Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 12 SB 517/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Grades der Be-hinderung (GdB) streitig.
Das Versorgungsamt B. stellte bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger mit Be-scheid vom 13.08.2004 aufgrund bestehender Hirndurchblutungsstörungen, Funkti-onseinschränkungen der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, Funktions-störungen der Verdauungsorgane, Herzrhythmusstörungen und einer Zuckerkrank-heit einen GdB von 40 fest. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch gab die Be-zirksregierung Münster insoweit statt, als weitere gesundheitliche Beeinträchtigung eine Funktionsstörung des linken Kniegelenks berücksichtigt wurde. Der Gesamt-GdB änderte sich hierdurch indes nicht.
Am 17.12.2014 stellte der Kläger einen Änderungsantrag und begehrte die Feststel-lung eines höheren GdB. Hierbei gab er an, er leide unter Bluthochdruck, (erhöhten) Blutfettwerten, Beeinträchtigungen des linken Kniegelenks (Knorpelschaden 4.-5. Grades), Arthrose im rechten dicken Zeh, einer Dupuytren Kontraktur beider Hände, einer affektiven Psychose sowie einer chronischen Bronchitis.
Der Beklagte wertete durch seinen ärztlichen Dienst einen Reha-Entlassungsbericht der Berolina-Klinik Löhne für die Zeit vom 30.09.2014 bis 04.11.2014, einen Befund-bericht des Allgemeinmediziners N. sowie einen Befundbericht des Orthopäden Dr. F. aus. Dieser kam zu der Einschätzung, die bisher festgestellten Hirndurchblutungs-störungen bestünden beim Kläger nicht. Diese Feststellung sei seinerzeit fälschlich getroffen worden, weil der behandelnde Arzt damals die falschen Unterlagen über-sandt habe. Im Übrigen bestünden seien beim Kläger Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB: 20), Funktionsstörungen der Verdauungsorgane (Einzel-GdB: 10), Herzrhythmusstörungen (Einzel-GdB: 10), eine Zuckerkrankheit (Einzel-GdB: 10) und Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaße (Einzel-GdB: 10). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 komme daher nicht in Betracht.
Mit Bescheid vom 19.02.2015 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB ab. Hiergegen legte der Kläger am 12.03.2015 Widerspruch ein, den er damit begründete die bei ihm bestehende Chondromalacia patellae (Stadium IV) mit anhal-tenden Reizerscheinungen im linken Knie und der Hallux valgus rechts seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Diese beeinflussten sich gegenseitig ungünstig.
Der Beklagte holte Befundberichte der Orthopäden Dr. T. und N. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung es könne als weitere gesundheitliche Beeinträchtigung eine Funktionsstörung der oberen Gliedmaße (Morbus Dupuytren) einbezogen werden. An der Höhe des Gesamt-GdB ändere sich hierdurch nichts.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2015 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Am 24.06.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Allgemeinmediziners N. und des Orthopä-den N. und hat darüber hinaus ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin und Ar-beitsmedizin – Sozialmedizin – Dr. Q. beauftragt, welches dieser nach einer Untersu-chung des Klägers am 12.01.2016 gegenüber dem Gericht erstattet hat.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 01.02.2016 ausgeführt, das Gutachten berück-sichtige zu wenig die Funktionsstörungen der unteren Gliedmaße. Es bestehe beid-seits eine Chondromalacia patellae sowie zusätzlich rechts noch ein Hallux valgus. Schon hierfür sei ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen, so dass insgesamt ein GdB von 50 angemessen sei.
Im Rahmen des am 01.03.2016 durchgeführten Termins zur mündlichen Verhand-lung hat der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2015 zu verurteilen, bei ihm ab dem 17.12.2014 einen GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich auf die Stellungnahmen seines ärztlichen Dienstes sowie das eingeholte Gutachten des Dr. Q. bezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezo-gene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Be-scheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer GdB als 40 zu.
Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versor-gungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wech-selseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Ur-teil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversor-gungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungs-medizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Me-thoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchti-gungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-grades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderun-gen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Ge-samtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizini-schen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsät-zen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätz-lich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuwei-sen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrschein-lichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünfti-ger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Klä-ger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht die Feststellung eines GdB von mehr als 40 rechtfertigen.
Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter
1. Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen 2. Funktionsstörungen der Wirbelsäule 3. Funktionsstörungen der oberen Gliedmaßen 4. Chronische Bronchitis 5. Bluthochdruck 6. Funktionsstörung der Verdauungsorgane 7. Leichte seelische Beeinträchtigung 8. Fettstoffwechselstörung bei Adipositas
Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie der Gutachten des Dr. Q. fest.
1. Für das Funktionssystem der unteren Gliedmaße ist der GdB gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit 30 zu bewerten. Im Rahmen einer MRT-Diagnostik wurde hinsichtlich des linken und des rechten Knies ein Knorpelschaden im Hauptgelenk Grad III bis IV gesichert (zur Klassifikation von Knorpelschäden, vgl. etwa Ludolph, Der Unfallmann, 13. Aufl. 2013, S. 581). Für ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen sehen die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 10 bis 30 für den Fall vor, dass keine Bewegungseinschränkungen vorliegen. Bestehen Bewegungs-einschränkungen so ist ein Bewertungsspielraum von 20 bis 40 eröffnet. Bewe-gungseinschränkungen der Knie konnten im Rahmen der Begutachtung nicht objek-tiviert werden. Sowohl rechts als auch links beschrieb der Gutachter die Beu-gung/Streckung mit 140°/0°/0°. Die Beweglichkeit beider Knie war mit damit alters-entsprechend normgerecht (vgl. zu den anatomisch normalen Bewegungsausmaßen, Schünke, Topgraphie und Funktion des Bewegungssystems, 2. Aufl. 2014, S. 62; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 16). Der Gutachter beschrieb, dass der Kläger auch nach langem und ruhigen Sitzen bei der Anamnesebildung weitgehend problemlos aufstehen konnte. Das Gangbild war unauffällig, beide Knie waren nicht überwärmt oder geschwollen. Die Knieschei-ben (Patellae) waren beidseits gut verschieblich. Es fand sich allerdings ein Reibege-räusch im linken Knie auch bei der Streckung. Die Muskeln im Bereich des linken Beines waren gegenüber rechts gemindert. Der Kläger schilderte während der münd-lichen Verhandlung, die Angaben des Gutachters träfen zwar zu. Er habe aber er-hebliche Probleme mit den Knien insbesondere nach längeren Gehstrecken und auch bei der Arbeit, insbesondere, wenn er Treppen steigen müsse. Dass solche Beschwerden bestehen ist für die Kammer aufgrund der diagnostizierten Knorpel-schäden durchaus nachvollziehbar. Dass der Kläger hier bei seinem Beruf als Indust-riemeister und Werkstattleiter des Studentenwerkes B. besonders betroffen sein mag, ist indes für die Feststellung des GdB irrelevant (vgl. BGS Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R = juris Rn. 23; Sozialgericht – SG – Aachen Urteil vom 15.04.2015 – S 12 SB 223/14 = juris Rn. 35). Wesentlich in diesem Zusammenhang erscheint der Kammer indes, dass der Kläger auch nach seinen eigenen Angaben insbesondere bei Belastung Probleme mit den Knien bekommt. Nach Auffassung der Kammer sind damit – unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Untersuchung – anhaltende Reizerscheinungen nicht objekti-viert. Vor diesem Hintergrund ist der Bewertungsspielraum von 10 bis 30, denn nur dieser ist im Hinblick auf die nicht objektivierten Bewegungseinschränkungen eröff-net, keinesfalls nach oben auszuschöpfen. Berücksichtigt man freilich die Tatsache, dass bei beiden Knien ein Knorpelschaden nachgewiesen ist, kommt insoweit ein GdB von 20 durchaus in Betracht. Für den Bereich der unteren Extremitäten sind dabei freilich noch erschwerend die nachgewiesenen Beeinträchtigungen der großen Zehen in Ansatz zu bringen. Hier ist bildgebend eine deutliche Arthrose des Großzehengrundgelenks rechts nachgewie-sen und durch den behandelnden Orthopäden Dr. G. die Diagnose eines Hallux rigidus rechts gestellt. Bei der Untersuchung durch Dr. G. fand sich ein nahezu wa-ckelsteifes Großzehengrundgelenk, die Dorsalflexion war maximal bis 3° möglich. Er beschrieb eine schmerzhafte Krepitation (Reiben im Gelenk) und einen Überstre-ckungsschmerz. Er empfahl eine Versteifungsoperation. Dr. Q. beschreibt in seinem Gutachten klinisch ein ähnliches Bild. Bei nicht vorhandener Rötung oder Überwärmung beschrieb er einen Druckschmerz des rechten Großzehengrundge-lenks. Die linke Großzehe war ebenfalls in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Die Beschwerden des Klägers im Bereich der Zehen sind nach Einschätzung der Kam-mer – in Übereinstimmung mit Dr. Q. – mit 20 zu bewerten. Die Bewertung erfolgt in Anlehnung an die Vorgaben, die die Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu einer Versteifung der Großzehengelenke macht. Eine Versteifung in günstiger Stellung bedingt einen GdB von 10, in ungünstiger Stellung einen GdB von 20. Nun sind beim Kläger beide Großzehen (bislang) noch nicht versteift, unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Schmerzen durch die fortgeschrittene Arthrose erscheint es aber angemessen, den GdB mit 20 zu bewerten. Die Beugung/Streckung der Hüfte konnte nach Neutral-Null beidseits mit 120°/0°/10° ermittelt werden, was weitgehend altersentsprechend normgerecht ist. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Absprei-zens/Anführens 40°/0°/20° und der Drehung einwärts/auswärts (90° gebeugt) mit 40°/0°/30° (vgl. Neurath/Lohse, Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung, 4. Aufl. 2015, 17.5.3; vgl. hierzu Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 16). Für das Funktionssystem der unteren Extremitäten geht die Kammer nach alledem – in Übereinstimmung mit dem Gutach-ter Dr. Q. – von einem GdB von 30 aus. Ein höherer GdB kommt im Hinblick auf die objektivierten Beeinträchtigungen, auch im Hinblick auf das beschriebene unauffällige Gangbild nicht in Betracht.
2. Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 10, allerhöchstens soeben 20, in An-satz zu bringen.
Der Kläger beschreibt – auf gezieltes Befragen – dass Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule immer da seien. Häufigeres Bücken führe zu einer Verstärkung der Beschwerden. Zum Teil werde Krankengymnastik verordnet.
Der Gutachter beschreibt bei der Oberkörpervorneigung einen Finger-Boden-Abstand von 15 cm. Die Oberkörperrückneigung beschreibt der Gutachter mit 0°/20° und damit als gering endgradig eingeschränkt, die Oberkörperseitneigung beidseits nicht wesentlich eingeschränkt. Die Seitenneigung des Rumpfes war mit 30°/0/°30° und die Drehung mit 50°/0°/50° weitestgehend altersentsprechend normgerecht (vgl. zu den Bewegungsausmaßen der Wirbelsäule allgemein Grifka/Krämer, Orthopädi-sche Unfallchirurgie, 9. Aufl. 2013, S. 157 f.; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopä-disch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 17). Wie bereits oben dargelegt war der Kläger auch in der Lage lange und ruhig zu sitzen und anschließend weitgehend problemlos aufzustehen. Das Gangbild war unauffällig. Das An- und Ausziehen war gut möglich. Der Patella- und der Achillessehnenreflex waren seitengleich auslösbar. Pathologische Reflexe fanden sich nicht. Das Lasègue-Zeichen war beidseits nega-tiv. Es fanden sich beim Kläger mithin leichtgradige Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Dies korrespondiert auch mit den übrigen im Verfah-ren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen und den anamnestischen Angaben des Klägers. Ein höherer GdB als 10 ist nach Auffassung der Kammer auf Grundlage der Versorgungsmedizinischen Grundsätze hierfür an sich nicht in Ansatz zu bringen. Die Auffassung von Dr. Q., es bestehe ein GdB von 20, der allerdings nur soeben er-reicht sei, erscheint der Kammer indes – äußerst wohlwollend für den Kläger – eben-falls noch vertretbar.
3. Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten sind beim Kläger die verblieben-den Beeinträchtigungen nach diversen Operationen bei Morbus Dupuytren zu be-rücksichtigen. Unter einer Dupuytren-Kontraktur versteht man eine Erkrankung der kollagenen Faserbündel des straffen Bindegewebes der Palmarseite der Hand. Es kommt zu einer Fibrose mit Knotenbildung und Umbauvorgängen in deren Verlauf sich eine Verkürzung der Faserbündel mit einer Kontraktur der betroffenen Gelenke entwickelt. Hierbei sind vorwiegend längslaufende, im Rahmen der normalen Hand-funktion unter Zugbelastung stehende Faserbündel betroffen (Berger/Hierner [Hrsg.]. Plastische Chirurgie, Bd. IV Extremitäten, 2009, S. 84). Beim Kläger sind rechts und links verschiedene partielle Fasziektomien durchgeführt worden (vgl. hierzu Ber-ger/Hierner [Hrsg.]. Plastische Chirurgie, Bd. IV Extremitäten, 2009, S. 106 f.). Maß-geblich ist für die Beurteilung des GdB an den Händen der Zustand nach diesen Operationen. Der Kläger beschrieb gegenüber dem Gutachter, dass sich in der linken Hohlhand ein neuer Knoten an der Außenseite der Mittelhand entwickelt habe. Der Gutachter beschrieb Narben im Bereich beider Hohlhände mit einer narbigen Verdickung im Bereich der linken äußeren Mittelhand vor dem Kleinfinger. Darüber hinaus bestand noch eine Streckhemmung im Bereich des rechten Kleinfingers. Wesentliche Bewegungseinschränkungen, die in Anwendung von Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von mehr als 10 bedingen würden, fanden sich nach Einschätzung des Gutachters nicht. Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Sonstige Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten, die einen GdB von mehr als 10 bedingen würden sind ebenfalls nicht objektiviert.
4. Für das Funktionssystem der tieferen Atemwege und Lunge ist gemäß Teil B Ziffer 8 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von allenfalls 10 festzustellen.
Der Kläger gab gegenüber dem Gutachter an, er sei schneller außer Puste als früher, was er aber auf mangelnde Kondition zurückführe. Der Hausarzt habe bislang keine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt, einen Lungenfacharzt habe er bislang nicht aufgesucht. Im Rahmen des gerichtlich angeforderten Befundberichts gab der Hausarzt des Klägers unter anderem die Diagnose einer chronischen Bronchitis an. Broncho-pulmonal wirkende Medikamente nimmt der Kläger nach eigenen Angaben nicht ein. Im Rahmen der Begutachtung war die Lunge auskultatorisch und perkuto-risch unauffällig. Auch die ganzköperperplethysmographische Untersuchung durch Dr. Q. ergab keine Hinweise auf eine restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung. Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers und der durch den Hausarzt gestellten Diagnose einer chronischen Bronchitis ist hier gemäß Teil B Ziffer 8.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze eine Bewertungsspielraum von 0 bis 10 eröffnet, wobei die Feststellung eines GdB von 10, worauf auch der Gutach-ter zu Recht hinweist, für den Kläger sehr wohlwollend ist.
5. Für das Funktionssystem von Herz und Kreislauf ist im Hinblick auf den medikamen-tös behandelten Bluthochdruck des Klägers gemäß Teil B Ziffer 9.3 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ebenfalls von einem GdB von höchstens 10 auszu-gehen. Der Kläger nimmt nach eigenen Angaben des Medikament Biso 10 (Wirkstoff: Bisoprolol) zur Behandlung seines bekannten Bluthochdrucks. Er misst den Blutdruck drei- bis viermal im Monat. Dieser sei gut eingestellt, zuletzt bei 135/85 mmHg. Bei einem Kardiologen wäre er seit gut zehn Jahren nicht mehr gewesen. Beim Augen-arzt sei er 2014 gewesen, der aber durch den Bluthochdruck bedingte Augenhinter-grundveränderungen nicht festgestellt habe. Die Untersuchung des Thorax durch Dr. Q. ergab keine pathologischen Geräusche und eine regelmäßige Herzreaktion. So-weit der Gutachter den Blutdruck mit 180/110 mmHg ermittelt hat, führt er dies – für die Kammer, gerade unter Berücksichtigung der übrigen Angaben des Klägers nach-vollziehbar – auf die Untersuchungssituation zurück (vgl. allgemein zur sog. "Praxis-hypertonie" Midekke, Arterielle Hypertonie, 2005, S. 47 f.). Vor dem Hintergrund, dass Schädigungen an Zielorganen bislang nicht objektiviert sind, ist der Bewer-tungsspielraum von 0 bis 10 eröffnet. Auch hier erscheint damit allenfalls ein GdB von 10 zutreffend.
6. Der Kläger leidet nach eigenen Angaben insbesondere im Frühjahr und Herbst unter Magenbeschwerden. Eine chronische Gastritis sei bekannt. Eine Magenspiegelung sei zuletzt vor vier bis fünf Jahren erfolgt. Bei Beschwerden nehme er Pantoprazol. Unter Berücksichtigung von Dauer und Umfang der Beschwerden sowie der Möglich-keit der anlassbezogenen Behandlung mit Pantoprazol ist nach Auffassung der Kammer gemäß Teil B Ziffer 10.2.1 der Versorgungsmedizinschen Grundsätze ein GdB von mehr als 10 keinesfalls gerechtfertigt.
7. Der Kläger beschrieb gegenüber dem Gutachter auch, dass im Hinblick auf eine bei seinem Sohn 2009 diagnostizierte Leukämie mit anschließender Knochenmarktrans-plantation und den weiterhin erforderlichen Kontrolluntersuchungen Ängste ergeben hätten. Diese Ängste träten insbesondere anlassbezogen auf, etwa dann, wenn wie-der einmal eine Kontrolluntersuchung bei seinem Sohn anstehe oder auch wenn zu ungewöhnlichen Zeiten sein Sohn bei ihm anrufe. Der Kläger nehme dann Mirtazapin 15 ein, welches er von seinem Hausarzt verordnet bekommen habe. Im Rahmen der Reha-Behandlung des Klägers 2014 war die Diagnose einer Anpassungsstörung in diesem Zusammenhang gestellt worden. Bei der Untersuchung durch Dr. Q. fanden sich keine psychischen Auffälligkeiten des Klägers. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich nicht in fachpsychiatrischer oder fachpsychologischer Behandlung befin-det und dass sich weder aus der Akte noch aus dem Vortrag des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. Q. oder dem Gericht Anhaltspunkte für wesentliche oder länger-fristige Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ergeben, da die von ihm beschriebenen Angstzustände durchaus auch für die Kammer nachvollziehbar auf bestimmte Anlässe bezogen sind, geht die Kammer mit dem erfahrenen sozial-medizinischen Gutachter Dr. Q. davon aus, dass hier eine leichtere psychische Stö-rung im Sinne einer leichteren Angststörung vorliegt. Die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 10 gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinische Grundsätze ist vorliegend nicht objektiviert. Bei der gegebenen Sachlage war die Kammer auch nicht gehalten diesbezüglich weiter ermitteln.
8. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB von mindestens 10 rechtfertigen würden sind nicht objektiviert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das beim Kläger bestehende Übergewicht – nach eigenen Angaben wiegt der Kläger 113 kg bei einer Größe von 185 cm (BMI 33 kg/m2) und die diagnostizierte Fettstoffwech-selstörung gemäß Teil B Ziffer 15.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.
Ausgehend von den objektivierten Beeinträchtigungen ist bei dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen.
§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchti-gungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigun-gen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammen-schau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-gutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Be-weiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrach-tungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich ver-stärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris).
Im vorliegenden Fall ist als führender GdB derjenige für die unteren Gliedmaße Be-einträchtigungen heranzuziehen. Dieser GdB ist – wie oben ausführlich dargelegt –mit 30 zu bewerten. Dieser Wert ist unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Wirbelsäule – wohlwollend auf 40 zu erhöhen. Die Annahme eines GdB von 30 für einen Morbus Parkinson kommt demgegenüber nicht mehr in Betracht. Dieser liegt nicht vor. Soweit weitere Beeinträchtigungen vorliegen, bedingen diese nach Auffassung der Kammer lediglich einen GdB von höchstens 10. Unter Berücksichti-gung des Zusammenspiels der Beeinträchtigungen sind sie nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, den Gesamt-GdB zu erhöhen.
Der Beklagte hatte damit – im Ergebnis zutreffend – unter Berücksichtigung des be-standskräftigen Bescheides vom 13.08.2004 den GdB mit 40 bewertet.
Zwar lag beim Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Morbus Parkinson vor, weswegen auch der insoweit in Ansatz gebrachte GdB von 30 für dieses Leiden falsch war. Der unter anderem hierfür gestützte Gesamt-GdB – aber eben auch nur dieser – ist in Bestandskraft erwachsen (vgl. dazu etwa BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 = juris). Eine Absenkung des Gesamt-GdB zu Lasten des Klägers wäre nur im Rah-men des § 45 SGB X möglich gewesen. Hierfür sind indes zwischenzeitlich zweifellos die entsprechenden Fristen abgelaufen. Der Kläger genießt insoweit zweifelsohne Bestandsschutz.
Der Beklagte war aber nach Auffassung der Kammer nicht gehindert, unter Berück-sichtigung der nunmehr nachgewiesenen, tatsächlichen Beeinträchtigungen des Klä-gers den GdB weiter mit 40 festzustellen. Eine Bindung des Beklagten an die Einzel-GdB im Bescheid vom 13.08.2004 besteht gerade nicht (BSG Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 17/97 R = juris). Maßgeblicher Regelungsinhalt eines Feststellungsbe-scheids über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung bildet nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behin-derten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben, § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 sowie Abs. 3 SGB IX. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Ge-samtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchti-gungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (BSG Urteil vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B = juris). Einzel-GdB, die den GdB separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 SGB X) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung (BSG Urteil vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B = juris). Auf die Frage der verfahrensrechtlichen Vorgehens nach § 48 Abs. 3 SGB X (vgl. BSG Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 6/12 R = juris) kam es vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Kammer nicht an, da letztlich der bisherig bestandskräftige GdB bestätigt wurde.
Eine Erhöhung des Gesamt-GdB, insbesondere die Feststellung des begehrten GdB von 50, kommt derzeit nach Auffassung der Kammer damit nicht in Betracht Die ob-jektivierten Beeinträchtigungen des Klägers lassen sich nicht gemäß Teil A Nr. 3 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem einzelnen Gesundheits-schaden vergleichen, für den die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen fes-ten GdB-Wert von 50 angeben (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 49 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und den hierzu vertretenen Meinungsstand in der Literatur). Insbesondere lassen sich Beeinträchtigungen vergleichbar einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthesen die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb), oder aber einer Versteifung des Hüftgelenks in ungünstiger Stellung oder dem Verlust eines Beins im Unterschenkel bei dem Kläger nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Grades der Be-hinderung (GdB) streitig.
Das Versorgungsamt B. stellte bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger mit Be-scheid vom 13.08.2004 aufgrund bestehender Hirndurchblutungsstörungen, Funkti-onseinschränkungen der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, Funktions-störungen der Verdauungsorgane, Herzrhythmusstörungen und einer Zuckerkrank-heit einen GdB von 40 fest. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch gab die Be-zirksregierung Münster insoweit statt, als weitere gesundheitliche Beeinträchtigung eine Funktionsstörung des linken Kniegelenks berücksichtigt wurde. Der Gesamt-GdB änderte sich hierdurch indes nicht.
Am 17.12.2014 stellte der Kläger einen Änderungsantrag und begehrte die Feststel-lung eines höheren GdB. Hierbei gab er an, er leide unter Bluthochdruck, (erhöhten) Blutfettwerten, Beeinträchtigungen des linken Kniegelenks (Knorpelschaden 4.-5. Grades), Arthrose im rechten dicken Zeh, einer Dupuytren Kontraktur beider Hände, einer affektiven Psychose sowie einer chronischen Bronchitis.
Der Beklagte wertete durch seinen ärztlichen Dienst einen Reha-Entlassungsbericht der Berolina-Klinik Löhne für die Zeit vom 30.09.2014 bis 04.11.2014, einen Befund-bericht des Allgemeinmediziners N. sowie einen Befundbericht des Orthopäden Dr. F. aus. Dieser kam zu der Einschätzung, die bisher festgestellten Hirndurchblutungs-störungen bestünden beim Kläger nicht. Diese Feststellung sei seinerzeit fälschlich getroffen worden, weil der behandelnde Arzt damals die falschen Unterlagen über-sandt habe. Im Übrigen bestünden seien beim Kläger Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule (Einzel-GdB: 20), Funktionsstörungen der Verdauungsorgane (Einzel-GdB: 10), Herzrhythmusstörungen (Einzel-GdB: 10), eine Zuckerkrankheit (Einzel-GdB: 10) und Funktionsbeeinträchtigungen der unteren Gliedmaße (Einzel-GdB: 10). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 komme daher nicht in Betracht.
Mit Bescheid vom 19.02.2015 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB ab. Hiergegen legte der Kläger am 12.03.2015 Widerspruch ein, den er damit begründete die bei ihm bestehende Chondromalacia patellae (Stadium IV) mit anhal-tenden Reizerscheinungen im linken Knie und der Hallux valgus rechts seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Diese beeinflussten sich gegenseitig ungünstig.
Der Beklagte holte Befundberichte der Orthopäden Dr. T. und N. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung es könne als weitere gesundheitliche Beeinträchtigung eine Funktionsstörung der oberen Gliedmaße (Morbus Dupuytren) einbezogen werden. An der Höhe des Gesamt-GdB ändere sich hierdurch nichts.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2015 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Am 24.06.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Allgemeinmediziners N. und des Orthopä-den N. und hat darüber hinaus ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin und Ar-beitsmedizin – Sozialmedizin – Dr. Q. beauftragt, welches dieser nach einer Untersu-chung des Klägers am 12.01.2016 gegenüber dem Gericht erstattet hat.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 01.02.2016 ausgeführt, das Gutachten berück-sichtige zu wenig die Funktionsstörungen der unteren Gliedmaße. Es bestehe beid-seits eine Chondromalacia patellae sowie zusätzlich rechts noch ein Hallux valgus. Schon hierfür sei ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen, so dass insgesamt ein GdB von 50 angemessen sei.
Im Rahmen des am 01.03.2016 durchgeführten Termins zur mündlichen Verhand-lung hat der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2015 zu verurteilen, bei ihm ab dem 17.12.2014 einen GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich auf die Stellungnahmen seines ärztlichen Dienstes sowie das eingeholte Gutachten des Dr. Q. bezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezo-gene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Be-scheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer GdB als 40 zu.
Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (BSG Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versor-gungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wech-selseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Ur-teil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversor-gungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungs-medizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Me-thoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchti-gungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-grades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderun-gen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Ge-samtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizini-schen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsät-zen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätz-lich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuwei-sen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrschein-lichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünfti-ger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Klä-ger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht die Feststellung eines GdB von mehr als 40 rechtfertigen.
Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter
1. Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen 2. Funktionsstörungen der Wirbelsäule 3. Funktionsstörungen der oberen Gliedmaßen 4. Chronische Bronchitis 5. Bluthochdruck 6. Funktionsstörung der Verdauungsorgane 7. Leichte seelische Beeinträchtigung 8. Fettstoffwechselstörung bei Adipositas
Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie der Gutachten des Dr. Q. fest.
1. Für das Funktionssystem der unteren Gliedmaße ist der GdB gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit 30 zu bewerten. Im Rahmen einer MRT-Diagnostik wurde hinsichtlich des linken und des rechten Knies ein Knorpelschaden im Hauptgelenk Grad III bis IV gesichert (zur Klassifikation von Knorpelschäden, vgl. etwa Ludolph, Der Unfallmann, 13. Aufl. 2013, S. 581). Für ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen sehen die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 10 bis 30 für den Fall vor, dass keine Bewegungseinschränkungen vorliegen. Bestehen Bewegungs-einschränkungen so ist ein Bewertungsspielraum von 20 bis 40 eröffnet. Bewe-gungseinschränkungen der Knie konnten im Rahmen der Begutachtung nicht objek-tiviert werden. Sowohl rechts als auch links beschrieb der Gutachter die Beu-gung/Streckung mit 140°/0°/0°. Die Beweglichkeit beider Knie war mit damit alters-entsprechend normgerecht (vgl. zu den anatomisch normalen Bewegungsausmaßen, Schünke, Topgraphie und Funktion des Bewegungssystems, 2. Aufl. 2014, S. 62; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 16). Der Gutachter beschrieb, dass der Kläger auch nach langem und ruhigen Sitzen bei der Anamnesebildung weitgehend problemlos aufstehen konnte. Das Gangbild war unauffällig, beide Knie waren nicht überwärmt oder geschwollen. Die Knieschei-ben (Patellae) waren beidseits gut verschieblich. Es fand sich allerdings ein Reibege-räusch im linken Knie auch bei der Streckung. Die Muskeln im Bereich des linken Beines waren gegenüber rechts gemindert. Der Kläger schilderte während der münd-lichen Verhandlung, die Angaben des Gutachters träfen zwar zu. Er habe aber er-hebliche Probleme mit den Knien insbesondere nach längeren Gehstrecken und auch bei der Arbeit, insbesondere, wenn er Treppen steigen müsse. Dass solche Beschwerden bestehen ist für die Kammer aufgrund der diagnostizierten Knorpel-schäden durchaus nachvollziehbar. Dass der Kläger hier bei seinem Beruf als Indust-riemeister und Werkstattleiter des Studentenwerkes B. besonders betroffen sein mag, ist indes für die Feststellung des GdB irrelevant (vgl. BGS Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R = juris Rn. 23; Sozialgericht – SG – Aachen Urteil vom 15.04.2015 – S 12 SB 223/14 = juris Rn. 35). Wesentlich in diesem Zusammenhang erscheint der Kammer indes, dass der Kläger auch nach seinen eigenen Angaben insbesondere bei Belastung Probleme mit den Knien bekommt. Nach Auffassung der Kammer sind damit – unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Untersuchung – anhaltende Reizerscheinungen nicht objekti-viert. Vor diesem Hintergrund ist der Bewertungsspielraum von 10 bis 30, denn nur dieser ist im Hinblick auf die nicht objektivierten Bewegungseinschränkungen eröff-net, keinesfalls nach oben auszuschöpfen. Berücksichtigt man freilich die Tatsache, dass bei beiden Knien ein Knorpelschaden nachgewiesen ist, kommt insoweit ein GdB von 20 durchaus in Betracht. Für den Bereich der unteren Extremitäten sind dabei freilich noch erschwerend die nachgewiesenen Beeinträchtigungen der großen Zehen in Ansatz zu bringen. Hier ist bildgebend eine deutliche Arthrose des Großzehengrundgelenks rechts nachgewie-sen und durch den behandelnden Orthopäden Dr. G. die Diagnose eines Hallux rigidus rechts gestellt. Bei der Untersuchung durch Dr. G. fand sich ein nahezu wa-ckelsteifes Großzehengrundgelenk, die Dorsalflexion war maximal bis 3° möglich. Er beschrieb eine schmerzhafte Krepitation (Reiben im Gelenk) und einen Überstre-ckungsschmerz. Er empfahl eine Versteifungsoperation. Dr. Q. beschreibt in seinem Gutachten klinisch ein ähnliches Bild. Bei nicht vorhandener Rötung oder Überwärmung beschrieb er einen Druckschmerz des rechten Großzehengrundge-lenks. Die linke Großzehe war ebenfalls in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt. Die Beschwerden des Klägers im Bereich der Zehen sind nach Einschätzung der Kam-mer – in Übereinstimmung mit Dr. Q. – mit 20 zu bewerten. Die Bewertung erfolgt in Anlehnung an die Vorgaben, die die Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu einer Versteifung der Großzehengelenke macht. Eine Versteifung in günstiger Stellung bedingt einen GdB von 10, in ungünstiger Stellung einen GdB von 20. Nun sind beim Kläger beide Großzehen (bislang) noch nicht versteift, unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Schmerzen durch die fortgeschrittene Arthrose erscheint es aber angemessen, den GdB mit 20 zu bewerten. Die Beugung/Streckung der Hüfte konnte nach Neutral-Null beidseits mit 120°/0°/10° ermittelt werden, was weitgehend altersentsprechend normgerecht ist. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Absprei-zens/Anführens 40°/0°/20° und der Drehung einwärts/auswärts (90° gebeugt) mit 40°/0°/30° (vgl. Neurath/Lohse, Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung, 4. Aufl. 2015, 17.5.3; vgl. hierzu Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 16). Für das Funktionssystem der unteren Extremitäten geht die Kammer nach alledem – in Übereinstimmung mit dem Gutach-ter Dr. Q. – von einem GdB von 30 aus. Ein höherer GdB kommt im Hinblick auf die objektivierten Beeinträchtigungen, auch im Hinblick auf das beschriebene unauffällige Gangbild nicht in Betracht.
2. Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 10, allerhöchstens soeben 20, in An-satz zu bringen.
Der Kläger beschreibt – auf gezieltes Befragen – dass Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule immer da seien. Häufigeres Bücken führe zu einer Verstärkung der Beschwerden. Zum Teil werde Krankengymnastik verordnet.
Der Gutachter beschreibt bei der Oberkörpervorneigung einen Finger-Boden-Abstand von 15 cm. Die Oberkörperrückneigung beschreibt der Gutachter mit 0°/20° und damit als gering endgradig eingeschränkt, die Oberkörperseitneigung beidseits nicht wesentlich eingeschränkt. Die Seitenneigung des Rumpfes war mit 30°/0/°30° und die Drehung mit 50°/0°/50° weitestgehend altersentsprechend normgerecht (vgl. zu den Bewegungsausmaßen der Wirbelsäule allgemein Grifka/Krämer, Orthopädi-sche Unfallchirurgie, 9. Aufl. 2013, S. 157 f.; Thomann/Schröter/Grosser, Orthopä-disch-unfallchirurgische Begutachtung, 2009, S. 17). Wie bereits oben dargelegt war der Kläger auch in der Lage lange und ruhig zu sitzen und anschließend weitgehend problemlos aufzustehen. Das Gangbild war unauffällig. Das An- und Ausziehen war gut möglich. Der Patella- und der Achillessehnenreflex waren seitengleich auslösbar. Pathologische Reflexe fanden sich nicht. Das Lasègue-Zeichen war beidseits nega-tiv. Es fanden sich beim Kläger mithin leichtgradige Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Dies korrespondiert auch mit den übrigen im Verfah-ren eingeholten ärztlichen Stellungnahmen und den anamnestischen Angaben des Klägers. Ein höherer GdB als 10 ist nach Auffassung der Kammer auf Grundlage der Versorgungsmedizinischen Grundsätze hierfür an sich nicht in Ansatz zu bringen. Die Auffassung von Dr. Q., es bestehe ein GdB von 20, der allerdings nur soeben er-reicht sei, erscheint der Kammer indes – äußerst wohlwollend für den Kläger – eben-falls noch vertretbar.
3. Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten sind beim Kläger die verblieben-den Beeinträchtigungen nach diversen Operationen bei Morbus Dupuytren zu be-rücksichtigen. Unter einer Dupuytren-Kontraktur versteht man eine Erkrankung der kollagenen Faserbündel des straffen Bindegewebes der Palmarseite der Hand. Es kommt zu einer Fibrose mit Knotenbildung und Umbauvorgängen in deren Verlauf sich eine Verkürzung der Faserbündel mit einer Kontraktur der betroffenen Gelenke entwickelt. Hierbei sind vorwiegend längslaufende, im Rahmen der normalen Hand-funktion unter Zugbelastung stehende Faserbündel betroffen (Berger/Hierner [Hrsg.]. Plastische Chirurgie, Bd. IV Extremitäten, 2009, S. 84). Beim Kläger sind rechts und links verschiedene partielle Fasziektomien durchgeführt worden (vgl. hierzu Ber-ger/Hierner [Hrsg.]. Plastische Chirurgie, Bd. IV Extremitäten, 2009, S. 106 f.). Maß-geblich ist für die Beurteilung des GdB an den Händen der Zustand nach diesen Operationen. Der Kläger beschrieb gegenüber dem Gutachter, dass sich in der linken Hohlhand ein neuer Knoten an der Außenseite der Mittelhand entwickelt habe. Der Gutachter beschrieb Narben im Bereich beider Hohlhände mit einer narbigen Verdickung im Bereich der linken äußeren Mittelhand vor dem Kleinfinger. Darüber hinaus bestand noch eine Streckhemmung im Bereich des rechten Kleinfingers. Wesentliche Bewegungseinschränkungen, die in Anwendung von Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von mehr als 10 bedingen würden, fanden sich nach Einschätzung des Gutachters nicht. Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Sonstige Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten, die einen GdB von mehr als 10 bedingen würden sind ebenfalls nicht objektiviert.
4. Für das Funktionssystem der tieferen Atemwege und Lunge ist gemäß Teil B Ziffer 8 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von allenfalls 10 festzustellen.
Der Kläger gab gegenüber dem Gutachter an, er sei schneller außer Puste als früher, was er aber auf mangelnde Kondition zurückführe. Der Hausarzt habe bislang keine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt, einen Lungenfacharzt habe er bislang nicht aufgesucht. Im Rahmen des gerichtlich angeforderten Befundberichts gab der Hausarzt des Klägers unter anderem die Diagnose einer chronischen Bronchitis an. Broncho-pulmonal wirkende Medikamente nimmt der Kläger nach eigenen Angaben nicht ein. Im Rahmen der Begutachtung war die Lunge auskultatorisch und perkuto-risch unauffällig. Auch die ganzköperperplethysmographische Untersuchung durch Dr. Q. ergab keine Hinweise auf eine restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung. Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben des Klägers und der durch den Hausarzt gestellten Diagnose einer chronischen Bronchitis ist hier gemäß Teil B Ziffer 8.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze eine Bewertungsspielraum von 0 bis 10 eröffnet, wobei die Feststellung eines GdB von 10, worauf auch der Gutach-ter zu Recht hinweist, für den Kläger sehr wohlwollend ist.
5. Für das Funktionssystem von Herz und Kreislauf ist im Hinblick auf den medikamen-tös behandelten Bluthochdruck des Klägers gemäß Teil B Ziffer 9.3 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ebenfalls von einem GdB von höchstens 10 auszu-gehen. Der Kläger nimmt nach eigenen Angaben des Medikament Biso 10 (Wirkstoff: Bisoprolol) zur Behandlung seines bekannten Bluthochdrucks. Er misst den Blutdruck drei- bis viermal im Monat. Dieser sei gut eingestellt, zuletzt bei 135/85 mmHg. Bei einem Kardiologen wäre er seit gut zehn Jahren nicht mehr gewesen. Beim Augen-arzt sei er 2014 gewesen, der aber durch den Bluthochdruck bedingte Augenhinter-grundveränderungen nicht festgestellt habe. Die Untersuchung des Thorax durch Dr. Q. ergab keine pathologischen Geräusche und eine regelmäßige Herzreaktion. So-weit der Gutachter den Blutdruck mit 180/110 mmHg ermittelt hat, führt er dies – für die Kammer, gerade unter Berücksichtigung der übrigen Angaben des Klägers nach-vollziehbar – auf die Untersuchungssituation zurück (vgl. allgemein zur sog. "Praxis-hypertonie" Midekke, Arterielle Hypertonie, 2005, S. 47 f.). Vor dem Hintergrund, dass Schädigungen an Zielorganen bislang nicht objektiviert sind, ist der Bewer-tungsspielraum von 0 bis 10 eröffnet. Auch hier erscheint damit allenfalls ein GdB von 10 zutreffend.
6. Der Kläger leidet nach eigenen Angaben insbesondere im Frühjahr und Herbst unter Magenbeschwerden. Eine chronische Gastritis sei bekannt. Eine Magenspiegelung sei zuletzt vor vier bis fünf Jahren erfolgt. Bei Beschwerden nehme er Pantoprazol. Unter Berücksichtigung von Dauer und Umfang der Beschwerden sowie der Möglich-keit der anlassbezogenen Behandlung mit Pantoprazol ist nach Auffassung der Kammer gemäß Teil B Ziffer 10.2.1 der Versorgungsmedizinschen Grundsätze ein GdB von mehr als 10 keinesfalls gerechtfertigt.
7. Der Kläger beschrieb gegenüber dem Gutachter auch, dass im Hinblick auf eine bei seinem Sohn 2009 diagnostizierte Leukämie mit anschließender Knochenmarktrans-plantation und den weiterhin erforderlichen Kontrolluntersuchungen Ängste ergeben hätten. Diese Ängste träten insbesondere anlassbezogen auf, etwa dann, wenn wie-der einmal eine Kontrolluntersuchung bei seinem Sohn anstehe oder auch wenn zu ungewöhnlichen Zeiten sein Sohn bei ihm anrufe. Der Kläger nehme dann Mirtazapin 15 ein, welches er von seinem Hausarzt verordnet bekommen habe. Im Rahmen der Reha-Behandlung des Klägers 2014 war die Diagnose einer Anpassungsstörung in diesem Zusammenhang gestellt worden. Bei der Untersuchung durch Dr. Q. fanden sich keine psychischen Auffälligkeiten des Klägers. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich nicht in fachpsychiatrischer oder fachpsychologischer Behandlung befin-det und dass sich weder aus der Akte noch aus dem Vortrag des Klägers gegenüber dem Gutachter Dr. Q. oder dem Gericht Anhaltspunkte für wesentliche oder länger-fristige Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ergeben, da die von ihm beschriebenen Angstzustände durchaus auch für die Kammer nachvollziehbar auf bestimmte Anlässe bezogen sind, geht die Kammer mit dem erfahrenen sozial-medizinischen Gutachter Dr. Q. davon aus, dass hier eine leichtere psychische Stö-rung im Sinne einer leichteren Angststörung vorliegt. Die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung als 10 gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsmedizinische Grundsätze ist vorliegend nicht objektiviert. Bei der gegebenen Sachlage war die Kammer auch nicht gehalten diesbezüglich weiter ermitteln.
8. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB von mindestens 10 rechtfertigen würden sind nicht objektiviert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das beim Kläger bestehende Übergewicht – nach eigenen Angaben wiegt der Kläger 113 kg bei einer Größe von 185 cm (BMI 33 kg/m2) und die diagnostizierte Fettstoffwech-selstörung gemäß Teil B Ziffer 15.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.
Ausgehend von den objektivierten Beeinträchtigungen ist bei dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 40 in Ansatz zu bringen.
§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchti-gungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigun-gen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammen-schau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-gutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Be-weiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrach-tungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich ver-stärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris).
Im vorliegenden Fall ist als führender GdB derjenige für die unteren Gliedmaße Be-einträchtigungen heranzuziehen. Dieser GdB ist – wie oben ausführlich dargelegt –mit 30 zu bewerten. Dieser Wert ist unter Berücksichtigung der Beeinträchtigungen der Wirbelsäule – wohlwollend auf 40 zu erhöhen. Die Annahme eines GdB von 30 für einen Morbus Parkinson kommt demgegenüber nicht mehr in Betracht. Dieser liegt nicht vor. Soweit weitere Beeinträchtigungen vorliegen, bedingen diese nach Auffassung der Kammer lediglich einen GdB von höchstens 10. Unter Berücksichti-gung des Zusammenspiels der Beeinträchtigungen sind sie nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, den Gesamt-GdB zu erhöhen.
Der Beklagte hatte damit – im Ergebnis zutreffend – unter Berücksichtigung des be-standskräftigen Bescheides vom 13.08.2004 den GdB mit 40 bewertet.
Zwar lag beim Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Morbus Parkinson vor, weswegen auch der insoweit in Ansatz gebrachte GdB von 30 für dieses Leiden falsch war. Der unter anderem hierfür gestützte Gesamt-GdB – aber eben auch nur dieser – ist in Bestandskraft erwachsen (vgl. dazu etwa BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 = juris). Eine Absenkung des Gesamt-GdB zu Lasten des Klägers wäre nur im Rah-men des § 45 SGB X möglich gewesen. Hierfür sind indes zwischenzeitlich zweifellos die entsprechenden Fristen abgelaufen. Der Kläger genießt insoweit zweifelsohne Bestandsschutz.
Der Beklagte war aber nach Auffassung der Kammer nicht gehindert, unter Berück-sichtigung der nunmehr nachgewiesenen, tatsächlichen Beeinträchtigungen des Klä-gers den GdB weiter mit 40 festzustellen. Eine Bindung des Beklagten an die Einzel-GdB im Bescheid vom 13.08.2004 besteht gerade nicht (BSG Urteil vom 24.06.1998 – B 9 SB 17/97 R = juris). Maßgeblicher Regelungsinhalt eines Feststellungsbe-scheids über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung bildet nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behin-derten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben, § 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 sowie Abs. 3 SGB IX. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Ge-samtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchti-gungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (BSG Urteil vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B = juris). Einzel-GdB, die den GdB separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 SGB X) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung (BSG Urteil vom 01.06.2015 – B 9 SB 10/15 B = juris). Auf die Frage der verfahrensrechtlichen Vorgehens nach § 48 Abs. 3 SGB X (vgl. BSG Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 6/12 R = juris) kam es vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Kammer nicht an, da letztlich der bisherig bestandskräftige GdB bestätigt wurde.
Eine Erhöhung des Gesamt-GdB, insbesondere die Feststellung des begehrten GdB von 50, kommt derzeit nach Auffassung der Kammer damit nicht in Betracht Die ob-jektivierten Beeinträchtigungen des Klägers lassen sich nicht gemäß Teil A Nr. 3 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem einzelnen Gesundheits-schaden vergleichen, für den die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen fes-ten GdB-Wert von 50 angeben (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 49 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und den hierzu vertretenen Meinungsstand in der Literatur). Insbesondere lassen sich Beeinträchtigungen vergleichbar einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthesen die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst, schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb), oder aber einer Versteifung des Hüftgelenks in ungünstiger Stellung oder dem Verlust eines Beins im Unterschenkel bei dem Kläger nicht feststellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved