S 76 P 310/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
76
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 76 P 310/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 65/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe II ab 3. Juli 2003 bis zum 4. Januar 2007.

Die 1993 geborene Klägerin leidet - wie auch ihre Zwillingsschwester - seit ihrer Geburt an einem Immundefekt mit Blutgerinnungsstörung (Monosomie 7, Thrombozytopathie Glanz-mann, Granulozytenfunktionstörung). Nach mehreren Kieferoperationen und der Entfernung mehrerer Zähne trägt die Klägerin eine Teilprothese. Die Beklagte gewährt der Klägerin Pfle-gegeld bei Pflegestufe I seit 5. Januar 1999 aufgrund des durch die Beteiligten angenommenen Vergleichsvorschlages des Berichterstatters des 17. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Juli 2000 im Verfahren L 17 P 39/99.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2003 beantragte die Klägerin Pflegegeld nach einer höheren Pfle-gestufe. Die Beklagte holte das Gutachten vom 15. September 2003 durch die MDK-Gutachterin C B ein. Sie lehnte mit Bescheid vom 12. November 2003 den Antrag ab. Nach dem Gutachten des MDK seien die Voraussetzungen für die Pflegestufe II derzeit nicht gege-ben. Die Gutachterin habe einen Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von 100 Minuten festgestellt. Der Hilfebedarf der hauswirtschaftlichen Versorgung sei unstrittig, aber nicht leis-tungsauslösend. Es bestehe kein Pflegebedarf in der Nacht.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 zurück. Bei der Klägerin sei im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern ein Mehrbedarf von insgesamt 65 Minuten pro Tag im Bereich der Grundpflege festgestellt worden, auch ein haus-wirtschaftlicher Mehrbedarf sei ermittelt worden. Für die Beurteilung von Pflegebedürftigkeit sei jedoch allein entscheidend, inwieweit die maßgeblichen Verrichtungen des täglichen Le-bens nicht selbstständig ausgeführt werden können. Beim Stillen von Blutungen handele es sich zweifelsfrei um behandlungspflegerische Tätigkeiten und nicht um Maßnahmen zur Un-terstützung der Klägerin nach § 14 Abs 4 SGB XI. Mindestens 120 Minuten Grundpflege pro Tag würden bei der Klägerin nicht erreicht, so dass es bei der Einstufung in die Pflegestufe I verbleibe.

Auf die Klage hat das Sozialgericht das allgemeinmedizinische Gutachten der Sachverständi-gen Dr. B vom 6. Juni 2005 und die ergänzende Stellungnahme vom 15. September 2005 ein-geholt. Es hat der Klage mit Urteil vom 25. Januar 2007 stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung von Pflegegeld bei Pflegestufe II ab 3. Juli 2003 verurteilt. Bei der Klägerin liege Schwerpflegebedürftigkeit vor. Im Bereich der Grundpflege errechne sich ein Gesamthilfebe-darf von mindestens 157 Minuten aus dem zeitlichen Hilfebedarf für folgende Verrichtungen: Baden – 9 Minuten, Waschen (Hände, Gesicht) – 8 Minuten, Zahnpflege einschließlich Mund-spülung – 15 Minuten zuzüglich Behandlung mit Zahnseide – 20 Minuten, Blutstillen nach Mundhygiene – 24 Minuten, Kämmen – 6 Minuten, Nahrungsaufnahme – 21 Minuten, Aufste-hen und Zubettgehen – 8 Minuten, Transfer (Badewanne) – 1 Minute, Mobilität – 46 Minuten. Bei der Ermittlung des Hilfebedarfs komme es nicht allein auf die reine medizinische Notwen-digkeit an; es sei auch zu berücksichtigen, inwieweit bestimmte Verrichtungen der Körperhy-giene täglich üblicherweise als erforderlich angesehen würden. Das Blutstillen im Mund nach der Zahnpflege stelle eine krankheitsspezifische Pflegemaßnahme im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Mundhygiene dar. Für die hauswirtschaftliche Versor-gung seien mindestens 30 Minuten anzusetzen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Es sei für die Beklagte nicht nachvollziehbar, wie das Sozialgericht zur Feststellung eines Pflegebedarfs gelange, der die Feststellungen der Sachverständigen des Gerichts um 133 Minuten übersteige. Insbesondere das Spülen und die Behandlung von Blutungen seien Maßnahmen der Behandlungspflege und keine krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Zudem könne die Klägerin angesichts ihres Alters ihre Zähne selbst putzen.

Der Senat hat die Teile des Streitgegenstandes für die Zeit ab dem 5. Januar 2007 abgetrennt (Beschluss vom 10.09.2009), für die das Berufungsverfahren nunmehr zum Aktenzeichen L 27 P 51/09 fortgeführt wird.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2007 aufzuheben und die Klage ab-zuweisen.

Die Klägerin hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die ärztliche Stellungnahme des Oberarztes Dr. S vorgelegt.

Der Senat hat die Befundberichte des HNO-Arztes Dr. R vom 18. April 2007, der Kranken-gymnastin M vom 19. April 2007, des Kinderarztes Dr. K vom 26. April 2007 und die telefoni-sche Auskunft und den Befundbericht des Zahnarztes Dr. F vom 27. August 2009 sowie die ergänzenden Äußerung der Sachverständigen des Sozialgerichts vom 22. Mai 2007 (nach er-neutem Hausbesuch) und vom 17. Juni 2007 eingeholt.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegens-tand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstan-des wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf Pfle-gegeld bei Pflegestufe II für den Zeitraum vom 3. Juli 2003 bis vor Vollendung ihres 14. Lebensjahres.

Der Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld bei Pflegestufe II ergibt sich aus §§ 14, 15, 37 SGB XI. Das Sozialgericht hat zutreffend berücksichtigt, dass bei der Klägerin ein deutlich erhöhter Pflegebedarf bestand. Dies begründet sich nicht nur mit der unmittelbaren Ausführung von Pflegeverrichtungen durch die Eltern als Pflegepersonen sondern auch mit der Beaufsich-tigung des pflegebedürftigen Kindes mit seiner besonderen Erkrankung. Ein erheblicher Grundpflegebedarf bestand insbesondere bei der Mundhygiene.

Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind pflegebedürftig i S des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Zu berücksichtigen ist hierbei ausschließ-lich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Ver-richtungen, die in Abs. 4 der Vorschrift ausdrücklich aufgeführt sind und in die Bereiche Kör-perpflege, Ernährung und Mobilität (Grundpflege) sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufgeteilt werden (BSG, Urteil vom 29.04.1999, B 3 P 13/98 R, JURIS-RdNr 10). Die Beaufsichtigung der in Abs. 4 der Vorschrift erwähnten Verrichtungen ist nach § 14 Abs. 3 SGB XI vom Gesetzgeber ausdrücklich als Pflegeleistung in den Leistungsumfang einbezogen worden. Sie dient dem Ziel der eigenständigen Übernahme der jeweiligen Verrichtungen (§ 14 Abs. 3 SGB XI) und damit dem ausdrücklichen Anliegen des Gesetzgebers, dass die Hilfen darauf auszurichten sind, den Hilfebedürftigen zu erlauben trotz des Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen und die Hilfebedürftigen von der Hilfe unabhängig zu machen (§§ 2 Abs 1, 6 Abs 2 SGB XI). Das Bundessozialgericht verweist zu-treffend in ständiger Rechtsprechung auf die Abhängigkeit des Umfanges der Leistungen aus der Sozialen Pflegeversicherung vom Alter, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen (BSG, Urteile vom 29.04.1999, B 3 P 13/98 R JURIS-RdNr 12, zuletzt vom 17.07.2008, B 3 P 12/07 R, RdNr 17). Voraussetzung für einen Anspruch auf Pflegegeld bei Pflegestufe II ist, dass der Pflegebedürftige in der Grundpflege mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirt-schaftlichen Versorgung benötigt werden. Außerdem wird vorausgesetzt, dass der Zeitauf-wand, den eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistun-gen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, täglich im Wochen-durchschnitt drei Stunden beträgt; wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfal-len müssen.

Soweit man insbesondere auch auf den Aufsichtsbedarfs der Klägerin bei den Verrichtungen der Grundpflege abstellt und auf die darüber hinaus auch von den Sachverständigen angespro-chenen Verrichtungen, die von den Eltern noch selbst vorgenommen werden, ist das Urteil des Sozialgerichts nach den gesetzlichen Vorgaben und den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu beanstanden. Jedenfalls vor Vollendung des 14. Lebensjahres der Klägerin und in Anbetracht der erheblichen Erkrankung und deren Auswirkungen und permanenten Risiken bestand der vom Sozialgericht angenommene zeitliche Pflegebedarf in Form von Aufsichtsleistungen, soweit nicht unmittelbare Hilfeleistung erforderlich war.

Das Sozialgericht hat auch richtig erkannt, dass die besonderen Maßnahmen der Mundhygiene einschließlich des Spülens und das Stillen der Blutungen unmittelbar nach Durchführung der Mundpflege vollumfänglich zu berücksichtigen sind.

Insbesondere erweisen sich die Mundspülungen und das Blutstillen im Anschluss an die Zahn-pflege als verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen i S d §§ 14 Abs 1 SGB XI, weil es einen unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zur Pflegever-richtung gibt. Krankheitsspezifische Maßnahmen sind zwar nicht von vornherein schon des-halb aus dem berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf ausgeschlossen, weil die Behandlungs-pflege der Krankenversicherung zuzuordnen ist. Sie zählen jedoch nach ständiger Rechtspre-chung des BSG dann zu dem nach § 14 SGB XI zu berücksichtigenden Pflegebedarf, wenn und soweit sie Bestandteil der Hilfe für die sogenannten Katalog-Verrichtungen sind oder im un-mittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich werden (BSG, Urteil vom 29.04.1999, B 3 P 13/98 R, JURIS-RdNr 11, Urteil vom 17.03.2005, B 3 KR 9/04 R, JURIS-RdNr 16 m w N). Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind dann Bestandteil einer Verrichtung, wenn sie mit ihr untrennbar verbunden sind, wie dies etwa bei der Sondenernährung und der Stomaversorgung (Darmentleerung) der Fall ist. Ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Verrichtung reicht nur dann aus, wenn die gleichzeitige oder unmit-telbar anschließende Durchführung der krankheitsspezifischen Maßnahme mit der Verrichtung objektiv erforderlich ist (BSG ebd m w N). Nach den Vorschriften des SGB XI kommt jedoch die Berücksichtigung solcher Hilfeleistungen nicht in Betracht, die der Aufrechterhaltung von Vitalfunktionen (zB Atmung) dienen, soweit die Maßnahme nicht notwendig im zeitlichen Zusammenhang mit einer der im Katalog des § 14 Abs 4 SGB XI aufgeführten Verrichtungen durchgeführt werden muss (BSG ebd). Diese Rechtsprechung des BSG wird nunmehr mit Wir-kung seit 1. April 2007 vom Gesetzgeber gesetzlich festgeschrieben. Nach § 15 Abs 3 Satz 3 SGB XI (Fassung seit 1. April 2007) sind verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflege-maßnahmen solche Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegeri-sche Hilfebedarf untrennbarer Bestandteil einer Verrichtung nach § 14 Abs 4 ist oder mit einer solchen Verrichtung notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammen-hang steht. Sie sind bei der Feststellung des zeitlichen Pflegebedarfs auch dann zu berücksich-tigen, wenn der Hilfebedarf zu Leistungen nach dem SGB V führt (so ausdrücklich § 15 Abs 3 Satz 2 letzter Teilsatz SGB XI nF). Der Senat sieht daher keine Veranlassung, von der Recht-sprechung des BSG für die Zeiträume vor Inkrafttreten der Neuregelungen in § 15 Abs 3 SGB XI abzuweichen.

