Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
51
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 51 SO 249/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren,
ist mangels Anordnungsgrundes und -anspruchs nicht begründet (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Dies gilt unabhängig davon, ob die Antragstellerin einzig die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – oder, wie dies im Antragsentwurf vom 19. Januar 2007 angedeutet ist, auch von Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII begehrt.
Der Anordnungsgrund, mithin die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung, ist wegen der im Schriftsatz vom 19. Februar 2007 gegebenen Zusage des Antragsgegners, bis zur Auszahlung des Erlöses der Kapital bildenden Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin sozialhilferechtliche Leistungen darlehensweise zu erbringen, nicht gegeben. Den Betrag seiner Leistungen beziffert der Antragsgegner zwar nicht. Aus der Bezugnahme in jenem Schriftsatz auf die gerichtliche Anfrage vom 15. Februar 2007, in der auf die vom Antragsgegner vorgenommene Überschlagsberechnung (Blatt 27 des Verwaltungsvorgangs) verwiesen wird, ist die Höhe der ergänzenden Hilfe aber zu ersehen. Insoweit wird der geltend gemachte Bedarf in ausreichendem Maße gedeckt. Dass die Leistungsgewährung im Darlehenswege erfolgen soll, steht dem nicht entgegen. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt regelmäßig einzig eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur darlehensweisen Hilfegewährung in Betracht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B – juris, m.w.N.).
Auch ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Leistungsbewilligung an die Kündigung und die hieran anknüpfende Realisierung des Rückkaufswertes der Kapital bildenden Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin bindet. Der Rückkaufswert dieser Versicherung ist, soweit er die Freigrenzen des Vermögens überschreitet, zur Bedarfsdeckung der Antragstellerin einzusetzen. Gleiches gilt für Kapitallebensversicherung der Antragstellerin. Hilfe zum Lebensunterhalt erhält gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend unter anderem aus seinem Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII heraus bestreiten kann. Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten wie der Antragstellerin und ihrem Ehemann ist das Vermögen beider Ehegatten gemeinsam zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB XII). Für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen gilt nichts anderes (§§ 41 Abs. 2, 43 Abs. 1 SGB XII). Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII). Hierzu zählen Zahlungen aus Lebensversicherungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten aus Versicherungen, soweit sie verwertbar sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. April 2006 – L 23 B 19/06 SO ER – juris). Ausweislich der Mitteilung der Versicherungsgesellschaft vom 9. Februar 2007 kann die Antragstellerin ihre Kapitallebensversicherung, wenn die Kündigung der Gesellschaft bis Ende Februar 2007 zugeht, mit Wirkung zum 1. April 2007 kündigen. Nach Angaben ihrer Verfahrensbevollmächtigten im Schriftsatz vom 14. Februar 2007 würde die Auszahlung der Rückvergütung zum Kündigungstermin erfolgen. Die Versicherung des Ehemannes der Antragstellerin kann jeweils zum Ersten eines Monats gekündigt werden (Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 13. Februar 2007). Mithin sind beide Versicherungen verwertbar. Der Erlös aus dem Rückkauf der Versicherung des Ehemannes der Antragstellerin stünde ihm, dem Ehemann, frühestens in der zweiten Märzhälfte 2007 zu Verfügung, da mit der Auszahlung nach den von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingeholten Auskünften innerhalb von mindestens zwei bis drei Wochen zu rechnen ist. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt wird die ergänzende Hilfe vonseiten des Antragsgegners entsprechend seiner Zusage gewährt werden.
Die Verwertung der Versicherungen durch Kündigung und Realisierung der Rückkaufswerte ist nicht nach § 90 Abs. 2 Ziff. 2 SGB XII ausgeschlossen, da es sich bei den beiden Kapitallebensversicherungen nicht um staatlich geförderte Formen der Altersvorsorge im Sinne der genannten Vorschrift handelt. Auch überschreiten die Rückvergütungen die Freigrenze des Schonvermögens nach § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII. Diese Freigrenze liegt hier, da die Antragstellerin ausweislich der vorgelegten Rentenmitteilung voll erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist, und, weil die Sozialhilfe von ihrem Vermögen und dem ihres von ihr nicht getrennt lebenden Ehemannes abhängig gemacht wird, bei 3.214,00 Euro (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a Alt. 2, Ziff. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII). Der Rückkaufswert der Versicherung der Antragstellerin beläuft sich auf 1.820,00 Euro (Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 9. Februar 2007). Der Rückkaufswert der Versicherung ihres Ehemanns beträgt ohne Leistungen aus der Überschussbeteiligung 4.218,00 Euro (Nachtrag zum Versicherungsschein vom 4. Dezember 2006). Dieser Wert bezieht sich auf den 1. Juni 2007; dass der Rückkaufswert gegenwärtig erheblich geringer ist, ist nicht erkennbar. Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist die Freigrenze nicht wegen ihrer Schwerbehinderung mit einem anerkannten Grad der Behinderung von 70 nach § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII anzuheben. Nach dieser Vorschrift ist die Freigrenze angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Behinderungen und Krankheiten können eine derartige Notlage zwar bedingten (Brühl, in: Münder u.a., Sozialgesetzbuch XII, Lehr- und Praxiskommentar, 7. Aufl., Baden-Baden 2005, § 90 Rz. 73). Erforderlich ist aber, dass durch die Verwertung des Vermögens beispielsweise der Erfolg einer Eingliederungshilfe für den behinderten Antragsteller gefährdet wird (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11. Juni 2003 – 4 LB 522/02 – juris) oder seine Erkrankung sich verschlimmert (Bayerisches ObLG, Beschluss vom 20. August 2003 – 3Z BR 143/03 – juris). Dass der hier geforderte Vermögenseinsatz für die Antragstellerin derartige oder in ihrer Schwere vergleichbare Folgen haben wird, ist weder dargetan noch sonst wie ersichtlich. Zwar verweist die Antragstellerin auf dauerhafte problematische Gesundheitsverhältnisse als Folge ihrer Behinderung. Worin die gesundheitlichen Probleme bestehen, welches Ausmaß sie haben und inwieweit sie durch die Verwertung des Vermögens beeinflusst werden, wird jedoch nicht aufgezeigt. Das Vorhandensein einer Behinderung allein führt nicht zur Anhebung der Freigrenze (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. August 1997 – 8 A 631/95 – juris). Überdies ist nicht erkennbar, dass die etwaigen gesundheitlichen Probleme nicht ausreichend über die Krankenversicherung der Antragstellerin aufgefangen werden können.
Der Verweisung der Antragstellerin auf die Vermögensverwertung bis zur Freigrenze steht auch die Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht entgegen, wonach die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung des Vermögens abhängig gemacht werden darf, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Die Verwertung stellt nicht bereits deswegen eine Härte dar, weil die Versicherungen nach dem Vorbringen der Antragstellerin zur Altersvorsorge bestimmt sind. Kapitallebensversicherungen der vorliegenden Art dienen der Bildung von Kapital, das nach Ablauf der Vertragsdauer dem Versicherungsnehmer ohne jede Zweckbindung frei zur Verfügung steht. Die Absicht, das freiwerdende Kapital zur Altersversorgung zu verwenden, rechtfertigt es nicht, dieses Kapital aus dem verwertbaren Vermögen herauszunehmen (Bayerischer VGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – 12 B 04.3551 – juris). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 51/04 R – juris) zum Verwertungsschutz einer Kapitallebensversicherung bei Beziehern von Leistungen der Arbeitslosenhilfe, der zufolge es im Rahmen der Härtefallprüfung darauf ankommt, ob die Lebensversicherungsverträge nach der subjektiven Zweckbestimmung des Versicherungsnehmers der Altersvorsorge dienen, ist auf das Sozialhilferecht nicht zu übertragen (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 C 3/03 – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Juni 2005 – L 11 B 206/05 SO ER – juris). Auch dass die Versicherungen nach den Bekundungen der Antragstellerin als finanzielle Vorsorge für sie für den Fall bestimmt sind, dass ihr Ehemann, dessen Hilfe und Unterstützung sie wegen ihrer Behinderung benötige, ein Unglück erleiden und ausfallen sollte, führt nicht zum Verwertungsausschluss nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Zum einen ist nicht dargetan, worin seine Unterstützungsleistungen bestehen und inwieweit sie, die Antragstellerin, hierauf angewiesen ist. Vor allem aber gehört es zu den allgemeinen Lebensrisiken, für andere – spätere – Zwecke zurückgelegtes Kapital vorzeitig zur Deckung eines anderweitig entstehenden Bedarfs einzusetzen (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Des Weiteren begründet der wirtschaftliche Verlust beim Rückkauf der Versicherungen der Antragstellerin und ihres Ehemannes keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin bleibt nach deren Angaben um 27 vom Hundert – v. H. – hinter den Beitragsleistungen zurück. In der obergerichtlichen Rechtsprechung (Bayerischer VGH, a.a.O.) wird ein Verlust von 45 v.H. als zumutbar angesehen, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/96 – juris) gar ein Verlust von mehr als der Hälfte. Von einem Härtefall ist auch nicht deswegen auszugehen, weil der Ehemann der Antragstellerin, der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – bezieht, die vom ihm geführte Kapitallebensversicherung dem Vorbringen der Antragstellerin zufolge nicht für sich selbst nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 SGB II zu verwerten hat. Die im SGB II geltenden Vermögensschonbeträge seien höher, um Anreize für die Wiederaufnahme einer Arbeit zu schaffen. Dieser Zweck würde unterlaufen, müsste die Versicherung des Ehemannes zugunsten der Antragstellerin verwertet werden. Auch im Schrifttum (Schellhorn, in: ders. u.a., SGB XII – Sozialhilfe, 17. Aufl., München 2006, § 1 VO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII Rz. 13 [S. 901]) wird darauf hingewiesen, dass bei Personen, die wie die Antragstellerin vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II in den Anwendungsbereich des SGB XII hinüberwechseln, Härten auftreten können, denen im Einzelfall im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zu begegnen sei. Eine solche Härte im Einzellfall ist jedoch nicht allein dann als gegeben anzusehen, wenn ein Hilfeempfänger vom Leistungssystem des SGB II in den Anwendungsbereich des SGB XII übertritt oder wenn ein Ehegatte im Bezug von Leistungen nach dem SGB II steht und der andere Hilfen nach dem SGB XII begehrt. Zutreffend macht der Antragsgegner darauf aufmerksam, dass es sich bei derartigen Fallkonstellationen wegen der Vielzahl der Lebensbeziehungen nicht um atypische Einzelfälle handelt. Aber einzig atypische Fälle werden von § 90 Abs. 3 SGB XII erfasst (Brühl, a.a.O.). Die Besonderheiten des Einzelfalls müssen gegenüber der Situation vergleichbarer Gruppen von Hilfesuchenden die Anwendung der Härtevorschrift erfordern (Lücking, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XII, Berlin 2005, § 90 Rz. 69). Dies ist hier nicht der Fall. Vergleichbar mit der vorliegenden Fallkonstellation ist die Situation nicht getrennt lebender Ehegatten, bei denen ein Partner Arbeitseinkommen erzielt und keine Leistungen nach dem SGB II bezieht, während der andere Partner dem Anwendungsbereich des SGB XII zuzurechnen ist. Auch in einem solchen Fall kann sich der arbeitende und Geld verdienende Ehepartner im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht auf die Vermögensfreibeträge nach § 12 SGB II berufen. Sein Vermögen ist bei der Bedarfsprüfung des Ehegatten, der Sozialhilfeleistungen begehrt, gemäß §§ 19 Abs. 1 Satz 2, 43 Abs. 1, 90 SGB XII zu berücksichtigen. Würden hingegen auch all diese Fälle wie der soeben umschriebene in den Anwendungsbereich des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII einbezogen, würde diese Vorschrift als Härtefallnorm zur Herbeiführung der Einzelfallgerechtigkeit bei atypischen Fallgestaltungen überdehnt. Als Ausnahmevorschrift ist sie aber eng auszulegen. Dies stellte die obergerichtliche Rechtsprechung (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.) zur Vorgängerregelung, dem § 88 Abs. 3 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz – BSHG –, heraus. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entspricht dem § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG, sodass die hierzu entwickelten Grundsätze fortgelten (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall von keiner Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII auszugehen.
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist wegen der Notwendigkeit zur vorrangigen Verwertung der Versicherungen bis zur Freigrenze des Schonvermögens auch der Anordnungsanspruch nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Gründe:
Der Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren,
ist mangels Anordnungsgrundes und -anspruchs nicht begründet (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Dies gilt unabhängig davon, ob die Antragstellerin einzig die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – oder, wie dies im Antragsentwurf vom 19. Januar 2007 angedeutet ist, auch von Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII begehrt.
Der Anordnungsgrund, mithin die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung, ist wegen der im Schriftsatz vom 19. Februar 2007 gegebenen Zusage des Antragsgegners, bis zur Auszahlung des Erlöses der Kapital bildenden Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin sozialhilferechtliche Leistungen darlehensweise zu erbringen, nicht gegeben. Den Betrag seiner Leistungen beziffert der Antragsgegner zwar nicht. Aus der Bezugnahme in jenem Schriftsatz auf die gerichtliche Anfrage vom 15. Februar 2007, in der auf die vom Antragsgegner vorgenommene Überschlagsberechnung (Blatt 27 des Verwaltungsvorgangs) verwiesen wird, ist die Höhe der ergänzenden Hilfe aber zu ersehen. Insoweit wird der geltend gemachte Bedarf in ausreichendem Maße gedeckt. Dass die Leistungsgewährung im Darlehenswege erfolgen soll, steht dem nicht entgegen. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt regelmäßig einzig eine Verpflichtung des Leistungsträgers zur darlehensweisen Hilfegewährung in Betracht (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B – juris, m.w.N.).
Auch ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Leistungsbewilligung an die Kündigung und die hieran anknüpfende Realisierung des Rückkaufswertes der Kapital bildenden Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin bindet. Der Rückkaufswert dieser Versicherung ist, soweit er die Freigrenzen des Vermögens überschreitet, zur Bedarfsdeckung der Antragstellerin einzusetzen. Gleiches gilt für Kapitallebensversicherung der Antragstellerin. Hilfe zum Lebensunterhalt erhält gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend unter anderem aus seinem Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII heraus bestreiten kann. Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten wie der Antragstellerin und ihrem Ehemann ist das Vermögen beider Ehegatten gemeinsam zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB XII). Für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen gilt nichts anderes (§§ 41 Abs. 2, 43 Abs. 1 SGB XII). Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII). Hierzu zählen Zahlungen aus Lebensversicherungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten aus Versicherungen, soweit sie verwertbar sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. April 2006 – L 23 B 19/06 SO ER – juris). Ausweislich der Mitteilung der Versicherungsgesellschaft vom 9. Februar 2007 kann die Antragstellerin ihre Kapitallebensversicherung, wenn die Kündigung der Gesellschaft bis Ende Februar 2007 zugeht, mit Wirkung zum 1. April 2007 kündigen. Nach Angaben ihrer Verfahrensbevollmächtigten im Schriftsatz vom 14. Februar 2007 würde die Auszahlung der Rückvergütung zum Kündigungstermin erfolgen. Die Versicherung des Ehemannes der Antragstellerin kann jeweils zum Ersten eines Monats gekündigt werden (Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 13. Februar 2007). Mithin sind beide Versicherungen verwertbar. Der Erlös aus dem Rückkauf der Versicherung des Ehemannes der Antragstellerin stünde ihm, dem Ehemann, frühestens in der zweiten Märzhälfte 2007 zu Verfügung, da mit der Auszahlung nach den von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingeholten Auskünften innerhalb von mindestens zwei bis drei Wochen zu rechnen ist. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt wird die ergänzende Hilfe vonseiten des Antragsgegners entsprechend seiner Zusage gewährt werden.
Die Verwertung der Versicherungen durch Kündigung und Realisierung der Rückkaufswerte ist nicht nach § 90 Abs. 2 Ziff. 2 SGB XII ausgeschlossen, da es sich bei den beiden Kapitallebensversicherungen nicht um staatlich geförderte Formen der Altersvorsorge im Sinne der genannten Vorschrift handelt. Auch überschreiten die Rückvergütungen die Freigrenze des Schonvermögens nach § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII. Diese Freigrenze liegt hier, da die Antragstellerin ausweislich der vorgelegten Rentenmitteilung voll erwerbsgemindert im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist, und, weil die Sozialhilfe von ihrem Vermögen und dem ihres von ihr nicht getrennt lebenden Ehemannes abhängig gemacht wird, bei 3.214,00 Euro (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a Alt. 2, Ziff. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII). Der Rückkaufswert der Versicherung der Antragstellerin beläuft sich auf 1.820,00 Euro (Schreiben der Versicherungsgesellschaft vom 9. Februar 2007). Der Rückkaufswert der Versicherung ihres Ehemanns beträgt ohne Leistungen aus der Überschussbeteiligung 4.218,00 Euro (Nachtrag zum Versicherungsschein vom 4. Dezember 2006). Dieser Wert bezieht sich auf den 1. Juni 2007; dass der Rückkaufswert gegenwärtig erheblich geringer ist, ist nicht erkennbar. Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist die Freigrenze nicht wegen ihrer Schwerbehinderung mit einem anerkannten Grad der Behinderung von 70 nach § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII anzuheben. Nach dieser Vorschrift ist die Freigrenze angemessen zu erhöhen, wenn im Einzelfall eine besondere Notlage der nachfragenden Person besteht. Behinderungen und Krankheiten können eine derartige Notlage zwar bedingten (Brühl, in: Münder u.a., Sozialgesetzbuch XII, Lehr- und Praxiskommentar, 7. Aufl., Baden-Baden 2005, § 90 Rz. 73). Erforderlich ist aber, dass durch die Verwertung des Vermögens beispielsweise der Erfolg einer Eingliederungshilfe für den behinderten Antragsteller gefährdet wird (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11. Juni 2003 – 4 LB 522/02 – juris) oder seine Erkrankung sich verschlimmert (Bayerisches ObLG, Beschluss vom 20. August 2003 – 3Z BR 143/03 – juris). Dass der hier geforderte Vermögenseinsatz für die Antragstellerin derartige oder in ihrer Schwere vergleichbare Folgen haben wird, ist weder dargetan noch sonst wie ersichtlich. Zwar verweist die Antragstellerin auf dauerhafte problematische Gesundheitsverhältnisse als Folge ihrer Behinderung. Worin die gesundheitlichen Probleme bestehen, welches Ausmaß sie haben und inwieweit sie durch die Verwertung des Vermögens beeinflusst werden, wird jedoch nicht aufgezeigt. Das Vorhandensein einer Behinderung allein führt nicht zur Anhebung der Freigrenze (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. August 1997 – 8 A 631/95 – juris). Überdies ist nicht erkennbar, dass die etwaigen gesundheitlichen Probleme nicht ausreichend über die Krankenversicherung der Antragstellerin aufgefangen werden können.
Der Verweisung der Antragstellerin auf die Vermögensverwertung bis zur Freigrenze steht auch die Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht entgegen, wonach die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung des Vermögens abhängig gemacht werden darf, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Die Verwertung stellt nicht bereits deswegen eine Härte dar, weil die Versicherungen nach dem Vorbringen der Antragstellerin zur Altersvorsorge bestimmt sind. Kapitallebensversicherungen der vorliegenden Art dienen der Bildung von Kapital, das nach Ablauf der Vertragsdauer dem Versicherungsnehmer ohne jede Zweckbindung frei zur Verfügung steht. Die Absicht, das freiwerdende Kapital zur Altersversorgung zu verwenden, rechtfertigt es nicht, dieses Kapital aus dem verwertbaren Vermögen herauszunehmen (Bayerischer VGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – 12 B 04.3551 – juris). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 51/04 R – juris) zum Verwertungsschutz einer Kapitallebensversicherung bei Beziehern von Leistungen der Arbeitslosenhilfe, der zufolge es im Rahmen der Härtefallprüfung darauf ankommt, ob die Lebensversicherungsverträge nach der subjektiven Zweckbestimmung des Versicherungsnehmers der Altersvorsorge dienen, ist auf das Sozialhilferecht nicht zu übertragen (BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 C 3/03 – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Juni 2005 – L 11 B 206/05 SO ER – juris). Auch dass die Versicherungen nach den Bekundungen der Antragstellerin als finanzielle Vorsorge für sie für den Fall bestimmt sind, dass ihr Ehemann, dessen Hilfe und Unterstützung sie wegen ihrer Behinderung benötige, ein Unglück erleiden und ausfallen sollte, führt nicht zum Verwertungsausschluss nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Zum einen ist nicht dargetan, worin seine Unterstützungsleistungen bestehen und inwieweit sie, die Antragstellerin, hierauf angewiesen ist. Vor allem aber gehört es zu den allgemeinen Lebensrisiken, für andere – spätere – Zwecke zurückgelegtes Kapital vorzeitig zur Deckung eines anderweitig entstehenden Bedarfs einzusetzen (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Des Weiteren begründet der wirtschaftliche Verlust beim Rückkauf der Versicherungen der Antragstellerin und ihres Ehemannes keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung des Ehemannes der Antragstellerin bleibt nach deren Angaben um 27 vom Hundert – v. H. – hinter den Beitragsleistungen zurück. In der obergerichtlichen Rechtsprechung (Bayerischer VGH, a.a.O.) wird ein Verlust von 45 v.H. als zumutbar angesehen, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 C 7/96 – juris) gar ein Verlust von mehr als der Hälfte. Von einem Härtefall ist auch nicht deswegen auszugehen, weil der Ehemann der Antragstellerin, der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – bezieht, die vom ihm geführte Kapitallebensversicherung dem Vorbringen der Antragstellerin zufolge nicht für sich selbst nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 SGB II zu verwerten hat. Die im SGB II geltenden Vermögensschonbeträge seien höher, um Anreize für die Wiederaufnahme einer Arbeit zu schaffen. Dieser Zweck würde unterlaufen, müsste die Versicherung des Ehemannes zugunsten der Antragstellerin verwertet werden. Auch im Schrifttum (Schellhorn, in: ders. u.a., SGB XII – Sozialhilfe, 17. Aufl., München 2006, § 1 VO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII Rz. 13 [S. 901]) wird darauf hingewiesen, dass bei Personen, die wie die Antragstellerin vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II in den Anwendungsbereich des SGB XII hinüberwechseln, Härten auftreten können, denen im Einzelfall im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zu begegnen sei. Eine solche Härte im Einzellfall ist jedoch nicht allein dann als gegeben anzusehen, wenn ein Hilfeempfänger vom Leistungssystem des SGB II in den Anwendungsbereich des SGB XII übertritt oder wenn ein Ehegatte im Bezug von Leistungen nach dem SGB II steht und der andere Hilfen nach dem SGB XII begehrt. Zutreffend macht der Antragsgegner darauf aufmerksam, dass es sich bei derartigen Fallkonstellationen wegen der Vielzahl der Lebensbeziehungen nicht um atypische Einzelfälle handelt. Aber einzig atypische Fälle werden von § 90 Abs. 3 SGB XII erfasst (Brühl, a.a.O.). Die Besonderheiten des Einzelfalls müssen gegenüber der Situation vergleichbarer Gruppen von Hilfesuchenden die Anwendung der Härtevorschrift erfordern (Lücking, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XII, Berlin 2005, § 90 Rz. 69). Dies ist hier nicht der Fall. Vergleichbar mit der vorliegenden Fallkonstellation ist die Situation nicht getrennt lebender Ehegatten, bei denen ein Partner Arbeitseinkommen erzielt und keine Leistungen nach dem SGB II bezieht, während der andere Partner dem Anwendungsbereich des SGB XII zuzurechnen ist. Auch in einem solchen Fall kann sich der arbeitende und Geld verdienende Ehepartner im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nicht auf die Vermögensfreibeträge nach § 12 SGB II berufen. Sein Vermögen ist bei der Bedarfsprüfung des Ehegatten, der Sozialhilfeleistungen begehrt, gemäß §§ 19 Abs. 1 Satz 2, 43 Abs. 1, 90 SGB XII zu berücksichtigen. Würden hingegen auch all diese Fälle wie der soeben umschriebene in den Anwendungsbereich des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII einbezogen, würde diese Vorschrift als Härtefallnorm zur Herbeiführung der Einzelfallgerechtigkeit bei atypischen Fallgestaltungen überdehnt. Als Ausnahmevorschrift ist sie aber eng auszulegen. Dies stellte die obergerichtliche Rechtsprechung (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.) zur Vorgängerregelung, dem § 88 Abs. 3 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz – BSHG –, heraus. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entspricht dem § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG, sodass die hierzu entwickelten Grundsätze fortgelten (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall von keiner Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII auszugehen.
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen ist wegen der Notwendigkeit zur vorrangigen Verwertung der Versicherungen bis zur Freigrenze des Schonvermögens auch der Anordnungsanspruch nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
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