Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 SF 80/15 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers werden die dem Erinnerungsgegner gem. § 59 Abs. 1 S. 1 RVG zu erstattenden Kosten auf 446,25 EUR festgesetzt. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der im Rahmen der Prozesskostenhilfe festge-setzten Rechtsanwaltsvergütung und deren Übergang auf die Landeskasse nach § 59 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) streitig. Umstritten ist dabei die Frage, ob auf die Verfahrensgebühr der Vergütung eines Rechtsanwaltes für das gerichtliche Verfahren aus Ziffer 3102 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Anl. 1 Vergütungsverzeichnis (VV RVG) nach Teil 3 der Vorbemerkungen 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG die im Vorverfah-ren entstandene Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG abstrakt oder in Höhe einer tatsächlichen Zahlung anzurechnen ist.
Im Klageverfahren (S 14 AS 20/15) war die Feststellung der Minderung eines Leis-tungsanspruches nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen dreier Meldeversäumnisse i.H.v. jeweils 10 % des Regelbedarfs Streitgegenstand. Das Verfahren endete am 24.07.2015 durch Ver-gleich. Die Beteiligten einigten sich darauf, dass die Hälfte der aufgrund der Sanktio-nen einbehaltenen Leistungen nachträglich ausgezahlt werde. Hinsichtlich der au-ßergerichtlichen Kosten des Klägers verständigten sich die Beteiligten auf eine hälfti-ge Übernahme durch den Beklagten (Erinnerungsführer) dem Grunde nach.
Dem Kläger war mit Beschluss vom 19.03.2015 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Bei-ordnung des Rechtsanwaltes P. bewilligt worden. Am 30.07.2015 beantragte der Rechtsanwalt die Festsetzung seiner Vergütung auf Grundlage der Prozesskostenhil-fe aus der Landeskasse wie folgt:
Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV RVG 300,00 EUR Termingebühr nach Ziffer 3106 VV RVG 280,00 EUR Erledigungsgebühr, Einigungsgebühr nach Ziffer 1006 300,00 EUR Auslagenpauschale nach Ziffer 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer nach Ziffer 7008 VV RVG 171,00 EUR Gesamtsumme 1.071,00 EUR
Er gab an, für die außergerichtliche Vertretung bezüglich desselben Gegenstandes sei eine Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300-2303 VV RVG i.H.v. 380,80 EUR entstanden. Er habe diese Gebühr nicht erhalten.
Unter dem 04.08.2015 gab die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dem Erinne-rungsführer Gelegenheit zur Stellungnahme, da dieser über § 59 RVG mittelbar an der Festsetzung beteiligt sei.
Unter dem 10.08.2015 teilte der Erinnerungsführer mit, er gehe von einer entstande-nen Geschäftsgebühr i.H.v. 300 EUR aus, die er mangels Vorlage einer Kostennote nicht habe begleichen können. Er bitte um einheitliche Festsetzung der Kosten des Vorverfahrens und des Gerichtsverfahrens. Bei der Verfahrensgebühr sei dann die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen.
Auf die Anregung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einen einheitlichen Kos-tenfestsetzungsantrag für Vor – und Klageverfahren zu stellen, beantragte der Rechtsanwalt am 31.08.2015 neben der Festsetzung der PKH – Vergütung die Fest-setzung der von dem Erinnerungsführer zu übernehmenden vorgerichtlichen Gebüh-ren i.H.v. 190,40 EUR bei einer Gesamtkostennote für das Vorverfahren i.H.v. 380,80 EUR (davon 300 EUR Geschäftsgebühr nach Ziffer 2302 VV RVG). Zwar könne er keine rechtliche Grundlage für einen einheitlichen Festsetzungsantrag unter Einschluss der von der Gegenseite teilweise zu zahlenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren erkennen. Es möge gegebenenfalls jedoch die Hälfte der von der Gegenseite zu tra-genden vorgerichtlichen hälftigen Geschäftsgebühr in Anrechnung gebracht werden.
Der Erinnerungsführer erklärte darauf Ende September 2015, die hälftigen Kosten aus dem Widerspruchsverfahren – wie beantragt (190,40 EUR) - zu übernehmen. Im Klageverfahren sei von einem Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes i.H.v. 892,50 EUR auszugehen, von dem der Erinnerungsführer die Hälfte (446,25 EUR) trage. Die seitens des Rechtsanwaltes angesetzten Gebühren erkannte der Erinnerungs-führer dem Grunde nach als zutreffend an, rechnete auf die Verfahrensgebühr (Ziffer 3102 VV RVG) jedoch 150 EUR Geschäftsgebühr (Ziffer 2302 S. 1 Nr. 1 VV RVG) ge-mäß Vorbemerkung 3, Teil 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG an und korrigierte die Umsatz-steuer entsprechend.
Auf Aufforderung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 01.10.2015 wies der Erinnerungsführer die für das Vorverfahren geltend gemachten Kosten in Höhe von 190,40 EUR an den Rechtsanwalt an.
Am 12.10.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staats-kasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 981,75 EUR fest. Dabei be-rücksichtigte sie die durch den Rechtsanwalt angesetzten Gebühren vollständig, rechnete auf die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV RVG gemäß Vorbemerkung 3, Teil 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG die Hälfte der seitens des Erinnerungsführers auf die Geschäftsgebühr gezahlten 150,00 EUR, also 75 EUR an und korrigierte die Umsatzsteuer entsprechend.
Unter demselben Datum machte sie für den Erinnerungsgegner gegen den Erinne-rungsführer auf der Grundlage des § 59 RVG einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für das Klageverfahren i.H.v. 490,88 EUR, nämlich entsprechend der Einigung über die Kostengrundquote die Hälfte der festgesetzten Gebühren und Auslagen, geltend.
Hiergegen legte der Erinnerungsführer am 21.10.2015 Erinnerung ein, mit der er sei-ne Ansicht, auf die Verfahrensgebühr sei die Geschäftsgebühr aus dem Vorverfahren i.H.v. 150 EUR anzurechnen, weiter vertritt. Zwar habe er nur die hälftigen Vorverfahrenskosten i.H.v. 150 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer und Zinsen) zu übernehmen und übernommen. Dies liege jedoch daran, dass der Kläger entsprechend der Einigung über die Kostengrundquote die andere Hälfte selbst zu tragen habe. Bei der Anrechnung sei die abstrakte Geschäftsgebühr zu berücksichtigen. Andernfalls würden die durch den Kläger zu tragenden Kosten vollkommen ausgeblendet. Im Ergebnis werde der Erinnerungsführer um 37,50 EUR (netto) zu stark belastet.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß, die nach § 59 RVG geltend gemachte Erstattungsforderung des Erinnerungsgegners auf 446,25 EUR festzusetzen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Der Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein – Westfalen ist der Ansicht, das Vorgehen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sei insoweit zutreffend, wie eine Anrechnung der Geschäfts – auf die Verfahrensgebühr nur i.H.v. 75 EUR erfolgt sei. Aus § 55 Abs. 5 S. 2-4 RVG ergebe sich, dass die Anrech-nung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur insoweit vorgenommen werden könne, wie die Geschäftsgebühr auch tatsächlich gezahlt worden sei. Der Erinnerungsführer als Dritter im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG könne sich nur insoweit auf die Anrechnung nach Abs. 1 berufen, wie er Zahlungen geleistet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts-akte der Hauptsache, die PKH-Nebenakte und die Akte zum Erinnerungsverfahren Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 66 Gerichtskostengesetz (GKG) (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, § 59, Rn. 38; a. A. ohne Aus-wirkung auf den vorliegenden Fall: LSG NRW, Beschluss vom 09.02.2015 – L 9 AL 321/14 B, juris: § 59 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 197 Abs. 1 SGG) zulässige Erinnerung gegen die Geltendmachung eines auf die Staatskasse übergegangenen Anspruches des Rechtsanwaltes gegen den Erinnerungsführer ist begründet.
A. Gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 RVG geht – soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichti-gen Gegner zusteht – dieser Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwaltes durch die Staatskasse auf diese über.
I. Der Rechtsanwalt des Klägers der Hauptsache ist durch Beschluss der Kammer vom 19.03.2015 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden.
II. Die Staatskasse als Erinnerungsgegnerin hat auf Grundlage der Prozesskostenhil-febewilligung und Beiordnung nach der Festsetzung der Urkundsbeamtin der Ge-schäftsstelle vom 12.10.2015 einen Anspruch des Rechtsanwaltes auf Vergütung seiner Tätigkeit im Klageverfahren i.H.v. 981,75 EUR befriedigt; §§ 48 Abs. 1, 45, 55 RVG.
III. Auf Grundlage des zwischen den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens ge-schlossenen Vergleiches über eine – das gerichtliche Vorverfahren, in dem der Rechtsanwalt bereits tätig war, und das Klageverfahren umfassende – Kostengrund-quote von 1/2 hat der beigeordnete Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch gegen-über dem Erinnerungsführer als ersatzpflichtigen Gegner. Wegen der weiteren Hälfte seines Vergütungsanspruches besteht ein Anspruch gegen den Kläger.
IV. Der gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 RVG auf die Staatskasse übergegangene Anspruch gegen den Erinnerungsführer beträgt entgegen der Forderung des Erinnerungsgeg-ners indes nicht die Hälfte der festgesetzten Vergütung i.H.v. 981,75 EUR, also 490,88 EUR, sondern 446,25 EUR. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Forderung des Erin-nerungsgegners steht ihm die Einwendung des § 15 a Abs. 2 Alt. 1 RVG zu (dazu C.). Er kann sich auf eine Anrechnung i.H.v. 150,00 EUR der im Vorverfahren entstan-denen Geschäftsgebühr nach Ziffer 2302 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV RVG gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen, da er den Anspruch des Rechtsanwaltes auf die Geschäftsgebühr erfüllt hat. Im Ergebnis ist dem Erinnerungsführer damit zuzustimmen.
B. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage, ob auf die Verfahrensgebühr der Vergütung eines Rechtsanwaltes für das gerichtliche Verfahren aus Ziffer 3102 VV RVG nach Teil 3 der Vorbemerkungen 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG die im Vorverfah-ren entstandene Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG abstrakt oder in Höhe der tatsächlichen Zahlung anzurechnen ist, ist zwar im Ansatz – d. h. in Bezug auf die Festsetzung der Vergütung nach § 55 Abs. 1 RVG - mit der Auffassung des Erin-nerungsgegners zu beantworten. Für eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr reicht nicht allein, dass die Geschäftsgebühr "entstandenen" ist, vielmehr ist eine tatsächliche Zahlung erforderlich (str., vgl. wie hier: Hess. LSG, Be-schluss vom 03.02.2015, juris; LSG NRW, Beschluss vom 04.01.2016 – L 10 SB 57/15 B, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2008 - 8 WF 5/08, juris; SG Aa-chen, Beschluss vom 20.11.2015 – S 11 SF 82/15 E –, Rn. 22, juris; VG Berlin, Be-schluss vom 23. Januar 2008 – 35 KE 39.07 –, juris; a.A. VG Berlin, Beschluss vom 14.05.2012 - 35 KE 40.11, 23 X 27.06, juris; Hess. LAG, Beschluss vom 10.05.2010 - 13 Ta 177/10, juris m ...w.N.). Zutreffend war es daher im Rahmen der Festsetzung nach § 50 Abs. 1 RVG die Hälfte der seitens des Erinnerungsführers bereits begli-chenen hälftigen Geschäftsgebühr (75 EUR netto) auf die Verfahrensgebühr anzurech-nen, nicht aber die Hälfte der entstandenen Geschäftsgebühr (150,00EUR).
I. Mit der Anwendung der durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kosten-rechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2586) eingefügten amtlichen Vorbemerkungen 3 Abs. 4 VV RVG ist nun-mehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entste-hen, auf eine echte Anrechnungsregelung umgestellt worden (vgl. auch z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., 2015, Vorbemerkung 3 VV RVG, Rn. 4). Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 (d.h. eine nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG) entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR. Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet (so auch der Beschluss des Hessischen LSG vom 03.02.2015, Az.: L 2 AS 605/14 B-, Rn. 5, juris.).; vgl. z.B. auch Müller-Rabe, a.a.O.-). Dies folgt bereits aus den Erwä-gungen der Vorbemerkung (BT-Drs 17/11471 (neu): "Durch die Anrechnungsrege-lung ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren § 15a RVG anwendbar ( )"; ferner:; BR-Drs 517/12, S. 423 f.).
Maßgeblich im Verhältnis zwischen der Staatskasse und dem Rechtsanwalt ist hier-nach § 15a Abs. 1 RVG. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt im Weg der PKH beigeordnet worden ist (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., Müller- Rabe, Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, § 15a, Rn. 11; BT-Drs. 16/12717, S. 68). § 15a Abs. 2 RVG findet im Verhältnis gegenüber der Staatskasse hingegen keine Anwendung, weil die Staatskasse, die nach § 45 Absatz 1 S. 1 RVG Gebührenschuldner wird an die Stelle des Mandanten tritt und damit nicht "Dritter" i. S. d. § 15a Abs. 2 RVG ist (vgl. auch Hessisches LSG, a.a.O.; Hessischer VGH, Beschluss vom 27.06.2013, Az.: 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13-, juris; Hansens, RVGreport 2015, 299 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 04.012016 – L 10 SB 57/15 B –, Rn. 56, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.05.2013, Az.: 18 W 68/13, juris). Eine Beschränkung des durch § 15a Abs. 1 RVG gewährten Wahlrechts des Rechtsanwalts infolge Anrechnung greift nur, wenn eine entsprechende Zahlung tatsächlich erfolgt ist.
II. Zwar spricht mit der Argumentation des Erinnerungsführers für eine Anrechnung unabhängig von einer solchen zunächst der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG. Nach diesem gilt: "Soweit wegen desselben Gegenstands eine Ge-schäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte ( ...) auf die Verfah-rensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet." Danach kommt es nicht auf die tatsächliche Zahlung an, sondern nur auf das Entstehen einer Geschäftsgebühr. Auch könnte der Regelungszweck von § 15a RVG – die Vermeidung von Überzah-lungen und damit die Absicht einer Kostendämpfung - für eine Anrechnung unab-hängig von einer erfolgten Zahlung sprechen.
Diese Aspekte vermögen jedoch nicht eine Anrechnung unabhängig von der Zahlung der Geschäftsgebühr zu rechtfertigen. Denn eine derartige Auslegung wäre weder mit dem weiteren, zentralen Regelungszweck von § 15a RVG, nämlich der vom Ge-setzgeber intendierten Wahlfreiheit des Rechtsanwalts, noch mit weiteren Vorschrif-ten des RVG in Einklang zu bringen.
§ 15a RVG ist durch Art. 7 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im an-waltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 in das RVG als gesetzgeberische Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs aus den Jahren 2007/2008 eingeführt worden (BT-Drs. 16/12717, S. 58; vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., § 15a, Rn. 7, m.w.N.). Da Abs. 2 der Vorschrift im Ver-hältnis des Rechtsanwaltes zur Staatskasse nicht zur Anwendung kommt (s. oben), ist zwingend § 15a Abs. 1 RVG zu berücksichtigen (vgl. SG Fulda, Beschluss vom 29.07.2014, Az.: S 4 SF 16/14 E - "tertium non datur", juris).
Der Gesetzgeber hat in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG für sozialgerichtliche Ver-fahren keine besondere Anrechnungsregel geschaffen, welche die anwaltliche Wahl-freiheit hinsichtlich der Anrechnung einschränkte. Denn ein solches Verständnis der genannten Vorschriften ist mit der Systematik des RVG nicht in Einklang zu bringen. Während das RVG an verschiedenen Stellen - wie z.B. in der genannten Vorbemer-kung - regelt, welche Gebühren aufeinander anzurechnen sind, hat § 15a RVG die Funktion, zu regeln, welche Folgen eine solche Anrechnung im Innenverhältnis nach Abs. 1 (und im Verfahren zu ersatz- oder erstattungspflichtigen Dritten im Sinne von Abs. 2) hat (vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 8). Die genannte Vorbemerkung kann also nicht als lex specialis gegenüber der Regelung des § 15a RVG verstanden wer-den; vielmehr handelt es sich insoweit um unterschiedliche Regelungsbereiche. § 15a RVG ist immer dann anwendbar, wenn der Anwalt mehrere Gebühren verdient hat und wenn das Gesetz eine Anrechnung der einen auf eine andere Gebühr vor-sieht (vgl. z.B. Hartmann, Kostengesetzte, 45. Aufl., 2014, § 15a, Rn. 3).
§ 15a Abs. 1 RVG sieht jedoch ausdrücklich eine Wahlfreiheit des Rechtsanwalts hinsichtlich der Geltendmachung der Gebühren vor; dies ist ausdrücklicher Rege-lungsgehalt der Vorschrift zur Vermeidung der durch die vorherige BGH-Rechtsprechung verursachten Folgen. Insofern hat der Bundestagsrechtsausschuss ausgeführt (Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 58):
"Absatz 1 soll die Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber regeln. Die Vorschrift beschränkt die Wirkung der Anrechnung auf den geringstmöglichen Eingriff in den Bestand der betroffenen Gebühren. Beide Ge-bührenansprüche bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Er hat insbesonde-re die Wahl, welche Gebühr er fordert und - falls die Gebühren von verschiedenen Personen geschuldet werden - welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist le-diglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren nach Abzug des anzurechnenden Betrags ergibt. So-weit seine Forderung jenen Betrag überschreitet, kann ihm der Auftraggeber die An-rechnung entgegenhalten. Mehr ist nicht erforderlich, um die Begrenzung des Vergü-tungsanspruchs zu erreichen, die mit der Anrechnung bezweckt wird." (hierzu: SG Aachen, Beschluss vom 20.11.2015 – S 11 SF 82/15 E –, Rn. 22, juris)
Zweck des § 15a Abs. 1 RVG ist es insoweit, jedenfalls im Innenverhältnis von Auf-traggeber und Rechtsanwalt dem Letzteren die volle Wahlfreiheit zu lassen, welche Gebühr er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt verlangt. Dabei besteht der Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes gegenüber dem Mandanten grds. ungeachtet einer Verpflichtung Dritter immer voll.
Es träte jedoch dann genau das Ergebnis ein, das der Gesetzgeber durch § 15a Abs. 1 RVG vermeiden hat wollen - nämlich ein von vornherein nur beschränkter An-spruch auf die um die Anrechnung reduzierte Verfahrensgebühr -, wenn man einen Rechtsanwalt durch eine gegebenenfalls rein fiktive Anrechnung darauf verweisen würde, die Zahlung der Geschäftsgebühr bei seinem Mandanten oder dem Prozess-gegner zu erwirken. Da die Staatskasse an die Stelle des Auftraggebers tritt und, wie dargelegt, nicht Dritter ist, betrifft die Entscheidung, von der Staatskasse zunächst die volle Verfahrensgebühr im Wege der Vergütungsfestsetzung zu fordern, genau die Wahlfreiheit im Innenverhältnis, die durch § 15a Abs. 1 RVG gesichert wird (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., § 58, Rn. 35 sowie § 15a, Rn. 12).
III. Dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr – jeden-falls bei voller Vergütungspflicht des Schuldners - nur dann vorgenommen werden kann, wenn die Geschäftsgebühr auch gezahlt worden ist, ergibt sich zudem auch aus § 55 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 RVG (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., m.w.N.; SG Aa-chen, a.a.O.). Danach hat der Rechtsanwalt anzugeben, welche Zahlung auf etwaig anzurechnende Gebühren geleistet worden sind, wie hoch diese Gebühren sind und aus welchem Wert sie entstanden sind. Durch diese Angaben sollen für die Festset-zung der Vergütung die Daten zur Verfügung gestellt werden, die benötigt werden, um zu ermitteln in welchem Umfang die Zahlungen nach § 58 Abs. 1 und 2 RVG auf die anzurechnende Gebühr als Zahlung auf die festgesetzte Gebühr zu behandeln sind. § 55 Abs. 6 RVG schließlich sieht Sanktionen gegen den Rechtsanwalt für den Fall vor, dass er zu "empfangenen Zahlungen" gegenüber dem Urkundsbeamten keine Erklärung abgegeben hat. Damit ist ersichtlich, dass bei der Kostenfestsetzung nur geleistete Zahlungen zu berücksichtigen sind. Denn andernfalls bedürfte es der Angabe, welche Zahlungen der Rechtsanwalt empfangen hat, nicht (vgl. Hessisches LSG, a.a.O.-, Rn. 20, juris; LSG NRW, Beschluss vom 04.01.2016 – L 10 SB 57/15 B –, Rn. 57, juris). (Bayerisches LSG, Beschluss vom 02.12.2015 – L 15 SF 133/15, juris).
C. Zwar hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei der Festsetzung des Vergü-tungsanspruchs des Rechtsanwaltes gegen die Landeskasse für dessen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach § 55 Abs. 1 RVG die hier vertretene Auslegung des § 15a Abs. 1 RVG und der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG (s. B.) beachtet. Jedoch kann der Erinnerungsgegner nur insoweit bei dem Erinnerungsführer nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG Regress nehmen, wie der Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung einen Anspruch gegen den Erinnerungsführer hat.
I. Gleichwohl die Kostenquote 1/2 beträgt und der Erinnerungsführer damit die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers (Rechtsanwaltskosten) des Hauptsache-verfahrens zu tragen hat, entspricht der für das gerichtliche Verfahren geschuldete Betrag nicht gleichzeitig der Hälfte der nach § 55 Abs. 1 RVG festgesetzten Vergü-tung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine Abrechnung der Kosten des Vorverfah-rens zwischen dem Erinnerungsführer und dem Rechtsanwalt noch nicht erfolgt wä-re. Dass die Belastung des Erinnerungsführers nicht der Hälfte der Belastung der Staatskasse entspricht liegt letztlich darin begründet, dass die Landeskasse an die Stelle des Klägers tritt, während der Erinnerungsführer Dritter i. S. d. § 15a Abs. 2 RVG ist.
II. Gemäß § 15a Abs. 2 Alt. 1 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung (hier nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG) dann berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat.
