Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
100
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 100 AS 11024/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 2274/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller vom 12. Dezember 2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners zwar zulässig. Insbesondere wird mit der Beschwerdeerhebung am 12. Dezember 2007 auf den am 13. November 2007 den Antragsstellern zugestellten Beschluss des Sozialgerichts die Monatsfrist des § 173 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Beschwerdeeinlegung gewahrt. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, so dass sie in der Sache zurückzuweisen ist.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Reglung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung).
Hiervon ausgehend hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragsteller die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2007 sowie die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Waschmaschine begehren, zu Recht unter Hinweis darauf, dass ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei, abgelehnt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 7. Januar 2008, Az: L 25 B 1311/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen den Antragstellern keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn ihrem Begehren auf Übernahme höherer Grundsicherungsleistungen für vergangene Zeiträume, wie vorliegend allein geltend gemacht, nicht sofort entsprochen wird. Ob mit den monatlich bewilligten Leistungen von 1.027,41 EUR für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. November 2006 bzw. 1.046,49 EUR für Dezember 2006 respektive den monatlichen Leistungsbewilligungen von 1.048,94 EUR für den Zeitraum 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 der nicht gedeckte Bedarf zutreffend ermittelt worden ist oder ob insoweit, wie von den Antragstellern vorgetragen, ein Anspruch auf die Gewährung monatlicher Leistungen in Höhe von 1.156,39 EUR besteht, muss der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die Antragsteller können sich insoweit insbesondere hinsichtlich eines vermeintlich unabweisbaren zusätzlichen Bedarfes nicht darauf berufen, dass sie mit den vom Antragsgegner übernommenen Unterkunftskosten den insoweit anfallenden tatsächlichen Bedarf nicht abdecken können. Unzumutbare, im Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen den Antragstellern insoweit nicht, wenn ihrem Begehren nicht sofort entsprochen wird. Dass ihnen wegen bestehender Mietrückstände die Unterkunft gekündigt worden ist oder sie sonst von Obdachlosigkeit bedroht wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch ist von den Antragstellern weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass etwa wegen rückständiger Energiekosten eine Unbewohnbarkeit der Wohnung im Sinne des Ausbleibens von Versorgungsleistungen (wie etwa Stromversorgung oder Beheizbarkeit) zu besorgen ist. Der Umstand, dass die Antragsteller vermeintliche Schulden gegenüber sonstigen Dritten haben sollen, kann eine Vorwegnahme der Hauptsache ebenfalls nicht rechtfertigen. Insoweit ist es den Antragstellern ebenfalls zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, zumal vermeintliche Vollstreckungsersuchen Dritter angesichts der Einkommensverhältnisse der Antragsteller ohnehin keinen Erfolg haben dürften. Auch die von den Antragstellern aufgeworfene Frage, ob das dem Antragsteller zu 2) gewährte Kindergeld im Rahmen der Bedarfsberechnung als Einkommen zu berücksichtigen ist, rechtfertigt die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen für die hier allein geltend gemachten vergangenen Zeiträume nicht. Insoweit müssen sich die Antragsteller ebenfalls auf eine Entscheidung im anhängigen Hauptsacheverfahren verweisen lassen.
Ein Anordnungsgrund besteht schließlich nicht, soweit die Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine Waschmaschine begehren. Ausweislich des gefertigten Protokolls über den am 31. Oktober 2007 vor dem Sozialgericht Berlin durchgeführten Erörterungstermin im anhängigen Klageverfahren (Az: S 100 AS 11024/07) verfügen die Antragsteller zwischenzeitlich über eine Waschmaschine, die sie sich mittels eines Darlehens angeschafft haben. Raten müssen sie hierfür nach eigener Einlassung derzeit nicht aufbringen. Inwieweit die Kosten hierfür durch den Grundsicherungsträger zu übernehmen sind, muss angesichts dessen ebenfalls der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners zwar zulässig. Insbesondere wird mit der Beschwerdeerhebung am 12. Dezember 2007 auf den am 13. November 2007 den Antragsstellern zugestellten Beschluss des Sozialgerichts die Monatsfrist des § 173 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Beschwerdeeinlegung gewahrt. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, so dass sie in der Sache zurückzuweisen ist.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Reglung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung).
Hiervon ausgehend hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragsteller die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2007 sowie die Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Waschmaschine begehren, zu Recht unter Hinweis darauf, dass ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei, abgelehnt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschluss vom 7. Januar 2008, Az: L 25 B 1311/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen den Antragstellern keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn ihrem Begehren auf Übernahme höherer Grundsicherungsleistungen für vergangene Zeiträume, wie vorliegend allein geltend gemacht, nicht sofort entsprochen wird. Ob mit den monatlich bewilligten Leistungen von 1.027,41 EUR für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. November 2006 bzw. 1.046,49 EUR für Dezember 2006 respektive den monatlichen Leistungsbewilligungen von 1.048,94 EUR für den Zeitraum 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 der nicht gedeckte Bedarf zutreffend ermittelt worden ist oder ob insoweit, wie von den Antragstellern vorgetragen, ein Anspruch auf die Gewährung monatlicher Leistungen in Höhe von 1.156,39 EUR besteht, muss der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die Antragsteller können sich insoweit insbesondere hinsichtlich eines vermeintlich unabweisbaren zusätzlichen Bedarfes nicht darauf berufen, dass sie mit den vom Antragsgegner übernommenen Unterkunftskosten den insoweit anfallenden tatsächlichen Bedarf nicht abdecken können. Unzumutbare, im Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen den Antragstellern insoweit nicht, wenn ihrem Begehren nicht sofort entsprochen wird. Dass ihnen wegen bestehender Mietrückstände die Unterkunft gekündigt worden ist oder sie sonst von Obdachlosigkeit bedroht wären, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch ist von den Antragstellern weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass etwa wegen rückständiger Energiekosten eine Unbewohnbarkeit der Wohnung im Sinne des Ausbleibens von Versorgungsleistungen (wie etwa Stromversorgung oder Beheizbarkeit) zu besorgen ist. Der Umstand, dass die Antragsteller vermeintliche Schulden gegenüber sonstigen Dritten haben sollen, kann eine Vorwegnahme der Hauptsache ebenfalls nicht rechtfertigen. Insoweit ist es den Antragstellern ebenfalls zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, zumal vermeintliche Vollstreckungsersuchen Dritter angesichts der Einkommensverhältnisse der Antragsteller ohnehin keinen Erfolg haben dürften. Auch die von den Antragstellern aufgeworfene Frage, ob das dem Antragsteller zu 2) gewährte Kindergeld im Rahmen der Bedarfsberechnung als Einkommen zu berücksichtigen ist, rechtfertigt die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen für die hier allein geltend gemachten vergangenen Zeiträume nicht. Insoweit müssen sich die Antragsteller ebenfalls auf eine Entscheidung im anhängigen Hauptsacheverfahren verweisen lassen.
Ein Anordnungsgrund besteht schließlich nicht, soweit die Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine Waschmaschine begehren. Ausweislich des gefertigten Protokolls über den am 31. Oktober 2007 vor dem Sozialgericht Berlin durchgeführten Erörterungstermin im anhängigen Klageverfahren (Az: S 100 AS 11024/07) verfügen die Antragsteller zwischenzeitlich über eine Waschmaschine, die sie sich mittels eines Darlehens angeschafft haben. Raten müssen sie hierfür nach eigener Einlassung derzeit nicht aufbringen. Inwieweit die Kosten hierfür durch den Grundsicherungsträger zu übernehmen sind, muss angesichts dessen ebenfalls der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved