Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 156/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst.
Die Klägerin ist am 00.00.1948 geboren und seit dem 29.01.1997 als Ärztin für Pathologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist in C in Gemeinschaftspraxis mit ihrem Ehemann und einem weiteren Arzt - beide ebenfalls Fachärzte für Pathologie - niedergelassen.
Gegen den Bescheid vom 17.05.2005 über ihre Heranziehung zum ärztlichen Notfalldienst für das 2. Halbjahr 2005 legte sie Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 16.02.2005 - L 00 KA 00/00 - in der Parallelsache ihres Ehemannes bezog.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 wies die Widerspruchsstelle bei der Hauptstelle der Beklagten den Widerspruch zurück: Solange ein Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme, müsse er sich auch am Notdienst beteiligen. Möchte er gleichwohl nicht in Person am Notfalldienst teilnehmen, so bleibe es ihm unbenommen, den Notfalldienst durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Dass die Klägerin ausschließlich pathologisch tätig gewesen sei, rechtfertige ihren Ausschluss bzw. ihre Befreiung vom Notdienst nicht, da sie verpflichtet sei, sich für die weitere Teilnahme am Notfalldienst fortzubilden.
Hiergegen richtet sich die am 26.09.2005 erhobene Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Fallgestaltung ihrer Sache unterscheide sich von derjenigen der im Urteil des LSG NRW entschiedenen Sache lediglich dadurch, dass sie 57 Jahre, der Kläger jenes Verfahrens 61 Jahre alt sei; dies sei jedoch nicht relevant.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Kreisstelle C der Beklagten vom 17.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.09.2005 aufzuheben und festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst der Beklagten teilzunehmen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, sie gemäß § 4 Abs. 1 der Notfalldienstordnung (NFDO) vom ärztlichen Notfalldienst auszuschließen,
weiter hilfsweise, sie gemäß § 2 Abs. 1 NFDO vom ärztlichen Notfalldienst zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und ist der Ansicht, die zurzeit 57 Jahre junge Klägerin könne noch entspannt ihrer bisher nicht nachgekommenen Fortbildungsverpflichtung nachkommen. Bis zum 59. oder 60. Lebensjahr könne sie ihr Versäumnis ohne Hektik nachgeholt haben. Demzufolge könne sie noch bis zur Möglichkeit einer Befreiung wegen Erreichens des 65. Lebensjahres mehrere Jahre ihrer vertragsärztlichen Verpflichtung zur Durchführung des Notfalldienstes nachkommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere den Lebenslauf der Klägerin, sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch der Hilfsanträge unbegründet.
Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weil die Klägerin nicht nur zur Teilnahme an einem ggf. eingerichteten fachärztlichen Notfalldienst, sondern grundsätzlich auch zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst verpflichtet ist. Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 30 Nr. 2 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 20 Abs. 1 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärzte, § 4 der Satzung der Beklagten und § 1 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der Beklagten sind niedergelassene Ärzte zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet. Dem steht nicht entgegen, dass sich gemäß § 73 Abs. 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung gliedert. Denn aus § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB ergibt sich, dass die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung unabhängig von der in § 73 Abs. 1 Satz 1 vorgenommenen Trennung von haus- und fachärztlicher Versorgung den Notfalldienst insgesamt und damit auch den allgemeinen Notfalldienst umfasst. Die Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung bewirkt unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Weiterbildung nicht, dass der entsprechende Vertragsarzt nach einiger Zeit nicht mehr in der Lage ist, am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit oder sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (BSGE 33, 165, 166; 44, 252, 257 ff.; Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 -).
Auch die Hilfsanträge auf Ausschluss bzw. Befreiung sind unbegründet.
Zwar erscheint es durchaus naheliegend, dass die Klägerin gegenwärtig zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst ungeeignet ist.
Ungeeignet nach § 4 Abs. 2 NFDO ist insbesondere, wer fachlich und/oder persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes bietet. Dies wird hier anzunehmen sein. Die Klägerin ist seit 9 Jahren als Fachärztin für Pathologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und - wie sich aus ihrem Lebenslauf ergibt - letztlich seit dem Abschluss ihres Medizinstudiums im Jahre 1973 weitestgehend pathologisch-zytologisch tätig. Aufgrund dieser langjährigen medizinischen Tätigkeit ohne jeglichen Patientenkontakt dürfte ihr gegenwärtig die fachliche Eignung fehlen, die im Rahmen eines "normalen" Notdienstes erforderlichen typischen Notfallmaßnahmen und/oder Sofortmaßnahmen im Sinne einer vorläufigen Versorgung (BSGE 33, 165) bis zum Einsetzen einer normalen Versorgung erbringen zu können. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin bisher ihrer Weiterbildungsverpflichtung gemäß § 30 Nr. 2 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 3 NFDO nicht nachgekommen ist.
Einer abschließenden Entscheidung hierzu bedarf es nicht. Selbst wenn die Klägerin persönlich ungeeignet sein sollte, folgt daraus nicht zwingend ein Anspruch auf Ausschluss vom Notfalldienst. Nach § 4 Abs. 1 NFDO "kann" ein Arzt bei Ungeeignetheit für eine qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes von diesem ausgeschlossen werden. Über den Ausschluss entscheidet gemäß § 4 Abs. 3 NFDO bei Vertragsärzten der Vorstand der Beklagten nach Anhörung des gemeinsamen Notfalldienstausschusses. Eine dahingehende Verwaltungsentscheidung des Vorstandes der Beklagten nach Anhörung des gemeinsamen Notfalldienstausschusses, die mit dem Hilfsantrag zu 1) angegriffen werden könnte, liegt nicht vor. Aber selbst wenn der Widerspruchsbescheid der Widerspruchsstelle bei der Hauptstelle der Beklagten vom 20.09.2005 insofern als ausreichend anzusehen sein sollte, wäre dieser materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Wendung "kann" in § 4 Abs. 1 NFDO gibt zu erkennen, dass der Beklagten ein Entschließungs- und Auswahlermessen eingeräumt ist (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 11. Aufl., § 31 Rn. 36). Der von der Klägerin erstrebte Ausschluss vom allgemeinen Notfalldienst käme nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert wäre, d.h. keine andere Entscheidung als der Ausschluss rechtmäßig wäre. Dies ist nicht der Fall.
Bei der Ermessensentscheidung wird die Beklagte zum einen das Wohl der Patienten zu berücksichtigen haben. Ärzte, die insbesondere fachlich keine hinreichende Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des Notfalldienstes bieten, können ggf. Fehldiagnosen stellen, unzulängliche oder gar kontraindizierte Therapiedispositionen mit vielleicht verhängnisvollen Auswirkungen treffen und so u.U. den Patienten erheblichen Schaden zufügen. Weiterhin wird zu beachten sein, dass der Arzt selbst im Hinblick auf diese Folgen in einen ernsthaften Gewissenskonflikt geraten könnte, der Unberechenbarkeit und Mannigfaltigkeit des Notfalleinsatzes nicht gewachsen zu sein (dazu bereits BVerwGE 27, 303 ff.). Schließlich wird aber auch zu berücksichtigen sein, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handelt, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit oder sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (BSG, a.a.O.).
Wenn die Beklagte vor diesem Hintergrund der Klägerin freigestellt hat, den Notfalldienst nicht in eigener Person auszuüben, sondern ihn durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen, ist dies nicht zu monieren. Die Beklagte vergrößert auf diese Weise den Freiheitsraum der Klägerin, indem sie sie nicht einseitig hoheitlich durch disziplinarische Maßnahmen zur Wahrnehmung der gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung bewegt oder eine Verweigerung der Fortbildung gar zum Anlass eines Antrages auf Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung nimmt. Vielmehr stärkt sie die Eigenverantwortung der Klägerin, indem sie ihr das Recht einräumt, selbst durch Benennung eines Vertreters ihre Teilnahmeverpflichtung zu erfüllen, wie es in § 1 Abs. 2 Unterabsatz 2 NFDO ausdrücklich vorgesehen ist. Dies gilt vorliegend insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin in der Vergangenheit stets durch einen Vertreter den ihr obliegenden Notfalldienst verrichtet hat. Insofern hat sich beiderseits - auch zugunsten der Beklagten - ein entsprechendes Vertrauen durch ein langjähriges, gleichförmiges und wiederholtes Verhalten herausgebildet (vgl. allgemein zum Vertrauensschutz im Vertragsarztrecht BSG SozR 3-2500 § 95 Nrn. 9, 21; BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 6; BSG SozR 3-2500 § 82 Nr. 3; BSG, Urteil vom 26.06.2002 - B 6 KA 26/01 R -), wie es auch sonst von der Rechtsordnung anerkannt wird (vgl. z.B. im Arbeitsrecht in Gestalt der sog. "betriebliche Übung"; dazu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl. 2005, § 31 Rn. 65 f.; § 111 Rn. 1 ff., 7, 18). Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 4 Abs. 1 NFDO durfte die Beklagte aufgrund dieses Vertrauens rechtsfehlerfrei von einem völligen Ausschluss der Klägerin vom Notfalldienst absehen und sie weiterhin zur Teilnahme durch einen Vertreter verpflichten. Dass die Klägerin dessen Einsatz zu vergüten hat, ergibt sich aus dem Sicherstellungsauftrag im Notfalldienst, der die daraus erwachsenden Lasten gleichmäßig auf alle Ärzte verteilt und nicht einzelne für den Notfalldienst besonders geeignete Arztgruppen (z.B. Allgemeinmediziner, Internisten) überobligationsgemäß in die Pflicht nimmt.
Dies gilt jedenfalls solange, bis die Klägerin ihrer gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung für den Notfalldienst nachgekommen ist. Mit der Beklagten geht die Kammer dabei davon aus, dass es der Klägerin angesichts ihres Lebensalters von derzeit 57 Jahren möglich sein wird, innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre einen für den Notfalldienst hinreichenden Wissensstand zu erlangen, so dass sie ab dann - auch in eigener Person - den Notfalldienst wird verrichten können.
Auch der Hilfsantrag zu 2) auf Befreiung vom Notfalldienst ist unbegründet. Abgesehen davon, dass Klägerin für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 NFDO nichts vorgetragen hat, räumt auch diese Vorschrift der Beklagten ein Ermessen ein. Insofern gelten dieselben Erwägungen wie zum Ausschluss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst.
Die Klägerin ist am 00.00.1948 geboren und seit dem 29.01.1997 als Ärztin für Pathologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie ist in C in Gemeinschaftspraxis mit ihrem Ehemann und einem weiteren Arzt - beide ebenfalls Fachärzte für Pathologie - niedergelassen.
Gegen den Bescheid vom 17.05.2005 über ihre Heranziehung zum ärztlichen Notfalldienst für das 2. Halbjahr 2005 legte sie Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 16.02.2005 - L 00 KA 00/00 - in der Parallelsache ihres Ehemannes bezog.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 wies die Widerspruchsstelle bei der Hauptstelle der Beklagten den Widerspruch zurück: Solange ein Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme, müsse er sich auch am Notdienst beteiligen. Möchte er gleichwohl nicht in Person am Notfalldienst teilnehmen, so bleibe es ihm unbenommen, den Notfalldienst durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Dass die Klägerin ausschließlich pathologisch tätig gewesen sei, rechtfertige ihren Ausschluss bzw. ihre Befreiung vom Notdienst nicht, da sie verpflichtet sei, sich für die weitere Teilnahme am Notfalldienst fortzubilden.
Hiergegen richtet sich die am 26.09.2005 erhobene Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Fallgestaltung ihrer Sache unterscheide sich von derjenigen der im Urteil des LSG NRW entschiedenen Sache lediglich dadurch, dass sie 57 Jahre, der Kläger jenes Verfahrens 61 Jahre alt sei; dies sei jedoch nicht relevant.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Kreisstelle C der Beklagten vom 17.05.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.09.2005 aufzuheben und festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst der Beklagten teilzunehmen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, sie gemäß § 4 Abs. 1 der Notfalldienstordnung (NFDO) vom ärztlichen Notfalldienst auszuschließen,
weiter hilfsweise, sie gemäß § 2 Abs. 1 NFDO vom ärztlichen Notfalldienst zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und ist der Ansicht, die zurzeit 57 Jahre junge Klägerin könne noch entspannt ihrer bisher nicht nachgekommenen Fortbildungsverpflichtung nachkommen. Bis zum 59. oder 60. Lebensjahr könne sie ihr Versäumnis ohne Hektik nachgeholt haben. Demzufolge könne sie noch bis zur Möglichkeit einer Befreiung wegen Erreichens des 65. Lebensjahres mehrere Jahre ihrer vertragsärztlichen Verpflichtung zur Durchführung des Notfalldienstes nachkommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere den Lebenslauf der Klägerin, sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch der Hilfsanträge unbegründet.
Der Feststellungsantrag ist unbegründet, weil die Klägerin nicht nur zur Teilnahme an einem ggf. eingerichteten fachärztlichen Notfalldienst, sondern grundsätzlich auch zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst verpflichtet ist. Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 30 Nr. 2 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen, § 20 Abs. 1 der Berufsordnung der nordrheinischen Ärzte, § 4 der Satzung der Beklagten und § 1 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der Beklagten sind niedergelassene Ärzte zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet. Dem steht nicht entgegen, dass sich gemäß § 73 Abs. 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung gliedert. Denn aus § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB ergibt sich, dass die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung unabhängig von der in § 73 Abs. 1 Satz 1 vorgenommenen Trennung von haus- und fachärztlicher Versorgung den Notfalldienst insgesamt und damit auch den allgemeinen Notfalldienst umfasst. Die Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung bewirkt unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Weiterbildung nicht, dass der entsprechende Vertragsarzt nach einiger Zeit nicht mehr in der Lage ist, am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit oder sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (BSGE 33, 165, 166; 44, 252, 257 ff.; Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 -).
Auch die Hilfsanträge auf Ausschluss bzw. Befreiung sind unbegründet.
Zwar erscheint es durchaus naheliegend, dass die Klägerin gegenwärtig zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst ungeeignet ist.
Ungeeignet nach § 4 Abs. 2 NFDO ist insbesondere, wer fachlich und/oder persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes bietet. Dies wird hier anzunehmen sein. Die Klägerin ist seit 9 Jahren als Fachärztin für Pathologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und - wie sich aus ihrem Lebenslauf ergibt - letztlich seit dem Abschluss ihres Medizinstudiums im Jahre 1973 weitestgehend pathologisch-zytologisch tätig. Aufgrund dieser langjährigen medizinischen Tätigkeit ohne jeglichen Patientenkontakt dürfte ihr gegenwärtig die fachliche Eignung fehlen, die im Rahmen eines "normalen" Notdienstes erforderlichen typischen Notfallmaßnahmen und/oder Sofortmaßnahmen im Sinne einer vorläufigen Versorgung (BSGE 33, 165) bis zum Einsetzen einer normalen Versorgung erbringen zu können. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin bisher ihrer Weiterbildungsverpflichtung gemäß § 30 Nr. 2 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 3 NFDO nicht nachgekommen ist.
Einer abschließenden Entscheidung hierzu bedarf es nicht. Selbst wenn die Klägerin persönlich ungeeignet sein sollte, folgt daraus nicht zwingend ein Anspruch auf Ausschluss vom Notfalldienst. Nach § 4 Abs. 1 NFDO "kann" ein Arzt bei Ungeeignetheit für eine qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes von diesem ausgeschlossen werden. Über den Ausschluss entscheidet gemäß § 4 Abs. 3 NFDO bei Vertragsärzten der Vorstand der Beklagten nach Anhörung des gemeinsamen Notfalldienstausschusses. Eine dahingehende Verwaltungsentscheidung des Vorstandes der Beklagten nach Anhörung des gemeinsamen Notfalldienstausschusses, die mit dem Hilfsantrag zu 1) angegriffen werden könnte, liegt nicht vor. Aber selbst wenn der Widerspruchsbescheid der Widerspruchsstelle bei der Hauptstelle der Beklagten vom 20.09.2005 insofern als ausreichend anzusehen sein sollte, wäre dieser materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Wendung "kann" in § 4 Abs. 1 NFDO gibt zu erkennen, dass der Beklagten ein Entschließungs- und Auswahlermessen eingeräumt ist (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 11. Aufl., § 31 Rn. 36). Der von der Klägerin erstrebte Ausschluss vom allgemeinen Notfalldienst käme nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert wäre, d.h. keine andere Entscheidung als der Ausschluss rechtmäßig wäre. Dies ist nicht der Fall.
Bei der Ermessensentscheidung wird die Beklagte zum einen das Wohl der Patienten zu berücksichtigen haben. Ärzte, die insbesondere fachlich keine hinreichende Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des Notfalldienstes bieten, können ggf. Fehldiagnosen stellen, unzulängliche oder gar kontraindizierte Therapiedispositionen mit vielleicht verhängnisvollen Auswirkungen treffen und so u.U. den Patienten erheblichen Schaden zufügen. Weiterhin wird zu beachten sein, dass der Arzt selbst im Hinblick auf diese Folgen in einen ernsthaften Gewissenskonflikt geraten könnte, der Unberechenbarkeit und Mannigfaltigkeit des Notfalleinsatzes nicht gewachsen zu sein (dazu bereits BVerwGE 27, 303 ff.). Schließlich wird aber auch zu berücksichtigen sein, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handelt, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit oder sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (BSG, a.a.O.).
Wenn die Beklagte vor diesem Hintergrund der Klägerin freigestellt hat, den Notfalldienst nicht in eigener Person auszuüben, sondern ihn durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen, ist dies nicht zu monieren. Die Beklagte vergrößert auf diese Weise den Freiheitsraum der Klägerin, indem sie sie nicht einseitig hoheitlich durch disziplinarische Maßnahmen zur Wahrnehmung der gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung bewegt oder eine Verweigerung der Fortbildung gar zum Anlass eines Antrages auf Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung nimmt. Vielmehr stärkt sie die Eigenverantwortung der Klägerin, indem sie ihr das Recht einräumt, selbst durch Benennung eines Vertreters ihre Teilnahmeverpflichtung zu erfüllen, wie es in § 1 Abs. 2 Unterabsatz 2 NFDO ausdrücklich vorgesehen ist. Dies gilt vorliegend insbesondere auch deshalb, weil die Klägerin in der Vergangenheit stets durch einen Vertreter den ihr obliegenden Notfalldienst verrichtet hat. Insofern hat sich beiderseits - auch zugunsten der Beklagten - ein entsprechendes Vertrauen durch ein langjähriges, gleichförmiges und wiederholtes Verhalten herausgebildet (vgl. allgemein zum Vertrauensschutz im Vertragsarztrecht BSG SozR 3-2500 § 95 Nrn. 9, 21; BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 6; BSG SozR 3-2500 § 82 Nr. 3; BSG, Urteil vom 26.06.2002 - B 6 KA 26/01 R -), wie es auch sonst von der Rechtsordnung anerkannt wird (vgl. z.B. im Arbeitsrecht in Gestalt der sog. "betriebliche Übung"; dazu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl. 2005, § 31 Rn. 65 f.; § 111 Rn. 1 ff., 7, 18). Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 4 Abs. 1 NFDO durfte die Beklagte aufgrund dieses Vertrauens rechtsfehlerfrei von einem völligen Ausschluss der Klägerin vom Notfalldienst absehen und sie weiterhin zur Teilnahme durch einen Vertreter verpflichten. Dass die Klägerin dessen Einsatz zu vergüten hat, ergibt sich aus dem Sicherstellungsauftrag im Notfalldienst, der die daraus erwachsenden Lasten gleichmäßig auf alle Ärzte verteilt und nicht einzelne für den Notfalldienst besonders geeignete Arztgruppen (z.B. Allgemeinmediziner, Internisten) überobligationsgemäß in die Pflicht nimmt.
Dies gilt jedenfalls solange, bis die Klägerin ihrer gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung für den Notfalldienst nachgekommen ist. Mit der Beklagten geht die Kammer dabei davon aus, dass es der Klägerin angesichts ihres Lebensalters von derzeit 57 Jahren möglich sein wird, innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre einen für den Notfalldienst hinreichenden Wissensstand zu erlangen, so dass sie ab dann - auch in eigener Person - den Notfalldienst wird verrichten können.
Auch der Hilfsantrag zu 2) auf Befreiung vom Notfalldienst ist unbegründet. Abgesehen davon, dass Klägerin für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 NFDO nichts vorgetragen hat, räumt auch diese Vorschrift der Beklagten ein Ermessen ein. Insofern gelten dieselben Erwägungen wie zum Ausschluss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved