S 1 KR 152/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 1 KR 152/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 30.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 wird aufgehoben. Die Klage wird im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer kassenartenübergreifenden Förderung durch die beigeladenen nordrhein-westfälischen Krankenkassen/-verbände für die von dem Kläger betriebene Selbsthilfe-Kontaktstellen nach § 20c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der bis 24.07.2015 geltenden Fassung (im Folgenden: alte Fassung – a.F.) streitig. Die Klage richtet sich gegen die (auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung) zur Bearbeitung der Förderanträge von den Beigeladenen eingerichteten gemeinsamen Arbeitsgemeinschaft.

Im zeitlichen Zusammenhang mit der Einrichtung der Tumorzentren auf der Grundlage des Förderprogramms des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur "Verbesserung der Versorgung von Tumorpatienten" gründete der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverbandes 1979 bundesweit erstmals 20 Krebsberatungs- und Kontaktstellen "Selbsthilfe nach Krebs", darunter eine Modelleinrichtung in A. als Rechtsvorgänger des Klägers. Daraus ging die Krebsberatungsstelle und Krebsselbsthilfekontaktstelle A. e.V. hervor, die seit einer Satzungsänderung und einer entsprechenden Eintragung im Vereinsregister am 29.03.2011 unter dem im Rubrum ausgewiesenen Namen agiert. Finanziert wird der klägerische Verein zu etwa 80 % von der Städteregion A.; dazu kommen Honorare von den Krankenhäusern und Spenden.

§ 2 Abs. 1 seiner Satzung beschreibt den Zweck und die Aufgaben des Vereins wie folgt:

"Zweck des Vereins ist die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und die Bekämpfung von Krebs in Deutschland als Leben bedrohende Krankheit. Dies geschieht durch Einrichtung und Unterhaltung einer unabhängigen Krebsberatungsstelle und Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen. Er verwirklicht sich insbesondere in der Organisation und Sicherstellung der flächendeckenden und wohnortnahen psychosozialen Versorgung der krebserkrankten Menschen in der Region Aachen.

Die Krebsberatungsstelle und Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen im Gesund-heitswesen Aachen hat folgende Aufgaben:

a) Beratung, Information und Unterstützung krebsbetroffener Menschen und ihrer Angehörigen mit einem Qualität gesicherten Beratungsangebot b) Förderung von unabhängiger psychosozialer Krebsberatung sowie Unterstüt-zung und Kooperation mit Selbsthilfegruppen und -organisationen in NRW c) Zur Verbesserung der Krebsbekämpfung beizutragen durch Aufklärung der Öffentlichkeit mit gesicherten Informationen über qualitätsgesicherte Früherkennungs-, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten nach evidenzbasierten Leitlinien. d) Hilfestellung und Unterstützung in Einzelfällen, die die durch eine Krebser-krankung entstandene Notsituation lindern sollen (im Sinne des §§ 53 der Abgabenordnung). e) Bereichs-, themen- und indikationsgruppenübergreifend Dienstleistungsangebot zur methodischen Anleitung, Unterstützung und Stabilisierung von Selbsthilfegruppen bereitstellen. Aktive Unterstützung bei Gruppengründungen mit infrastrukturellen Hilfen in Form von Gruppenraum, Beratung und Selbsthilfepraxisbegleitung. f) Anlaufstelle für Ratsuchende zu sein, die noch nicht Mitglieder von Selbst-hilfegruppen sind und die sich über Möglichkeiten und Grenzen sowie über konkrete regionale Selbsthilfeangebote informieren und beraten lassen wollen. g) Kooperation sowie Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen und Professionellen Stärken, Kontakte und Kooperationspartner vermitteln h) Sie versteht sich als Agentur zur Stärkung der Motivation, Eigenverantwortung sowie zur Förderung des Ehrenamtes. Sie nimmt eine Wegweiserfunktion im System der gesundheitsbezogenen und sozialen Dienstleistungsangebote wahr und kann dadurch zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur beitragen.

Der Verein strebt die Zusammenarbeit mit allen Stellen an, die für das Gesundheitswesen, die soziale Fürsorge und die Sozialversicherung zuständig sind, mit öffentlichen und privaten Organisationen und wissenschaftlichen Institutionen, die ähnliche Ziele verfolgen."

Seit Einführung der kassenübergreifenden Gemeinschaftsförderung der Selbsthilfe-Kontaktstellen durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988 (BGBl. I 1988, 2477) stellte der Kläger regelmäßig Förderanträge an die Beklagte. Alle Anträge wurden – für das Jahr 2007 schließlich durch Urteil vom 09.12.2010 (SG Aachen, S 15 KR 22/08) und für das Jahr 2011 durch Rücknahme der Klage (S 14 KR 371/11) – abgelehnt. Wegen der Förderjahre 2015 und 2016 sind Gerichtsverfahren beim Sozialgericht Aachen unter den Aktenzeichen S 15 KR 276/15 und S 1 KR 338/16 anhängig.

Für das in diesem Verfahren streitgegenständliche Jahr 2014 beantragte der Kläger mit Schreiben vom 22.01.2014 bei der Beklagten eine Zahlung in Höhe von 6.900,00 EUR und führte zur Begründung aus, er unterstütze unabhängig vom Krankheitsbild Selbsthilfegruppen bis hin zur Stabilisierung mit infrastrukturellen Hilfen. Mit seinen Dependancen in der Städteregion A. funktioniere die Vermittlung zu unabhängigen Selbsthilfegruppen auf direkten kurzen Weg und vor Ort in Krankenhäusern (z.T. auch im Rahmen des von ihr mit initiierten Projekts "selbsthilfefreundliches Krankenhaus"). Auch die Zusammenarbeit von Selbsthilfegruppen und Kooperationen mit Professionellen würden u.a. durch Kooperationspartnerschaften im Sozial- und Gesundheitssystem strukturell gestärkt. Hierzu zählten die langjährige Kooperation und Aufgabenteilung mit der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe der Stadt A. (AKIS) und dem Selbsthilfebüro für regionale Entwicklung. Da seine Aktivitäten und sein Leistungsprofil indikations-übergreifend und gesundheitsbezogen angelegt seien und er insgesamt 50 Wochenstunden Erreichbarkeit sicherstelle, habe diese Kooperation eine hohe Relevanz für alle Selbsthilfegruppen in der Region. Es sei recht und billig, ihn angesichts seiner Pionierarbeit und gewachsenen Struktur nach 35 Jahren Vorleistung als Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen endlich mit einem Förderbetrag zu beteiligen. Für die Unabhängigkeit von Kostenträgern, Leistungserbringern, Verbands- und Fremdinteressen sei eine Mischfinanzierung erforderlich.

Unter dem 30.04.2014 lehnte die von der Beklagten für das Jahr 2014 als federfüh-rende Krankenkasse beauftragte Krankenkasse B. den Antrag "im Auftrag der" Beklagten ab. Der Kläger erfülle nicht die in Ziff. 4 der Richtlinien des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW "zur Unterstützung der Selbsthilfe in Nord-rhein-Westfalen durch Förderung von Selbsthilfe-Kontaktstellen" (im Folgenden: Selbsthilfe-Kontaktstellen-Förderrichtlinien) festgelegte Voraussetzung einer Mitarbeit in dem Landesarbeits¬kreis der Selbsthilfe-Kontaktstellen in NRW (LAK NRW). Auch die in § 4 Abs. 2 der Kooperationsvereinbarung vorausgesetzte Gewährung von Landesmitteln liege nicht vor. Darüber hinaus schließe der "Leitfaden zur Selbsthilfeförderung mit den Grundsätzen des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.03.2000 in der Fassung vom 17.06.2013" nach wie vor krankheitsspezifische Beratungs¬einrichtungen oder Kontaktstellen wie beispielsweise Krebs-beratungsstellen von einer Förderung aus.

Gegen diese Entscheidung wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch und trug vor: Das Sozialgericht Aachen habe in einem früheren Verfahren eine bereichs-, themen und indikationsübergreifende Tätigkeit angenommen. Davon abgesehen sei zwar richtig, dass er keine finanziellen Landesmittel erhalte, jedoch gleichwohl durch die öffentliche Hand gefördert werde. Im Übrigen bemühe er sich seit Jahren erfolglos, in der LAK NRW mitarbeiten zu dürfen. Es könne nicht sein, dass seine Angebote auf Mitarbeit seit Jahren abgelehnt würden und damit ein ansonsten bestehender Anspruch auf zumindest anteilige Förderung bereits formal zum Scheitern verurteilt sein. Gründe dafür, wie in der Vergangenheit ausschließlich die (zweite) "Selbsthilfekontaktstelle in B. zu fördern, seien nicht zu erkennen. Es seien doch gerade die Synergieeffekte durch die Kombination Fachberatung/Selbsthilfe, durch die sein Modell so erfolgreich und effizient (mit sechs Dependancen, insgesamt 50 Sprechstundenangeboten wöchentlich und 25 Selbsthilfegruppen, die als Mitgliedsorganisationen für andere Selbsthilfegruppen helfend zur Verfügung stünden etc.) arbeite. Unabhängig davon, dass er beanspruche, im LAK mitzuarbeiten, seien Austausch und Zusammenarbeit auf behördlicher und regionaler sowie auf Landesebene bereits dadurch gegeben, dass er aktives Mitglied in der LAK "Selbsthilfe Behinderter" NRW und Gründungsmitglied bei S. sei sowie regelmäßig in der Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe StädteRegion B. mitarbeite. Soweit die Beklagte ihre Ablehnung damit begründe, dass der Verein eine krankheitsspezifische Kontaktstelle sei, weise er darauf hin dass der diesbezüglich angeführte Namensbestandteil lediglich historisch begründet sei, da es Selbsthilfegruppen anderer Krankheitsbilder 1979 nicht gegeben habe. Heute stehe sein "Betriebsteil Selbsthilfekontaktstelle" allen gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppen zur Verfügung.

Der Widerspruchsausschuss der Krankenkasse B. wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015 weiterhin mit der Begründung zurück, dass der Kläger nicht die im Leitfaden zur Selbsthilfeförderung vorgesehenen Kriterien erfülle:

- die Bereitstellung von themen-, bereichs- und indikationsgruppenübergreifenden Unterstützungsangeboten für die örtlichen Selbsthilfegruppen, - die anteilige Förderung durch die öffentliche Hand und - die Mitarbeit in einer Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfe-Kontaktstellen und Kooperation mit Landeskoordinierungsstellen.

