S 68 U 427/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
68
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 427/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung gesundheitlicher Störungen als Folgen eines Arbeitsunfalls und die Gewährung unfallversicherungsrechtlicher Leistungen.

Sie war nach eigenen Angaben als pädagogische Unterrichtshilfe an der "P-F-Schule" tätig, einem pädagogischen Förderzentrum, das auf die Betreuung verhaltensgestörter Mehrfachbehinderter spezialisiert sei. Ihrem schriftlichen Bericht vom 7. Mai 2004 zufolge war sie, die Klägerin, am 28. April 2004 allein für die Unterrichtung eines geistig schwer behinderten zwölfjährigen Mädchens zuständig. Zum Ende des Frühstücks habe das Mädchen angefangen, ihr, der Klägerin, immer wieder an den Haaren zu reißen. Beim Abräumen des Frühstückstischs habe das Mädchen ihr den Tisch und den davor stehenden Stuhl mit Wucht entgegengeschoben und sie im Knie- und Oberschenkelbereich getroffen. Das Mädchen habe sich auf das Sofa gesetzt, einen Kassettenrecorder bekommen und Musik gehört. Zwei Schüler, die aufgrund sozial emotionaler Störungen besonderer Aufsicht bedurft hätten, seien eingetreten. Da die Beaufsichtigung der drei Schüler, der beiden Jungen und des Mädchens, durch eine Person nicht habe gewährleistet werden können, habe die Klägerin einen der Schüler hinaus in dessen Klasse geschickt. Mit dem anderen Schüler habe sie sich weit entfernt vom Sofa an den Tisch gesetzt. Plötzlich habe das Mädchen den Kassettenrekorder in ihre Richtung geworfen, ohne sie, die Klägerin und den Schüler, zu treffen. Die Klägerin sei schockiert gewesen. Den Kassettenrekorder habe sie verwahrt und sei mit dem Schüler zum gegenüberliegenden Gruppenraum gegangen. Das Mädchen habe sie weiter beaufsichtigt. Später sei es von einer Erzieherin abgeholt worden. Im H-Arzt-Bericht vom 18. Juni 2004 wurde bei der Klägerin eine Knieprellung links diagnostiziert. Die Klägerin wurde als arbeitsfähig eingestuft (Dr. F, Zwischenbericht vom 23. Juli 2004). In einem undatierten Schreiben an die Beklagte über den Stand der Heilbehandlung berichtete die Klägerin von ständigen Schmerzen im linken Kniegelenk, Angst, Schlafstörungen und Symptomen infolge eines geschwächten Immunsystems. Laut Zwischenbericht Dr. F vom 2. November 2004 bestehen im Kniegelenk der Klägerin belastungsabhängige Schmerzen. Sie seien nicht der am 28. April 2004 erlittenen Prellung zuzuschreiben, sondern eher der initialen Arthrose. Laut Befundbericht von Dipl.-Psych. K-M vom 10. Januar 2005 befand sich die Klägerin seit Oktober 2001 wegen einer erheblichen psychosomatischen Symptomatik und einer Angstsymptomatik in psychotherapeutischer Behandlung. Auslöser seien über Jahre hinweg erlebte Belastungen am Arbeitsplatz. Im Dezember 2002 habe die Klägerin in den beruflichen Alltag integriert werden können. Nach anfänglich aufflammender Symptomatik sei sie wieder dauerhaft einsatzfähig geworden. Nach dem Vorfall vom 28. April 2004 habe sie unter Schock ihre Arbeit beendet und am Abend nach längerer Zeit wieder eine Panikattacke erlitten. Seit dem Angriff leide sie unter anderem unter extremen Panikattacken, Ängsten und Schlafstörungen. Im Befundbericht der Psychiaterin Dr. H vom 9. November 2005 ist festgehalten, dass am Unfalltag eine autistische Schülerin die Klägerin unvermittelt angegriffen, an den Haaren gezogen, ihr einen Tisch in den Bauch gerammt, sie getreten und geschlagen habe. Unvermutet seien noch andere aggressive Kinder aufgetaucht. Die Kinder hätten sich wechselseitig hochgeschaukelt. Nur mit Mühe habe die Klägerin sie trennen können. Dem Wurf eines Kassettenrekorders habe sie knapp ausweichen können. Seitdem leide sie unter anderem unter rezidivierenden Panikattacken, wiederkehrenden Erinnerungen an das traumatische Erlebnis, Albträumen und niedergedrückter Stimmung. Bei Erinnerungen an die Schule sei es immer wieder zu Verschlechterungen gekommen. Es bestünden phobische Ängste hinsichtlich erneuter tätlicher Angriffe. An die Schule erinnernde Stimuli würden vermieden. Diagnostiziert wurden eine initiale ängstlich-depressive Anpassungsstörung (F 43.2) mit erneuter Auslösung, ein reaktives depressives Syndrom (F 32.9) und eine Somatisierungsstörung (F 45.0). Durch Bescheid vom 21. Dezember 2004 erkannte die Beklagte das angeschuldigte Ereignis als Arbeitsunfall und die unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis zum 11. Juni 2004 an. Abgelehnt wurde die Gewährung von Leistungen über diesen Zeitpunkt hinaus. Eine Knieprellung heile nach vier bis sechs Wochen aus. Die psychischen Störungen seien nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, da es nicht geeignet gewesen sei, derartige Störungen hervorzurufen. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos und wurde unter Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheids durch Bescheid vom 28. April 2005 zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt vor, dass die Schülerin einen Tisch und weitere Gegenstände nach ihr, der Klägerin, geworfen habe. Von einer auch in einem pädagogischen Förderzentrum bestehenden alltäglichen Belastungssituation könne hierbei nicht die Rede sein. Vor dem Ereignis sei sie, die Klägerin, beruflich integriert, stabilisiert und dauerhaft wieder einsatzfähig gewesen. Der Vorfall habe zumindest zu einer richtungweisenden Verschlimmerung ihrer gesundheitlichen Störungen geführt.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Dezember 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2005 festzustellen, dass die bei ihr bestehenden psychischen Reaktionen wie Panikattacken, Schlaf- und Anpassungsstörungen Folgen des am 28. April 2004 erlittenen Arbeitsunfalls sind, und die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, über den 11. Juni 2004 hinaus Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Unfallsituation für nicht geeignet, eine Anpassungsstörung bei der Klägerin hervorzurufen oder eine bereits vorhandene Störung wesentlich zu verschlimmern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Streitakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Das Gericht hat durch Einholung zweier Sachverständigengutachten Beweis erhoben zu den Gesundheitsstörungen der Klägerin auf nervenärztlich-psychiatrischem Gebiet und zur Frage ihrer Verursachung durch das Ereignis vom 28. April 2004. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten von Dr. B-G vom 13. Januar 2006 und Dr. M vom 18. September 2006 sowie dessen Stellungnahme vom 16. Oktober 2006 verwiesen. Durch Verfügungen vom 8. März 2006 und 23. Oktober 2006 hat das Gericht die Beteiligten davon unterrichtet, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid erwogen werde; ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist; die Beteiligten wurden hierzu gehört.

Die Klage ist zulässig, und zwar auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, das auf die Anerkennung der psychischen Reaktionen der Klägerin als Folgen des Unfallereignisses vom 28. April 2004 gerichtet ist (§ 55 Abs. 1 Ziff. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Der Antrag festzustellen, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines versicherten Unfallgeschehens ist, kann neben der Leistungsklage auf Gewährung unfallversicherungsrechtlicher Leistungen erhoben und mit dieser verbunden werden (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 VS 2/98 R – juris).

Die Klage ist indes nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da die psychischen Reaktionen ausweislich des Gutachtens Dr. B-G nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Unfallereignis zurückzuführen sind. Ein derartiger Zusammenhang ist für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls aber erforderlich. Nur derjenige Gesundheitsschaden ist als Folge des Unfalls anzuerkennen, der wesentlich durch den Unfall verursacht wurde. Was als wesentlich anzusehen ist, wird aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet. Anzulegen ist insoweit der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, wonach die Ursächlichkeit gegeben ist, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Momente die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass hierauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden; die schlichte Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 34/03 R – juris). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Aus diesem Grund stehen der Klägerin auch keine unfallversicherungsrechtlichen Leistungen über den im angefochtenen Ausgangsbescheid genannten Zeitpunkt hinaus zu, da sie daran anknüpfen, dass der gesundheitliche Schaden infolge eines Versicherungsfalls, zu dem Arbeitsunfälle gehören (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII –), eingetreten ist (vgl. §§ 26 ff. SGB VII). Laut Dr. B-G bestehen bei der Klägerin Angst und depressive Reaktion gemischt (ICD-10 F 43.22) und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung (ICD-10 F 45.1). Verursacht worden sei dies nicht durch das angeschuldigte Unfallereignis, auch nicht im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens. Die von der Klägerin geklagten Beschwerden seien nicht erstmals im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 28. April 2004 aufgetreten, sondern bereits zuvor. Wegen der gleichen Beschwerden sei die Klägerin ab 2001 behandelt worden. Diagnostiziert worden seien seinerzeit eine Anpassungsstörung und die Reaktion auf schwere Belastungen. Diese vorangegangene Symptomatik scheine im Zeitpunkt der Vorgänge vom 28. April 2004 zwar nicht mehr vorgelegen zu haben, ohne diese vorausgegangene Krankengeschichte sei aber keinesfalls das Auftreten psychischer Beschwerden nach dem angeschuldigten Ereignis zu erwarten gewesen, wie insbesondere das Missverhältnis der Gefährdung beim Geschehen vom 28. April 2004 zum Ausmaß der nachfolgenden Symptomatik zeige. Die Geschehnisse hätten keine in ihrer Eigenart unersetzliche Einwirkung dargestellt, um die aufgetretenen gesundheitlichen Folgen hervorzurufen. Vielmehr sei die Vorerkrankung der Klägerin so leicht ansprechbar gewesen, dass sie die conditio sine qua non der nachfolgenden Gesundheitsstörung gewesen sei. In einem solchen Fall ist der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden nicht gegeben (BSG, Urteil vom 2. Februar 1999 – B 2 U 6/98 R – juris). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Befundberichten der Dipl.-Psych. K-M vom 10. Januar 2005 und der Psychiaterin Dr. H vom 9. November 2005. Zwar diagnostizierte Dr. H eine Anpassungsstörung nach erneuter Auslösung. Auch nahm sie auf die Ereignisse um das angeschuldigte Geschehen Bezug. Dass diese Auslösung im Sinne der wesentlichen Verursachung zu den geklagten Gesundheitsstörungen führte und nicht lediglich anlässlich des Geschehens vom 28. April 2004 auftrat, wie dies von Dr. B-G dargelegt wird, ist dem Befundbericht Dr. H jedoch nicht zu entnehmen. Dem Befundbericht der Dipl.-Psych. K-M zufolge leidet die Klägerin seit dem angeschuldigten Ereignis zwar unter psychischen Störungen und deren körperlichen Auswirkungen, zu deren Genese verhält sich Dipl.-Psych. K-M indes nicht. Dass die von ihr, Dipl.-Psych. K-M, beschriebenen gesundheitlichen Störungen der Klägerin im Sinne der wesentlichen Verursachung oder Verschlimmerung auf das Geschehen vom 28. April 2004 zurückzuführen sind, ergibt sich aus ihrem Befundbericht nicht. Eine derartige Verbindung stellt allerdings Dr. M (Gutachten vom 18. September 2006) her. Er diagnostiziert bei der Klägerin neben einem Zustand nach Anpassungsstörung, der im ersten Quartal 2004 abgeklungen sei, eine Posttraumatische Belastungsstörung – PTBS – ab 28. April 2004, deren wesentliche Ursache er im angeschuldigten Ereignis sieht, dem tätlichen Angriff vonseiten des Mädchens und der sich anschließenden Situation, in der sich die Klägerin hilflos ausgesetzt gefühlt habe. Insoweit in Übereinstimmung mit Dr. B-G geht Dr. M vom Vorliegen von Symptomen der PTBS im Anschluss an den Vorfall vom 28. April 2004 aus wie Auftreten wiederkehrender Erinnerungen an das Ereignis, das als traumatisch bezeichnet wird, sowie Verschlechterungen der gesundheitlichen Verfassung, die durch Erinnerungen an die Schule hervorgerufen würden, und sich aufdrängenden mit dem Geschehen verbundenen und angsthaft verstärkenden Gedanken. Auch hätten sich im von Dr. B-G durchgeführten Testungsverfahren "Impact of Event Scale (IES)" Hinweise für eine PTBS mäßiger Ausprägung gefunden. Allein aus dem Vorliegen der Symptome einer PTBS kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass ihnen eine Traumaerfahrung des Betroffenen im Sinne der PTBS zugrunde liegt, da die Symptomatik der PTBS nicht spezifisch ist (Ebert/Kindt, Die posttraumatische Belastungsstörung im Rahmen von Asylverfahren, VBlBW 2004, S. 41, 42 f.; Leonhardt/Foerster, Probleme bei der Begutachtung der posttraumatischen Belastungsstörung, Der medizinische Sachverständige 2003, S. 150, 152). Die Symptome können auch bei anderen Erkrankungen auftreten wie einer schweren depressiven Episode (Ebert/Kindt, a.a.O., S. 43). Die Bedrohlichkeit des angeschuldigten Geschehens vom 28. April 2004 erreichte insbesondere unter Zugrundelegung des Berichts der Klägerin vom 7. Mai 2004 aber nicht die erforderliche Schwere, um die PTBS-Diagnose zu tragen. Gemäß den Festlegungen der von der Weltgesundheitsorganisation – WHO – herausgegebenen "International Classification of Diseases" – ICD-10 – (WHO, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V (F), klinisch-diagnostische Leitlinien, Dilling, Mombour und Schmidt [Hrsg.], 5. Aufl., Bern u.a. 2005, Kapitel V (F) F 43.1, S. 169 f.) entsteht die PTBS als eine verzögerte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes. Nach Dr. M (Gutachten vom 18. September 2006, Stellungnahme vom 16. Oktober 2006) hängt die Auslösung einer Traumatisierung allerdings weniger von der Schwere oder der Art des Geschehens ab, sondern vielmehr von der momentanen konstitutionellen Empfänglichkeit des Betreffenden und dessen Fähigkeit zur Integration des Erlebten. Auch im wissenschaftlichen Schrifttum (Schnyder, Entstehung und Verlauf der posttraumatischen Belastungsstörung, Der medizinische Sachverständige 2003, S. 142, 144) wird darauf aufmerksam gemacht, dass dem subjektiven Erleben des als traumatisch empfundenen Ereignisses eine größere Bedeutung beizumessen sei als der objektiven Erheblichkeit der Belastung. Die Prädisposition des Einzelnen und seine innere Betroffenheit seien für die Entstehung der Erkrankung und ihre Ausprägung entscheidend. Beschrieben wird die PTBS im Diagnosemanual ICD-10 (WHO, a.a.O., S. 169), auf das sich Dr. M bei der Erstellung seiner Diagnose ausweislich seiner Stellungnahme vom 16. Oktober 2006 unter anderem stützte, jedoch als eine Reaktion auf eine belastende Situation, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Durch die Wendung "bei fast jedem" wird ein überindividueller Maßstab vorgegeben, sodass das Ereignis, mit dem der Betreffende konfrontiert wurde, auch objektiv erheblich bedrohlich und belastend gewesen sein muss. Auch in dem von der "American Psychiatric Association" herausgegebenen Diagnostischen und Statistischen Manual – DSM IV – (abgedruckt bei Fischer/Riedesser, Lehrbuch der Psychotraumatologie, 3. Aufl., München und Basel 2003, S. 45 f.), das Dr. M nach eigenen Angaben ebenfalls heranzog (Stellungnahme vom 16. Oktober 2006), wird neben der Reaktion des Betreffenden auf das traumatische Ereignis wie intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen die Schwere der Belastung als eigenständiges Kriterium genannt. Dies verdeutlicht, dass die Diagnose der PTBS die objektive Erheblichkeit der Gefährdungslage voraussetzt. Die Schwere der Gefährdung muss dem vom Betroffenen empfundenen Ausmaß der Bedrohung entsprechen (so auch VG Freiburg, Urteil vom 10. Dezember 2003 – A 4 K 11131/02NVwZ-RR 2005, S. 64; Leonhardt/Foerster, a.a.O., S. 151). Dies war beim angeschuldigten Geschehen vom 28. April 2004 auch ausgehend von den Feststellungen Dr. M und den eigenen Schilderungen der Klägerin nicht der Fall. In seinem Gutachten beschreibt Dr. M die Ereignisse wie folgt: "Beim Frühstück begann das Mädchen zu provozieren, beispielsweise ihr [der Klägerin] an den Haaren zu reißen. Schließlich kippte es den Tisch um, der [der Klägerin] an die Knie fiel. Sie [die Klägerin] gab ihr einen Kassettenrecorder Plötzlich warf das Mädchen den Kassettenrecorder durch den Raum." In diesem Geschehen ist kein belastendes Ereignis im Sinne der vorgenannten Definition zu sehen. Genannt werden im Diagnosemanual ICD-10 (WHO, a.a.O.) Kampfhandlungen, das Erleiden eines schweren Unfalls und der Umstand, Zeuge des gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderen Verbrechen geworden zu sein. Derartige Ereignisse sieht auch Dr. M (Gutachten vom 18. September 2006) als geeignet an, eine Traumatisierung im Sinne der PTBS hervorzurufen. Hiermit können der Stoß mit dem Tisch gegen den Knie- und Oberschenkelbereich der Klägerin und der Wurf des Kassettenrecorders nicht gleichgesetzt werden, wovon auch Dr. B-G ausgeht, die auf das Missverhältnis der Gefährdung beim Geschehen vom 28. April 2004 zum Ausmaß der nachfolgenden Symptomatik verweist. Dass die Klägerin vom Mädchen auch geschlagen und getreten wurde, wie dies von Dr. H im Befundfundbericht vom 9. November 2005 vermerkt ist, deckt sich nicht mit dem Bericht der Klägerin vom 7. Mai 2004, in dem sich keine Hinweise auf erlittene Schläge und Tritte finden. Im Übrigen steht für einen Erwachsenen die von Schlägen und Tritten eines zwölfjährigen Mädchens ausgehende Gefährdungslage den oben genannten Schädigungs- und Bedrohungslagen, die als geeignet angesehen werden, eine Traumatisierung im Sinne der PTBS auszulösen, nicht gleich. Entgegen der Klagebegründung ist auch nicht ersichtlich, dass das Geschehen ein höheres Bedrohungspotential aufwies, als soeben dargelegt. Dass der Tisch nach der Klägerin geworfen oder geschleudert wurde, wie dies in der Klageschrift vom 24. Mai 2005 und in der ergänzenden Klagebegründung vom 7. Dezember 2006 behauptet wird, widerspricht der Darstellung der Klägerin im Bericht vom 7. Mai 2004, der zufolge das Mädchen den Tisch mit dem davor stehenden Stuhl der Klägerin entgegenschob und sie, die Klägerin, im Knie- und Oberschenkelbereich traf. Auch wenn dies nach Angaben der Klägerin mit Wucht geschah, so blieb die Gefährlichkeit dieses Geschehens weit hinter den im Diagnosemanual ICD-10 (WHO, a.a.O.) und auch von Dr. M als PTBS auslösend aufgeführten Ereignissen zurück. Gleiches gilt für den Wurf mit dem Recorder, der die Klägerin nach ihren Bekundungen verfehlte. Eine andere Bewertung des Geschehens ergibt sich entgegen Dr. M auch nicht bei Berücksichtigung des sich an den Recorderwurf anschließenden Ablaufs der Ereignisse. Laut Dr. M verstärkte sich nach dem Wurf des Recorders die Aggressivität der anwesenden Jungen, die der Klägerin hätten beistehen wollen. Wie sich die – vermeintliche – Aggressivität äußerte, ob sie sich insbesondere auch gegen die Klägerin richtete, bleibt im Dunkeln. Vor allem aber decken sich die Angaben Dr. M zum Geschehensablauf nicht mit der Schilderung der Klägerin im Bericht vom 7. Mai 2004. Laut ihrem Bericht hatte sie einen der beiden Jungen bereits vor dem Wurf des Recorders in dessen Klasse zurückgeschickt. Demzufolge war sie entgegen der Annahme Dr. M im Zeitpunkt des Recorderwurfs nur mit einem der beiden Jungen und dem Mädchen zusammen. Auch verhielt sich dieser Junge ausgehend vom Bericht der Klägerin nicht aggressiv. So habe er dem Mädchen, nachdem es den Recorder geworfen habe, Süßigkeiten gegeben und sich von der Klägerin in den gegenüberliegenden Gruppenraum bringen lassen. Zwar mag sich die Klägerin entsprechend den Ausführungen Dr. M als hilflos empfunden haben, weil sie sich mit dem Mädchen allein fand und keine Unterstützung von anderen Erziehern erhielt. Entgegen der Annahme Dr. M harrte die Klägerin in dieser Situation ausgehend von ihrem Bericht jedoch nicht hilflos aus. So habe sie den Kassettenrecorder aufgehoben und sicher verwahrt, sei mit dem Jungen zum gegenüberliegenden Gruppenraum gegangen und habe das Mädchen beaufsichtigt. Vor allem aber kann im gesamten Geschehensablauf, wie er von der Klägerin im Bericht vom 7. Mai 2004 wiedergegebenen wird, keine Gefährdungslage gesehen werden, die vergleichbar ist mit den belastenden Ereignissen oder Situationen außergewöhnlicher Bedrohung, die laut ICD-10 (WHO, a.a.O.) und Dr. M eine PTBS-Diagnose tragen. Hierbei darf entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht außer Acht gelassen werden, dass, worauf Dr. B-G hinweist, sie, die Klägerin, als Erzieherin mit heilpädagogischer Zusatzausbildung und langjähriger Berufserfahrung mit der Tatsache vertraut war, dass schwererziehbare Kinder mit Mehrfachbehinderungen – so auch das Mädchen – zu aggressiven Handlungen neigen. Entgegen der Annahme Dr. M (Stellungnahme vom 16. Oktober 2006) ist es auch nicht "irrelevant, ob die Erkrankung der Klägerin als PTBS, akzidentelle Neurose , Angstneurose, depressive Episode oder wie immer bezeichnet wird". Dr. M diagnostiziert in seinem Gutachten bei der Klägerin eine PTBS, stützt nach seinen Angaben die Diagnose auch auf das ICD-10 und das DSM IV (Stellungnahme vom 16. Oktober 2006) und muss sich deswegen an die dort aufgeführten Kriterien für die Diagnose einer PTBS, zu denen – wie dargelegt – die Erforderlichkeit der objektiven Schwere der erfahrenen Belastung zählt, halten (Ebert/Kindt, a.a.O., S. 42). Dies ist notwendig, weil die PTBS nicht wie andere Erkrankungen, vor allem körperliche Leiden, durch ein feststehendes Krankheitsbild definiert ist. Sie ist vielmehr Ausdruck des erreichten Erkenntnisstandes zu den Folgen von Traumatisierungen und deren Bewertung (Ebert/Kindt, a.a.O.). Sofern nach dem Dafürhalten Dr. M bei der Klägerin eine andere psychische Störung besteht, hätte er sie benennen müssen. Er hätte angeben müssen, nach welchen Kriterien er sie diagnostiziert und auf welche Anknüpfungs- und Befundtatsache seine Diagnose fußt. Seine Folgerungen hätte er anhand der vorgegebenen und erhobenen Befunde begründen müssen. Dies ist mit Ausnahme der vermeintlich bestehenden PTBS nicht geschehen. Der von ihm bei der Klägerin festgestellte Zustand nach Anpassungsstörung war nach seinen Angaben im ersten Quartal 2004 abgeklungen, mithin bereits vor dem angeschuldigten Ereignis vom 28. April 2004, und scheidet als dessen Folge aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Rechtskraft
Aus
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