gegen die Erhebung der SZ und die rückwirkende Höchsteinstufung Klage erhoben. Er wendet sich gegen das "Gebaren" der Beklagten und ist der Auffassung, diese habe vielfach und massiv gegen ihre Informationspflicht verstoßen; sie missbrauche ihre Position, ihre Fachkenntnisse sowie das Recht und Gesetz selbst durch rücksichtslose Anwendung unter psychischer Verleumdung seiner Funktionen, seiner Aufgabe und seinem Sinn. Die Erhebung von SZ habe die Funktion, schlechte Zahler zu disziplinieren und entstehende Mehrkosten zu decken; es sei aber nicht ihre Aufgabe, zur Vernichtung einer finanziellen Existenz benutzt zu werden. Deshalb sei die Erhebung von SZ in diesem Ausmaß und in dieser Form unverhältnismäßig und ein Missbrauch des Rechts. Die rückwirkende Höchsteinstufung der Beiträge entspreche in keiner Weise seinem realen Einkommen; sie stelle ebenfalls eine unerträgliche Belastung für ihn dar, die seine Existenz zu zerstören drohe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.05.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2010 und Abänderung der bestandskräftigen Bescheide vom 08.01.2009 und 31.07.2009 sowie des bestandskräftigen Widerspruchsbescheides vom 14.12.2008 zu verurteilen, die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherungauch für die Zeit vom 01.05.2008 bis 31.12.2009 nach den Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen festzusetzen und für Beitragsrückstände keine Säumniszuschläge zu erheben.

Die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung. Sie sieht sich im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen, die vom GKV-Spitzenverband erlassenen Beitragsverfahrensgrundsätze und das bisherige Zahlungsverhalten des Klägers außerstande, von der Beitragsfestsetzung gemäß Bescheid vom 31.07.2009 und auch von der Erhebung von Säumniszuschlägen abzuweichen. Die Beklagte hat den Zahlungsrückstand des Klägers zum 29.12.2010 mit 23.430,92 EUR beziffert; hierauf entfielen 13.148,10 EUR auf die KV- und PV Beiträge, 9.970,35 EUR auf SZ, 306,97 EUR auf Mahn- und Vollstreckungsgebühren sowie 5,50 EUR auf sonstige Kosten. Sie weist die Anschuldigungen des Klägers in seinen Schriftsätzen entschieden zurück. Sie weist daraufhin, der Kläger habe keine der ihm gebotenen Möglichkeiten zur Reduzierung der Beiträge oder zur Verhinderung von SZ genutzt. Über die Einmalzahlung von 300,00 EUR hinaus habe der Kläger lediglich vier weitere Zahlungen getätigt, und zwar in Höhe von 55,50 EUR am 12.02.2009 und in Höhe von einmal 50,00 EUR sowie zweimal je 100,00 EUR am 22.09., 19.10. und 24.11.2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungakte der Beklagten und der Gerichtsakte S 13 KR 78/10, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat durch den Bescheid vom 31.07.2009 zurecht die Beiträge für die Zeit vom 01.05.2008 bis 31.12.2009 rückwirkend nach der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt, also den Höchstbeitrag gefordert. Darüber hinaus hat sie ebenfalls zurecht wegen der Beitragssäumnis des Klägers SZ und weitere Nebenkosten erhoben.

Der Kläger war - dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig - in der Zeit vom 01.05.2008 bis 03.08.2010 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der sog. Bürgerversicherung krankenversicherungspflichtig und über § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) auch pflegeversicherungspflichtig. Die Beitragspflicht und die Grundlagen für die Bemessung der Beiträge ergeben sich aus §§ 220 Abs. 1 Satz 1, 223, 227, 240 SGB V und § 27 Abs. 1 SGB XI, der auf § 240 SGB V verweist. Gemäß § 227 SGB V i.V.m. § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für Mitglieder in der Bürgerversicherung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V). § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V und § 7 der vom GKV-Spitzenverband erlassenen Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler bestimmen, dass als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße gilt. Für Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedriger Einnahmen jedoch mindestens der 40. bzw. 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Nach dieser für den Kläger maßgeblichen Bemessungsgrundlage hatte die Beklagte die Beiträge des Klägers ab 01.05.2008 vorläufig als Mindestbeitrag festgesetzt und hat sie dies endgültig durch Bescheid vom 26.04.2010 für die Zeit ab 01.01.2010 getan.