Mit seiner am 28.05.2015 beim Sozialgericht Aachen erhobenen Klage begehrt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrags weiterhin die beantragte Förderleistung und weist (unter Vorlage entsprechender Unterlagen) insbesondere daraufhin, dass er im Rahmen der von ihr betriebenen Selbsthilfekontaktstelle nicht nur im Bereich der Krebsnachsorge als krankheitsspezifische Beratungseinrichtung tätig sei. Dem Satzungszweck ent-sprechend würden insbesondere auch indikationsübergreifende Aktivitäten ausgeübt. Hierbei handele es sich um

- die Organisation und Durchführung gesundheitsfördernde Maßnahmen mit Sport in der Sporthochschule K. unter anderem im Bereich des Autogenen Trainings, - die indikationsübergreifende Ernährungsberatung, Autogenes Training, Nichtrauchertraining unter Beteiligung des Landessportbundes, externer Berater, Kursanbieter anderer Träger, Arztpraxen und Sanitätshäuser - Vorträge zu aktuellen Anlässen und speziellen Themen z.B. Patientenrecht - Vorhalt eines "psychosozialen Wegweiser der Stadt A." als umfassendes und detailliertes Verzeichnis aller erreichbaren Einrichtungen und Dienste im psychosozialen, pädagogischen und medizinischen Versor-gungsnetz. - Vorhalt eines multiprofessionellen Fortbildungskonzept für Gesundheitsberufler, gemeinsam mit Betroffenen aus Selbsthilfegruppen mit dem Ziel, partnerschaftliche multidisziplinärer Zusammenarbeit und einer besseren Kommunikation zwischen betroffenen Menschen und professionellen Helfern im Gesundheitswesen - Ausweitung ihres Konzepts zur Stärkung von Selbsthilfe ( ) für an Krebs erkrankte Menschen auf Selbsthilfegruppen weiterer Krankheitsbilder - Erarbeitung und Vorhalt des Konzepts" Bürgerinnen-/Bürgerbeteiligung von Seiten der Gesundheitsselbsthilfe" mit dem Ziel der Durchsetzung von Patientenrechten - Durchführung von Gesundheitskonferenzen auf kommunaler Ebene - Durchführung einer EU geförderten Studie zur Erfassung der Arzt-Pa-tien¬ten-Interaktion - grenzüberschreitende Kooperation mit Selbsthilfegruppen und Patientenvereinigungen in der ( ...)

Zu seinen Mitgliedern gehörten auch Selbsthilfegruppen, die in keinem Zusammenhang mit einer Krebserkrankung stünden, wie die Selbsthilfegruppe "Chronischer Schmerz", "Diabetes Typ 1" und "Pflegenotstand". Er würde zudem bereichsübergreifend auf den Gebieten Bildung, Rechtsangelegenheiten, psychosoziales, Migration, Gesundheitsförderung, Medizin, Freizeitgestaltung, Finanzhilfen, Verwaltung und Schulung sowie eine Vielzahl von themenübergreifenden Angeboten u.a. aus den Bereichen "Belastungen verkraftbar machen", "Orientieren im Sozial- und Gesundheitssystem zur Entscheidungshilfe" und "Lotsenfunktion/begleitende Unterstützung" unterbreiten und Mittel der öffentlichen Hand erhalten. Lediglich die Mitarbeit in der LAK NRW würde ohne sachlichen Grund stets abgelehnt, obwohl er die Teilnahmekriterien entsprechend den Vorgaben der Selbsthilfe-Kontaktstellen-Förderrichtlinien erfülle.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte, hilfsweise die Beigeladenen zu 1) bis 7) als Streitgenossen, unter Aufhebung des Bescheides vom 30.04.2014 in Form des Widerspruchs-bescheides vom 23.04.2015 zu verpflichten, Förderleistungen für die von der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen im Gesundheitswesen B. e.V. erbrachten unabhängigen Unterstützungsleistungen für Selbsthilfegruppen in Höhe von 6.900,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest. Der Kläger erfülle nicht die Fördervoraussetzun-gen; er sei weder Mitglied der LAK NRW noch könne neben der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe in A. eine zweite Selbsthilfe- Kontaktstelle gefördert werden. Denn nach Maßgabe von § 4 des zwischen den Krankenkassen und Krankenkassenverbänden NRW geschlossen Kooperationsvereinbarung müssten die förderfähigen Selbsthilfe-Kontaktstellen mindestens die Qualitätsmerkmale der Selbsthilfe-Kontaktstellen-Förderrichtlinien erfüllen. Bezüglich des Einwandes des Klägers, die Aufnahme in die LAK NRW würde ohne sachlichen Grund abgelehnt, hat sie ein Schreiben der Arbeitsgemeinschaft vom 29.11.2012 vorgelegt, mit dem zur Begründung der Ablehnung ausgeführt wird: "Nach unseren Informationen ist das von Ihnen dargestellte Profil in enger Anlehnung und als Ergänzung zu dem bereits seit Jahren bestehenden guten Angebot der Krebsberatungsstelle A. zu sehen. In diesem Rahmen wenden Sie sich in besonderer Weise den an Krebs erkrankten Betroffenen sowie den Selbsthilfe-Gruppen zu, die sich rund um das Thema Krebs in der Region Aachen zusammenfinden und arbeiten. Daher beruht die Unterstützungsarbeit Ihrer Krebsberatungsstelle auf der notwendigen und umfassenden Beratung der Betroffenen und deren Begleitung vor Ort. Die in Ihrem Profil vorkommenden Angebote der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen entsprechen in ihrer Beschreibung jedoch vergleichbar dem Spektrum, dass auch andere Fachberatungsstellen in NRW zu ihren jeweiligen Themenbereichen vorhalten." Sie – die Beklagte – habe weder auf die Entscheidungen noch auf die Verhaltensweise der LAK NRW Einfluss; zugleich bestehe diesseits aber auch keine Veranlassung ihre Entscheidung zu bewerten oder zu kom¬men¬tieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Vorprozessakten des Sozialgerichts Aachen S 15 KR 22/08, S 15 KN 83/11 KR WA und S 14 KR 371/11 sowie die ebenso beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Soweit sich der Klägerin mit der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Förderung mit Bescheid vom 30.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 wendet, ist die Klage zulässig (I.1) und begründet (I.2). Er hat jedoch mit seinem vornehmlichen Klageziel, für seine Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen Fördermittel in Höhe von 6.900,00 EUR zu erhalten, keinen Erfolg, da die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind (II).

I.

(1.) Die Klägerin richtet sich – zumindest in Hinblick auf die Anfechtungsklage – zutreffend gegen die beklagte Arbeitsgemeinschaft, in deren Auftrag die (in diesem Jahr federführende) Beigeladene zu 1) die streitgegenständliche Entscheidung getroffen hat.

Die Kammer weicht insofern von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 17.02.2010 (B 1 KR 15/09 R) ab. In diesem Verfahren war die Höhe eines von den Krankenkassen zu gewährenden Zuschusses für ambulante Hospizdienste nach § 39 Abs. 2 SGB V streitig. Die Trägerin der Hospizdienste wandte sich in einem Musterverfahren wegen eines (ihrer Meinung nach zu geringen) Teilbetrages gegen eine Krankenkasse. Angegriffen wurde eine von dieser Krankenkasse "im Namen" der Arbeitsgemeinschaft ergangene Entscheidung. Das BSG befand, dass die Entscheidung der Arbeitsgemeinschaft eine der beklagten Krankenkasse "zurechenbare Verfügung" sei. Dem wäre nach Auffassung der Kammer jedoch auch für die vorliegende Konstellation nur dann zu folgen, wenn die Arbeitsgemeinschaft im Namen ihrer Träger, der beigeladenen Krankenkassen und Krankenverbände, entschieden hätte. Dies ist indes vorliegend nicht erfolgt. Die angefochtene Entscheidung wurde gemäß der Formulierung des Schreibens vom 30.04.2014 von einer Mitarbeiterin der in dem betreffenden Fördererjahr federführenden Krankenkasse "im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft" getroffen und ist daher auch nur dieser zurechenbar, zumal die Beigeladenen auch auf dem Briefbogen der Beklagten in keinster Weise Erwähnung finden.

Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte (nicht rechtsfähige) Arbeitsgemeinschaft eine gemäß § 70 Nr. 3 SGG beteiligungsfähige "Behörde" im prozess-rechtlichen Sinn ist (vgl. dazu Schnapp, Einmal Behörde – immer Behörde? in NZS 2010, 241, 246 m.w.N.) ist, sie ist jedenfalls als gemeinsames Entscheidungsgremi-um der Krankenkassen und ihrer Verbände gemäß § 70 Nr. 4 SGG im Prozess beteiligungsfähig. Nach Maßgabe des zwischen den Krankenkassen und den Krankenkassenverbänden am 28.01. 2010 geschlossenen Kooperationsvereinbarung zur kassenartenübergreifenden Gemeinschafts-förderung der Selbsthilfe-Kontaktstellen in NRW, wegen derer Einzelheiten auf Bl. 53 ff. der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen wird, haben die Beigeladenen (z.T. Rechtsnachfolger der benannten Partner der Kooperationsvereinbarung) zur Sichtung und Bearbeitung der Anträge auf Förderung die beklagte Arbeitsgemeinschaft gebildet. Zur Bearbeitung der Anträge gehört, wie seit Jahren praktiziert und von den Kooperationspartnern offensichtlich gewollt, auch die Entscheidung über die Anträge.

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Die Beklagte hat die ihr obliegende Entscheidung über die Vergabe der Fördermittel – nicht schon wegen der entsprechenden Rechtsmittelbelehrung der äußeren Form nach – durch ihren Bescheid vom 30.04.2014 der Klägerin bekannt gegeben. Die maßgeblichen Merkmale eines Verwaltungsakts im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X liegen vor; insbesondere handelt es sich bei der Beklagten (jedenfalls) insofern um eine Behörde (im Ergebnis ebenso Sonnenschein, Zur Befugnis von Arbeitsgemeinschaften im Bereich der Sozialversicherung zum Erlass von Verwaltungsakten in DVBl 1983, 117 ff.). Nach § 1 Abs. 2 SGB X ist Behörde "im Sinne des Sozialgesetzbuches" jede Stelle, die (und das heißt: soweit sie) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Danach gilt ein weiter, sog funktionaler Behördenbegriff, der neben den Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch alle sonstigen Einrichtungen, Organe und Stellen einschließt, die aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigen, nach öffentlichem Recht zu beurteilenden Handeln ausgestattet sind (vgl. BSG, Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R m.w.N.). Die Beklagte nimmt auf der Rechtsgrundlage des § 94 Abs. 1a, Abs. 4 i.V.m. § 88 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB X und in Erfüllung des zwischen den Beigeladenen geschlossenen Kooperationsvertrages die gemeinsame Förderaufgabe der Krankenkassen und Krankenkassenverbände nach § 20c SGB V a.F. wahr und ist insofern zumindest mit dem Recht zu öffentlich-rechtlichem fiskalischem sowie schlicht hoheitlichen Handeln ausgestattet (vgl. Dietmaier in jurisPK-SGB X § 94 Rdnr. 62).

Die streitgegenständliche Entscheidung über die Vergabe der beantragten Fördermittel kann gegenüber der Beklagten wie gegenüber den zuvorderst gemäß § 20c Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. zuständigen Krankenkassen und Krankenkassenverbände nur einheitlich ergehen, weswegen letztere mit Beschluss der Kammer vom 16.11.2016 gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendig beigeladen wurden.

(2.) Die Anfechtungsklage ist auch begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 30.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 ist rechtswidrig und daher aufzuheben, weil die Beklagte für die Entscheidung über den Antrag des Klägers durch einen Verwaltungsakt nicht befugt war.

Gemäß § 94 Abs. 1a SGB X können Träger der Sozialversicherung und Verbände von Trägern der Sozialversicherung insbesondere zur gegenseitigen Unterrichtung, Abstimmung, Koordinierung und Förderung der engen Zusammenarbeit im Rahmen der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben Arbeitsgemeinschaften bilden. Nach § 94 Abs. 1 SGB X sind jedoch lediglich die Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung der Träger der gesetzlichen Kranken und Rentenversicherung NRW sowie die Rheinische, Westfälische und Hessische Arbeitsgemeinschaft zur Rehabilitation Suchtkranker und die Hessische Arbeitsgemeinschaft für Heimdialyse berechtigt, Verwaltungsakte zur Erfüllung der Aufgaben, die ihnen am 01.07.1981 übertragen waren, zu erlassen. Diese Bestandsregelung schließt die beklagte Arbeitsgemeinschaft indes nicht ein.

Während der Gesetzesentwurf der Bundesregierung noch folgende Regelung eines §§ 96 SGB V (Bundestags-Drucksache 9/95 S. 5) vorsah:

"Die Arbeitsgemeinschaft handelt auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts im Namen des zuständigen Mitglieds. Arbeitsgemeinschaften dürfen Verwaltungsakte nur erlassen, soweit sie hierzu durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes berechtigt sind. Darf die Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsakte erlassen, ist die Berechtigung in der für die amtlichen Veröffentlichungen ihrer Mitglieder vorgeschriebenen Weise bekannt zu machen."

wurde von der Regelung im Wissen der folgenden Bedenken des Bundesrates (Bundestags-Drucksache 9/95 S. 36 Anlage 2 Ziffer 15a Abschnitt 5):

a) Die weitgehend in das Ermessen der Leistungsträger gestellte Verschiebung von Zuständigkeiten auf die Arbeitsgemeinschaften verstößt gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Nach dem Recht Staatsprinzip muss die Bestimmung der zuständigen Behörde ebenso wie die Zuständigkeit des gesetzlichen Richters gewährleistet sein. b) Der Erlass von Verwaltungsakten "im Namen" eines Leistungsträgers durch eine Arbeitsgemeinschaft führt zu einer Verdoppelung von Zuständigkeiten im Antragsverfahren und zur Auswechslung des Antragsgegners im späteren Widerspruch und Klageverfahren. c) Privatrechtliche Zusammenschlüsse von Arbeitsgemeinschaften können grundsätzlich nicht Träger hoheitlicher Befugnisse sein. Privatrechtliche Zusammenschlüsse von Leistungsträgern können deshalb Maßnahmen nur koordinieren und vorbereiten, nicht aber finanzieren, durchführen und durchsetzen."

nicht übernommen. Die schließlich vom Vermittlungsausschuss erarbeitete Beschlussempfehlung (Bundestags-Drucksache 9/1944 S. 2 zu Artikel 94 SGB X und S.4 zu § 24 Abs. 6), die ihren Niederschlag in § 94 SGB X gefunden hat und auch in der vorliegend einschlägigen Fassung des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 21.05.2005 (BGBl 2005, 818 ff.) weitgehend unverändert geblieben ist, verhält sich zu der Form des Verwaltungshandelns der Arbeitsgemeinschaft nicht. Weiteres ergibt sich auch nicht aus § 20c SGB V a.F. bzw. aus den nach Maßgabe des § 20c Abs. 2 SGB V a.F. im Leitfaden zur Selbsthilfeförderung festgelegten Grundsätze des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung. Letztere lassen in Teil A Ziff. 8.4 Satz 2 ausdrücklich offen, ob der Antragsteller ein Bewilligungsschreiben oder einen Bewilligungsbescheid bzw. – sofern sein Förderantrag nicht berücksichtigt wird – ein Ablehnungsschreiben oder einen Ablehnungsbescheid erhält. Soweit Sonnenschein (a.a.O) die Auffassung vertritt, Arbeitsgemeinschaften mit der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten könnten von den Sozialversicherungsträgern geschaffen werden, folgt die Kammer dieser Meinung nicht und kann daher dahingestellt bleiben lassen, ob dies mit dem Kooperationsvertrag vorliegend erfolgt ist. Sonnenschein geht nämlich davon aus, dass der Gesetzgeber keine Regelung über das zulässige Handeln der von § 94 Abs. 1 SGB X nicht erfassten Arbeitsgemeinschaften getroffen hat. Demgegenüber ist die Kammer der Auffassung, dass die Legislative durch seine Beschränkung im Sinne eines Bestandsschutzes auf wenige Arbeitsgemeinschaften bestimmt hat, dass Arbeitsgemeinschaften (ebenso wie Krankenkassenverbände nach Maßgabe von § 88 Abs. 3 SGB X) grundsätzlich nicht zum Erlass von Verwaltungsakten er-mächtigt sind. Ansonsten hätte es einer Bestandsschutzregelung nicht bedurft (im Ergebnis ebenso Dietmaier in jurisPK-SGB X § 94 Rdnr. 63).

Die Beklagte hat damit nach Auffassung der Kammer als sachlich unzuständige Behörde gehandelt.

Wird ein Verwaltungsakt von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen, führt dies, soweit er wie hier nicht nichtig ist, zu seiner Rechtswidrigkeit. Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist jedenfalls nicht nichtig. Unbeachtet der zwingenden Nichtigkeitsgründe des § 40 Abs. 2 SGB X, die nicht vorliegen, ist ein Verwaltungsakt gemäß Abs. 1 der Regelung nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Zwar können auch Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nach sich ziehen, etwa, wenn die Zuständigkeit der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde unter gar keinen Umständen gegeben sein kann (BSG, Urteil vom 28.10.1992, 6 Ka 2/92). Von einer offenkundig fehlenden sachlichen Zuständigkeit kann hier schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Krankenkassen und Krankenkassenverbände in der beklagten Arbeitsgemeinschaft vertreten sind und diesem Gremium in ihrer Kooperationsvereinbarung ein umfassendes Prüfungsrecht und Entscheidungsrecht eingeräumt haben.

Der Mangel der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten gehört nicht zu den Fehlern, die nach § 41 SGB X unbeachtlich sind und auch nicht zu den Fehlern, die nach § 42 Satz 1 SGB X geheilt werden können. Diese Normen verneinen einen Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsakts, der unter Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit bei Erlass eines Verwaltungsaktes dann geheilt werden kann, wenn es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. Durch die Beschränkung auf die örtliche Zuständigkeit ist eine solche Heilungsmöglichkeit für Fehler der sachlichen Zuständigkeit jedoch nicht eröffnet (BSG, Urteile vom 28.10.1992, 6 RKa 2/92; und vom 03.09.1998, B 12 KR 23/97 R).

Die sachliche Zuständigkeit ist dem Organisationsrecht der einzelnen Bereiche vorbehalten; Fehler können insoweit nicht geheilt werden. Der Anspruchsteller hat nämlich grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass, bevor er sich dazu entschließt, sein Klage kehren im Klagewege zu verfolgen, dieses von der zuständigen, d.h. der örtlich kundigen und sachlich qualifizierten Behörde erschöpfend überprüft wird (Landessozialgericht - LSG -, Urteil vom 16.12.2009, L 10 SB 39/09 m.w.N.). Die Unzuständigkeit der Beklagten wird auch nicht durch rügelose Einlassung der Klägerin unbeachtlich (BSG, Urteil vom 18.10.2005, B 4 RA 21/05 R; LSG Hessen, Urteil vom 25.03.2014, L 3 U 14/12).

Es kann dahingestellt bleiben, ob Widerspruchsausschuss der federführenden Krankenkasse zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 von den Beigeladenen wirksam ermächtigt war, denn ein zur Aufhebung führender Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit ist selbst dann noch anzunehmen, wenn der von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassene Verwaltungsakt durch einen Widerspruchsbescheid der sachlich zuständigen Widerspruchs Behörde bestätigt worden ist, da Gegenstand der Klage gemäß § 95 SGG der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist.

Der aufgrund des Verfahrensfehlers rechtswidrige Bescheid war daher aufzuheben.

II.

Soweit die Klägerin von der Beklagten, hilfsweise von den Beigeladen in Streitgenossenschaft gemäß§ 74 SGG i.V.m. § 62 Abs. 1 Zivilprozessordnung) die Zahlung von Fördermitteln in Höhe von 6.900,00 EUR begehrt, bleibt die Leistungsklage ohne Erfolg.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Förderleistung für das Jahr 2014 ist § 20c SGB V a.F. (seit 25.07.2015 nach Maßgabe des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention – BGBl. I Seite 1368 – ohne inhaltliche Änderung § 20h SGB V). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift fördern die Krankenkassen und ihre Verbände Selbsthilfe-Kontaktstellen, die für eine Förderung ihrer gesundheitsbezogenen Arbeit themen-, bereichs und indikationsgruppenübergreifend tätig sein müssen. Dazu beschließt der Spitzenverband Bund der Krankenkasse unter Beteiligung der in Abs. 1 S. 2 genannten Vertretungen der Selbsthilfe Grundsätze zu den Inhalten der Förderung der Selbsthilfe und zur Verteilung der Fördermittel auf die verschiedenen För-derebenen und Förderbereiche (Abs. 2 Sätze 1 und 2). Über die Vergabe, deren Umfang Abs. 3 bestimmt, beschließen die Krankenkassen oder ihre Verbände auf den jeweiligen Förderebenen gemeinsam nach Beratung mit den zur Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe jeweils maßgeblichen Vertretungen (§ 20 Buchst. c Abs. 3 Satz 4 SGB V a.F.).

Die Grundsätze des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der Selbsthilfe hat in Zusammenarbeit mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene sowie unter beratender Beteiligung der Vertretungen der für die Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe maßgeblichen Spitzenorganisationen ihren Niederschlag in dem bereits oben erwähnten "Leitfaden zur Selbsthilfeförderung", hier in der für das Jahr 2014 maßgeblichen Fassung vom 17.06.2013 (im Folgenden Leitfaden) gefunden, der die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Förderung von Selbsthilfe-Kontaktstellen im Rahmen der hier begehrten kassenartenübergreifenden Gemeinschaft zu Förderung (Pauschalförderung) in Teil A Abschnitt 5.1. und 5.4. festlegt.

Unter anderem muss nach Teil A Ziff. 4 Satz 1 letzter Spiegelstrich des Leitfadens der Grundsätze die (antragstellende) Selbsthilfe-Kontaktstelle auf örtlicher oder regionaler Ebene "in" einer Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfe-Kontaktstellen mitarbeiten und mit den Landeskoordinationsstellen kooperieren. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht. Es reicht nicht aus, dass dieser nach eigenem Vortrag aktives Mitglied in dem LAK "Selbsthilfe Behinderter" NRW und Gründungsmitglied bei T. ist sowie regelmäßig in der Arbeitsgemeinschaft Behindertenhilfe StädteRegion A. mitarbeitet. Er ist jedenfalls nicht Mit¬glied des LAK Selbsthilfe-Kontaktstellen NRW und arbeitet daher nicht – wie durch den Leitfaden vorausgesetzt – "in" dieser nordrhein-westfälischen LAK mit. Dieser ist anders als in anderen Bundesländern (vgl. www.koskon.de) in Nordrhein-Westfalen nicht als rechtsfähiger Verein ausge-staltet, sondern ein Zusammenschluss von den Selbsthilfe-Kontaktstellen, die nach Maßgabe der Selbsthilfe-Kontaktstellen-Förderrichtlinien (Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales III A 5 – 0360.9.1 in der weiterhin geltenden Fassung vom 10.02. 2010 (SMBl NRW 2128) eine Förderung des Landes erhalten. Ob insofern der Kläger zu Recht keine Fördermittel erhält und die ablehnende Entscheidung in Übereinstimmung mit den genannten Richtlinien steht, ist für diesen Rechtsstreit unerheblich und gegebenenfalls in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die insofern nach Maßgabe des Ab-schnitts 6.1 der Richtlinien zuständige Bezirksregierung zu klären.

Da die Bewilligung der beantragten Fördermittel entsprechend den Vorgaben des Leitfadens abgelehnt worden sind, könnte sich ein Anspruch der Klägerin auf Förderung oder auf erneute Entscheidung nur ergeben, wenn der Leitfaden nicht den Förderauftrag des § 20c SGB V gesetzeskonform ausgestalten durfte und ausgestaltet hat. Denn jedenfalls solange ein gesetzeskonformer Leitfaden besteht, ist ein weitergehendes Förderungsgebot einzelner Selbsthilfe-Kontaktstellen – in welcher Form auch immer – nicht unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung herzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2010, B 1 KR 15/09 R; Leitherer im Kasseler-Kommentar § 20h Rdnr. 8).

Nach Auffassung der Kammer steht der Leitfaden indes – zumindest soweit hier relevant und daher geprüft - im Einklang mit der Rechtslage (allgemein kritisch Schütze in jurisPK-SGB V zu § 20h Rdnr. 21). Der Spitzenverband Bund der (gesetzlichen) Krankenkassen ist gemäß § 20c Abs. 2 SGB V – (wie vorliegend erfolgt) unter Beteiligung der in Abs. 1 Satz 2 genannten Spitzenvertretungen der Selbsthilfe – befugt, Grundsätze zu den Inhalten der Förderung der Selbsthilfe und zur Verteilung der Fördermittel auf die verschiedenen Förderebenen und Förderbereiche zu beschließen. Es unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber damit die nähere Konkretisierung der Voraussetzungen der Förderung sowie zu Inhalt, Qualität und Umfang dem GKV-Spit¬zenverband übertragen hat. Er hat auf diese Weise – vergleichbar mit den Regelungen des § 39a SGB V (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.02.2010, B 1 KR 15/09 R) – die besondere Sachkompetenz der Betroffenen genutzt und erreicht damit in sachgerechter Weise eine höhere Akzeptanz bei der Umsetzung der Einzelheiten der Förderung.

Mit der Bestimmung der "Mitgliedschaft" in der LAG der Selbsthilfe-Kontaktstellen NRW als besondere Fördervoraussetzung hat der Spitzenverband nicht die Grenzen seines gesetzlichen Auftrags überschritten, sondern gewährleistet konsequent die vom Gesetzgeber beabsichtigte Transparenz und flächendeckende Verteilung der Fördermittel (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV-Gesundheitsreform 2000 – in Bundestags-Drucksache 14/1245 Seite 63). Indem (in Konsequenz von Ziffer 3 der Selbsthilfe-Kontaktstellen-Förderrichtlinien) je Kreis und kreisfreie Stadt nur eine Selbsthilfe-Kontaktstelle dem LAK NRW angehört, werden entsprechend auch nur diese Einrichtungen von den Krankenkassen/-verbänden gefördert. Damit ist zugleich sichergestellt, dass die Mittel, deren begrenzte Höhe sich gemäß § 20c Abs. 3 SGB V a.F. nach der Anzahl der gesetzlich Versicherten in einem Gebiet richten und u.a. gemäß Abschnitt A.8.4.3 des Leitfadens nach Maßgabe der Einwohnerzahl, Struktur und Fläche des Einzugsgebiets bemessen werden gleichmäßig über das Land verteilt werden und zugleich der Betrag durch Teilung im Fall mehrerer Anbieter in einem Gebiet nicht wirkungslos bleibt. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass damit möglicherweise eine Vielzahl von Selbsthilfe-Kontaktstellen, die - wie die von dem Kläger betriebene Stelle – mit großem bürgerschaftlichen Engagement einen bedeutenden Beitrag zur Unterstützung von Selbsthilfegruppen leisten, von einer pauschalen Förderung gemäß § 20c SGB V a.F. ausgeschlossen werden. Die Kammer hält aber eine weitere Aufteilung der Mittel in Anbetracht der Vielzahl der unterschiedlichsten und nicht selten inhaltlich vergleichbaren Angebote bei wechselnder Anzahl der Interessenten in einem örtlichen Bereich nicht mit der notwendigen Transparenz und Gleichbehandlung vereinbar. Die Schwierigkeiten verdeutlichen sich bei dem Vergleich der unterstützten Selbsthilfegruppen in A. Beide weisen sich zum großen Teil als Kontaktstelle für dieselben Einrichtungen (z.T. etwas abgeänderte Bezeichnung unter Angabe derselben Anschrift/Telefonnummer/Leitung) aus, so unter vielen anderen beispielswese die Selbsthilfegruppen:

- Adipositas – SHG Aachen - Alkohol und Medikamente, Anonymer Freundeskreis Alsdorf und Eschweiler - Alzheimergesellschaft Städteregion Aachen e.V. - Selbsthilfegruppe für Amputierte in de Euroregio - Asthma und COPD – Selbsthilfegruppe Stolberg - Corea Huntingten Selbsthilfe NRW e.V. - Angehörigengruppe Demenzkranker - Diabetikertreffpunkt - Emotions Anonymus.

Aus welchen Gründe eine zweite Kontaktstelle – nach dem Leitfaden unter Ziff. III definiert als ( ) Beratungseinrichtungen mit hauptamtlichen Mitarbeitern zur Unterstützung der Selbsthilfegruppen – für diese Einrichtungen finanziert werden sollte, insbesondere welcher zusätzlicher Beratungsbedarf insofern mit den Fördermitteln gedeckt werden soll, erschließt sich der Kammer nicht ansatzweise.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Klägerin ist in ihrer Eigenschaft als Träger der Selbsthilfe-Kontaktstelle, die einen Förderanspruch nach § 20c SGB V geltend macht, Leistungsempfänger im Sinne des § 183 SGG. Denn das Kostenprivileg des § 183 SGG steht auch anderen als den typischen Leistungsempfängern (den Sozialleistungsberechtigten) in Verfahren zu, in denen es um Leistungen geht, die eine ähnliche oder vergleichbare Funktion wie die "echte" Sozialleistungen im Sinne von § 11 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) haben (BSG, Urteil vom 17.02.2010, B 1 KR 15/09 R m.w.N.). Die Förderung nach § 20c SGB V a.F. dient mittelbar der Finanzierung von Angeboten der Selbsthilfegruppen, die Versicherte als eine Leistung der Krankenkassen gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V zur Behandlung ihrer Krankheit in Anspruch nehmen können.

Der Umstand, dass die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage obsiegt hat, führte hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten nicht zu einer Kostenquotelung, da die Entscheidung zwar formal, aber sachlich nicht zu beanstanden ist, der Teil des Obsiegens daher im Rahmen der Kostenentscheidung nicht relevant ist.
Rechtskraft
Aus
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