Dem Telos der Vorschrift entsprechend bedeutet dies, dass, soweit ein Dritter die von ihm geschuldete Quote einer auf eine andere anzurechnenden Gebühr vollstän-dig beglichen hat, er sich auf eine Anrechnung der vollständigen entstandenen Ge-bühr nach Maßgabe der Anrechnungsregelung berufen kann (vgl. Müller-Rabe, a.a.O, Rn. 30). Andernfalls trüge er im Ergebnis – worauf der Erinnerungsführer zu-treffend hinweist – einen seine Gesamtkostenverpflichtung übersteigenden Teil der Gebühren.
Der Wortlaut der Vorschrift lässt ein derartiges Verständnis zunächst ebenso zu wie die Lesart, dass ein Dritter eine Anrechnung nur insoweit verlangen kann, wie er eine entstandene Gebühr ungeachtet der auf ihn entfallenden Kostengrundquote begli-chen hat. Das Vorgehen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle entspricht der zweiten Lesart.
Die Gesetzesbegründung zu § 15a Abs. 2 RVG (BT-Drs. 16/12717, S. 58 f.) führt jedoch aus: "Absatz 2 betrifft die Wirkung der Anrechnung im Verhältnis zu Dritten, die nicht am Mandatsverhältnis beteiligt sind, sondern etwa für entstandene Gebüh-ren Schadensersatz zu leisten oder sie nach prozessrechtlichen Vorschriften zu er-statten haben. Da die Anrechnung den Bestand der einzelnen Gebührenansprüche bereits im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber unbe-rührt lässt, wirkt sie sich insoweit auch im Verhältnis zu Dritten nicht aus. In der Kos-tenfestsetzung muss also etwa eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden ist, die auf sie ange-rechnet wird. Sichergestellt werden soll jedoch, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz oder Erstattung in Anspruch genommen wird, den der Rechtsan-walt von seinem Auftraggeber verlangen kann. Insbesondere ist zu verhindern, dass insgesamt mehr als dieser Betrag gegen den Dritten tituliert wird. Das leistet die hier vorgeschlagene Vorschrift: Danach kann sich auch ein Dritter auf die Anrechnung berufen, wenn beide Gebühren im gleichen Verfahren – etwa in der Kostenfestset-zung – gegen ihn geltend gemacht werden. In gleicher Weise ist die Anrechnung zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anspruch auf eine der Gebühren bereits ge-gen den Dritten tituliert oder von ihm selbst bereits beglichen worden ist."
Hiernach ist zunächst zu erkennen, dass der Erinnerungsführer, als am Mandatsver-hältnis nicht Beteiligter, Dritter i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG ist.
Zwar hat die Gesetzesbegründung den Fall einer vollen Kostenerstattungspflicht des Dritten für eine Gebühr im Blick. Jedoch wird dabei das gesetzgeberische Anliegen klar erkennbar, den Dritten vor einer im Ergebnis übermäßigen Inanspruchnahme zu bewahren, die über seine Kostenerstattungspflicht hinausgeht. Dies wird insbesonde-re in der Erläuterung des § 15a Abs. 2 Alt. 3 RVG deutlich. Soweit beide Gebühren (hier: Geschäfts – und Verfahrensgebühr) in einer einheitlichen Kostenfestsetzung (z. B. nach § 197 Abs. 1 SGG) geltend gemacht werden, kann im Ergebnis nur der seitens des Dritten insgesamt – d.h. unter Berücksichtigung der Kostengrundquote – geschuldete Betrag stehen. Dabei sind zunächst die Kosten des Vorverfahrens ein-schließlich der Geschäftsgebühr zu berechnen, anschließend die Kosten des Ge-richtsverfahrens unter Berücksichtigung einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG und sodann der hiervon geschuldete Betrag unter Berücksichtigung der Kostengrundquote festzusetzen (vgl. hierzu Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 42; BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – X ZB 8/13 –, Rn. 12, juris). "In der gleichen Weise" ist indes "die Anrechnung zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anspruch eine der Gebühren bereits gegen den Dritten tituliert oder von ihm selbst bereits beglichen worden ist" (BT-Drs. a.a.O.).
III. Vorliegend hat der Erinnerungsführer dem Rechtsanwalt jedoch vor der Inan-spruchnahme durch den Erinnerungsgegner nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG – auf Auf-forderung der Urkundsbeamtin vom 01.10.2015 - die seinerseits gemäß einer Kos-tenquote von 1/2 geschuldeten Rechtsanwaltsgebühren für das Vorverfahren bereits erstattet. Dementsprechend kann er sich gemäß § 15a Abs. 2 Alt. 1 RVG auf die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen. Die seitens des Erinnerungsführers mit Schriftsatz vom 28.09.2015 dargelegte Berechnung, die einer einheitlichen Kostenfestsetzung entspräche, ist daher zutreffend. Der Erinnerungsführer hat hiernach zunächst die im Widerspruchsverfahren entstandenen Anwaltsgebühren – wie sie seitens des Rechtsanwaltes geltend gemacht worden sind – zusammengefasst; anschließend entsprechendes für die Rechtsanwaltsgebühren des Klageverfahrens unter Berücksichtigung einer hälftigen Anrechnung der entstandenen Geschäfts – auf die Verfahrensgebühr vorgenommen. Die Hälfte der dieser Art für das Klageverfahren anzuerkennenden Gebühren in Höhe von insgesamt 892,50 EUR brutto, also 446,25 EUR, bleiben hiernach dem Rechtsanwalt durch den Erinnerungsführer noch geschuldet. Weiter kann eine Inanspruchnahme nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG durch die Staatskasse daher nicht reichen.
Andernfalls würde der dargelegte Schutzzweck des § 15a Abs. 2 RVG nicht erreicht. Zutreffend weist Erinnerungsführer darauf hin, dass er nach dem Willen des Erinne-rungsgegners in der Summe von Geschäfts – und Verfahrensgebühr 262,50 EUR (netto) (geleistete 150 EUR Geschäftsgebühr [300./. Kostengrundquote von 1/2] + 112,50 EUR gemäß der Vergütungsfestsetzung nach § 55 Abs. 1 RVG./. 1/2) Gebühren zahlen würde, gleichwohl er bei einheitlicher Kostenfestsetzung (vgl. oben) nur 225 EUR (150 EUR Geschäftsgebühr [300 EUR Geschäftsgebühr./.1/2] + 75 EUR Verfahrensgebühr [(300 EUR - 150 EUR gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG)./. 1/2]) zu erstatten hätte.
Hiermit hat sich der Erinnerungsgegner trotz der Bitte des Gerichts vom 28.10.2015, zuletzt vom 13.09.2016, und der ihm eingeräumten langen Bearbeitungsdauer nicht auseinandergesetzt. Er hat sich ausschließlich auf die unter B. dargestellten Ge-sichtspunkte (zu § 15a Abs. 1 RVG im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Erinne-rungsgegner) beschränkt. Der Vortrag zu § 15 Abs. 2 RVG beschränkt sich mit Schriftsatz vom 27.10.2016 auf die Wiedergabe des Gesetzestextes zur 1. Alt. ohne sich jedoch mit einer Auslegung und Subsumtion zu befassen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der im Rahmen der Prozesskostenhilfe festge-setzten Rechtsanwaltsvergütung und deren Übergang auf die Landeskasse nach § 59 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) streitig. Umstritten ist dabei die Frage, ob auf die Verfahrensgebühr der Vergütung eines Rechtsanwaltes für das gerichtliche Verfahren aus Ziffer 3102 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Anl. 1 Vergütungsverzeichnis (VV RVG) nach Teil 3 der Vorbemerkungen 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG die im Vorverfah-ren entstandene Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG abstrakt oder in Höhe einer tatsächlichen Zahlung anzurechnen ist.
