Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Bayreuth (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KR 330/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 27/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 25/05 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Beklagten von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf die am 01.05.2004 erhaltene Kapitalleistung aus einer Betriebsrente.
Die 1944 geborene Klägerin war vom 01.01.2004 bis 30.09.2004 Leistungsbezieherin nach dem SGB III, seit 01.10.2004 ist sie als Arbeitnehmerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sie ist Pflichtmitglied der Beklagten.
Der Arbeitgeber der Klägerin, das Autohaus M. H., hatte im Jahr 1974/77 eine Lebensversicherung in Form einer Direktversicherung bei der N. Versicherungs AG abgeschlossen und fortan Beiträge für die Klägerin entrichtet. Vereinbart war von Anfang an die Auszahlung als Kapitalleistung.
Mit Schreiben vom 21.07.2004 teilte die N. Versicherungs AG der Beklagten mit, dass am 01.05.2004 eine Kapitalleistung einer betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von 86.331,31 EUR zur Auszahlung gelange.
Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin durch Bescheide vom 23.07.2004 und 26.07.2004 mit, dass die Kapitalleistung der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliege und die Klägerin, verteilt auf 10 Jahre, monatlich, ausgehend von einem einhundertzwanzigstel der Kapitalleistung (86.331,31: 120 = 719,42 EUR), ab 01.05.2004 monatlich 119,42 EUR Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu entrichten habe (107,19 EUR zur Krankenversicherung bei einem Beitragssatz von derzeit 14,9 %, 12,23 EUR zur Pflegeversicherung bei einem Beitragssatz von derzeit 1,7 %). Für die Zeit vom 01.05.2004 bis 30.06.2004 ergebe sich ein Rückstand in Höhe von 238,84 EUR.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2004 Widerspruch und führte aus, dass die bereits 1974 abgeschlossene betriebliche Altersversorgung, wie bei Vertragsschluss festgelegt, steuer- und abgabenfrei sei. Die zum 01.01.2004 vorgenommene Änderung der Rechtslage sei willkürlich und missachte den Bestandsschutz. Es könne nicht sein, dass Sozialkassen auf Kosten der Betriebsrenten saniert würden.
Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 12.10.2004 zurückgewiesen. Das seit 01.01.2004 geltende Recht sei korrekt angewandt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.10.2004 Klage beim Sozialgericht Bayreuth erhoben. Die Klägerin führt zur Begründung aus, dass ihr Bestandsschutz zu gewähren sei. Zudem fordert sie eine Gleichstellung mit privat Versicherten, die auf ihre Betriebsrente auch keine Beiträge zu erbringen hätten. Ferner beanstandet sie die Verteilung der Beitragspflicht auf zehn Jahre. Hierdurch finde eine künstliche Erniedrigung der Beitragsbemessungsgrenze statt. Zudem liege eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen privaten Rentenversicherungen (anderen als Betriebsrenten) vor. Die Kapitalleistung diene auch nicht der Altersversorgung, sondern der Entschuldung.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 23.07.2004 und 26.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass Art. 14 Abs. 1 GG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht gegen den Zugriff auf das Vermögen oder Einkommen durch Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze. Das gelte auch für Zwangsbeiträge. Dass der Gesetzgeber von ihm selbst gewählte Rechtspositionen ganz oder teilweise zurücknehmen könne, wenn sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen wesentlich änderten und es das öffentliche Interesse, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit am Erhalt der Funktions- und Leistungsfähigkeit eines Regelsystems erfordere, sei unumstritten. Das gleiche gelte für den Fall, dass solche Gewährungen in anderer Weise eingeschränkt würden, insbesondere dadurch, dass die – bisher und auch weiterhin – Begünstigten erstmals mit Beiträgen belastet würden oder dass ihre Beitragslast später wesentlich erhöht werde. Nichts anderes vollziehe sich mit der Erhöhung der Beiträge aus Versorgungsbezügen unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes. Der Einwand der Klägerin, dass bei privat Versicherten eine Kapitalleistung nicht der Beitragspflicht unterworfen sei, sei die Folge der unterschiedlichen Systeme zwischen gesetzlicher Krankenversicherung (Solidarprinzip) und privater Krankenversicherung (Äquivalenzprinzip).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gesamtakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Die Beklagte hat das seit 01.01.2004 geltende Recht richtig angewandt.
Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – SGB V – werden bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde gelegt (Nr. 1) das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, (Nr. 2) der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, (Nr. 3) der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge), (Nr. 4) das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird.
Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, unter anderem auch Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung.
Nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt, wenn an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung tritt oder eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden ist, ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.
Nach § 232a Abs. 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - SGB V - in Verbindung mit § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V werden auch bei Leistungsempfängern nach dem SGB III der Beitragsbemessung unter anderem der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zu Grunde gelegt.
Nach § 57 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches - SGB XI - gelten diese Vorschriften auch für die Pflegeversicherung.
Nach diesen Vorschriften ist die Klägerin aus der am 01.05.2004 erhaltenen Kapitalleistung beitragspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung, sowohl in der Zeit des Bezugs von Leistungen nach dem SGB III, als auch für die Zeit ab 01.10.2004, in der sie einer versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung nachgeht, denn sie erhielt die Kapitalleistung aus einer von ihrem Arbeitgeber für sie abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Dabei ergibt sich bereits aus der Art der abgeschlossenen Versicherung als betrieblicher Altersversorgung und der Vereinbarung, dass der Versicherungsfall im Alter der Klägerin von 60 Jahren eintreten sollte, dass die Leistung die Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers bezwecken sollte. Für die Zeit ab 01.05.2004 unterliegt der Versorgungsbezug der Klägerin daher für die Dauer von 10 Jahren der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung, wie die Beklagte zutreffend festgestellt hat.
Die Beklagte hat die seit 01.01.2004 geltenden Rechtsvorschriften daher richtig angewandt.
Das Gericht hat den Rechtsstreit auch nicht auszusetzen und einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht zu richten, denn die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - sind nicht erfüllt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit nicht aus (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 41, Rn. 25 mit weiteren Nachweisen). Das Gericht ist jedoch nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der seit 01.01.2004 geltenden Fassung überzeugt (und auch nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 248 SGB V in der seit 01.01.2004 geltenden Fassung, vgl. hierzu im einzelnen die Urteile des SG Bayreuth vom 25.01.2005, S 9 KR 264/04 und S 9 KR 100/04).
§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der seit 01.01.2004 geltenden Fassung bezieht in die Beitragspflicht auch solche Versorgungsbezüge mit ein, die nicht als laufende Rentenzahlungen vereinbart wurden, sondern als originäre Kapitalleistung. Nach der bis 31.12.2003 geltenden Rechtslage unterfielen der Beitragspflicht hingegen nur laufende Rentenzahlungen sowie ursprünglich vereinbarte Rentenzahlungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls in eine Kapitalleistung umgewandelt worden waren (vgl. Kasseler Kommentar-Peters, § 229 SGB V, Rn. 15f).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt in dieser Erweiterung der Beitragspflicht auf originäre Kapitalleistungen nicht, denn sie beseitigt Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 139 zu Nr. 143). Sie entspricht damit eher dem allgemeinen Gleichheitssatz als die frühere Rechtslage (ebenso Kasseler Kommentar-Peters, § 229 SGB V, Rn. 16).
Ebenso wenig kann die Klägerin die Gleichstellung mit privat Versicherten fordern. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass unterschiedliche, nicht vergleichbare Systeme vorliegen, da die gesetzliche Krankenversicherung dem Solidarprinzip, private Krankenversicherungen bei der Beitragsberechnung hingegen dem Äquivalenzprinzip folgen.
Eine Ungleichbehandlung kann auch nicht allein deshalb angenommen werden, weil private Rentenversicherungen nicht der Beitragspflicht unterliegen, da es dem Gesetzgeber freisteht, unter Anknüpfung an das Erwerbsleben nur diejenigen Renten einer Beitragspflicht zu unterwerfen, die im Zusammenhang mit dem Erwerbsleben erworben wurden.
