Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 236/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes die Erstattung von Kosten einer Hyperthermie-Behandlung, einer Behandlung durch onkologische Virotherapie sowie durch Vakzination mit dendritischen Zellen.
Der Versicherte und Ehemann der Klägerin, C. H. (geb. 00.00.0000), war nach beruflicher Asbestexposition an einem Mesotheliom des Rippenfells erkrankt. Auf seinen Antrag erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2015 seine Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV (Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards) an und zahlte Verletztengeld. Der Versicherte unterzog sich unterdessen mehreren Zyklen chemotherapeutischer Behandlung. In der Zeit vom 08.01. bis 19.01.2016 nahm der Versicherte eine Hyperthermie-Behandlung sowie eine onkologische Virotherapie und eine Vakzination mit dendritischen Zellen im Immunologischen Zentrum L. (IOZL.) in Anspruch. Die Kosten dieser Behandlung beliefen sich auf 13.149,66 Euro. Das IOZL. stellte dem Versicherten eine privatärztliche Rechnung aus, die dieser bei der Beklagten einreichte. Diese Rechnung ist bis zuletzt noch nicht beglichen worden. Am 05.02.2016 wurde der Versicherte zur palliativmedizinischen Behandlung im Krankenhaus I. aufgenommen, wo er am 18.02.2016 an den Folgen des Mesothelioms verstarb. Die Beklagte sandte die Rechnung am 22.02.2016 unbearbeitet zurück. Am 24.03.2016 stellte die Klägerin als Erbin des verstorbenen Versicherten ein erneuten Antrag auf Übernahme der Kosten für die vom 08.01. bis 19.01.2016 durchgeführte Behandlung und verwies zur Begründung auf einen vom IOZL. unter dem 11.12.2015 erstellten Behandlungsplan. Die Beklagte holte eine Stellungnahme der beratenden Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. I. vom 29.04.2016 ein, die ausführte, bei der Hyperthermie handele es sich um ein hochexperimentelles Verfahren, für das keine ausreichende Evidenz einer Wirksamkeit zur Behandlung eines Pleuramesothelioms vorliege. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2016 die Übernahme der Behandlungskosten in Höhe von 13.149,66 Euro ab. Zur Begründung verwies sie auf die Stellungnahme von Dr. I ... Die Klägerin legte am 30.05.2016 Widerspruch ein und verwies auf eine Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016. Überdies hätten andere Berufsgenossenschaften bzw. die Beklagte in vergleichbaren Fällen die Kosten entsprechender Behandlungen übernommen. Schließlich habe ein Mitarbeiter der Beklagten anlässlich eines Hausbesuchs erklärt, der Versicherte könne mit der Therapie beginnen. Die Beklagte holte unter dem 17.06.2016 eine weitere Stellungnahme von Dr. I. sowie unter dem 22.07.2016 eine Stellungnahme des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. C. ein. Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage der Klägerin (Az. S 6 U 118/16) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2016 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.
Daraufhin hat die Klägerin ihre Untätigkeitsklage auf eine Klage in der Sache umgestellt.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 11.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Rechtsnachfolgerin von der Forderung des Immunologischen Zentrums L. für die Behandlung des Versicherten C. H. mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen in Höhe von 13.149,66 Euro freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Bericht des Arztes für Innere Medizin X. vom 12.02.2017 eingeholt. Darin hat dieser ausgeführt, die schulmedizinischen Therapieoptionen wie Chemotherapie und immuntherapeutische Behandlung seien in der Zeit vom 08.01. bis 19.01.2016 aufgrund von einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Versicherten nicht einsetzbar gewesen. Das Gericht hat weiter eine schriftliche Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses (im Folgenden: G-BA) vom 12.02.2017 eingeholt. Darin hat der G-BA ausgeführt, mit Beschluss vom 18.01.2005 sei die Hyperthermie als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethose von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden. Diese Entscheidung habe nach wie vor Gültigkeit. Die onkologische Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen seien bislang als Therapieformen nicht überprüft worden. Eine Empfehlung sei daher vom G-BA bislang nicht abgegeben worden. Schließlich hat das Gericht ein Gutachten des Arbeits- und Sozialmediziners Prof. Dr. L. vom 29.06.2017 eingeholt. Darin hat Prof. Dr. L. ausgeführt, es existiere bislang keine ausreichende wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit der Behandlung von Pleuramesotheliomen durch Hyperthermie, onkologische Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen. Die Klägerin ist dem Gutachten unter Hinweis auf die Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016 sowie auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.05.2017 (Az. VI ZR 203/16) entgegen getreten.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten keinen Anspruch auf Freistellung von der Forderung des Immunologischen Zentrums Köln in Höhe von 13.149,66 Euro für die Behandlung des Versicherten mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen.
Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf die (angebliche) mündliche Erklärung durch einen Mitarbeiter der Beklagten anlässlich eines Hausbesuchs bei dem Versicherten stützen. Denn selbst wenn der Mitarbeiter der Beklagten eine mündliche Zusage ausgesprochen haben sollte, die Kosten zu übernehmen (was selbst nach dem Vortrag der Klägerin allenfalls implizit hätte erfolgt sein können), wäre diese Zusage nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdaten-schutz (SGB X) formnichtig.
Als Grundlage für den Anspruch der Klägerin ist weiter § 26 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) analog in Betracht zu ziehen. Denn bei dem in § 26 Abs. 1 SGB VII normierten Anspruch auf Heilbehandlung handelt es sich nach § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII um einen Sachleistungsanspruch, der sich unter den Voraussetzungen der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 24.02.2000 – B 2 U 12/99 R = juris, Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 2 U 21/12 R = juris, Rdnr. 15; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2017 – L 1 U 120/16 = juris, Rdnr. 34 f.) in einen Kostenerstattungsanspruch bzw., wenn – wie hier – der vom Leistungserbringer in Rechnung gestellt Betrag noch nicht aus eigenen Mitteln beglichen worden ist, in einen Freistellungsanspruch umwandelt (siehe nur BSG, Urteil vom 23.07.1998 – B 1 KR 3/97 R = juris, Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 28.03.2000 – B 1 KR 11/98 R = juris, Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 20.04.2016 – B 3 P 1/15 R = juris, Rdnr. 16).
Die Voraussetzungen jener Anspruchsgrundlagen liegen jedoch nicht vor. Denn die Beklagte hat die Behandlung des Pleuramesothelioms des Versicherten C. H. mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen nicht zu Unrecht abgelehnt. Entscheidend hierfür ist, da für den Kostenersatzanspruch zunächst die allgemeinen Voraussetzungen des Sachleistungsanspruchs vorliegen müssen (siehe statt vieler etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 – L 5 KR 442/16 = juris, Rdnr. 29), dass der Versicherte keinen Sachleistungsanspruch auf diese Behandlungen gehabt hätte.
Ein Sachleistungsanspruch des Versicherten bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII nicht vorlagen. Danach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Hierbei kommt dem Maßstab des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V Indizwirkung dergestalt zu, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der Regel nicht zu Lasten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erbracht werden dürfen, wenn keine Empfehlung durch den G-BA abgegeben worden ist (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.04.2007 – L 6 U 38/05 = juris, Rdnr. 37). Für diese Auffassung sprechen der gleiche Wortlaut in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII (ebenso SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 25.04.2000 – S 7 U 230/03 = juris, Rdnr. 25).
Eine Empfehlung des G-BA zu den vom Versicherten in Anspruch genommenen Behandlungsmethoden liegt indessen nicht vor. Für die Behandlung eines Pleuramesothelioms durch Hyperthermie hat der G-BA einen therapeutischen Nutzen sogar ausdrücklich verneint (Zusammenfassender Bericht des Unterausschusses "Ärztliche Behandlung" des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bewertung gemäß § 135 SGB V der Hyperthermie vom 15.06.2005, S. 354). Der G-BA hat im Rahmen seiner vom Gericht eingeholten schriftlichen Stellungnahme vom 12.02.2017 mitgeteilt, dies entspreche nach wie vor dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Was die Behandlung mit onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen angeht, so hat der G-BA im Rahmen der Stellungnahme vom 12.02.2017 mitgeteilt, eine Empfehlung des G-BA liege hierzu bislang nicht vor.
Ein Sachleistungsanspruch bestand auch nicht nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1a SGB V, dessen analoge Anwendung im SGB VII nach Auffassung der Kammer schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen (zur Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 = juris, die zur Schaffung von § 2 Abs. 1a SGB V geführt hat) geboten erscheint. Nach dieser Vorschrift können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Vorschrift macht einen Leistungsanspruch damit von drei Voraussetzungen abhängig, die kumulativ gegeben müssen: 1. Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, 2. Fehlen einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsmethode, 3. Bestehen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (vgl. zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 – L 5 KR 442/16 = juris, Rdnr. 36).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar war der Kläger an einem Pleuramesotheliom erkrankt, so dass die erste Voraussetzung erfüllt ist. Auch die zweite Voraussetzung liegt zur Überzeugung der Kammer vor. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die eingeholte Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. I. davon ausgeht, es habe die Möglichkeit einer Therapie des Versicherten mit Vinorelbin oder mit Gemcitabin bestanden, sind dem die Ausführungen des behandelnden Onkologen X. im Rahmen seiner Stellungnahme vom 12.02.2017 entgegen zu halten. Danach waren schulmedizinische Therapieoptionen aufgrund eines sich rapide verschlechternden Allgemeinzustandes des Versicherten nicht einsetzbar.
Zur Überzeugung der Kammer steht jedoch nicht fest, dass die dritte Voraussetzung vorliegt. Das Vorliegen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf kann nicht losgelöst vom konkreten Behandlungsziel beurteilt werden. Insoweit differenziert § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zwischen den therapeutischen Zielen der Beseitigung der Folgen eines durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschadens, der Verhütung seiner Verschlimmerung und der Minderung seiner Folgen. Der gesetzlichen Konzeption zu Folge ist also – § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V entsprechend – nach Möglichkeit die Heilung als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind. Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht (zu § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.02.2013 – 1 BvR 2045/12 = juris, Rdnr. 15).
Im vorliegenden Fall war das Behandlungsziel angesichts der fortgeschrittenen Erkrankung des Versicherten lediglich noch eine Minderung der Folgen der Erkrankung. Dies folgt für die Kammer aus dem ausführlichen Gutachten des von Amts wegen gehörten Sachverständigen Prof. Dr. L., der nachvollziehbar ausgeführt hat, aufgrund der fortgeschrittenen Tumorerkrankung sei eine Verhütung der Verschlimmerung nicht mehr zu erreichen gewesen. Dies folgt für die Kammer weiter daraus, dass bereits kurz nach Abschluss der hier streitgegenständlichen Behandlung eine palliative Behandlung des Versicherten im Krankenhaus I. begonnen wurde. Im Übrigen folgt dies auch aus dem Bericht des behandelnden Onkologen X., der ausgeführt hat, bereits Anfang Januar 2016 habe sich der Allgemeinzustand des Versicherten deutlich verschlechtert, er sei nahezu vollständig bettlägrig gewesen. Im Hinblick auf das somit hier in Rede stehende Behandlungsziel einer palliativen Therapie ist nicht ersichtlich, dass durch die Behandlung mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen eine über die schulmedizinischen Standardtherapien hinausgehender Erfolg bestanden hat. Bestätigt wird dies durch die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. im Rahmen seines Gutachtens vom 29.06.2017. Soweit die Klägerin dem Gutachten unter Hinweis auf die Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016 entgegen getreten ist, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Denn im Hinblick auf den therapeutischen Nutzen der vom Versicherten in Anspruch genommenen Hyperthermie-Behandlung ist eine negative Bewertung durch den G-BA gegeben, die nach Auskunft des G-BA nach wie vor dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Liegt jedoch eine solche negative Bewertung vor, ist der Nachweis hinreichender Erfolgsaussichten der streitigen Therapie regelmäßig nicht mehr möglich (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 24/06 R = juris, Rdnr. 24). Auch im Hinblick auf die beiden anderen angewandten Therapieformen der onkologischen Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen sind größere Studien mit entsprechenden Fallzahlen oder Leitlinien ärztlicher Fachgesellschaften bislang nicht ersichtlich. Aus der Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016 folgt insoweit nichts Gegenteiliges. Hinreichende Erfolgsaussichten mit Blick auf das hier maßgebliche Behandlungsziel der palliativen Therapie sind bislang nicht zu belegen. Die von der Klägerin für ihr Begehren reklamierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.05.2017 (Az. VI ZR 203/16) verhält sich schließlich nicht zu dem Kriterium der auf Indizien gestützten Aussicht auf Erfolg alternativer Behandlungsmethoden, so dass sie für die hier interessierenden Fragestellungen unergiebig ist.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf Freistellung schließlich nicht aus dem Umstand herleiten, dass die Beklagte bzw. andere Unfallversicherungsträger in anderen Fällen Kostenzusagen für die vom Versicherten in Anspruch genommenen alternativen Therapien erklärt haben bzw. entsprechende Therapien bewilligt haben. Denn besteht nach den gesetzlichen Vorschriften des materiellen Sozialrechts – wie dargelegt – kein Anspruch, so gebietet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) keine Übernahme der Kosten. Andernfalls würde sich der Allgemeine Gleichheitssatz gegenüber dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit jeglichen Verwaltungshandelns durchsetzen, das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelt und damit ebenfalls Verfassungsrang genießt ("keine Gleichheit im Unrecht", allgemein etwa BSG, Urteil vom 28.06.2017 – B 6 KA 12/16 R = juris, Rdnr. 28; BSG, Urteil vom 27.05.2014 – B 5 RE 6/14 R = juris, Rdnr. 70).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes die Erstattung von Kosten einer Hyperthermie-Behandlung, einer Behandlung durch onkologische Virotherapie sowie durch Vakzination mit dendritischen Zellen.
Der Versicherte und Ehemann der Klägerin, C. H. (geb. 00.00.0000), war nach beruflicher Asbestexposition an einem Mesotheliom des Rippenfells erkrankt. Auf seinen Antrag erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2015 seine Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV (Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards) an und zahlte Verletztengeld. Der Versicherte unterzog sich unterdessen mehreren Zyklen chemotherapeutischer Behandlung. In der Zeit vom 08.01. bis 19.01.2016 nahm der Versicherte eine Hyperthermie-Behandlung sowie eine onkologische Virotherapie und eine Vakzination mit dendritischen Zellen im Immunologischen Zentrum L. (IOZL.) in Anspruch. Die Kosten dieser Behandlung beliefen sich auf 13.149,66 Euro. Das IOZL. stellte dem Versicherten eine privatärztliche Rechnung aus, die dieser bei der Beklagten einreichte. Diese Rechnung ist bis zuletzt noch nicht beglichen worden. Am 05.02.2016 wurde der Versicherte zur palliativmedizinischen Behandlung im Krankenhaus I. aufgenommen, wo er am 18.02.2016 an den Folgen des Mesothelioms verstarb. Die Beklagte sandte die Rechnung am 22.02.2016 unbearbeitet zurück. Am 24.03.2016 stellte die Klägerin als Erbin des verstorbenen Versicherten ein erneuten Antrag auf Übernahme der Kosten für die vom 08.01. bis 19.01.2016 durchgeführte Behandlung und verwies zur Begründung auf einen vom IOZL. unter dem 11.12.2015 erstellten Behandlungsplan. Die Beklagte holte eine Stellungnahme der beratenden Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. I. vom 29.04.2016 ein, die ausführte, bei der Hyperthermie handele es sich um ein hochexperimentelles Verfahren, für das keine ausreichende Evidenz einer Wirksamkeit zur Behandlung eines Pleuramesothelioms vorliege. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2016 die Übernahme der Behandlungskosten in Höhe von 13.149,66 Euro ab. Zur Begründung verwies sie auf die Stellungnahme von Dr. I ... Die Klägerin legte am 30.05.2016 Widerspruch ein und verwies auf eine Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016. Überdies hätten andere Berufsgenossenschaften bzw. die Beklagte in vergleichbaren Fällen die Kosten entsprechender Behandlungen übernommen. Schließlich habe ein Mitarbeiter der Beklagten anlässlich eines Hausbesuchs erklärt, der Versicherte könne mit der Therapie beginnen. Die Beklagte holte unter dem 17.06.2016 eine weitere Stellungnahme von Dr. I. sowie unter dem 22.07.2016 eine Stellungnahme des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. C. ein. Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage der Klägerin (Az. S 6 U 118/16) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2016 unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen zurück.
Daraufhin hat die Klägerin ihre Untätigkeitsklage auf eine Klage in der Sache umgestellt.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 11.05.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als Rechtsnachfolgerin von der Forderung des Immunologischen Zentrums L. für die Behandlung des Versicherten C. H. mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen in Höhe von 13.149,66 Euro freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Bericht des Arztes für Innere Medizin X. vom 12.02.2017 eingeholt. Darin hat dieser ausgeführt, die schulmedizinischen Therapieoptionen wie Chemotherapie und immuntherapeutische Behandlung seien in der Zeit vom 08.01. bis 19.01.2016 aufgrund von einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Versicherten nicht einsetzbar gewesen. Das Gericht hat weiter eine schriftliche Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses (im Folgenden: G-BA) vom 12.02.2017 eingeholt. Darin hat der G-BA ausgeführt, mit Beschluss vom 18.01.2005 sei die Hyperthermie als nicht anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethose von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden. Diese Entscheidung habe nach wie vor Gültigkeit. Die onkologische Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen seien bislang als Therapieformen nicht überprüft worden. Eine Empfehlung sei daher vom G-BA bislang nicht abgegeben worden. Schließlich hat das Gericht ein Gutachten des Arbeits- und Sozialmediziners Prof. Dr. L. vom 29.06.2017 eingeholt. Darin hat Prof. Dr. L. ausgeführt, es existiere bislang keine ausreichende wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit der Behandlung von Pleuramesotheliomen durch Hyperthermie, onkologische Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen. Die Klägerin ist dem Gutachten unter Hinweis auf die Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016 sowie auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.05.2017 (Az. VI ZR 203/16) entgegen getreten.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten keinen Anspruch auf Freistellung von der Forderung des Immunologischen Zentrums Köln in Höhe von 13.149,66 Euro für die Behandlung des Versicherten mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen.
Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf die (angebliche) mündliche Erklärung durch einen Mitarbeiter der Beklagten anlässlich eines Hausbesuchs bei dem Versicherten stützen. Denn selbst wenn der Mitarbeiter der Beklagten eine mündliche Zusage ausgesprochen haben sollte, die Kosten zu übernehmen (was selbst nach dem Vortrag der Klägerin allenfalls implizit hätte erfolgt sein können), wäre diese Zusage nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdaten-schutz (SGB X) formnichtig.
Als Grundlage für den Anspruch der Klägerin ist weiter § 26 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) analog in Betracht zu ziehen. Denn bei dem in § 26 Abs. 1 SGB VII normierten Anspruch auf Heilbehandlung handelt es sich nach § 26 Abs. 4 Satz 2 SGB VII um einen Sachleistungsanspruch, der sich unter den Voraussetzungen der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 24.02.2000 – B 2 U 12/99 R = juris, Rdnr. 17; BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 2 U 21/12 R = juris, Rdnr. 15; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2017 – L 1 U 120/16 = juris, Rdnr. 34 f.) in einen Kostenerstattungsanspruch bzw., wenn – wie hier – der vom Leistungserbringer in Rechnung gestellt Betrag noch nicht aus eigenen Mitteln beglichen worden ist, in einen Freistellungsanspruch umwandelt (siehe nur BSG, Urteil vom 23.07.1998 – B 1 KR 3/97 R = juris, Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 28.03.2000 – B 1 KR 11/98 R = juris, Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 20.04.2016 – B 3 P 1/15 R = juris, Rdnr. 16).
Die Voraussetzungen jener Anspruchsgrundlagen liegen jedoch nicht vor. Denn die Beklagte hat die Behandlung des Pleuramesothelioms des Versicherten C. H. mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen nicht zu Unrecht abgelehnt. Entscheidend hierfür ist, da für den Kostenersatzanspruch zunächst die allgemeinen Voraussetzungen des Sachleistungsanspruchs vorliegen müssen (siehe statt vieler etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 – L 5 KR 442/16 = juris, Rdnr. 29), dass der Versicherte keinen Sachleistungsanspruch auf diese Behandlungen gehabt hätte.
Ein Sachleistungsanspruch des Versicherten bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII nicht vorlagen. Danach haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Hierbei kommt dem Maßstab des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V Indizwirkung dergestalt zu, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der Regel nicht zu Lasten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erbracht werden dürfen, wenn keine Empfehlung durch den G-BA abgegeben worden ist (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.04.2007 – L 6 U 38/05 = juris, Rdnr. 37). Für diese Auffassung sprechen der gleiche Wortlaut in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 26 Abs. 4 Satz 1 SGB VII (ebenso SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 25.04.2000 – S 7 U 230/03 = juris, Rdnr. 25).
Eine Empfehlung des G-BA zu den vom Versicherten in Anspruch genommenen Behandlungsmethoden liegt indessen nicht vor. Für die Behandlung eines Pleuramesothelioms durch Hyperthermie hat der G-BA einen therapeutischen Nutzen sogar ausdrücklich verneint (Zusammenfassender Bericht des Unterausschusses "Ärztliche Behandlung" des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bewertung gemäß § 135 SGB V der Hyperthermie vom 15.06.2005, S. 354). Der G-BA hat im Rahmen seiner vom Gericht eingeholten schriftlichen Stellungnahme vom 12.02.2017 mitgeteilt, dies entspreche nach wie vor dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Was die Behandlung mit onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen angeht, so hat der G-BA im Rahmen der Stellungnahme vom 12.02.2017 mitgeteilt, eine Empfehlung des G-BA liege hierzu bislang nicht vor.
Ein Sachleistungsanspruch bestand auch nicht nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1a SGB V, dessen analoge Anwendung im SGB VII nach Auffassung der Kammer schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen (zur Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 – 1 BvR 347/98 = juris, die zur Schaffung von § 2 Abs. 1a SGB V geführt hat) geboten erscheint. Nach dieser Vorschrift können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Vorschrift macht einen Leistungsanspruch damit von drei Voraussetzungen abhängig, die kumulativ gegeben müssen: 1. Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung, 2. Fehlen einer allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlungsmethode, 3. Bestehen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (vgl. zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 – L 5 KR 442/16 = juris, Rdnr. 36).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar war der Kläger an einem Pleuramesotheliom erkrankt, so dass die erste Voraussetzung erfüllt ist. Auch die zweite Voraussetzung liegt zur Überzeugung der Kammer vor. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die eingeholte Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. I. davon ausgeht, es habe die Möglichkeit einer Therapie des Versicherten mit Vinorelbin oder mit Gemcitabin bestanden, sind dem die Ausführungen des behandelnden Onkologen X. im Rahmen seiner Stellungnahme vom 12.02.2017 entgegen zu halten. Danach waren schulmedizinische Therapieoptionen aufgrund eines sich rapide verschlechternden Allgemeinzustandes des Versicherten nicht einsetzbar.
Zur Überzeugung der Kammer steht jedoch nicht fest, dass die dritte Voraussetzung vorliegt. Das Vorliegen einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf kann nicht losgelöst vom konkreten Behandlungsziel beurteilt werden. Insoweit differenziert § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zwischen den therapeutischen Zielen der Beseitigung der Folgen eines durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschadens, der Verhütung seiner Verschlimmerung und der Minderung seiner Folgen. Der gesetzlichen Konzeption zu Folge ist also – § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V entsprechend – nach Möglichkeit die Heilung als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind. Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht (zu § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.02.2013 – 1 BvR 2045/12 = juris, Rdnr. 15).
Im vorliegenden Fall war das Behandlungsziel angesichts der fortgeschrittenen Erkrankung des Versicherten lediglich noch eine Minderung der Folgen der Erkrankung. Dies folgt für die Kammer aus dem ausführlichen Gutachten des von Amts wegen gehörten Sachverständigen Prof. Dr. L., der nachvollziehbar ausgeführt hat, aufgrund der fortgeschrittenen Tumorerkrankung sei eine Verhütung der Verschlimmerung nicht mehr zu erreichen gewesen. Dies folgt für die Kammer weiter daraus, dass bereits kurz nach Abschluss der hier streitgegenständlichen Behandlung eine palliative Behandlung des Versicherten im Krankenhaus I. begonnen wurde. Im Übrigen folgt dies auch aus dem Bericht des behandelnden Onkologen X., der ausgeführt hat, bereits Anfang Januar 2016 habe sich der Allgemeinzustand des Versicherten deutlich verschlechtert, er sei nahezu vollständig bettlägrig gewesen. Im Hinblick auf das somit hier in Rede stehende Behandlungsziel einer palliativen Therapie ist nicht ersichtlich, dass durch die Behandlung mit Hyperthermie, onkologischer Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen eine über die schulmedizinischen Standardtherapien hinausgehender Erfolg bestanden hat. Bestätigt wird dies durch die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. im Rahmen seines Gutachtens vom 29.06.2017. Soweit die Klägerin dem Gutachten unter Hinweis auf die Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016 entgegen getreten ist, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Denn im Hinblick auf den therapeutischen Nutzen der vom Versicherten in Anspruch genommenen Hyperthermie-Behandlung ist eine negative Bewertung durch den G-BA gegeben, die nach Auskunft des G-BA nach wie vor dem Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht. Liegt jedoch eine solche negative Bewertung vor, ist der Nachweis hinreichender Erfolgsaussichten der streitigen Therapie regelmäßig nicht mehr möglich (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 1 KR 24/06 R = juris, Rdnr. 24). Auch im Hinblick auf die beiden anderen angewandten Therapieformen der onkologischen Virotherapie und Vakzination mit dendritischen Zellen sind größere Studien mit entsprechenden Fallzahlen oder Leitlinien ärztlicher Fachgesellschaften bislang nicht ersichtlich. Aus der Stellungnahme des IOZL. vom 01.06.2016 folgt insoweit nichts Gegenteiliges. Hinreichende Erfolgsaussichten mit Blick auf das hier maßgebliche Behandlungsziel der palliativen Therapie sind bislang nicht zu belegen. Die von der Klägerin für ihr Begehren reklamierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.05.2017 (Az. VI ZR 203/16) verhält sich schließlich nicht zu dem Kriterium der auf Indizien gestützten Aussicht auf Erfolg alternativer Behandlungsmethoden, so dass sie für die hier interessierenden Fragestellungen unergiebig ist.
Die Klägerin kann einen Anspruch auf Freistellung schließlich nicht aus dem Umstand herleiten, dass die Beklagte bzw. andere Unfallversicherungsträger in anderen Fällen Kostenzusagen für die vom Versicherten in Anspruch genommenen alternativen Therapien erklärt haben bzw. entsprechende Therapien bewilligt haben. Denn besteht nach den gesetzlichen Vorschriften des materiellen Sozialrechts – wie dargelegt – kein Anspruch, so gebietet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) keine Übernahme der Kosten. Andernfalls würde sich der Allgemeine Gleichheitssatz gegenüber dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit jeglichen Verwaltungshandelns durchsetzen, das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelt und damit ebenfalls Verfassungsrang genießt ("keine Gleichheit im Unrecht", allgemein etwa BSG, Urteil vom 28.06.2017 – B 6 KA 12/16 R = juris, Rdnr. 28; BSG, Urteil vom 27.05.2014 – B 5 RE 6/14 R = juris, Rdnr. 70).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
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