Die Mundhygiene ist unbestritten Gegenstand der Grundpflege. Dass regelmäßig infolge des Zähneputzens Blutungen auftreten, haben alle medizinischen Sachverständigen mitgeteilt. Das Stillen dieser Blutungen, hängt bei der Klägerin unmittelbar mit der Mundpflege zusammen, ist durch diese vielmehr wesentlich mitbedingt und lässt sich zeitlich von dieser nicht trennen. Es handelt sich deshalb um eine krankheitsspezifische Pflegemaßnahme i S der BSG-Rechtsprechung (nunmehr auch i S v § 15 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB XI). Insoweit muss nicht geklärt werden, inwieweit das Blutstillen untrennbarer Bestandteil der Verrichtung Zahnpflege ist.

Die Mundhygiene bei der Klägerin löst auch im Übrigen umfangreichere Pflegeleistungen aus. Ihr kommt eine besondere Bedeutung zu, weil die Blutungen aus den Schleimhäuten des Mundraumes besonders häufige und gefährliche Risiken für die Klägerin bedeuten. Entzün-dungen des Zahnfleisches zu verhindern oder zu reduzieren vermindert die Häufigkeit und In-tensität von spontanen Blutungen bei der Klägerin. Dies entnimmt der Senat den überzeugen-den Ausführungen des behandelnden Zahnarztes. Anlass zu Zweifeln an dessen Angaben dem Gericht gegenüber ergeben sich für den Senat nicht aus einer besonderen Nähe zur Klägerin wegen der häufigen und intensiven ärztlichen Betreuung. Vielmehr lassen die Äußerungen des sachverständigen Zeugen die gebotene fachliche Distanz erkennen. Überdies ist seine besonde-re fachliche Kompetenz für das spezielle Krankheitsbild zu berücksichtigen. Gerade die beson-deren Umstände des Krankheitsbildes wurden weder von den Gutachtern des MDK, den Bera-tungsärzten der Beklagten noch von der Sachverständigen des Sozialgerichtes hinreichend ge-würdigt und zum Gegenstand entsprechender, in einem Gutachten aber zu verlangender fach-wissenschaftlicher Erörterungen gemacht. Zudem fehlt den mit dem Fall der Klägerin befassten Gutachtern des MDK und der Sachverständigen des Sozialgerichts die besondere zahnärztliche Fachkompetenz. Aus den überzeugenden Äußerungen des behandelnden Zahnarztes ergibt sich daher für den Senat, dass ein erhöhter Aufwand für die Mundhygiene besteht, die desinfektori-sche Spülungen und die tägliche Reinigung mit Zahnseide einschließt. Die Sachverständige des Sozialgerichts hat mitgeteilt, dass die Reinigung mit Zahnseide noch zum Zeitpunkt ihrer zwei-ten Begutachtung von der Klägerin nicht selbst vorgenommen werden konnte (Bl 2 des Gut-achtens vom 22.05.2007). Darauf, dass das Zähneputzen wegen der Blutungsgefahr vorsichtig erfolgen muss, hat auch die Sachverständige des Sozialgerichts hingewiesen. Auch daraus folgt ein größerer Zeitbedarf für diese Verrichtung gegenüber gesunden Personen.

Der vom Sozialgericht angesetzte Pflegeaufwand für die Zahnpflege erscheint unter diesen Umständen nicht zu hoch. Er dürfte unter Berücksichtigung der Ausführungen des behandeln-den Arztes höher sein. Auch wenn die Klägerin mit zunehmendem Alter in der Lage ist, die Verrichtungen der Mundhygiene zunehmend selbständig auszuführen, war sie jedenfalls bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres im Sinne des Verständnisses des § 14 Abs 3 SGB XI we-gen der besonderen Erkrankung zu beaufsichtigen, während einige Verrichtungen, insbesonde-re das Blutstillen und die Reinigung mit Zahnseide, ohne Hilfe der Eltern auch danach nicht umfassend allein übernommen werden können.