Auch die Verteilung einer Beitragspflicht auf zehn Jahre ist vor dem Hintergrund einer angestrebten Gleichbehandlung von Kapitalleistungen mit laufenden Rentenbezügen nicht zu beanstanden.
Da die vorliegende Gesetzesänderung erfolgte, um Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge zu beseitigen und die Neuregelung eher dem allgemeinen Gleichheitssatz als die frühere Rechtslage entspricht, sind auch Art. 14 Abs. 1 GG und das Solidarprinzip als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips nicht verletzt.
Die Klägerin kann auch keinen Bestandsschutz beanspruchen. Zur Schaffung einer Übergangsregelung war der Gesetzgeber nicht verpflichtet. Auch in der Vergangenheit wurde bei diversen Rechtsänderungen keine Übergangsregelung getroffen, obwohl auch diese teilweise mit erheblichen Mehrbelastungen verbunden waren, da umgehend Abhilfe geschaffen werden musste (vgl. im einzelnen BSG, Urteil vom 26.06.1996, 12 RK 12/94). Der Gesetzgeber hat aufgrund der weiten Gestaltungsfreiheit im Sozialrecht die Möglichkeit, eine Rechtsposition zum Nachteil der Versicherten für die Zukunft zu ändern (sog. unechte Rückwirkung). Eine unechte Rückwirkung ist nur ausnahmsweise unzulässig, wenn (erstens) das Gesetz einen Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen braucht, wobei das Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften regelmäßig nicht geschützt wird und (zweitens) das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger ist als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.01.2005, L 4 B 428/04 KR ER). Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mussten aufgrund der bisherigen Ungleichbehandlung von originären und anderen Kapitalleistungen damit rechnen, dass auch originäre Kapitalleistungen beitragspflichtig würden. Zudem hat der Gesetzgeber bei Änderung des § 229 SGB V das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand der bestehenden Vergünstigung abgewogen mit dem Interesse der übrigen Versichertengemeinschaft an einer Beitragsstabilität.
Nach alldem hat die Beklagte das Recht richtig angewandt. Es bestand auch keine Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht.
Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Beklagten von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf die am 01.05.2004 erhaltene Kapitalleistung aus einer Betriebsrente.
Die 1944 geborene Klägerin war vom 01.01.2004 bis 30.09.2004 Leistungsbezieherin nach dem SGB III, seit 01.10.2004 ist sie als Arbeitnehmerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sie ist Pflichtmitglied der Beklagten.
Der Arbeitgeber der Klägerin, das Autohaus M. H., hatte im Jahr 1974/77 eine Lebensversicherung in Form einer Direktversicherung bei der N. Versicherungs AG abgeschlossen und fortan Beiträge für die Klägerin entrichtet. Vereinbart war von Anfang an die Auszahlung als Kapitalleistung.
Mit Schreiben vom 21.07.2004 teilte die N. Versicherungs AG der Beklagten mit, dass am 01.05.2004 eine Kapitalleistung einer betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von 86.331,31 EUR zur Auszahlung gelange.
Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin durch Bescheide vom 23.07.2004 und 26.07.2004 mit, dass die Kapitalleistung der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung unterliege und die Klägerin, verteilt auf 10 Jahre, monatlich, ausgehend von einem einhundertzwanzigstel der Kapitalleistung (86.331,31: 120 = 719,42 EUR), ab 01.05.2004 monatlich 119,42 EUR Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu entrichten habe (107,19 EUR zur Krankenversicherung bei einem Beitragssatz von derzeit 14,9 %, 12,23 EUR zur Pflegeversicherung bei einem Beitragssatz von derzeit 1,7 %). Für die Zeit vom 01.05.2004 bis 30.06.2004 ergebe sich ein Rückstand in Höhe von 238,84 EUR.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2004 Widerspruch und führte aus, dass die bereits 1974 abgeschlossene betriebliche Altersversorgung, wie bei Vertragsschluss festgelegt, steuer- und abgabenfrei sei. Die zum 01.01.2004 vorgenommene Änderung der Rechtslage sei willkürlich und missachte den Bestandsschutz. Es könne nicht sein, dass Sozialkassen auf Kosten der Betriebsrenten saniert würden.
Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 12.10.2004 zurückgewiesen. Das seit 01.01.2004 geltende Recht sei korrekt angewandt worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.10.2004 Klage beim Sozialgericht Bayreuth erhoben. Die Klägerin führt zur Begründung aus, dass ihr Bestandsschutz zu gewähren sei. Zudem fordert sie eine Gleichstellung mit privat Versicherten, die auf ihre Betriebsrente auch keine Beiträge zu erbringen hätten. Ferner beanstandet sie die Verteilung der Beitragspflicht auf zehn Jahre. Hierdurch finde eine künstliche Erniedrigung der Beitragsbemessungsgrenze statt. Zudem liege eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen privaten Rentenversicherungen (anderen als Betriebsrenten) vor. Die Kapitalleistung diene auch nicht der Altersversorgung, sondern der Entschuldung.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 23.07.2004 und 26.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass Art. 14 Abs. 1 GG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht gegen den Zugriff auf das Vermögen oder Einkommen durch Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze. Das gelte auch für Zwangsbeiträge. Dass der Gesetzgeber von ihm selbst gewählte Rechtspositionen ganz oder teilweise zurücknehmen könne, wenn sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen wesentlich änderten und es das öffentliche Interesse, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit am Erhalt der Funktions- und Leistungsfähigkeit eines Regelsystems erfordere, sei unumstritten. Das gleiche gelte für den Fall, dass solche Gewährungen in anderer Weise eingeschränkt würden, insbesondere dadurch, dass die – bisher und auch weiterhin – Begünstigten erstmals mit Beiträgen belastet würden oder dass ihre Beitragslast später wesentlich erhöht werde. Nichts anderes vollziehe sich mit der Erhöhung der Beiträge aus Versorgungsbezügen unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes. Der Einwand der Klägerin, dass bei privat Versicherten eine Kapitalleistung nicht der Beitragspflicht unterworfen sei, sei die Folge der unterschiedlichen Systeme zwischen gesetzlicher Krankenversicherung (Solidarprinzip) und privater Krankenversicherung (Äquivalenzprinzip).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gesamtakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Die Beklagte hat das seit 01.01.2004 geltende Recht richtig angewandt.
Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – SGB V – werden bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde gelegt (Nr. 1) das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, (Nr. 2) der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, (Nr. 3) der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge), (Nr. 4) das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird.
Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, unter anderem auch Renten der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und der hüttenknappschaftlichen Zusatzversorgung.
Nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V gilt, wenn an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung tritt oder eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden ist, ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.
Nach § 232a Abs. 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches - SGB V - in Verbindung mit § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V werden auch bei Leistungsempfängern nach dem SGB III der Beitragsbemessung unter anderem der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zu Grunde gelegt.
Nach § 57 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches - SGB XI - gelten diese Vorschriften auch für die Pflegeversicherung.
Nach diesen Vorschriften ist die Klägerin aus der am 01.05.2004 erhaltenen Kapitalleistung beitragspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung, sowohl in der Zeit des Bezugs von Leistungen nach dem SGB III, als auch für die Zeit ab 01.10.2004, in der sie einer versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung nachgeht, denn sie erhielt die Kapitalleistung aus einer von ihrem Arbeitgeber für sie abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Dabei ergibt sich bereits aus der Art der abgeschlossenen Versicherung als betrieblicher Altersversorgung und der Vereinbarung, dass der Versicherungsfall im Alter der Klägerin von 60 Jahren eintreten sollte, dass die Leistung die Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers bezwecken sollte. Für die Zeit ab 01.05.2004 unterliegt der Versorgungsbezug der Klägerin daher für die Dauer von 10 Jahren der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung, wie die Beklagte zutreffend festgestellt hat.
Die Beklagte hat die seit 01.01.2004 geltenden Rechtsvorschriften daher richtig angewandt.
