S 18 VG 20/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 18 VG 20/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Am 28.09.2012 wurde der am 00.00.0000 geborene Kläger gegen 23 Uhr bewusstlos in der L-Strasse in B. hinter seinem PKW liegend aufgefunden. Er wurde durch den Notarzt in das Universitätsklinikum B. verbracht. In einem ersten Bericht der Neurologischen Klinik der Uniklinik B. vom 17.10.2012 wird von einem unklaren Sturzhergang berichtet. In Zusammenschau von Klinik und Befunden sei von einer hypertensiven Entgleisung als Ursache für den Sturz mit daraus resultierender traumatischer Epi- sowie Subduralblutung rechts auszugehen. Fremdeinwirkung könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden.

Rund drei Wochen nach Entlassung aus der Uniklinik B. wurde der Kläger in eine stationäre neurologische Rehabilitation aufgenommen und lebt im Anschluss auf Grund der Folgen des Ereignisses vom 28.09.2012, bestehend in einem hirnorganischen Psychosyndrom mit mnestischen Störungen, in einem Pflegeheim. Der Kläger hat keine Erinnerung mehr an das zu Grunde liegende Geschehen.

Nachdem ein Sohn des Klägers, I. M., am 10.10.2012 beim Polizeipräsidium B. vorsprach und den Verdacht einer Straftat zulasten seines Vaters äußerte gab die Polizei ein Gutachten bei der der Uniklinik L., Institut für Rechtsmedizin, vom 22.10.2012 (Untersuchungsdatum 10.10.2012) in Auftrag und informierte die Staatsanwaltschaft B.

In dem Gutachten der Uniklinik wird ausgeführt, dass ein beim Kläger vorgefundener Bruch der knöchernen Schädelkapsel aufgrund seiner Form auf das Einwirken einer stumpfen, flächenhaften Gewalt, am ehesten im Sinne eines Sturzes zu interpretieren sei. Nicht mit diesem Sturz auf die rechte Kopfseite erklärbar sei eine Wunde über dem rechten Jochbein, welche als Platzwunde interpretiert werde, sowie beidseitige Unterblutungen der Augenlider (sog. Brillenhämatome). Diese Befunde sprächen für eine zusätzliche stumpfe Gewalt gegen das Gesicht. Inwieweit eine Marke am Nasenrücken ebenfalls durch stumpfe Gewalt erklärt werden könne, ließe sich aufgrund fehlender weiterer Angaben nicht klären. Andere Hinweise auf eine körperliche Auseinandersetzung, etwa in Form von Abwehrverletzungen, seien nicht festgestellt worden. Zu bedenken sei die zeitliche Latenz zwischen dem fraglichen Geschehen und dem Untersuchungszeitpunkt, wonach entsprechende Befunde, etwa in Form von Hautunterblutungen, wieder aufgelöst sein könnten.

Am 14.11.2012 stellte der Kläger über seinen gesetzlichen Betreuer einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Am 28.09.2012 sei der Kläger nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen wahrscheinlich von seinem eigenen Sohn, T. M., auf der L-Strasse in B. niedergeschlagen worden. Er habe eine traumatische Hirnschädigung erlitten.

Nach Vernehmung einiger Zeugen, unter anderem des Sohnes des Klägers, T. M., stellte die Staatsanwaltschaft B. die Ermittlungen mit Verfügung vom 27.08.2013 zunächst ein. Es habe nicht geklärt werden können, wie sich der Kläger die schwerwiegenden Verletzungen zugezogen habe bzw. ob die Verletzungen Folge eines Sturzes oder einer Fremdeinwirkung seien. Hiergegen wurde für den Kläger anwaltlich vertreten in der Ansicht Beschwerde eingelegt, der Sohn des Klägers, T. M., sei dringend tatverdächtig.

Zwischen August bis November 2013 erhielt der Beklagte Auszüge aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte bzw. Einsichtnahme in diese. Er kam zu dem Ergebnis, dass der eindeutige Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffes nicht erbracht sei. Mit Bescheid vom 18.11.2013 lehnte er den Antrag des Klägers vom 14.11.2012 mit entsprechender Begründung ab.

Hiergegen legte der Kläger über seinen gesetzlichen Vertreter am 23.12.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er auf die Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft B.

Im Rahmen der aufgrund der Beschwerde gegen die Einstellung wieder aufgenommenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft B. wurde unter anderem der Kläger zweimal vernommen, ferner wurde ein weiteres wissenschaftliches Gutachten beim Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik L. vom 02.01.2015 eingeholt. In Kenntnis und unter Berücksichtigung der Zeugenvernehmungsprotokolle und der Krankenunterlagen des Klägers kamen die Rechtsmediziner zu dem Ergebnis, dass eine Rekonstruktion eines Tatablaufes nicht möglich sei. Es liege jedoch die Vermutung nahe, dass zunächst Schläge gegen das Gesicht des Herrn M. geführt worden seien und danach der Sturz zu Boden stattgefunden habe. Ob der Sturz durch die Schläge oder eine bei Eintreffen des Notarztes vorliegende hypertensive Krise bedingt gewesen sei, lasse sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Bei den dokumentierten Blutdruckwerten könne auch eine Bewusstseinsstörung mit dadurch bedingten Stürzen auftreten. Unklar sei die Einordnung des Befundes der Klinik für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie vom 03.10.2012. Neben den Befunden die als Traumafolge erklärt werden könnten, würden links stirn-schäfenseits und in der zentralen Hirnstruktur Veränderungen beschrieben, deren zentrale Lage dafür spreche, dass es sich um eine spontane, krankhaft bedingte Störung handele, am ehesten auf der Grundlage in einem CT aus dem Dezember 2012 beschriebener Veränderungen der Blutgefäße.

Eine angeregte neurologische Zusatzuntersuchung wurde schließlich nicht veranlasst. Mit Verfügung vom 22.10.2015 stellte die Staatsanwaltschaft B. die Ermittlungen endgültig ein. Als der Kläger am 28.09.2012 gegen 22 Uhr seinen Betäubungsmittel konsumierenden Sohn T. M. in dessen damaliger Wohnung habe aufsuchen wollen und sein Auto wenige Meter von der Wohnung in der L.-Strasse geparkt habe sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem jüngeren Mann, der dem Kläger mehrfach ins Gesicht geschlagen habe, gekommen. Der Kläger sei – möglicherweise infolge der Schläge – gestürzt und habe sich beim Sturz einen Bruch der knöchernen Schädelkapsel sowie massive Hirnblutungen zugezogen. Auf die zu einer Abgrenzung der sturzbedingten von krankhaften und organischen Veränderungen erforderlichen weiteren neurologischen Untersuchungen habe verzichtet werden können, da eine Täter Identifizierung nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit möglich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 23.12.2013 als unbegründet zurück. Nach dem Grundsatz der objekti-ven Beweislast habe die Entscheidung zulasten des Klägers auszugehen. Die geltend gemachten Übergriffe seien nicht nachgewiesen. Der Beklagte schließe sich der juristischen Bewertung der Staatsanwaltschaft B. an.

Hiergegen hat der Kläger über seine Bevollmächtigte am 23.12.2015 Klage erhoben. Es liege ein Aufklärungsverschulden der Staatsanwaltschaft B. vor. Diese habe eine rechtsmedizinische Begutachtung des Klägers verspätet veranlasst. Der Kläger sei vorsätzlich und rechtswidrig durch seinen Sohn T. M. angegriffen worden. Die bei ihm vorliegenden Hirnschädigungen seien dadurch entstanden. Ein anderer Kausalverlauf scheide aus.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015 zu verurteilen, dem Kläger eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz wegen der gesundheitlichen Folgen aus dem Vorfall am 28.09.2012 gegen 23:00 Uhr auf der L.-Strasse in B., Höhe Hausnummer 0, zu ge-währen.

Der Vertreter des Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff sei nicht erwiesen. Die Möglichkeit eines solchen Angriffes reiche nicht aus. Die Beweislast liege beim Kläger. Die Be-weiserleichterung nach § 15 VfG-KOV könne schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil der Kläger keine Erinnerung an das Geschehene habe.

Das Gericht hat unter anderem die Söhne des Klägers als Zeugen vernommen. Der Sohn T. hat bestritten, seinem Vater am 28.09.2012 begegnet zu sein. Wegen des weiteren Inhaltes seiner Aussage und der übrigen Zeugenaussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach – und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Akten des Beklagten und der Staatsanwaltschaft B. verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 18.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Opfer-entschädigung nach dem OEG i.V.m. dem BVG. Die erforderliche Rechtswidrigkeit eines gegen ihn gerichteten vorsätzlichen, tätlichen Angriffes lässt sich nicht beweisen.

Ein Entschädigungsanspruch nach dem OEG setzt voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 R –, Rn. 27, juris; BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205-221, SozR 4-3800 § 1 Nr 20, Rn. 25). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält eine Person, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG besteht damit aus drei Gliedern (tätlicher, rechtswidriger Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.

I. 1. Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennt das soziale Entschädigungsrecht drei Beweismaßstäbe (Weiner, in: Gelhausen/Weiner, 6. Aufl. 2015, § 1, Rn. 71 ff.). Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 – 9/9a RVg 3/87 –, BSGE 63, 270-273, SozR 1500 § 128 Nr 34, Rn. 1; Weiner, in: Gelhausen/Weiner, 6. Aufl. 2015, § 1, Rn. 47). Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Ausreichend aber notwendig ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 20/04 R –, BSGE 96, 291-297, SozR 4-2700 § 9 Nr 7, Rn. 15). Gewisse Restzweifel sind unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, Rn. 21, juris). Eine Sache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, das alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205-221, SozR 4-3800 § 1 Nr 20, Rn. 33).

Beweisbelastet für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen – einschließlich der Rechtswidrigkeit eines Angriffes (vgl. u.a. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Januar 2000 – L 6 VG 76/96 –, juris (Leitsätze), im Volltext auf Sozialgerichtsbarkeit.de veröffentlicht; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. August 2011 – L 15 VG 21/10 –, Rn. 54, juris; Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 31. Mai 2016 – L 3 VE 6/14 –, Rn. 25, juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – L 11 VG 7/12 –, Rn. 24, juris) - ist nach den allgemeinen Beweislastregeln, nach denen denjenigen die objektive Beweislast trifft, dem die Erfüllung eines Tatbestandes günstig wäre (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103, Rn. 19 f.; Keller, ebenda, § 118, Rn. 6), der Kläger.

2. Eine Beweislastumkehr kommt vorliegend selbst dann nicht in Betracht, wenn man der Auffassung des Sozialgerichts Düsseldorf (Urteil vom 13. Juni 2013 – S 35 VG 21/10 –, Rn. 42, juris; Weiner, in: Gelhausen, Weiner, 6. Aufl. 2015, Rn. 70) folgen und dem Beklagten als staatlicher Entität ausgebliebene ernstliche Ermittlungen der ebenfalls staatlichen Strafverfolgungsbehörden dieser Art zum Nachteil gereichen lassen wollte, gleichwohl den Beklagten eine eigene, auf die entschädigungsrechtlich relevanten Tatsachen gerichtete Amtsermittlungspflicht trifft (vgl. Weiner, in: Gelhausen/Weiner, 6. Aufl. 2015, § 1, Rn. 66) und eine Umkehr der Beweislast nach der Rechtsprechung des BSG allenfalls bei einer schuldhaft unterlassenen bzw. unvollkommenen Beweiserhebung oder einer Beweisvereitelung durch denjenigen, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, in Betracht kommt (BSG, Beschluss vom 09. Dezember 2016 – B 9 V 35/16 B –, Rn. 14, juris) und der Gesetzgeber i. Ü. den typischerweise in der sozialen Entschädigung vorkommenden Beweisschwierigkeiten bereits durch begrenzte Regeln zu Gunsten der Geschädigten Rechnung getragen (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2006 – B 9a VS 1/05 R –, Rn. 23, juris; BSG, Urteil vom 22. Juni 1988 – 9/9a RVg 3/87 –, BSGE 63, 270-273, SozR 1500 § 128 Nr 34, Rn. 12 f.; Kunz/Zellner, OEG, 4. Auflage 1999, § 1, Rn. 75) hat. Denn die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sind umfassend erfolgt. Es ist keinesfalls erkennbar, dass Spuren nicht ausermittelt worden sein könnten. Soweit die Bevollmächtigte des Klägers ein "Aufklärungsverschulden" in einer verspäteten rechtsmedizinischen Begutachtung erkennen will, ist darauf hinzuweisen, dass die Polizei erst am 10.10.2012 durch den seitens des Sohnes des Klägers, I. M., geäußerten Verdacht einer Straftat zulasten seines Vaters Anlass zu Ermittlungen haben konnte (§ 152 Abs. 2 Strafprozessordnung). Umgehend hat sich die Polizei mit dem erstversorgenden Uniklinikum B. in Verbindung gesetzt. Nachdem dort keine Angaben zu einer möglichen Fremdeinwirkung als Ursache der vorliegenden Verletzungen gemacht werden konnten, hat die Polizei noch für den Abend desselben Tages eine rechtsmedizinische Begutachtung veranlasst.

3. Aus § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) kann vorliegend keine Beweiserleichterung resultieren. Nach dessen Maßgabe sind bei der Entscheidung die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung (also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff) in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. "Glaubhafterscheinen" im bzw. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen (BSG, Beschluss vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris; BSG, Beschluss vom 24. November 2010 – B 11 AL 35/09 R –, juris).

Diese Bestimmung ist zwar nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich auch im Verfahren über Ansprüche nach dem OEG anwendbar (BSGE 83, 279, 282 f); vgl. auch § 6 Abs. 3 OEG. Sie erfordert jedoch, dass der Antragsteller/Kläger Angaben aus eigenem Wissen, jedenfalls aber überhaupt Angaben machen kann (BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 – B 9 VG 3/99 R –, SozR 3-3900 § 15 Nr 3, Rn. 12 m. w. Nachw. BSG, Urteil vom 03. Februar 1999 – B 9 V 33/97 R –, juris, Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. September 2014 – L 2 VG 25/12 –, Rn. 41, juris; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. September 2002 – L 4 VG 1055/99 –, Rn. 25). Da dies vorliegend nicht der Fall ist, verbleibt es bei der Notwendigkeit des Vollbeweises für einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff (sowie eine Schädigung und die Schädigungsfolgen).

Der Kläger hatte unstreitig zu keiner Zeit Erinnerungen an den Vorfall vom 28.09.2012. Entsprechend sind bereits nach dem Vorfall keine Äußerungen des Klägers zum Geschehen dokumentiert. Vielmehr ist festgehalten, dass er sich an das Geschehene nach dem Vorfall nicht erinnern konnte und in der Folge tief sediert wurde (vgl. Gutachten des Rechtsinstituts der Uniklinik L. vom 22.10.2012). Polizeilich wurde er am 12.09.2014 als Zeuge vernommen. Zwar antwortete er auf die Frage, ob er sich an den Vorfall erinnern könne, bei dem er verletzt worden sei, zunächst dies bejahend. Er habe seinen Sohn T. besucht. Es sei ein normaler Besuch ohne konkreten Anlass gewesen. Er sei am Nachmittag mit dem Auto dorthin gefahren und habe dieses abgestellt. Er habe seinen Sohn auch dort angetroffen. Danach wisse er jedoch gar nichts mehr. Bereits dazu, ob er seinen Sohn im Auto oder auf der Straße getroffen habe konnte der Kläger keine Antwort geben. Seine Erinnerungen setzten erst im Krankenhaus wieder ein. Soweit der Kläger auf die Frage, ob es denkbar sei, dass sein Sohn ihn an diesem Tage so geschlagen habe, dass er derart verletzt worden sei geäußert hat, es sei sein Sohn gewesen, gleichwohl er zuvor ein gutes Verhältnis bekundete, kann nicht von einer belastbaren Aussage ausgegangen werden. Denn auf die Frage, warum er sich da sicher sei antwortete der Kläger, er habe sonst niemanden gesehen, als er mit dem Auto dort gewesen sei. Er konnte aber nicht beschreiben, was passiert ist. Da hinsichtlich seiner weiteren Antworten Ungereimtheiten festgehalten worden sind, erscheint eine erlebnisbasierte Aussagefähigkeit nicht gegeben gewesen zu sein. Soweit der Kläger etwa äußerte, sein Sohn T. habe ihn nach dem Vorfall einmal im Seniorenheim angerufen wurde dies im Vernehmungsprotokoll als eher unwahrscheinlich dokumentiert, da das Zimmertelefon nicht aktiviert gewesen sei. Bei Erscheinen seines gesetzlichen Betreuers und des vernehmenden Polizeibeamten antwortete Kläger auf die Frage seiner Pflegerin, ob er wisse, wer dort gekommen sei, dies sei sein Sohn I ... Bei der richterlichen Vernehmung im April 2015 konnte der Kläger auf Fragen zum Besuch seines Sohnes T. am 28.09.2012 und zu dem Verhältnis der beiden keine Antworten geben. Der Kammer konnte sich daher auch nicht gedrängt fühlen, den Kläger persönlich anzuhören, zumal weder der gesetzliche Vertreter noch die Bevollmächtigte des Klägers von einer Aussagetüchtigkeit (vgl. Dauer, https://www.ptk-bay-ern.de/ptk/web.nsf/gfx/622ED1EA4EDC7407C1257D0800470CA7/$file/Vortrag Dauer.pdf, S. 19, 20) des Klägers ausgehen.

II. Während die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger vorsätzlich tätlich angegriffen worden ist, ist der Vollbeweis einer Rechtswidrigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 OEG demgegenüber nicht zu führen.

1. Einen tätlichen Angriff sieht die Kammer zwar als erwiesen an. Ein solcher setzt eine in feindseliger bzw. rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung voraus, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (BSG Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R - BSGE 106, 91 = SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rn. 25 m. w. Nachw.; BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205-221, SozR 4-3800 § 1 Nr. 20, Rn. 27; Weiner, in: Gelhausen/Weiner, 6. Aufl. 2015, § 1, Rn. 10 ff.; Kunz/ Zellner, OEG, 4. Aufl. 1999, § 1. Rn. 10). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff i. S. des § 240 StGB zeichnet sich der tätliche Angriff i. S. des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG Urteil vom 7.4.2011 - B 9 VG 2/10 R - BSGE 108, 97 = SozR 4-3800 § 1 Nr 18, Rn. 36 m. w. Nachw.; BSG, Urteil vom 17. April a.a.O.)

a) Auf Grundlage der beiden Gutachten des Institutes für Rechtsmedizin der Uniklinik L. vom 22.10.2012 und 02.01.2015 muss die Kammer davon ausgehen, dass dem Kläger am 28.09.2012 durch einen nicht zu identifizierenden Anderen stumpfe Gewalt gegen das Gesicht beigebracht und insoweit jedenfalls der objektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) (Körperverletzung) erfüllt worden ist.

In dem Gutachten vom 22.10.2012 erläutern die Rechtsmediziner nachvollziehbar, dass von einer stumpfen Gewalt gegen das Gesicht des Klägers auszugehen sei. Hierfür spreche eine als Platzwunde zu interpretierende Wunde über dem rechten Jochbein sowie in den Unterlagen der Uniklinik B. (Bericht der Neurologischen Klinik vom 17.10.2012) dokumentierte beidseitige Unterblutungen der Augenlider (Brillenhämatome) bei Einlieferung des Klägers am 28.09.2012 (zum Zeitpunkt der rechtsmedizinischen Begutachtung des Klägers 11 Tage später nicht mehr erkennbar), wenngleich andere Hinweise auf eine körperliche Auseinandersetzung, etwa in Form von Abwehrverletzungen, nicht festzustellen seien. Das Gutachten vom 02.01.2015 korrespondiert hiermit. Darüber hinausgehend werden zudem nunmehr die seitens des Uniklinikums dokumentierte (am 10.10.2012 (Untersuchung der Rechtsmediziner der Uniklinik L.) nicht mehr feststellbare, Prellmarke am Nasenrücken und eine intraorale Schleimhautverletzung als plausible Folge einer stumpfen Gewalteinwirkung, zu denken sei an einen Faustschlag, erkannt. Ob der Sturz, der insbesondere für die Entstehung eines Schädelbruches als kausal angesehen wird durch die Gewaltan-wendung gegen das Gesicht verursacht worden sei, oder vielmehr auf eine hiervon unabhängige hypertensive Krise mit möglicher Bewusstseinsstörung – wie die Neurologen der Uniklinik im Bericht vom 17.10.2012 annehmen - solle allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden können. Insbesondere Veränderungen in der zentralen Hirnstruktur sprächen für eine spontane, krankhaft bedingte Störung durch Veränderung von Blutgefäßen.

Die Annahme einer Tätlichkeit gegen den Kläger ist zudem sehr vereinbar mit den polizeilich protokollierten Aussagen der Zeugen Krings und Schmitz aus dem Juni bzw. Juli 2013 bzw. der Aussage des Zeugen T. in der mündlichen Verhandlung, die zur maßgeblichen Zeit am maßgeblichen Ort mit gewisser Entfernung vom Balkon im dritten Stock eines Mehrparteienhauses auf der Ecke B-straße/B-weg einen lautstarken Streit zwischen zwei männlichen Personen wahrgenommen haben, auch wenn sie weder dessen Inhalt erfasst haben oder eine körperliche Auseinandersetzung haben bezeugen können.

b) Soweit allerdings für die Bevollmächtigte und den in der mündlichen Verhandlung als Zeugen gehörten I. M. feststeht, dass T. M. dem Kläger, seinem Vater, am 28.09.2012 die seither bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen beigebracht habe, basiert dies letztlich auf Vermutungen, die ihren Ausgang darin finden, dass die Lebensgefährtin des Klägers in ihrer polizeilichen Vernehmung am 15.10.2012 bezeugt hat, dass der Kläger zur maßgeblichen Zeit zu einem Treffen mit seinem, damals in unmittelbarer Nähe zum Geschehensort wohnenden, Sohn T. aufgebrochen und bei dem vorangegangenen Telefonat mit dem drogensüchtigen Sohn ungewöhnlich nervös gewesen sei. Der Zeuge I. M. hat hierdurch sein "Bauchgefühl" bestätigt gesehen, dass hinter dem Vorfall am 28.09.2012 mehr als Unfall stecken müsse, zumal sein Bruder, zu dem er jedoch keinen Kontakt unterhalten habe, ihm als gewaltbereit bekannt sei. Außerdem sei sein Bruder nach dem Vorfall "untergetaucht". Der sowohl polizeilich- als auch in der mündlichen Verhandlung als Zeuge vernommene T. M. hat jedoch abgestritten seinem Vater am 28.09.2012 begegnet zu sein. Er habe sich aufgrund seiner Drogensucht in stationärer Entgiftung befunden. Dies findet Bestätigung in einer Bescheinigung der Uniklinik B., wenngleich schon nach den Angaben des Zeugen nicht auszuschließen ist, dass er das Klinikum zwischendurch mit Rückfälligkeit verlasen hat. Der Beurteilung der Staatsanwaltschaft B. in der Einstellungsverfügung vom 22.10.2015 stimmt die Kammer zu. Es lässt sich nicht klären, ob T. M. in das Geschehen zum Nachteil seines Vaters am 28.09.2012 involviert gewesen ist. Seine gegenteilige Aussage lässt sich durch nichts widerlegen. Es lässt sich bereits nicht nachweisen, dass er dem Kläger Faustschläge, die möglicherweise zu den weiteren Verletzungen geführt haben, beigebracht hat.

2. Aus dem hiernach - allein aufgrund der rechtsmedizinischen Begutachtungen - zur Überzeugung der Kammer feststehenden äußeren Geschehensablauf von stumpfer Gewalt gegen das/Schlägen ins Gesicht des Klägers ist zwar weiterhin auch auf die vorsätzliche Begehungsweise des tätlichen Angriffes zu schließen (sog. Anscheinsbeweis) (vgl. BSG, Urteil vom 04. Februar 1998 – B 9 VG 5/96 R –, BSGE 81, 288-293, SozR 3-3800 § 1 Nr 12, Rn. 19; Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 29. Oktober 2002 – L 13 VG 2/01 –, Rn. 20 ff., juris, siehe 3.).

3. Jedoch kann die Rechtswidrigkeit einer nachweisbaren Körperverletzung nicht - auch nicht unter Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dargetan werden. Ein tätlicher Angriff ist dann rechtswidrig, wenn Rechtfertigungsgründe im strafrechtlichen Sinne fehlen. Das Fehlen solcher rechtfertigenden Gründe muss – wie bereits dargelegt - im Maßstab des Vollbeweises erwiesen sein, während die bloße (gute) Möglichkeit nicht ausreichend ist (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. August 2011 – L 15 VG 21/10 –, Rn. 36, juris; LSG NRW a.a.O.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. September 2016 – L 6 VG 1977/15 –, Rn. 37, juris; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – L 11 VG 7/12 –, Rn. 24, 30, juris).

Dabei ist der im Zivilrecht entwickelte Grundsatz vom Beweis des ersten Anscheins (§ 118 i.V.m. § 202 SGG) anwendbar (vgl. BSGE 8, 245, 247; 10, 46, 50; 12, 242, 246 = SozR Nr. 27 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 19, 54 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO). Bei dem Beweis des ersten Anscheins/ Anscheinsbeweis handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Das ist der auf Lebenserfahrung beruhende Schluss, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder dass umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten (BFHE 156, 66). Der Anscheinsbeweis setzt also einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig einen bestimmten Verlauf nahe legt, und es rechtfertigt, besondere Umstände des Einzelfalls in ihrer Bedeutung zurücktreten zu lassen (BVerwG NVwZ-RR 2000, 256; BSGE 63, 270 = SozR 1500 § 128 Nr 34). Es muss ein Hergang zugrunde liegen, der erfahrungsgemäß gleichmäßig abläuft (BSGE 81, 288 = SozR 3-3800 § 1 Nr 12; BVerwG NJW 1980, 252; BSG, Urteil vom 30. November 2006 – B 9a VS 1/05 R –, Rn. 20, juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. September 2016 – L 6 VG 1977/15 –, Rn. 39, juris m. w. Nachw.). Bei einem Anscheinsbeweis, bei dem aus dem Verletzungsbild auf den Tathergang geschlossen werden soll, trifft den Kläger für das Vorliegen des typischen Geschehensablaufes nach den Maßstäben des Vollbeweises die objektive Beweislast. Zweifel gehen zu seinen Lasten (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. September 2002 – L 4 VG 1055/99 –, Rn. 22, 23, juris).

Gerade aber, wenn das Geschehen – wie vorliegend – nicht konkret genug aufklärbar ist, es sich letztlich um einen völlig unklaren Ablauf handelt, liegt kein typischer Sachverhalt vor, (dem bestimmte Folgen entspringen, oder) aus dessen Folgen auf einen bestimmten typischen Ablauf geschlossen werden kann, selbst wenn eine von mehreren Möglichkeiten, die für den beweisbelasteten Beteiligten günstiger wäre, wahrscheinlicher als eine andere sein mag (BSG, Urteil vom 30. November 2006 – B 9a VS 1/05 R –, Rn. 21, juris; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 9 VG 3/02 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr 5, Rn. 19; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. September 2016 – L 6 VG 1977/15 –, Rn. 31, 39, juris; vgl. Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, a.a.O, Rn. 26 ff.; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Oktober 2014 – L 7 VE 15/13 –, Rn. 26, juris).

Ist aufgrund der rechtsmedizinischen Begutachtungen davon ausgehen, dass dem Kläger vorsätzlich Faustschläge, jedenfalls stumpfe Gewalt gegen das Gesicht beigebracht worden ist, lässt sich jedoch in Ermangelung jedweder Erkenntnisse über den Geschehensablauf die Frage der Rechtswidrigkeit nicht klären. Es kann insofern insbesondere nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass derjenige, der den Kläger am 28.09.2012 im Gesicht verletzt hat in Notwehr (§ 32 StGB) gehandelt hat. Die Kammer weist darauf hin, dass dies selbst dann der Fall wäre, wenn eine Beteiligung des T. M. am Geschehen nachweisbar wäre. Soweit allein die Tatsache aufklärbargewesen wäre, dass er seinem Vater die Schläge ins Gesicht beigebracht hätte, bliebe auch insoweit eine Rechtfertigung durch Notwehr unklar solange der äußere Geschehensablauf im Dunkeln liegt.

Schlösse man ohne weiteres von der Annahme einer vorsätzlichen Gewalttat in Form von Faustschlägen in das Gesicht auf deren Rechtswidrigkeit, überdehnte man die Grundsätze des Anscheinsbeweises dahingehend, dass letztlich die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit auf die Seite des Beklagten verlagert würde, gleichwohl sie gerade auf Seiten des Klägers liegt. Eine Beweisregel der Art, dass ein vorsätzlicher, tätlicher Angriff stets dessen Rechtswidrigkeit (im Sinne eines Anscheinsbeweises) indiziere (vgl. Kunz/ Zellner, OEG, 4. Aufl. 1999, § 1. Rn. 13; vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. August 2006 – L 7 VG 38/05 –, Rn. 23) existiert nicht. In seiner Generalität hält ein derartiges Postulat einer Überprüfung nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen einschließlich der Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht stand. (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 31. Mai 2016 – L 3 VE 6/14 –, Rn. 25 ff., juris; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. August 2011 – L 15 VG 21/10 –, Rn. 52, 53, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Januar 2000 – L 6 VG 76/96 –, veröffentlicht auf Sozialgerichtsbarkeit.de, Leitsätze bei juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 1999 – L 6 VG 2776/98 –, in Rn. 32 in der Formulierung zu weit, vgl. aber Rn. 35 "noch nicht widerlegt", juris, unter Aufhebung eines Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.05.1998 – S 6 V 995/97, in dem dieses unter dem Postulat einer Indizierung der Rechtswidrigkeit durch die Tatbestandsmäßigkeit die objektive Beweislast für die Rechtswidrigkeit dem Beklag-ten auferlegte, vgl. Rn. 18 der o.a. Entscheidung des LSG; unbeachtet gelassen von: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. August 2006 – L 7 VG 38/05 –, Rn. 23, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. Oktober 2006 – L 6 VG 22/06 –, Rn. 29, juris). Entsprechend kann auch im Strafrecht keine Verurteilung erfolgen, sofern ein Rechtfertigungsgrund nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.

Zeugen oder andere Beweismittel für den unmittelbar zu den auf stumpfe Gewalteinwirkung durch einen anderen zurückzuführenden Verletzungen im Gesicht des Klägers stehen nicht zur Verfügung. Es lässt aber auch kein typischer Geschehensablauf nachweisen, von dem auf die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung zu schließen wäre; etwa der äußere Geschehensablauf eines Raubes oder eines Überfalls, die typischerweise nicht durch eine objektive Notwehrlage und einen subjektiven Verteidigungswillen gekennzeichnet sind (vgl. Hessisches Landessozialgericht a.a.O., Rn. 25). Die tatnächsten Zeugen L. und T. haben nach den in den Akten der Staatsanwaltschaft enthaltenen Vernehmungsprotokollen aus Mitte des Jahres 2013 aus einiger Entfernung vom Balkon der Wohnung des Zeugen T. in der 3. Etage lediglich eine Diskussion bzw. einen Streit zwischen zwei männlichen Personen wahrgenommen, von denen eine mit einem Auto gekommen war. Die andere Person sei anschließend weggerannt. Der Zeuge L. glaubte sich zu erinnern, dass beide laut geschrien hätten. Er meine gehört zu haben, dass der Fahrer des Autos (nach Ort und Zeit des Geschehens offenbar der Kläger) einmal "Arschloch" gerufen habe. Der Zeuge hatte den Eindruck, es könne möglicherweise darum gegangen sein, dass der Fahrer des PKW mit laufendem Motor bei rot abgebogen oder sonst falsch gefahren sei, ohne dass der Zeuge ein entsprechendes Fahrfehlverhalten wahrgenommen hätte. Er habe nicht gesehen, dass der Fahrer aus den PKW ausgestiegen sei, lediglich dass der Fahrer sich einmal aus dem offenen Fenster der Tür gelehnt habe. Als er späterhin ein weiteres Mal auf die Situation geschaut hat will er beobachtet haben, dass der Fahrer des PKW aus der Fahrertür hinausgefallen sei. Einen Schlag oder eine andere Handlung habe er jedoch nicht beobachten können. Der Zeuge T. war hingegen der Meinung, aus dem PKW sei eine Person ausgestiegen. Dann sei es offensichtlich zum Streit gekommen. Auch er hat keine Tätlichkeiten beobachten können. Einen Sturz des PKW Fahrers konnte er ebenso wenig bezeugen wie in seiner nochmaligen Vernehmung in der mündlichen Verhandlung. Weder er noch der Herr L. hätten wahrnehmen können, ob es zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sei. Während er nun angegeben hat, das zu Verletzungen des Klägers führende Geschehen sei ihm aufgrund der örtlichen Gegebenheiten visuell verborgen geblieben, auf Nachfrage der Bevollmächtigten des Klägers lediglich ein dumpfes Geräusch wahrgenommen haben will, war er bei der polizeilichen Vernehmung der Annahme, er sei mit dem Zeugen L. bereits in seine Wohnung zurückgekehrt. Worum inhaltlich gestritten worden sei habe er nicht feststellen können. Die Kammer hat keinen Anlass anzunehmen, dass die weitergehenden Widersprüchlichkeiten in den Aussagen des Zeugen T. selbst und im Gegenüber mit dem Zeugen L. Ausfluss eines fehlenden Bemühens um wahrheitsgemäße Angaben oder gar bewusst falscher Angaben sind. Sie haben keinerlei Verbindung zum Geschehen. Vielmehr geht die Kammer insoweit von ungenauen, verzerrten Erinnerungen bzgl. des Geschehens am 28.09.2012 aus. Zur Unergiebigkeit ihrer Aussagen in Bezug auf die Frage, wie der wahrgenommene Streit gegebenenfalls eskaliert ist und zu einer Verletzung des Klägers geführt haben könnte tritt insofern eine verminderte Belastbarkeit ihrer Aus-sagen in den Details.

Hiernach lässt sich keinesfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass derjenige, der den Kläger am 28.09.2012 geschlagen hat in Notwehr handelte. So ist etwa ohne weiteres denkbar, dass der Kläger, ein ehemaliger Amateurboxer, im Rahmen eines zunächst verbalen Streites seinen gegenüber zuerst tätlich angegriffen hat. Ein Ausschluss der Erforderlichkeit (Geeignetheit und relativ mildestes Mittel – vgl. Weiner, in: Gelhausen/ Weiner, OEG, 6. Aufl. 2015, § 1, Rn. 41 m. w. Nachw.) der dem Kläger beigebrachten Schläge im Rahmen einer Notwehrhandlung ist - insbesondere auch in Auswertung der rechtsmedizinischen Begutachtungen - angesichts des vollkommen unklaren äußeren Geschehensablaufes nicht möglich. Die Rechtsmediziner konnten nicht mehr mitteilen, als dass von einer stumpfe Gewalteinwirkung gegen das Gesicht – vermutlich Form von Schlägen – auszugehen ist, die zu sog. Brillenhämatomen und einer Prellmarke am Nasenrücken geführt haben. Insofern lässt sich nicht einmal eine Erheblichkeit der Körperverletzungshandlung gegen den Kläger nachweisen, die gegen eine Notwehrhandlung spräche (vgl. weitergehend: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. August 2011 – L 15 VG 21/10 –, Rn. 51-53, juris). Allein die nach den Aussagen der Zeugen T. und L. gesicherte Tatsache, dass eine Person vom Geschehensort weggelaufen ist, eignet sich nicht um die volle richterliche Überzeugung von der Rechtswidrigkeit einer nach Lage der Dinge durch diese Person verübten Körperverletzung zu begründen. Insbesondere die Angst vor Strafverfolgung bleibt auch bei einer Notwehrhandlung ein plausibles Motiv für eine Flucht; weiterhin erscheint eine Flucht als Schreck- oder Panikreaktion (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1966 – II ZR 267/63 –, Rn. 12, juris) gut möglich.

III. Zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen konnte die Kammer sich nicht gedrängt sehen (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103, Rn. 5). Es sind keine Ermittlungsansätze erkennbar, die über das von der Staatsanwaltschaft B. bereits veranlasste hinausgingen. Deren Feststellungen aus dem Ermittlungsverfahren durfte die Kammer übernehmen. Zu eigener, weitergehender Ermittlungstätigkeit wäre sie nur verpflichtet gewesen, wenn sich neue, erfolgversprechende Ansatzpunkte zur Feststellung einer rechtswidrigen Vorsatztat ergeben hätten. (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 1993 – 9 RVg 2/93 –, Juris). Die Kammer konnte sich damit im Wege des Urkundenbeweises auf staatsanwaltschaftlichen Verfahrensakten, die im Wesentlichen Inhalt Verwaltungsakte des Beklagten waren, stützen. (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. September 2014 – L 2 VG 25/12 –, Rn. 43, juris). Auf eine nochmalige Vernehmung des Zeugen L. konnte die Kammer verzichten, zumal sie auch klägerseitig nicht mehr beantragt worden ist (vgl. Hessisches Landessozialgericht a.a.O., Rn. 23). Er hat den unmittelbaren, entschei-dungserheblichen Geschehensablauf, der zu den Verletzungen des Klägers geführt hat, unstreitig nicht beobachten können. Dies lässt dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll entnehmen und ist durch den Zeugen T. in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden.

Sofern die Bevollmächtigte des Klägers bis zuletzt eine nochmalige Vernehmung der Lebensgefährtin des Klägers, der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vernommenen J. Q., begehrt hat, war nicht zu entsprechen. Die Zeugin könne – so der Vortrag der Bevollmächtigten des Klägers – bestätigen, dass der Kläger sich am 28.09.2012 zum maßgeblichen Zeit mit seinem Sohn T. habe treffen wollen und bei Aufbruch zu dem Treffen ungewöhnlich aufgeregt gewesen sei. Die Kammer kann den Inhalt des polizeilichen Vernehmungsprotokolls vom 15.10.2012 als wahr unterstellen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103, Rn. 8), ohne dass dies entscheidungserheblich ist. Denn unstreitig hat die Lebensgefährtin den Kläger nicht zu dem Treffen begleitet und keinerlei Wahrnehmungen zum unmittelbaren zur Verletzung des Klägers führenden Geschehensablauf machen können.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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