Soweit die Beklagte die Beiträge durch Bescheid vom 31.07.2009 unter Aufhebung des Beitragsfestsetzungsbescheides vom 08.01.2009 rückwirkend ab 01.05.2008 nach der Beitragsbemessungsgrundlage (in Höhe des Höchstbetrages) festgesetzt hat und dies Wirkung bis 31.12.2009 entfaltet, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. § 6 Abs. 5 der Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler des GKV-Spitzenverbandes bestimmt, dass für die weitere Beitragsbemessung 1/30 der Beitragsbemessungsgrundlage als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag zugrunde zu legen sind, sofern und solange Nachweise zum Einkommen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorgelegt werden. Eine Änderung (zugunsten des Versicherten) ist erst ab dem 1. des Folgemonats nach Vorlage der Nachweise zu berücksichtigen, wenn diese später vorgelegt werden. Die "weitere Beitragsbemessung" im Sinne von § 6 Abs. 5 der Beitragsverfahrensgrundsätze-Selbstzahler ist nicht (nur) temporär und auf künftige Beitragszeiträume bezogen gemeint, sondern gilt auch für eine neue (endgültige) Beitragsfestsetzung. Die Beklagte war somit, nachdem sie den Kläger mehrfach vergeblich nach seinen Einkommensverhältnissen befragt hatte, berechtigt, durch Bescheid vom 31.07.2009 die Beiträge rückwirkend für die Zeit ab 01.05.2008 neu - und endgültig - festzusetzen. Dem stand nicht entgegen, dass sie bereits mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 08.01.2009 über die Höhe der für die Zeit ab 01.05.2008 zu zahlenden Beiträge entschieden hatte. Denn dieser Bescheid enthielt keine endgültige Regelung, sondern setzte die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt fest (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 KR 30/07 R). Da der die Beiträge ab 01.05.2008 endgültig festsetzende Bescheid vom 31.07.2009 bestandskräftig wurde, bevor der Kläger - sei es durch sein Schreiben vom 19.11.2009 oder durch die Vorlage einer Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben des Jahres 2009 im Februar 2010 - aktuelle Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen gemacht hat, konnte diese auch nicht mehr die rückwirkende Beitragsfestsetzung durch den Bescheid vom 31.07.2009 wirkungslos machen (vgl. dazu ebenfalls BSG, a.a.O.). Erst durch die Angaben des Klägers im Februar 2010 und die Auskunft des Finanzamtes im April 2010 erhielt die Beklagte Einkommensangaben, die es ihr ermöglichten, die Beiträge neu - und jetzt wieder nach der Mindestbemessungsgrundlage - festzusetzen. Dies hat sie - zugunsten des Klägers - durch den Bescheid vom 26.04.2010 bereits ab 01.01.2010 getan. Zu einer endgültigen Festsetzung der Beiträge in der Mindesthöhe für die davor liegende Zeit vom 01.05.2008 bis 31.12.2009 - abweichend von dem bestandskräftigen Bescheid vom 31.07.2009 - war die Beklagte im Hinblick auf die für Selbstzahler geltenden Beitragsverfahrensgrundsätze nicht verpflichtet.

Die Säumniszuschläge (SZ) waren und sind von der Beklagten nach der zwingenden Vorschrift des § 24 Abs. 1a SGB IV zu erheben, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, d. h. der Versicherte mit den Beiträgen "säumig" ist. Dies war und ist beim Kläger der Fall, wie sich aus seinem Zahlungsverhalten und der Aufstellung der Beklagten ergibt. Er hat zwar geringe Zahlungen getätigt, jedoch zu keinem Zeitpunkt auch nur einen einzigen Beitrag fristgerecht entrichtet. Seine Zahlungen erreichen nicht einmal die Summe von vier Mindestbeiträgen, geschweige denn die tatsächlich zu zahlenden rückständigen Beiträge oder auch nur die SZ.

Die SZ gemäß § 24 Abs. 1a SGB IV sind zwar erheblich, überschreiten jedoch nach Auffassung der Kammer nicht die Grenze zur Verfassungswidrigkeit. Die insofern in der Literatur geäußerten Bedenken (vgl. Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar Stand: Juni 2010 § 24 SGB IV Rn. 14; Kasseler Kommentar/Seewald, Stand: Juli 2010, § 24 SGB IV, Rn. 8 ff.) teilt die Kammer nicht. Der Gesetzgeber hat die Höhe der SZ wie folgt begründet: "Aufgrund § 191 Nr. 3 SGB V endet bislang die freiwillige Mitgliedschaft, wenn zweimal am Zahltag die freiwilligen Beiträge nicht entrichtet wurden. Durch die Aufhebung dieser Vorschrift bleiben künftig freiwillige Mitglieder dauerhaft in der GKV versichert, ohne dass die Nichtzahlung von Beiträgen die Mitgliedschaft beendet. Die Einzugsstelle kann lediglich im Wege der regulären Vollstreckung Beiträge eintreiben. Zur Durchsetzung der Verpflichtung der Beitragszahlung ist die schuldhafte Nichtzahlung der Beiträge künftig mit einem höheren Säumniszuschlag zu versehen. Dies ist schon allein deshalb erforderlich, weil Einnahmeausfälle von der Versicherungsgemeinschaft auszugleichen sind. Die Sanktion durch Säumniszuschläge in Höhe von bisher einem Prozent ist nicht ausreichend. Gleiches gilt für Personen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig sind und ihre Beiträge nach § 250 Abs. 3 SGB V selbst zu tragen und dementsprechend nach § 252 Abs. 1 SGB V zu zahlen haben"

Die SZ sind daher weder nach dem Grund noch nach der Höhe willkürlich oder sozialstaatswidrig. Durch § 76 Abs. 2 SGB IV und die gem. § 217 f Abs. 3 SGB V vom GKV-Spitzenverband erlassenen Beitragserhebungsgrundsätze ist die Möglichkeit eröffnet, Beitragsforderungen auf Antrag, über den die Krankenkasse nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat, zu stunden, niederzuschlagen oder zu erlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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