Das Gericht hat den Rechtsstreit auch nicht auszusetzen und einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht zu richten, denn die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - sind nicht erfüllt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts reichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit nicht aus (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 41, Rn. 25 mit weiteren Nachweisen). Das Gericht ist jedoch nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der seit 01.01.2004 geltenden Fassung überzeugt (und auch nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 248 SGB V in der seit 01.01.2004 geltenden Fassung, vgl. hierzu im einzelnen die Urteile des SG Bayreuth vom 25.01.2005, S 9 KR 264/04 und S 9 KR 100/04).
§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der seit 01.01.2004 geltenden Fassung bezieht in die Beitragspflicht auch solche Versorgungsbezüge mit ein, die nicht als laufende Rentenzahlungen vereinbart wurden, sondern als originäre Kapitalleistung. Nach der bis 31.12.2003 geltenden Rechtslage unterfielen der Beitragspflicht hingegen nur laufende Rentenzahlungen sowie ursprünglich vereinbarte Rentenzahlungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls in eine Kapitalleistung umgewandelt worden waren (vgl. Kasseler Kommentar-Peters, § 229 SGB V, Rn. 15f).
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt in dieser Erweiterung der Beitragspflicht auf originäre Kapitalleistungen nicht, denn sie beseitigt Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 139 zu Nr. 143). Sie entspricht damit eher dem allgemeinen Gleichheitssatz als die frühere Rechtslage (ebenso Kasseler Kommentar-Peters, § 229 SGB V, Rn. 16).
Ebenso wenig kann die Klägerin die Gleichstellung mit privat Versicherten fordern. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass unterschiedliche, nicht vergleichbare Systeme vorliegen, da die gesetzliche Krankenversicherung dem Solidarprinzip, private Krankenversicherungen bei der Beitragsberechnung hingegen dem Äquivalenzprinzip folgen.
Eine Ungleichbehandlung kann auch nicht allein deshalb angenommen werden, weil private Rentenversicherungen nicht der Beitragspflicht unterliegen, da es dem Gesetzgeber freisteht, unter Anknüpfung an das Erwerbsleben nur diejenigen Renten einer Beitragspflicht zu unterwerfen, die im Zusammenhang mit dem Erwerbsleben erworben wurden.
Auch die Verteilung einer Beitragspflicht auf zehn Jahre ist vor dem Hintergrund einer angestrebten Gleichbehandlung von Kapitalleistungen mit laufenden Rentenbezügen nicht zu beanstanden.
Da die vorliegende Gesetzesänderung erfolgte, um Umgehungsmöglichkeiten bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge zu beseitigen und die Neuregelung eher dem allgemeinen Gleichheitssatz als die frühere Rechtslage entspricht, sind auch Art. 14 Abs. 1 GG und das Solidarprinzip als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips nicht verletzt.
Die Klägerin kann auch keinen Bestandsschutz beanspruchen. Zur Schaffung einer Übergangsregelung war der Gesetzgeber nicht verpflichtet. Auch in der Vergangenheit wurde bei diversen Rechtsänderungen keine Übergangsregelung getroffen, obwohl auch diese teilweise mit erheblichen Mehrbelastungen verbunden waren, da umgehend Abhilfe geschaffen werden musste (vgl. im einzelnen BSG, Urteil vom 26.06.1996, 12 RK 12/94). Der Gesetzgeber hat aufgrund der weiten Gestaltungsfreiheit im Sozialrecht die Möglichkeit, eine Rechtsposition zum Nachteil der Versicherten für die Zukunft zu ändern (sog. unechte Rückwirkung). Eine unechte Rückwirkung ist nur ausnahmsweise unzulässig, wenn (erstens) das Gesetz einen Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen braucht, wobei das Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften regelmäßig nicht geschützt wird und (zweitens) das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger ist als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.01.2005, L 4 B 428/04 KR ER). Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mussten aufgrund der bisherigen Ungleichbehandlung von originären und anderen Kapitalleistungen damit rechnen, dass auch originäre Kapitalleistungen beitragspflichtig würden. Zudem hat der Gesetzgeber bei Änderung des § 229 SGB V das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand der bestehenden Vergünstigung abgewogen mit dem Interesse der übrigen Versichertengemeinschaft an einer Beitragsstabilität.
Nach alldem hat die Beklagte das Recht richtig angewandt. Es bestand auch keine Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht.
Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
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