S 102 AS 26026/07 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
102
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 26026/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, für den Zeitraum 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 die Übernahme der Kosten der Unterkunft L.B. in H. in Höhe von 260,65 EUR als Wohnungsbeschaffungskosten zuzusichern. Im Übrigen wird der vorläufige Rechtsschutz zurückgewiesen. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. gewährt. Die Antragsgegnerin hat ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wohnt seit September vorübergehend in der Wohnung des Herrn B. in Berlin. Unter der Anschrift des Herrn B. ist seit dem 6. September 2007 polizeilich mit Nebenwohnsitz gemeldet. Ihre Wohnung in H., L. B., die sie mit Wirkung zum 31. Dezember 2006 gekündigt hat, führt sie weiterhin als Hauptwohnsitz. Am 11. Oktober 2007 stellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin einen Antrag "auf Umzug nach Berlin". Mit Bescheid vom 11. Oktober 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Zustimmung zum Wohnungsumzug nach Berlin ab. Am 16. Oktober 2007 beantragte die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz, gerichtet auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Erteilung einer "Umzugsnotwendigkeitsbescheinigung". Mit Schreiben vom 31. Oktober 2007 legte sie ein Wohnungsangebot der M. Grundstücksgesellschaft vom 25. Oktober 2007 für eine 69,62 qm große 3- Zimmerwohnung in Berlin, B.-Straße, mit einer Gesamtmiete von monatlich 440 EUR vor. Sie beabsichtigt, diese Wohnung gemeinsam mit Herrn B. zum 1. Dezember 2007 anzumieten. Hierauf erteilte die Antragsgegnerin die Zustimmung zur Anmietung der Wohnung und sicherte die Übernahme von Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 220 EUR zu.

Insoweit hat die Antragstellerin den vorläufigen Rechtsschutzantrag für erledigt erklärt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ab 1. Oktober 2007 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II zu gewähren, hilfsweise, für den Zeitraum 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007 die Übernahme der Kosten der Unterkunft L.B. in H. in Höhe von 269 EUR als Wohnungsbeschaffungskosten zuzusichern.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

II.

Der zulässige Antrag hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist er unbegründet.

Hinsichtlich der begehrten Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch bzw. keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (vgl. §§ 86 b Abs. 2 Satz 2, Satz 4 SGG i.V.m. 920 Abs. 2 ZPO). Für eine Verpflichtung zur Leistungsgewährung für den Zeitraum vor Stellung des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz am 16. Oktober 2007 fehlt es an einem Anordnungsgrund. Im Übrigen fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Denn die Antragstellerin hatte zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 SGB I) in Berlin. Auf die Meldeverhältnisse kommt es insoweit nicht an. Maßgeblich ist allein, dass sie ihren auf Dauer angelegten Lebensmittelpunkt bereits im Oktober 2007 in Berlin hatte. Damit war gemäß § 36 SGB II die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin für Leistungen der Grundsicherung entfallen.

Die Antragstellerin hat jedoch einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, soweit sie – ihr Antrag ist entsprechend auszulegen - für den Zeitraum 1. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 die Erteilung einer Zusicherung der Übernahme der Kosten der Unterkunft in H., L.B., in Höhe von 260,65 EUR als Wohnungsbeschaffungskosten begehrt. Ein Obsiegen in der Hauptsache ist insoweit überwiegend wahrscheinlich.

Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II können u. a. Wohnungsbeschaffungskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung soll gemäß Satz 2 der Vorschrift erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

Die Voraussetzungen für die Zusicherung der Übernahme der im Zeitraum 1. Dezember bis 31. Dezember 2007 voraussichtlich entstehenden Kosten der Unterkunft im L. B. in H. als Wohnungsbeschaffungskosten liegen vor. Der Umzug der Antragstellerin nach Berlin zum Zwecke der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist als erforderlich anzusehen. Dies wird nunmehr auch von der Antragsgegnerin mit der Erteilung der Zusicherung der Mietübernahme anerkannt.

Die Kosten der neuen Unterkunft in Höhe von anteilig 220 EUR sind angemessen.

Schließlich sind die mit der Anmietung der neuen Wohnung zum 1. Dezember 2007 voraussichtlich anfallenden doppelten Mietaufwendungen als unvermeidbare Wohnungsbeschaffungskosten anzusehen (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 83). Nach summarischer Prüfung geht die Kammer davon aus, dass der Antragstellerin weder eine Kündigung mit Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt als dem 31. Dezember 2007, noch ein Umzug erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war. Gemäß § 2 des Nutzungsvertrages vom 1. April 2004 galt für die Antragstellerin eine dreimonatige Kündigungsfrist. Ihr Arbeitsverhältnis mit dem Blumenhaus Z wurde mit Aufhebungsvertrag vom 18. August 2007 aufgelöst. Das von der Antragstellerin beim Arbeitsgericht H. am 20. August 2007 angestrengte und auf die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses gerichtete Klageverfahren wurde am 19. September 2007 durch einen Vergleich abgeschlossen, in dem die Antragstellerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses akzeptierte. Vor der Beilegung dieses Rechtsstreits konnte ihr eine Kündigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden. Der Antragstellerin war es ferner nicht zuzumuten, erst nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2007 nach Berlin umzuziehen, wo sie beabsichtigt, gemeinsam mit Herrn B. eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Da die Antragstellerin derzeit nicht in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten, dulden die Aufnahme der Erwerbstätigkeit und somit auch der Umzug keinen Aufschub.

Hinsichtlich des Zeitraums 1.Oktober bis 30. November 2007 liegt jedoch weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund für die begehrte Zusicherung der Mietübernahme vor. Denn die Zusicherung muss vor dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die durch § 22 Abs. 3 SGB II ersetzbaren Kosten in rechtlich relevanter Weise begründet werden (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr 85). Hieraus folgt zunächst, dass grundsätzlich nur die Zusicherung der Übernahme von solchen Wohnungsbeschaffungskosten in Betracht kommt, die nach Stellung eines entsprechenden Antrages entstanden sind. Da die Antragstellerin ihren Antrag auf Zustimmung zum Wohnungsumzug erst am 11. Oktober 2007 gestellt hat, scheidet schon deshalb die Zusicherung der Mietübernahme für Oktober 2007 aus. Im Übrigen handelt es sich bei den von der Antragstellerin für den Zeitraum 1. Oktober bis 30. November 2007 zu leistenden Mietaufwendungen schon rein begrifflich nicht um Wohnungs-beschaffungskosten. Denn sie stehen nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der angestrebten Anmietung der neuen Wohnung zum 1. Dezember 2007. Aus diesem Grund besteht auch kein Anspruch auf Zusicherung der Mietübernahme für November 2007.

Die Kammer hat hinsichtlich der Höhe der für den Zeitraum 1. Dezember bis 31. Dezember 2007 zuzusichernden Kostenübernahme den von der Antragsgegnerin als Kosten der Unterkunft anerkannten Bedarf von 260,65 EUR zu Grunde gelegt und dabei berücksichtigt, dass in der von der Antragstellerin geltend gemachten Bruttowarmmiete von 269 EUR - bereits im Regelsatz enthaltene - Warmwasseranteile enthalten sind. Für die zusätzliche Anerkennung des Differenzbetrages von 8,35 EUR als Bedarf fehlt es zumindest an einem Anordnungsgrund.

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist wegen Bedürftigkeit und hinreichender Erfolgsaussicht stattzugeben (§§ 73 a Abs. 1 SGG, 114 Satz 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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