Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AL 94/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 286/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 02.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2014 verurteilt, der Klägerin ab 01.01.2014 Arbeitslosengeld für 240 Tage zu gewähren. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Streitig ist, für welchen Zeitraum die Klägerin Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2014 hat.
Die im Jahre 1964 geborene Klägerin bezog von der Beklagten aufgrund eines am 01.10.2010 entstandenen Anspruchs Arbeitslosengeld – mit Unterbrechungen durch den Bezug von Krankengeld – bis zum 07.03.2012. Die Leistungsbewilligung wurde aufgehoben, nachdem die DRV Rheinland Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für die Zeit vom 01.05.2012 bis zum 31.12.2013 bewilligt hatte (Bescheid vom 08.03.2012). Zu diesem Zeitpunkt bestand noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 37 Tage. Am 05.12.2013 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 01.01.2014 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Diesem Antrag entsprach die Beklagte und bewilligte mit Bescheid vom 02.01.2014 Arbeitslosengeld in Höhe von 25,40 EUR täglich für die Restanspruchsdauer von 37 Tagen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe durch den Bezug der Rente wegen voller Erwerbsminderung einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwirtschaftet, der bei der Dauer der Arbeitslosengeldbewilligung zu berücksichtigen sei. Dies folge aus § 26 Abs. 2 Satz 3 SGB III. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz habe eine zweimonatige Unterbrechung nach versicherungspflichtiger Beschäftigung durch Mutterschutzfrist ohne Mutterschaftsgeldbezug in verfassungskonformer Auslegung als Überbrückungszeit anerkannt und damit die geforderte Unmittelbarkeit bejaht (Urteil vom 31.03.2011 – L 1 AL 43/10). Durch Widerspruchsbescheid vom 25.03.2014 wies die Rechtsbehelfsstelle der Agentur für Arbeit Aachen-Düren den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, die Zeit des Rentenbezuges vom 01.05.2012 bis zum 31.12.2013 begründe keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, da es an der erforderlichen Unmittelbarkeit des Bezuges der laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III vor dem Bezug der Erwerbsminderungsrente fehle. Zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges und dem Beginn des Bezuges der Erwerbsminderungsrente lägen fast zwei Monate. Das Merkmal der Unmittelbarkeit sei dann nicht erfüllt, wenn – wie im Fall der Klägerin – der Zeitraum zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. dem Ende des Bezuges einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III und dem Beginn der Entgeltersatzleistung einen Monat überschreite. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 28 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III, in dem ebenfalls der Begriff der Unmittelbarkeit benutzt werde. Die Klägerin habe daher eine neue Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil sie nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Sie habe vielmehr nur Anspruch auf den noch nicht ausgeschöpften Restanspruch des am 01.10.2010 entstandenen Anspruchs, also auf 37 Tage.
Mit der am 28.04.2014 erhobenen Klage vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, die Zeit vom 08.03.2012 bis zum 30.04.2012 stelle eine unschädliche Überbrückungszeit dar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2014 zu verurteilen, ihr ab 01.01.2014 Arbeitslosengeld für 240 Tage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass die Klägerin in der Zeit vom 08.03.2012 bis zum 30.04.2012 und damit für weit mehr als einen Monat keine versicherungspflichtigen Leistungen erhalten habe. Sowohl das LSG Hessen (Urteil vom 15.07.2011 – L 9 AL 125/10) als auch das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25.04.2013 – L 8 AL 339/09) verträten die Auffassung, dass der Begriff der Unmittelbarkeit im Rahmen des § 26 Abs. 2 SGB III nicht anders auszulegen sei als bei Anwendung des § 28 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1515, Seite 78) lasse sich entnehmen, dass ein unmittelbarer Anschluss im Sinne des § 28 a SGB III nur vorliege, wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat betrage.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Kundennr.: 311D231102) Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren, soweit von Bedeutung, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch sachlich begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.01.2014 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 25.03.2014 entspricht nicht der Sach- und Rechtslage und ist daher rechtswidrig. Durch ihn wird die Klägerin beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil sie ab dem 01.01.2014 Anspruch auf Arbeitslosengeld für 240 Tage hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sie durch den Bezug der Rente wegen Erwerbsminderung einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat gemäß § 137 SGB III, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Von diesen Tatbestandsvoraussetzungen ist vorliegend allein die Erfüllung der Anwartschaftszeit streitig. Die Anwartschaftszeit hat nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt, wer in der zweijährigen Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Innerhalb der Rahmenfrist, die den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2013 umfasst, hat die Klägerin mehr als die erforderlichen zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.
In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen gemäß § 24 SGB III Personen, die als Beschäftigte (§ 25 SGB III) oder aus sonstigen Gründen (§ 26 SGB III) versicherungspflichtig sind. Die Klägerin hat innerhalb der Rahmenfrist in der Zeit vom 16.11.2011 bis zum 07.03.2012 Arbeitslosengeld bezogen und stand im Zeitraum vom 01.05.2012 bis zum 31.12.2013 wegen des Bezuges einer Rente wegen voller Erwerbsminderung als sonstige Versicherungspflichtige in einem anwartschaftsbegründenden Versicherungspflichtverhältnis.
Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungs-pflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat.
Wie der Begriff der Unmittelbarkeit zu verstehen ist, ist umstritten. Im Rahmen des gleichartig formulierten § 28 a Abs. 2 Nr. 2 SGB III hat das Bundessozialgericht (BSG) unter Berufung auf die Motive zu § 28 a SGB III (BT-Drs. 15/1515, S. 78) einen Zeitraum von nicht mehr als einem Monat als unschädlich angesehen (BSG, Urteil vom 30.03.2011 – B 12 AL 1/10 R; in diesem Sinne auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013 – L 8 AL 339/09; Fuchs in Gagel, SGB III, § 26 Rdnr. 29). Befürworter der starren Monatsfrist argumentieren mit der Regelung in § 7 Abs. 3 SGB IV, wonach der Fortbestand einer Beschäftigung ohne Anspruch auf Entgelt bis zu einem Monat fingiert wird (Scheidt in GK-SGB III, § 26 Rdnr. 41). Ein Überschreiten dieser Dauer um nur zwei Tage wird noch als unbedenklich eingeschätzt (Hessisches LSG, Urteil vom 15.07.2011 – L 9 AL 125/10). Demgegenüber hat das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.05.2014 – L 16 AL 287/13) entschieden, dass die Unmittelbarkeit nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III zwischen dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und dem Beginn des Krankengeldbezuges auch bei einem sechswöchigen Ruhenszeitraum nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V vorliege und darauf hingewiesen, dass – im Unterschied zu § 28 a SGB III – den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für eine Monatsfrist zu entnehmen seien. Zudem sei eine kausale Betrachtung des Unmittelbarkeitstatbestandes geboten. Das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 31.03.2011 – L 1 AL 43/10) schließlich hat sogar einen Unterbrechungszeitraum von zwei Monaten für unschädlich erachtet und darauf hingewiesen, dass der Begriff der Unmittelbarkeit nicht nur eine zeitliche Dimension aufweise, sondern auch einen kausalen Bezug dergestalt, dass mit den in der Norm intendierten Anrechnungszeiten dem Versicherten ein Ausgleich für bestimmte unverschuldete Beitragsausfälle gewährt werden solle.
Nach Auffassung der Kammer kann der Begriff der Unmittelbarkeit im Rahmen des § 26 SGB III nicht im Sinne einer starren Monatsfrist ausgelegt werden; vielmehr muss dieser Begriff vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regelung interpretiert werden. § 26 SGB III fordert für den Fortbestand der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung einen engen Zusammenhang von früherer Beschäftigung und Leistungsbezug, durch den sich die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer dokumentiert (Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 26 Rdnr. 3). Dieser enge Zusammenhang und die Schutzbedürftigkeit sind vorliegend zu bejahen. Die "Lücke" zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges (07.03.2012) und dem Beginn der Rentenzahlung (01.05.2012) beruht im Fall der Klägerin nicht darauf, dass sie ihren Status als Arbeitnehmerin aufgegeben hätte. Sie ist vielmehr ausschließlich der gesetzlichen Regelung geschuldet, dass einerseits bei festgestellter Erwerbsminderung Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit nicht weitergewährt werden darf, andererseits Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit erst ab dem 7. Monat nach Eintritt des Versicherungsfalles gezahlt wird. Wollte man Unmittelbarkeit nur bei einer Unterbrechungszeit bis zu einem Monat bejahen, hinge die Frage der Versicherungspflicht des Rentenbezuges alleine davon ab, wie schnell der Rentenversicherungsträger seine Entscheidung trifft.
Die Dauer des Arbeitslosengeldanspruches ab 01.01.2014 ergibt sich aus § 147 Abs. 2 SGB III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, für welchen Zeitraum die Klägerin Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2014 hat.
Die im Jahre 1964 geborene Klägerin bezog von der Beklagten aufgrund eines am 01.10.2010 entstandenen Anspruchs Arbeitslosengeld – mit Unterbrechungen durch den Bezug von Krankengeld – bis zum 07.03.2012. Die Leistungsbewilligung wurde aufgehoben, nachdem die DRV Rheinland Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für die Zeit vom 01.05.2012 bis zum 31.12.2013 bewilligt hatte (Bescheid vom 08.03.2012). Zu diesem Zeitpunkt bestand noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld für 37 Tage. Am 05.12.2013 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 01.01.2014 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Diesem Antrag entsprach die Beklagte und bewilligte mit Bescheid vom 02.01.2014 Arbeitslosengeld in Höhe von 25,40 EUR täglich für die Restanspruchsdauer von 37 Tagen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie habe durch den Bezug der Rente wegen voller Erwerbsminderung einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwirtschaftet, der bei der Dauer der Arbeitslosengeldbewilligung zu berücksichtigen sei. Dies folge aus § 26 Abs. 2 Satz 3 SGB III. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz habe eine zweimonatige Unterbrechung nach versicherungspflichtiger Beschäftigung durch Mutterschutzfrist ohne Mutterschaftsgeldbezug in verfassungskonformer Auslegung als Überbrückungszeit anerkannt und damit die geforderte Unmittelbarkeit bejaht (Urteil vom 31.03.2011 – L 1 AL 43/10). Durch Widerspruchsbescheid vom 25.03.2014 wies die Rechtsbehelfsstelle der Agentur für Arbeit Aachen-Düren den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, die Zeit des Rentenbezuges vom 01.05.2012 bis zum 31.12.2013 begründe keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, da es an der erforderlichen Unmittelbarkeit des Bezuges der laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III vor dem Bezug der Erwerbsminderungsrente fehle. Zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges und dem Beginn des Bezuges der Erwerbsminderungsrente lägen fast zwei Monate. Das Merkmal der Unmittelbarkeit sei dann nicht erfüllt, wenn – wie im Fall der Klägerin – der Zeitraum zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. dem Ende des Bezuges einer Entgeltersatzleistung nach dem SGB III und dem Beginn der Entgeltersatzleistung einen Monat überschreite. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 28 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III, in dem ebenfalls der Begriff der Unmittelbarkeit benutzt werde. Die Klägerin habe daher eine neue Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil sie nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Sie habe vielmehr nur Anspruch auf den noch nicht ausgeschöpften Restanspruch des am 01.10.2010 entstandenen Anspruchs, also auf 37 Tage.
Mit der am 28.04.2014 erhobenen Klage vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, die Zeit vom 08.03.2012 bis zum 30.04.2012 stelle eine unschädliche Überbrückungszeit dar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2014 zu verurteilen, ihr ab 01.01.2014 Arbeitslosengeld für 240 Tage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass die Klägerin in der Zeit vom 08.03.2012 bis zum 30.04.2012 und damit für weit mehr als einen Monat keine versicherungspflichtigen Leistungen erhalten habe. Sowohl das LSG Hessen (Urteil vom 15.07.2011 – L 9 AL 125/10) als auch das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25.04.2013 – L 8 AL 339/09) verträten die Auffassung, dass der Begriff der Unmittelbarkeit im Rahmen des § 26 Abs. 2 SGB III nicht anders auszulegen sei als bei Anwendung des § 28 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1515, Seite 78) lasse sich entnehmen, dass ein unmittelbarer Anschluss im Sinne des § 28 a SGB III nur vorliege, wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat betrage.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und den der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Kundennr.: 311D231102) Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren, soweit von Bedeutung, Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch sachlich begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.01.2014 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 25.03.2014 entspricht nicht der Sach- und Rechtslage und ist daher rechtswidrig. Durch ihn wird die Klägerin beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil sie ab dem 01.01.2014 Anspruch auf Arbeitslosengeld für 240 Tage hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sie durch den Bezug der Rente wegen Erwerbsminderung einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat gemäß § 137 SGB III, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Von diesen Tatbestandsvoraussetzungen ist vorliegend allein die Erfüllung der Anwartschaftszeit streitig. Die Anwartschaftszeit hat nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt, wer in der zweijährigen Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Innerhalb der Rahmenfrist, die den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2013 umfasst, hat die Klägerin mehr als die erforderlichen zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.