Auch wenn die Kinder die Zähne selber putzen konnten, waren die Aufsichtsleistungen in ei-nem Umfang von täglich 15 Minuten nach Auffassung des Senats jedenfalls für die Zeiträume vor Vollendung des 14. Lebensjahres der Klägerin erforderlich. Die Aufsichtsleistung für das Zähneputzen hat die gerichtliche Sachverständige mit 15 Minuten täglich angegeben (Bl 13 des Gutachtens vom 06.06.2005). Von diesem Wert ist auch das Sozialgericht ausgegangen. Der behandelnde Zahnarzt hat diesen Wert bestätigt. Anhaltspunkte zu einer davon abweichenden Betrachtung ergeben sich für den Senat nicht. Insbesondere konnte wegen der regelmäßig er-forderlichen Nachbehandlung (Blutstillen), die für die Zwillinge nur separat erfolgen konnte, weshalb die Kinder nur zeitversetzt die Zähne putzen konnten, die Aufsichtsleistung nicht gleichzeitig für das Zähneputzen beider Kinder erbracht werden.

Die vom Sozialgericht angesetzten Zeiten der Pflege unmittelbar durch die Mutter mit täglich 20 Minuten für die Reinigung mit Zahnseide und lediglich 24 Minuten (3 mal 8 Minuten) für das Blutstillen dürften nach den glaubhaften Schilderungen der Klägerin und auch der Äuße-rung der Sachverständigen des Sozialgerichts in ihrer Stellungnahme vom 22. Mai 2007 sowie des behandelnden Zahnarztes eher als zurückhaltend angesetzt sein.

Das Sozialgericht ist daher vorsichtig von einem zeitlichen Umfang für die Mundhygiene ein-schließlich des Blutstillens von 59 Minuten ausgegangen. Die MDK-Gutachterin hatte 8 Minuten berücksichtigt und insgesamt einen Grundpflegeaufwand von 100 Minuten ange-setzt. Es errechnet sich daher ein Pflegeaufwand von 151 Minuten allein in der Grundpflege, wenn man das Pflegegutachten der Beklagten um den erforderlichen Aufwand der Mundhygie-ne und des damit verbundenen Blutstillens ergänzt. Bei Antragstellung war die Klägerin bereits 10 Jahre alt, so dass ein Pflegeaufwand gleichaltriger gesunder Kinder davon nicht mehr abzu-ziehen ist. Die zeitlichen Voraussetzungen der Pflegestufe II liegen damit vor (151 Minuten Grundpflege zuzüglich 30 Minuten hauswirtschaftlicher Verrichtungen erfüllen mindestens 120 Minuten Grundpflege und 180 Minuten Pflegeleistungen insgesamt). Der hier angenom-mene Pflegeaufwand entspricht auch etwa demjenigen, wie er Grundlage des Vergleiches der Beteiligten zur Anerkennung der Pflegestufe I war (dort noch Reduzierung wegen des jüngeren Alters der Klägerin um den Aufwand entsprechender Pflegeleistungen für gesunde Kinder jün-geren Alters).

Soweit die gerichtliche Sachverständige einen deutlich geringeren Pflegebedarf beziffert hat, ist zu berücksichtigen, dass sie die Zeiten für erforderliche Aufsichtsleistungen dabei nicht mit eingerechnet hat. Addiert man ihre Angaben zu den Aufsichtszeiten (so wollte sie die Zeitan-gaben verstanden wissen – siehe Abschnitt 5 Einleitung, S. 13), ergibt sich auch nach der ge-richtlichen Sachverständigen ein Grundpflegeaufwand von ca. 84 Minuten. Die Abweichung von der MDK-Gutachterin (100 Minuten) erscheint gering, besonders, wenn man bedenkt, dass die gerichtliche Sachverständige keinerlei Aufsichtsleistung für die Ernährung angesetzt hat, was angesichts der besonderen Umstände der Erkrankung und dem Kindesalter der Klägerin nicht überzeugt, zumal die Gutachterin selbst für den Bereich der Ernährung die Notwendigkeit der Aufsicht festgestellt hat (Bl. 11 des Gutachtens vom 06.06.2005 oben). Insoweit ist die Berücksichtigung des Pflegeaufwandes durch das Sozialgericht, gestützt auf die Beurteilung durch die MDK-Gutachterin, nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsver-folgung für den streitgegenständlichen Zeitraum.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved