S 102 AS 7066/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
102
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 7066/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. August 2006 verurteilt, einen Betrag von 1000,- Euro als erste Rate aus dem Vermittlungsgutschein vom 23. Mai 2006 für Herrn U St auszuzahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Auszahlung einer Vergütung für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes an einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des SGB II.

Der Kläger erhielt nach eigenen Angaben von der Firma A. am 12. Mai 2006 den Auftrag, einen Pförtner für ein P Krankenhaus zu suchen. Der Kläger stellte einen Werbeanhänger auf, den er mit dem Schriftzug "Pförtner für P Krankenhaus gesucht" plakatierte. Am 17. Mai 2006 meldete sich beim Kläger ein Herr. S., der Interesse an der Pförtnerstelle bekundete. Der Kläger vereinbarte mit Herrn S. einen Vorstellungstermin am 22. Mai 2006. An diesem Tag schloss der Kläger mit Herrn S. einen Vermittlungsvertrag mit u.a. folgendem Inhalt: 1. Der Vermittler stellt dem Klienten kostenlos seine Vermittlungsdienste zur Verfügung, soweit die Vermittlungsprovision durch die Agentur für Arbeit oder der Träger der Leistungen nach SGB II beglichen wird. 2. Sollte die Auszahlung des Vermittlungsgutscheins nicht möglich sein oder beauftragt der Klient den Vermittler in privatem Auftrag, wird bei einer privaten Vermittlung innerhalb Deutschlands ein Honorar von 1.500 EUR vom Klienten fällig. Ist das Arbeitsverhältnis von vornherein auf ein halbes Jahr oder weniger befristet, beträgt das Honorar 500 EUR. 3. Eine Vermittlung gilt als erfolgreich, wenn der Klient die Arbeitsstelle tatsächlich antritt und Lohn/Gehalt/Honorar erhält

Der Kläger übermittelte einen Lebenslauf des Herrn S. durch Fax an die Firma A und teilte mit, dass dieser "gleich vorbeikommen" könne. Nachdem Herr E. von der Firma A. sein Einverständnis bekundet hatte, begab sich Herr S zur Firma A. Herr E. von der Firma A. sagte Herrn S. eine Einstellung als Pförtner zu. Noch am 22. Mai 2006 veranlasste Herr E. die Ausfertigung eines befristeten Arbeitsvertrages für den Zeitraum 24. Mai 2006 bis 30. Juni 2007, der eine monatlich zu leistenden Arbeitszeit von jahresdurchschnittlich 190 Stunden beinhaltete und am selben Tag von dem zuständigen Personalverantwortlichen der Firma A. unterschrieben wurde. Wann Herr S. den auf den 22. Mai 2006 datierten Arbeitsvertrag unterschrieb, ist zwischen den Beteiligten streitig. Am 23. Mai 2006 begab sich der Kläger zu der Beklagten und beantragte die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines. Diesen erhielt er noch am selben Tag mit einer Gültigkeit für den Zeitraum 23. Mai 2006 bis 22. August 2006. Am 7. Juli 2006 beantragte der Kläger die Auszahlung des Vermittlungsgutscheins in Höhe einer Vergütung von zunächst 1.000 EUR. Den Antrag lehnte die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12. Juli 2006 ab und führte zur Begründung aus, der Arbeitsvertrag sei am 22. Mai 2006 und damit nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins abgeschlossen worden. Zur Begründung des Widerspruchs machte der Kläger geltend, Herr S. habe den Arbeitsvertrag erst am 23. Mai 2006 unterschrieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, bereits vor Ausreichung des Vermittlungsgutscheins hätte zwischen Herrn S. und der Firma A über wesentliche Aspekte des Arbeitsvertrages Einigkeit bestanden. Auch wenn Herr S. den auf den 22. Mai 2006 datierten Arbeitsvertrag erst einen Tag später unterschrieben haben sollte, ergebe sich deshalb keine abweichende Beurteilung.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. August 2006 zu verurteilen, einen Betrag von 1000,- Euro als erste Rate aus dem Vermittlungsgutschein vom 23. Mai 2006 für Herrn S. auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, der Kläger habe Herrn S. bereits vor der Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins erfolgreich vermittelt. Maßgebend für das Vorliegen der Vermittlung sei der Zeitpunkt, an dem der Arbeitsvertrag geschlossen worden sei, oder der Tag, an dem sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die wesentlichen Inhalte des Arbeitsvertrages einig geworden seien oder der Tag, an dem der Arbeitgeber eine Einstellungszusage gegeben habe.

Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen hat, und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Auszahlung von 1.000 EUR als Teil der im Vermittlungsvertrag mit Herrn S. vereinbarten Vergütung von 1.500 EUR.

Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 421 g SGB III. Gemäß § 16 Abs. 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit u. a. die in § 421 g SGB III geregelten Leistungen erbringen. Gemäß § 421 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer bei Vorliegen der dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Gemäß Abs. 1 Satz 4 der Vorschrift verpflichtet sich die Agentur für Arbeit mit dem Vermittlungsgutschein, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen des § 421 g SGB III zu erfüllen. Gemäß § 421 Abs. 2 Satz 2 SGB III wird die Vergütung in Höhe von 1000 Euro nach einer sechswöchigen und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungs-verhältnisses ausgezahlt.

Aus § 421 g Abs. 1 Satz 4 SGB III ergibt sich, dass der Vermittlungsgutschein neben dem Anspruch des Arbeitnehmers auch einen eigenständiger Anspruch des Vermittlers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit auf Auszahlung aus dem Vermittlungsgutschein bzw. auf Erfüllung seines Vergütungsanspruchs begründet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2006 – L 28 AL 166/03 - m. w. N.). Hiervon ausgehend hat der Kläger gegenüber der Beklagten einen Vergütungsanspruch aus dem von dem Beklagten am 23. Mai 2006 ausgestellten Vermittlungsgutschein für Herrn S. erworben. Der Kläger schloss am 22. Mai 2006 mit Herrn S. einen schriftlichen Vermittlungsvertrag im Sinne des § 296 Abs. 1 SGB III. Die Höhe der Vergütung ist vertraglich geregelt, wie es § 296 Abs.1 Satz 2 SGB III fordert. Der Vertrag trägt auch § 296 Abs. 2 SGB III Rechnung, wonach der Arbeitsuchende zur Zahlung der Vergütung nur verpflichtet ist, wenn infolge der Vermittlung des Vermittlers der Arbeitsvertrag zustande gekommen ist. Dass der Vertrag vor Ausstellung des Vermittlungsgutscheins geschlossen wurde, ist unschädlich (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Februar 2006 – L 28 AL 166/03 -; Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421 g Rdnr. 43). Der Kläger hat einem Arbeitsuchenden im Sinne der §§ 421 g Abs. 1, 296 Abs. 1 SGB III einen Arbeitplatz vermittelt. Dabei kann offen bleiben, ob im Rahmen des § 296 Abs. 1 SGB III vom Vermittlungsbegriff des § 652 BGB auszugehen ist (so Urmersbach, a. a. O., § 421 g Rdnr 41) oder der Vermittlungsbegriff des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III zu Grunde zu legen ist (so Sächsisches LSG, Urteil vom 2. Dezember 2004 - L 3 AL 319/03 -, a. A.). Denn der Kläger hat nicht lediglich den Kontakt zwischen Herrn S und der Firma A. hergestellt, sondern selbst durch unmittelbaren Kontakt mit dem Arbeitgeber dessen Abschlussbereitschaft gefördert. Die Vermittlung war auch erfolgreich, weil es durch die Tätigkeit des Klägers zum Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen ist.

Schließlich ist der Vermittlungserfolg während der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheins vom 23. Mai 2006 eingetreten. Zur Überzeugung des Gerichts ist es erst nach Ausstellung des Vermittlungsgutscheins zum Abschluss des Arbeitsvertrages gekommen. Das Gericht folgt den glaubhaften Angaben des Klägers, wonach Herr S. erst nach Erhalt des Vermittlungsgutscheines den Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Diese Angaben werden zudem durch die schriftliche Erklärung des Herrn E. von der Firma A. vom 18. Juli 2006 bestätigt. Eine weitere Sachaufklärung ist deshalb nicht erforderlich. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Vermittlungserfolg im Sinne des § 421 g Abs. 1 Satz 4 SGB III nicht schon dann eingetreten, wenn der Arbeitgeber die Einstellung zusagt oder sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich über wesentlichen Bestandteile des Arbeitsvertrages mündlich geeinigt haben oder der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag bereits unterschrieben hat. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt, an dem der Arbeitsvertrag wirksam geschlossen wird. Erst dann liegt eine abgeschlossene Vermittlung vor (vgl. Urmersbach, a. a. O., § 421 g Rdn 41; Rademacher in GK-SGB III § 421 g Rdnr. 17, Stand: März 2005; Sienknecht in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, S. 1260 Rdnr. 140). Dies ergibt sich aus der Erfolgsbezogenheit des Vergütungsanspruchs, der erst entsteht, wenn durch die Vermittlung ein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist (vgl. §§ 296 Abs. 2 Satz 1 SGB III, 652 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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