In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen gemäß § 24 SGB III Personen, die als Beschäftigte (§ 25 SGB III) oder aus sonstigen Gründen (§ 26 SGB III) versicherungspflichtig sind. Die Klägerin hat innerhalb der Rahmenfrist in der Zeit vom 16.11.2011 bis zum 07.03.2012 Arbeitslosengeld bezogen und stand im Zeitraum vom 01.05.2012 bis zum 31.12.2013 wegen des Bezuges einer Rente wegen voller Erwerbsminderung als sonstige Versicherungspflichtige in einem anwartschaftsbegründenden Versicherungspflichtverhältnis.
Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungs-pflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Buch unterbrochen hat.
Wie der Begriff der Unmittelbarkeit zu verstehen ist, ist umstritten. Im Rahmen des gleichartig formulierten § 28 a Abs. 2 Nr. 2 SGB III hat das Bundessozialgericht (BSG) unter Berufung auf die Motive zu § 28 a SGB III (BT-Drs. 15/1515, S. 78) einen Zeitraum von nicht mehr als einem Monat als unschädlich angesehen (BSG, Urteil vom 30.03.2011 – B 12 AL 1/10 R; in diesem Sinne auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013 – L 8 AL 339/09; Fuchs in Gagel, SGB III, § 26 Rdnr. 29). Befürworter der starren Monatsfrist argumentieren mit der Regelung in § 7 Abs. 3 SGB IV, wonach der Fortbestand einer Beschäftigung ohne Anspruch auf Entgelt bis zu einem Monat fingiert wird (Scheidt in GK-SGB III, § 26 Rdnr. 41). Ein Überschreiten dieser Dauer um nur zwei Tage wird noch als unbedenklich eingeschätzt (Hessisches LSG, Urteil vom 15.07.2011 – L 9 AL 125/10). Demgegenüber hat das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.05.2014 – L 16 AL 287/13) entschieden, dass die Unmittelbarkeit nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III zwischen dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und dem Beginn des Krankengeldbezuges auch bei einem sechswöchigen Ruhenszeitraum nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V vorliege und darauf hingewiesen, dass – im Unterschied zu § 28 a SGB III – den Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte für eine Monatsfrist zu entnehmen seien. Zudem sei eine kausale Betrachtung des Unmittelbarkeitstatbestandes geboten. Das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 31.03.2011 – L 1 AL 43/10) schließlich hat sogar einen Unterbrechungszeitraum von zwei Monaten für unschädlich erachtet und darauf hingewiesen, dass der Begriff der Unmittelbarkeit nicht nur eine zeitliche Dimension aufweise, sondern auch einen kausalen Bezug dergestalt, dass mit den in der Norm intendierten Anrechnungszeiten dem Versicherten ein Ausgleich für bestimmte unverschuldete Beitragsausfälle gewährt werden solle.
Nach Auffassung der Kammer kann der Begriff der Unmittelbarkeit im Rahmen des § 26 SGB III nicht im Sinne einer starren Monatsfrist ausgelegt werden; vielmehr muss dieser Begriff vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Regelung interpretiert werden. § 26 SGB III fordert für den Fortbestand der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung einen engen Zusammenhang von früherer Beschäftigung und Leistungsbezug, durch den sich die Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer dokumentiert (Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 26 Rdnr. 3). Dieser enge Zusammenhang und die Schutzbedürftigkeit sind vorliegend zu bejahen. Die "Lücke" zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezuges (07.03.2012) und dem Beginn der Rentenzahlung (01.05.2012) beruht im Fall der Klägerin nicht darauf, dass sie ihren Status als Arbeitnehmerin aufgegeben hätte. Sie ist vielmehr ausschließlich der gesetzlichen Regelung geschuldet, dass einerseits bei festgestellter Erwerbsminderung Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit nicht weitergewährt werden darf, andererseits Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit erst ab dem 7. Monat nach Eintritt des Versicherungsfalles gezahlt wird. Wollte man Unmittelbarkeit nur bei einer Unterbrechungszeit bis zu einem Monat bejahen, hinge die Frage der Versicherungspflicht des Rentenbezuges alleine davon ab, wie schnell der Rentenversicherungsträger seine Entscheidung trifft.
Die Dauer des Arbeitslosengeldanspruches ab 01.01.2014 ergibt sich aus § 147 Abs. 2 SGB III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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