S 29 (35) SO 35/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 (35) SO 35/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Renovierungskosten. Die Klägerin lebt mit ihren sechs und elf Jahre alten Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Sie erhielt laufend Sozialhilfe von der Beklagten.

Mit Schreiben vom 27.04.2004 beantragte sie bei dieser, die Übernahme von Renovierungskosten. Sie benötige dringend Hilfe um Kinderzimmer und Bad sowie die Küche zu renovieren. An den Wänden und Decken seien große Schimmelflecken zu sehen. Nach einem Hausbesuch bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 18.05.2004 eine Beihilfe in Höhe von 49,- Euro für Materialien zur Renovierung der Wohnung. Daraufhin reichte die Klägerin einen Kostenvoranschlag der gemeinnützige H für F T und B mbH (HFTB) vom 03.06.2004 in Höhe von 2.194,64 Euro ein. Dieser verhielt sich zu Arbeiten in Kinderzimmer, Bad, Küche, Schlafzimmer sowie Wohnzimmer der Klägerin. Mit Bescheid vom 17.06.2004 lehnte die Beklagte weitergehende Beihilfen als im Bescheid vom 18.05.2004 ab. Gemäß § 2 Abs. 1 BSHG erhalte Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen könne oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Die Klägerin legte daraufhin eine Bescheinigung des R vom 22.06.2004 vor, nach der sie aus medizinischen Gründen Renovierungsarbeiten keinesfalls selbständig vornehmen könne. Weiter erklärte sie, eine ihr am 17.01.2003 gewährte Beihilfe zur Renovierung der Wohnung auch zu diesem Zweck verwendet zu haben. Ihr damaliger Lebensgefährte, Herr N, habe die Renovierung durchgeführt. Zu diesem habe sie aber keinen Kontakt mehr. Auch sonstige Freunde oder Bekannte, die ihr bei der Renovierung helfen könnten, gebe es nicht.

Mit Bescheid vom 16.07.2004 bewilligte die Beklagte auf den Antrag vom 22.06.2004 eine einmalige Beihilfe zur Wohnungsrenovierung durch eine Fachfirma in Höhe von insgesamt 1.061,66 Euro.

Am 27.07.2004 ging bei der Beklagten ein Angebot des Malerbetriebes C für eine Wohnungsrenovierung bei der Klägerin zum Preise von 3.022,95 Euro ein. Noch am selben Tage sandte die Beklagte das Angebot unter Hinweis auf ihren Bescheid vom 16.07.2004 an die Klägerin zurück. Ebenfalls am selben Tage ließ die Klägerin Renovierungsarbeiten in Kinderzimmer, Bad und Küche durch die Firma C ausführen. Deren Inhaber lag der Bewilligungsbescheid vom 16.07.2004 vor. Am 16.08.2004 ging dessen "Schlussrechnung" über 1.159,84 Euro bei der Beklagten ein.

Am 31.08.2004 ließ die Klägerin wiederum durch die Firma C in ihrer Wohnung Arbeiten im Abstellraum, Schlafzimmer und Wohnzimmer durchführen. Der Firmeninhaber räumte ihr – in der Annahme, die Beklagte werde weitere Renovierungskosten nicht übernehmen – zur Begleichung der Forderung in Höhe von 993,51 Euro Ratenzahlung nach ihren Möglichkeiten ein. Die vom 02.09.2004 datierende Rechnung ging bei der Beklagten am 23.09.2004 ein. Die Klägerin ließ durch Herrn N mitteilen, die Kosten seien aufgrund des Antrages vom 22.06.2004 zu übernehmen, da die Firma C die Arbeiten günstiger als die "HFTB" durchgeführt habe.

Mit Bescheid vom 15.10.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Es seien bereits am 16.07.2004 Leistungen zur Renovierung der Wohnung gewährt worden. Dabei handele es sich um den Maximalbetrag, der bei Durchführung durch eine Fachfirma gewährt werde.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Es habe sich nicht um Schönheitsreparaturen gehandelt, vielmehr habe eine Gefahr für die Gesundheit der Kinder bestanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kostenvoranschlag der HFTB habe sich zu Renovierungsbedarf praktisch in der gesamten Wohnung verhalten. Der hierzu ergangene Bescheid vom 16.07.2004 sei bestandskräftig. Es sei nicht Aufgabe der Sozialhilfe, Kosten für bereits gedeckten Bedarf nachträglich zu übernehmen bzw. Schulden des Hilfesuchenden abzudecken.

Am 00.00.0000 hat die Klägerin Klage erhoben. Gegen den Bescheid vom 16.07.2004 habe sie keinen Widerspruch eingelegt, da sie nicht habe erkennen können, dass sich dieser auf den Kostenvoranschlag der HFTB beziehe und die dort ausgewiesenen Kosten nur bis zu einem Betrag in Höhe von 1.061,66 Euro bewilligt würden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2005 zu verpflichten, die Kosten aus der Rechnung der Firma C vom 02.09.2004 in Höhe von 993,51 Euro zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der die Begleichung der Rechnung vom 02.09.2004 ablehnende Bescheid vom 15.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.02.2005 ist rechtmäßig. Denn die Entscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 16.07.2004, dass für die schimmelbedingte Renovierung der Wohnung der Klägerin durch eine Fachfirma nur ein Betrag in Höhe von 1.061,66 Euro bewilligt wird, ist bindend. Dies ergibt sich aus § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach sind die Beteiligten durch einen Verwaltungsakt in der Sache gebunden, wenn der gegen diesen gegebene Rechtsbehelf nicht eingelegt wird. Das ist hier der Fall.

Der Bescheid vom 16.07.2004 ist bestandskräftig. Statthafter Rechtsbehelf gegen diesen wäre nach § 78 Abs. 1 und 2 SGG der (Verpflichtungs-) Widerspruch gewesen. Einen solchen hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 16.07.2004 innerhalb der Monatsfrist des § 84 SGG nicht eingelegt. Insbesondere stellt die Übersendung des am 27.07.2005 bei der Beklagten eingegangenen Angebotes der Firma C keinen Widerspruch dar. Aus einem Widerspruch muss sich zumindest im Wege der Auslegung ergeben, dass er sich gegen eine Beeinträchtigung durch einen Bescheid richtet und die Überprüfung des selben begehrt wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 83, Rn. 2). Der kommentarlosen Übersendung des Angebotes ist auch bei großzügigster Auslegung kein solches Überprüfungsbegehren hinsichtlich des Bescheides vom 16.07.2005 zu entnehmen. Der Bescheid wurde in keinster Weise erwähnt. Die Beklagte musste davon ausgehen, dass sich die Schreiben gekreuzt hätten und schon daher keine Reaktion auf den Bescheid vorliegen könne. Auch die Klägerin selbst ist nicht der Ansicht, sich gegen den Bescheid vom 16.07.2004 gewandt zu haben. Habe sie doch dessen Regelungsumfang gar nicht erkannt. Auch das Ausbleiben jeder späteren Reaktion auf die Rücksendung des Angebotes unter Verweis auf den Bescheid deutet daraufhin, dass die Klägerin nicht dessen Überprüfung begehrt hatte.

Der Bescheid regelt auch abschließend, in welcher Höhe die Beklagte eine Beihilfe zur schimmelbedingten Renovierung der Wohnung bewilligt. Es kann dahinstehen, welche Schlüsse die Klägerin aus dem Schreiben zog. Denn hinsichtlich des Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes kommt es analog §§ 133 und 157 BGB darauf an, welchen Regelungsgehalt ein objektiver Dritter in der Position des Adressaten dem Verwaltungsakt beimisst. D. h. welchen behördlichen Regelungswillen er dem Schreiben entnimmt. Einem objektiven und gewissenhaften Adressaten des Bescheides vom 16.07.2004 hätte sich erschlossen, dass es sich bei dem bewilligten Betrag um denjenigen handelt, den die Beklagte für die gesamte beantragte Wohnungsrenovierung zu gewähren bereit war. Abgestellt wurde im Bescheid auf ein Antragsdatum, das nach der Einreichung des Kostenvoranschlages der Klägerin der Firma HFTB bezüglich der kompletten Wohnungsrenovierung lag. Ausdrücklich wurde der Begriff Wohnungsrenovierung verwandt und nicht etwa einzelne zu renovierende Zimmer benannt. Zudem wurde ein Gesamtbetrag und gerade kein Teilbetrag bewilligt. Der Klägerin hätte bewusst sein müssen, dass die Beklagte nur überaus zurückhaltend Leistungen für Renovierungsarbeiten durch Fachfirmen bewilligt. Wurde doch zunächst nur ein Materialzuschuss gewährt und gerade erst nach Vorlage des detaillierten Kostenvoranschlages der HFTB und des Attestes sowie nach Klärung weiterer Fragen der Betrag in Höhe von 1.061,66 Euro bewilligt. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass ihr dies auch tatsächlich bewusst gewesen sein dürfte. Andernfalls erscheint kaum erklärbar, wieso sie zunächst nur in der bewilligten Größenordnung und unter Vorlage des entsprechenden Bescheides für den 27.07.2004 Renovierungsmaßnahmen in Auftrag gab. Auch die Bereitschaft des Herrn C, ihr für die zweite Rechnung Ratenzahlung einzuräumen, deutet darauf hin, dass sie in Gesprächen mit diesem davon ausging, keine weitere Beihilfe zu erhalten. Ebenfalls nur der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass die Beklagte auch ohne bestandskräftigen Bescheid vom 16.07.2004 wohl nicht zur Übernahme der Kosten aus der Rechnung vom 02.09.2004 verpflichtet wäre. Die Sozialhilfe dient der Deckung des notwendigen und gegenwärtigen Bedarfs. Eine Schuldenübernahme kommt regelmäßig nicht in Betracht. Dem Sozialhilfeträger muss Gelegenheit gegeben werden, im Vorfeld zu prüfen, welche Bedarfe er auf welche Weise zu decken gedenkt. Derartige Einflußmöglichkeiten hatte die Beklagte hier nicht. Mit Ihrem Bescheid vom 16.07.2004 und der daraufhin übersandten Schlussrechnung musste sie davon ausgehen, die Problematik der schimmelbedingten Wohnungsrenovierung sei abgeschlossen. Von der Vergabe des Auftrages für die am 02.09.2004 durchgeführten Renovierungsarbeiten erfuhr sie erst drei Wochen nach der tatsächlichen Leistungserbringung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine vorhergehende Information der Beklagten über die konkret in Auftrag zu gebenden Arbeiten und ein Abwarten der Entscheidung der Beklagten der Klägerin nicht zuzumuten gewesen wäre. Zwar kann dies ausnahmsweise der Fall sein, wenn eine sofortige Bedarfsdeckung zur Abwendung gravierender Nachteile erforderlich ist. Doch hat die Klägerin selbst erhebliche Zeit verstreichen lassen. Sie hat weder Widerspruch eingelegt, noch unmittelbar reagiert. Vielmehr lag zwischen den beiden Renovierungen ein Zeitraum von über einem Monat. In einer absoluten Notsituation hingegen hätte die Beauftragung einer Fachfirma dahin gehen müssen, als Sofortmaßnahme primär den gesundheitsgefährdenden Schimmel zu beseitigen. Danach hätte dann die Bewilligung der Beklagten für weitere, begrenzt aufschiebbare, Maßnahmen, wie nunmehr erforderliche Schönheitsreparaturen, eingeholt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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