Im Klageverfahren (S 14 AS 20/15) war die Feststellung der Minderung eines Leis-tungsanspruches nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen dreier Meldeversäumnisse i.H.v. jeweils 10 % des Regelbedarfs Streitgegenstand. Das Verfahren endete am 24.07.2015 durch Ver-gleich. Die Beteiligten einigten sich darauf, dass die Hälfte der aufgrund der Sanktio-nen einbehaltenen Leistungen nachträglich ausgezahlt werde. Hinsichtlich der au-ßergerichtlichen Kosten des Klägers verständigten sich die Beteiligten auf eine hälfti-ge Übernahme durch den Beklagten (Erinnerungsführer) dem Grunde nach.
Dem Kläger war mit Beschluss vom 19.03.2015 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Bei-ordnung des Rechtsanwaltes P. bewilligt worden. Am 30.07.2015 beantragte der Rechtsanwalt die Festsetzung seiner Vergütung auf Grundlage der Prozesskostenhil-fe aus der Landeskasse wie folgt:
Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV RVG 300,00 EUR Termingebühr nach Ziffer 3106 VV RVG 280,00 EUR Erledigungsgebühr, Einigungsgebühr nach Ziffer 1006 300,00 EUR Auslagenpauschale nach Ziffer 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer nach Ziffer 7008 VV RVG 171,00 EUR Gesamtsumme 1.071,00 EUR
Er gab an, für die außergerichtliche Vertretung bezüglich desselben Gegenstandes sei eine Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300-2303 VV RVG i.H.v. 380,80 EUR entstanden. Er habe diese Gebühr nicht erhalten.
Unter dem 04.08.2015 gab die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dem Erinne-rungsführer Gelegenheit zur Stellungnahme, da dieser über § 59 RVG mittelbar an der Festsetzung beteiligt sei.
Unter dem 10.08.2015 teilte der Erinnerungsführer mit, er gehe von einer entstande-nen Geschäftsgebühr i.H.v. 300 EUR aus, die er mangels Vorlage einer Kostennote nicht habe begleichen können. Er bitte um einheitliche Festsetzung der Kosten des Vorverfahrens und des Gerichtsverfahrens. Bei der Verfahrensgebühr sei dann die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen.
Auf die Anregung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einen einheitlichen Kos-tenfestsetzungsantrag für Vor – und Klageverfahren zu stellen, beantragte der Rechtsanwalt am 31.08.2015 neben der Festsetzung der PKH – Vergütung die Fest-setzung der von dem Erinnerungsführer zu übernehmenden vorgerichtlichen Gebüh-ren i.H.v. 190,40 EUR bei einer Gesamtkostennote für das Vorverfahren i.H.v. 380,80 EUR (davon 300 EUR Geschäftsgebühr nach Ziffer 2302 VV RVG). Zwar könne er keine rechtliche Grundlage für einen einheitlichen Festsetzungsantrag unter Einschluss der von der Gegenseite teilweise zu zahlenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren erkennen. Es möge gegebenenfalls jedoch die Hälfte der von der Gegenseite zu tra-genden vorgerichtlichen hälftigen Geschäftsgebühr in Anrechnung gebracht werden.
Der Erinnerungsführer erklärte darauf Ende September 2015, die hälftigen Kosten aus dem Widerspruchsverfahren – wie beantragt (190,40 EUR) - zu übernehmen. Im Klageverfahren sei von einem Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes i.H.v. 892,50 EUR auszugehen, von dem der Erinnerungsführer die Hälfte (446,25 EUR) trage. Die seitens des Rechtsanwaltes angesetzten Gebühren erkannte der Erinnerungs-führer dem Grunde nach als zutreffend an, rechnete auf die Verfahrensgebühr (Ziffer 3102 VV RVG) jedoch 150 EUR Geschäftsgebühr (Ziffer 2302 S. 1 Nr. 1 VV RVG) ge-mäß Vorbemerkung 3, Teil 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG an und korrigierte die Umsatz-steuer entsprechend.
Auf Aufforderung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 01.10.2015 wies der Erinnerungsführer die für das Vorverfahren geltend gemachten Kosten in Höhe von 190,40 EUR an den Rechtsanwalt an.
Am 12.10.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staats-kasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 981,75 EUR fest. Dabei be-rücksichtigte sie die durch den Rechtsanwalt angesetzten Gebühren vollständig, rechnete auf die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV RVG gemäß Vorbemerkung 3, Teil 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG die Hälfte der seitens des Erinnerungsführers auf die Geschäftsgebühr gezahlten 150,00 EUR, also 75 EUR an und korrigierte die Umsatzsteuer entsprechend.
Unter demselben Datum machte sie für den Erinnerungsgegner gegen den Erinne-rungsführer auf der Grundlage des § 59 RVG einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für das Klageverfahren i.H.v. 490,88 EUR, nämlich entsprechend der Einigung über die Kostengrundquote die Hälfte der festgesetzten Gebühren und Auslagen, geltend.
Hiergegen legte der Erinnerungsführer am 21.10.2015 Erinnerung ein, mit der er sei-ne Ansicht, auf die Verfahrensgebühr sei die Geschäftsgebühr aus dem Vorverfahren i.H.v. 150 EUR anzurechnen, weiter vertritt. Zwar habe er nur die hälftigen Vorverfahrenskosten i.H.v. 150 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer und Zinsen) zu übernehmen und übernommen. Dies liege jedoch daran, dass der Kläger entsprechend der Einigung über die Kostengrundquote die andere Hälfte selbst zu tragen habe. Bei der Anrechnung sei die abstrakte Geschäftsgebühr zu berücksichtigen. Andernfalls würden die durch den Kläger zu tragenden Kosten vollkommen ausgeblendet. Im Ergebnis werde der Erinnerungsführer um 37,50 EUR (netto) zu stark belastet.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß, die nach § 59 RVG geltend gemachte Erstattungsforderung des Erinnerungsgegners auf 446,25 EUR festzusetzen.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Der Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein – Westfalen ist der Ansicht, das Vorgehen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sei insoweit zutreffend, wie eine Anrechnung der Geschäfts – auf die Verfahrensgebühr nur i.H.v. 75 EUR erfolgt sei. Aus § 55 Abs. 5 S. 2-4 RVG ergebe sich, dass die Anrech-nung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nur insoweit vorgenommen werden könne, wie die Geschäftsgebühr auch tatsächlich gezahlt worden sei. Der Erinnerungsführer als Dritter im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG könne sich nur insoweit auf die Anrechnung nach Abs. 1 berufen, wie er Zahlungen geleistet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts-akte der Hauptsache, die PKH-Nebenakte und die Akte zum Erinnerungsverfahren Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 66 Gerichtskostengesetz (GKG) (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, § 59, Rn. 38; a. A. ohne Aus-wirkung auf den vorliegenden Fall: LSG NRW, Beschluss vom 09.02.2015 – L 9 AL 321/14 B, juris: § 59 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 197 Abs. 1 SGG) zulässige Erinnerung gegen die Geltendmachung eines auf die Staatskasse übergegangenen Anspruches des Rechtsanwaltes gegen den Erinnerungsführer ist begründet.
A. Gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 RVG geht – soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichti-gen Gegner zusteht – dieser Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwaltes durch die Staatskasse auf diese über.
I. Der Rechtsanwalt des Klägers der Hauptsache ist durch Beschluss der Kammer vom 19.03.2015 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden.
II. Die Staatskasse als Erinnerungsgegnerin hat auf Grundlage der Prozesskostenhil-febewilligung und Beiordnung nach der Festsetzung der Urkundsbeamtin der Ge-schäftsstelle vom 12.10.2015 einen Anspruch des Rechtsanwaltes auf Vergütung seiner Tätigkeit im Klageverfahren i.H.v. 981,75 EUR befriedigt; §§ 48 Abs. 1, 45, 55 RVG.
III. Auf Grundlage des zwischen den Beteiligten des Hauptsacheverfahrens ge-schlossenen Vergleiches über eine – das gerichtliche Vorverfahren, in dem der Rechtsanwalt bereits tätig war, und das Klageverfahren umfassende – Kostengrund-quote von 1/2 hat der beigeordnete Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch gegen-über dem Erinnerungsführer als ersatzpflichtigen Gegner. Wegen der weiteren Hälfte seines Vergütungsanspruches besteht ein Anspruch gegen den Kläger.
IV. Der gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 RVG auf die Staatskasse übergegangene Anspruch gegen den Erinnerungsführer beträgt entgegen der Forderung des Erinnerungsgeg-ners indes nicht die Hälfte der festgesetzten Vergütung i.H.v. 981,75 EUR, also 490,88 EUR, sondern 446,25 EUR. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Forderung des Erin-nerungsgegners steht ihm die Einwendung des § 15 a Abs. 2 Alt. 1 RVG zu (dazu C.). Er kann sich auf eine Anrechnung i.H.v. 150,00 EUR der im Vorverfahren entstan-denen Geschäftsgebühr nach Ziffer 2302 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 VV RVG gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen, da er den Anspruch des Rechtsanwaltes auf die Geschäftsgebühr erfüllt hat. Im Ergebnis ist dem Erinnerungsführer damit zuzustimmen.
B. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage, ob auf die Verfahrensgebühr der Vergütung eines Rechtsanwaltes für das gerichtliche Verfahren aus Ziffer 3102 VV RVG nach Teil 3 der Vorbemerkungen 3, Abs. 4 S. 1 VV RVG die im Vorverfah-ren entstandene Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG abstrakt oder in Höhe der tatsächlichen Zahlung anzurechnen ist, ist zwar im Ansatz – d. h. in Bezug auf die Festsetzung der Vergütung nach § 55 Abs. 1 RVG - mit der Auffassung des Erin-nerungsgegners zu beantworten. Für eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr reicht nicht allein, dass die Geschäftsgebühr "entstandenen" ist, vielmehr ist eine tatsächliche Zahlung erforderlich (str., vgl. wie hier: Hess. LSG, Be-schluss vom 03.02.2015, juris; LSG NRW, Beschluss vom 04.01.2016 – L 10 SB 57/15 B, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2008 - 8 WF 5/08, juris; SG Aa-chen, Beschluss vom 20.11.2015 – S 11 SF 82/15 E –, Rn. 22, juris; VG Berlin, Be-schluss vom 23. Januar 2008 – 35 KE 39.07 –, juris; a.A. VG Berlin, Beschluss vom 14.05.2012 - 35 KE 40.11, 23 X 27.06, juris; Hess. LAG, Beschluss vom 10.05.2010 - 13 Ta 177/10, juris m ...w.N.). Zutreffend war es daher im Rahmen der Festsetzung nach § 50 Abs. 1 RVG die Hälfte der seitens des Erinnerungsführers bereits begli-chenen hälftigen Geschäftsgebühr (75 EUR netto) auf die Verfahrensgebühr anzurech-nen, nicht aber die Hälfte der entstandenen Geschäftsgebühr (150,00EUR).
I. Mit der Anwendung der durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kosten-rechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl. I 2586) eingefügten amtlichen Vorbemerkungen 3 Abs. 4 VV RVG ist nun-mehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entste-hen, auf eine echte Anrechnungsregelung umgestellt worden (vgl. auch z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., 2015, Vorbemerkung 3 VV RVG, Rn. 4). Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 (d.h. eine nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG) entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR. Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet (so auch der Beschluss des Hessischen LSG vom 03.02.2015, Az.: L 2 AS 605/14 B-, Rn. 5, juris.).; vgl. z.B. auch Müller-Rabe, a.a.O.-). Dies folgt bereits aus den Erwä-gungen der Vorbemerkung (BT-Drs 17/11471 (neu): "Durch die Anrechnungsrege-lung ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren § 15a RVG anwendbar ( )"; ferner:; BR-Drs 517/12, S. 423 f.).
Maßgeblich im Verhältnis zwischen der Staatskasse und dem Rechtsanwalt ist hier-nach § 15a Abs. 1 RVG. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt im Weg der PKH beigeordnet worden ist (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., Müller- Rabe, Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, § 15a, Rn. 11; BT-Drs. 16/12717, S. 68). § 15a Abs. 2 RVG findet im Verhältnis gegenüber der Staatskasse hingegen keine Anwendung, weil die Staatskasse, die nach § 45 Absatz 1 S. 1 RVG Gebührenschuldner wird an die Stelle des Mandanten tritt und damit nicht "Dritter" i. S. d. § 15a Abs. 2 RVG ist (vgl. auch Hessisches LSG, a.a.O.; Hessischer VGH, Beschluss vom 27.06.2013, Az.: 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13-, juris; Hansens, RVGreport 2015, 299 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 04.012016 – L 10 SB 57/15 B –, Rn. 56, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.05.2013, Az.: 18 W 68/13, juris). Eine Beschränkung des durch § 15a Abs. 1 RVG gewährten Wahlrechts des Rechtsanwalts infolge Anrechnung greift nur, wenn eine entsprechende Zahlung tatsächlich erfolgt ist.
II. Zwar spricht mit der Argumentation des Erinnerungsführers für eine Anrechnung unabhängig von einer solchen zunächst der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG. Nach diesem gilt: "Soweit wegen desselben Gegenstands eine Ge-schäftsgebühr nach Teil 2 entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte ( ...) auf die Verfah-rensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet." Danach kommt es nicht auf die tatsächliche Zahlung an, sondern nur auf das Entstehen einer Geschäftsgebühr. Auch könnte der Regelungszweck von § 15a RVG – die Vermeidung von Überzah-lungen und damit die Absicht einer Kostendämpfung - für eine Anrechnung unab-hängig von einer erfolgten Zahlung sprechen.
Diese Aspekte vermögen jedoch nicht eine Anrechnung unabhängig von der Zahlung der Geschäftsgebühr zu rechtfertigen. Denn eine derartige Auslegung wäre weder mit dem weiteren, zentralen Regelungszweck von § 15a RVG, nämlich der vom Ge-setzgeber intendierten Wahlfreiheit des Rechtsanwalts, noch mit weiteren Vorschrif-ten des RVG in Einklang zu bringen.
§ 15a RVG ist durch Art. 7 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im an-waltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 in das RVG als gesetzgeberische Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs aus den Jahren 2007/2008 eingeführt worden (BT-Drs. 16/12717, S. 58; vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., § 15a, Rn. 7, m.w.N.). Da Abs. 2 der Vorschrift im Ver-hältnis des Rechtsanwaltes zur Staatskasse nicht zur Anwendung kommt (s. oben), ist zwingend § 15a Abs. 1 RVG zu berücksichtigen (vgl. SG Fulda, Beschluss vom 29.07.2014, Az.: S 4 SF 16/14 E - "tertium non datur", juris).
Der Gesetzgeber hat in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG für sozialgerichtliche Ver-fahren keine besondere Anrechnungsregel geschaffen, welche die anwaltliche Wahl-freiheit hinsichtlich der Anrechnung einschränkte. Denn ein solches Verständnis der genannten Vorschriften ist mit der Systematik des RVG nicht in Einklang zu bringen. Während das RVG an verschiedenen Stellen - wie z.B. in der genannten Vorbemer-kung - regelt, welche Gebühren aufeinander anzurechnen sind, hat § 15a RVG die Funktion, zu regeln, welche Folgen eine solche Anrechnung im Innenverhältnis nach Abs. 1 (und im Verfahren zu ersatz- oder erstattungspflichtigen Dritten im Sinne von Abs. 2) hat (vgl. z.B. Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 8). Die genannte Vorbemerkung kann also nicht als lex specialis gegenüber der Regelung des § 15a RVG verstanden wer-den; vielmehr handelt es sich insoweit um unterschiedliche Regelungsbereiche. § 15a RVG ist immer dann anwendbar, wenn der Anwalt mehrere Gebühren verdient hat und wenn das Gesetz eine Anrechnung der einen auf eine andere Gebühr vor-sieht (vgl. z.B. Hartmann, Kostengesetzte, 45. Aufl., 2014, § 15a, Rn. 3).
§ 15a Abs. 1 RVG sieht jedoch ausdrücklich eine Wahlfreiheit des Rechtsanwalts hinsichtlich der Geltendmachung der Gebühren vor; dies ist ausdrücklicher Rege-lungsgehalt der Vorschrift zur Vermeidung der durch die vorherige BGH-Rechtsprechung verursachten Folgen. Insofern hat der Bundestagsrechtsausschuss ausgeführt (Bundestagsdrucksache 16/12717, S. 58):
"Absatz 1 soll die Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber regeln. Die Vorschrift beschränkt die Wirkung der Anrechnung auf den geringstmöglichen Eingriff in den Bestand der betroffenen Gebühren. Beide Ge-bührenansprüche bleiben grundsätzlich unangetastet erhalten. Der Rechtsanwalt kann also beide Gebühren jeweils in voller Höhe geltend machen. Er hat insbesonde-re die Wahl, welche Gebühr er fordert und - falls die Gebühren von verschiedenen Personen geschuldet werden - welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist le-diglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren nach Abzug des anzurechnenden Betrags ergibt. So-weit seine Forderung jenen Betrag überschreitet, kann ihm der Auftraggeber die An-rechnung entgegenhalten. Mehr ist nicht erforderlich, um die Begrenzung des Vergü-tungsanspruchs zu erreichen, die mit der Anrechnung bezweckt wird." (hierzu: SG Aachen, Beschluss vom 20.11.2015 – S 11 SF 82/15 E –, Rn. 22, juris)
Zweck des § 15a Abs. 1 RVG ist es insoweit, jedenfalls im Innenverhältnis von Auf-traggeber und Rechtsanwalt dem Letzteren die volle Wahlfreiheit zu lassen, welche Gebühr er in voller Höhe fordern will und welche er dann infolge der Deckelung durch die Höchstsumme infolge der Anrechnung nur beschränkt verlangt. Dabei besteht der Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes gegenüber dem Mandanten grds. ungeachtet einer Verpflichtung Dritter immer voll.
Es träte jedoch dann genau das Ergebnis ein, das der Gesetzgeber durch § 15a Abs. 1 RVG vermeiden hat wollen - nämlich ein von vornherein nur beschränkter An-spruch auf die um die Anrechnung reduzierte Verfahrensgebühr -, wenn man einen Rechtsanwalt durch eine gegebenenfalls rein fiktive Anrechnung darauf verweisen würde, die Zahlung der Geschäftsgebühr bei seinem Mandanten oder dem Prozess-gegner zu erwirken. Da die Staatskasse an die Stelle des Auftraggebers tritt und, wie dargelegt, nicht Dritter ist, betrifft die Entscheidung, von der Staatskasse zunächst die volle Verfahrensgebühr im Wege der Vergütungsfestsetzung zu fordern, genau die Wahlfreiheit im Innenverhältnis, die durch § 15a Abs. 1 RVG gesichert wird (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., § 58, Rn. 35 sowie § 15a, Rn. 12).
III. Dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr – jeden-falls bei voller Vergütungspflicht des Schuldners - nur dann vorgenommen werden kann, wenn die Geschäftsgebühr auch gezahlt worden ist, ergibt sich zudem auch aus § 55 Abs. 5 Sätze 2 bis 4 RVG (vgl. Hessisches LSG, a.a.O., m.w.N.; SG Aa-chen, a.a.O.). Danach hat der Rechtsanwalt anzugeben, welche Zahlung auf etwaig anzurechnende Gebühren geleistet worden sind, wie hoch diese Gebühren sind und aus welchem Wert sie entstanden sind. Durch diese Angaben sollen für die Festset-zung der Vergütung die Daten zur Verfügung gestellt werden, die benötigt werden, um zu ermitteln in welchem Umfang die Zahlungen nach § 58 Abs. 1 und 2 RVG auf die anzurechnende Gebühr als Zahlung auf die festgesetzte Gebühr zu behandeln sind. § 55 Abs. 6 RVG schließlich sieht Sanktionen gegen den Rechtsanwalt für den Fall vor, dass er zu "empfangenen Zahlungen" gegenüber dem Urkundsbeamten keine Erklärung abgegeben hat. Damit ist ersichtlich, dass bei der Kostenfestsetzung nur geleistete Zahlungen zu berücksichtigen sind. Denn andernfalls bedürfte es der Angabe, welche Zahlungen der Rechtsanwalt empfangen hat, nicht (vgl. Hessisches LSG, a.a.O.-, Rn. 20, juris; LSG NRW, Beschluss vom 04.01.2016 – L 10 SB 57/15 B –, Rn. 57, juris). (Bayerisches LSG, Beschluss vom 02.12.2015 – L 15 SF 133/15, juris).
C. Zwar hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bei der Festsetzung des Vergü-tungsanspruchs des Rechtsanwaltes gegen die Landeskasse für dessen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach § 55 Abs. 1 RVG die hier vertretene Auslegung des § 15a Abs. 1 RVG und der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG (s. B.) beachtet. Jedoch kann der Erinnerungsgegner nur insoweit bei dem Erinnerungsführer nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG Regress nehmen, wie der Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung einen Anspruch gegen den Erinnerungsführer hat.
I. Gleichwohl die Kostenquote 1/2 beträgt und der Erinnerungsführer damit die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers (Rechtsanwaltskosten) des Hauptsache-verfahrens zu tragen hat, entspricht der für das gerichtliche Verfahren geschuldete Betrag nicht gleichzeitig der Hälfte der nach § 55 Abs. 1 RVG festgesetzten Vergü-tung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine Abrechnung der Kosten des Vorverfah-rens zwischen dem Erinnerungsführer und dem Rechtsanwalt noch nicht erfolgt wä-re. Dass die Belastung des Erinnerungsführers nicht der Hälfte der Belastung der Staatskasse entspricht liegt letztlich darin begründet, dass die Landeskasse an die Stelle des Klägers tritt, während der Erinnerungsführer Dritter i. S. d. § 15a Abs. 2 RVG ist.
II. Gemäß § 15a Abs. 2 Alt. 1 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung (hier nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG) dann berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat.
Dem Telos der Vorschrift entsprechend bedeutet dies, dass, soweit ein Dritter die von ihm geschuldete Quote einer auf eine andere anzurechnenden Gebühr vollstän-dig beglichen hat, er sich auf eine Anrechnung der vollständigen entstandenen Ge-bühr nach Maßgabe der Anrechnungsregelung berufen kann (vgl. Müller-Rabe, a.a.O, Rn. 30). Andernfalls trüge er im Ergebnis – worauf der Erinnerungsführer zu-treffend hinweist – einen seine Gesamtkostenverpflichtung übersteigenden Teil der Gebühren.
Der Wortlaut der Vorschrift lässt ein derartiges Verständnis zunächst ebenso zu wie die Lesart, dass ein Dritter eine Anrechnung nur insoweit verlangen kann, wie er eine entstandene Gebühr ungeachtet der auf ihn entfallenden Kostengrundquote begli-chen hat. Das Vorgehen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle entspricht der zweiten Lesart.
Die Gesetzesbegründung zu § 15a Abs. 2 RVG (BT-Drs. 16/12717, S. 58 f.) führt jedoch aus: "Absatz 2 betrifft die Wirkung der Anrechnung im Verhältnis zu Dritten, die nicht am Mandatsverhältnis beteiligt sind, sondern etwa für entstandene Gebüh-ren Schadensersatz zu leisten oder sie nach prozessrechtlichen Vorschriften zu er-statten haben. Da die Anrechnung den Bestand der einzelnen Gebührenansprüche bereits im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Auftraggeber unbe-rührt lässt, wirkt sie sich insoweit auch im Verhältnis zu Dritten nicht aus. In der Kos-tenfestsetzung muss also etwa eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn eine Geschäftsgebühr entstanden ist, die auf sie ange-rechnet wird. Sichergestellt werden soll jedoch, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz oder Erstattung in Anspruch genommen wird, den der Rechtsan-walt von seinem Auftraggeber verlangen kann. Insbesondere ist zu verhindern, dass insgesamt mehr als dieser Betrag gegen den Dritten tituliert wird. Das leistet die hier vorgeschlagene Vorschrift: Danach kann sich auch ein Dritter auf die Anrechnung berufen, wenn beide Gebühren im gleichen Verfahren – etwa in der Kostenfestset-zung – gegen ihn geltend gemacht werden. In gleicher Weise ist die Anrechnung zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anspruch auf eine der Gebühren bereits ge-gen den Dritten tituliert oder von ihm selbst bereits beglichen worden ist."
Hiernach ist zunächst zu erkennen, dass der Erinnerungsführer, als am Mandatsver-hältnis nicht Beteiligter, Dritter i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG ist.
Zwar hat die Gesetzesbegründung den Fall einer vollen Kostenerstattungspflicht des Dritten für eine Gebühr im Blick. Jedoch wird dabei das gesetzgeberische Anliegen klar erkennbar, den Dritten vor einer im Ergebnis übermäßigen Inanspruchnahme zu bewahren, die über seine Kostenerstattungspflicht hinausgeht. Dies wird insbesonde-re in der Erläuterung des § 15a Abs. 2 Alt. 3 RVG deutlich. Soweit beide Gebühren (hier: Geschäfts – und Verfahrensgebühr) in einer einheitlichen Kostenfestsetzung (z. B. nach § 197 Abs. 1 SGG) geltend gemacht werden, kann im Ergebnis nur der seitens des Dritten insgesamt – d.h. unter Berücksichtigung der Kostengrundquote – geschuldete Betrag stehen. Dabei sind zunächst die Kosten des Vorverfahrens ein-schließlich der Geschäftsgebühr zu berechnen, anschließend die Kosten des Ge-richtsverfahrens unter Berücksichtigung einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG und sodann der hiervon geschuldete Betrag unter Berücksichtigung der Kostengrundquote festzusetzen (vgl. hierzu Müller-Rabe, a.a.O., Rn. 42; BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – X ZB 8/13 –, Rn. 12, juris). "In der gleichen Weise" ist indes "die Anrechnung zu berücksichtigen, wenn und soweit der Anspruch eine der Gebühren bereits gegen den Dritten tituliert oder von ihm selbst bereits beglichen worden ist" (BT-Drs. a.a.O.).
III. Vorliegend hat der Erinnerungsführer dem Rechtsanwalt jedoch vor der Inan-spruchnahme durch den Erinnerungsgegner nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG – auf Auf-forderung der Urkundsbeamtin vom 01.10.2015 - die seinerseits gemäß einer Kos-tenquote von 1/2 geschuldeten Rechtsanwaltsgebühren für das Vorverfahren bereits erstattet. Dementsprechend kann er sich gemäß § 15a Abs. 2 Alt. 1 RVG auf die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen. Die seitens des Erinnerungsführers mit Schriftsatz vom 28.09.2015 dargelegte Berechnung, die einer einheitlichen Kostenfestsetzung entspräche, ist daher zutreffend. Der Erinnerungsführer hat hiernach zunächst die im Widerspruchsverfahren entstandenen Anwaltsgebühren – wie sie seitens des Rechtsanwaltes geltend gemacht worden sind – zusammengefasst; anschließend entsprechendes für die Rechtsanwaltsgebühren des Klageverfahrens unter Berücksichtigung einer hälftigen Anrechnung der entstandenen Geschäfts – auf die Verfahrensgebühr vorgenommen. Die Hälfte der dieser Art für das Klageverfahren anzuerkennenden Gebühren in Höhe von insgesamt 892,50 EUR brutto, also 446,25 EUR, bleiben hiernach dem Rechtsanwalt durch den Erinnerungsführer noch geschuldet. Weiter kann eine Inanspruchnahme nach § 59 Abs. 1 S. 1 RVG durch die Staatskasse daher nicht reichen.
Andernfalls würde der dargelegte Schutzzweck des § 15a Abs. 2 RVG nicht erreicht. Zutreffend weist Erinnerungsführer darauf hin, dass er nach dem Willen des Erinne-rungsgegners in der Summe von Geschäfts – und Verfahrensgebühr 262,50 EUR (netto) (geleistete 150 EUR Geschäftsgebühr [300./. Kostengrundquote von 1/2] + 112,50 EUR gemäß der Vergütungsfestsetzung nach § 55 Abs. 1 RVG./. 1/2) Gebühren zahlen würde, gleichwohl er bei einheitlicher Kostenfestsetzung (vgl. oben) nur 225 EUR (150 EUR Geschäftsgebühr [300 EUR Geschäftsgebühr./.1/2] + 75 EUR Verfahrensgebühr [(300 EUR - 150 EUR gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG)./. 1/2]) zu erstatten hätte.
Hiermit hat sich der Erinnerungsgegner trotz der Bitte des Gerichts vom 28.10.2015, zuletzt vom 13.09.2016, und der ihm eingeräumten langen Bearbeitungsdauer nicht auseinandergesetzt. Er hat sich ausschließlich auf die unter B. dargestellten Ge-sichtspunkte (zu § 15a Abs. 1 RVG im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Erinne-rungsgegner) beschränkt. Der Vortrag zu § 15 Abs. 2 RVG beschränkt sich mit Schriftsatz vom 27.10.2016 auf die Wiedergabe des Gesetzestextes zur 1. Alt. ohne sich jedoch mit einer Auslegung und Subsumtion zu befassen.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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