S 2 (17) KA 329/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 (17) KA 329/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 30.11.2004 wird in Höhe von 389,75 EUR hinsichtlich der Arzneimittel Infi Echinacea, Infi Camphora, Infi Spigelia, Infi Tabacum und Infi Lactrodectus aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/3, der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3. Die Berufung wird zugelassen. Die Hinzuziehung einer Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Streitig ist ein Regress wegen der Verordnung homöopathischer Arzneimittel als Sprechstundenbedarf (SSB) im Quartal III/2001.

Die Klägerin ist als praktische Ärztin in I1 niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal III/2001 verordnete sie die homöopathischen Arzneimittel Infi China, Infi Echinacea, Hevertigon, Hyperforat, Infi Camphora, Myosotis, Infi Spigelia, Infi Tabacum, Infi Lachesis und Infi Lactrodectus im Gesamtbetrag von netto 1.136,05 DM (580,84 EUR). Auf Prüfantrag der Beigeladenen zu 1) verfügte der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen L1 mit Bescheid vom 07.07.2003 einen Regress in dieser Höhe wegen der unzulässigen Verordnung der Arzneimittel als SSB.

Mit Bescheid vom 30.11.2004 wies der Beklagte einen hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin zurück: Bei der Anforderung von SSB seien nur die unter Ziffer IV. der SSB-Vereinbarung (i.d.F. ab 01.07.2001) aufgeführten Mittel verordnungsfähig. Bei den aufgelisteten Mitteln handele es sich um homöopathische Mittel, welche weder unter IV.5 - Mittel zur Diagnostik bzw. Akuttherapie - noch unter IV.7 - Arzneimittel für Notfälle und zur Sofortanwendung - aufgelistet seien und somit keinen gültigen SSB darstellten. Eine Verordnung sei nur unter Beachtung der Arzneimittelrichtlinien auf den Namen des Patienten und zu Lasten der jeweils zuständigen Krankenkasse möglich, wobei die nicht benötigten Medikamente dem SSB zuzuführen seien.

Hiergegen richtet sich die am 23.12.2004 erhobene Klage.

Die Klägerin trägt vor, alle streitgegenständlichen Verordnungen seien jeweils zur Notfall- oder Sofortbehandlung - nicht zur Langzeittherapie - gemäß Ziffer III.1 der SSB-Vereinbarung eingesetzt worden und seien hierfür erforderlich gewesen. Die Beurteilung der medizinischen Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel obliege nicht der Bewertung durch den Beklagten; hätten solche Arzneimittel aus dem SSB ausgeschlossen werden sollen, hätte dies ausdrücklich geschehen müssen. Im Übrigen erkenne selbst der Gesetzgeber die homöopathische Medizin als besondere Therapierichtung an; hierfür spreche auch die Möglichkeit des Erwerbs der Zusatzbezeichnung "Homöopathie".

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2004 aufzuheben und die Hinzuziehung einer Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und ist der Auffassung, homöopathische Mittel seien von ihrer Wirksamkeit her für chronische Krankheiten konzipiert; für Notfälle oder Sofortanwendungen sei insofern kein Raum. Hiermit korrespondierten auch die Arzneimittelrichtlinien, nach dessen Kapitel D.13 die Verordnung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtung Homöopathie nicht ausgeschlossen sei, bei ihrer Verordnung aber der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen sei. Im Übrigen würden homöopathische Arzneimittel nicht nach den für allopathische Arzneimittel geltenden Kriterien zugelassen, sondern lediglich bei der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelten Sachverständigenkommission mit den von den Herstellerfirmen angegebenen Anwendungsbereichen registriert, ohne dass ihre Wirksamkeit geprüft werde.

Die Beigeladene zu 1) beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keine Anträge.

Die Beigeladene zu 9) entnimmt den Vorschriften der §§ 2, 34, 234 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sowie dem Kapitel D.13 der Arzneimittelrichtlinien, dass ein Vertragsarzt, der sich zulässigerweise im Rahmen der besonderen Therapierichtungen betätige, nicht nur die Möglichkeit der Individualverordnung homöopathischer Arzneimittel habe, sondern auch unter Beachtung der gültigen SSB-Vereinbarung die Möglichkeit haben müsse, entsprechende Arzneimittel als SSB zu verordnen. Hierbei müssten der anthroposophischen Therapierichtung die Gedankenwelt Rudolf Steiners und der Homöopathie die Lehre von Samuel Hahnemann zugrunde gelegt werden. Soweit Ziffer V.6 Satz 3 der SSB-Vereinbarung bei der Verordnung von Fertigarzneimitteln als zulässigem SSB die Registrierung bzw. Zulassung beim BfArM voraussetze, sei dies hier der Fall.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit der nicht erschienenen und nicht vertreten gewesenen Beigeladenen zu 2) bis 9) verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in den form- und fristgerecht zugestellten Terminbenachrichtigungen hingewiesen worden ist.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten in Höhe von 389,75 EUR beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da der ausgesprochene Regress insoweit rechtswidrig ist.

Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung und damit auch der Beklagte sind befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von SSB festzusetzen. Dies ergibt sich aus Ziffer VI.1 der hier für das Quartal III/2001 maßgeblichen SSB-Vereinbarung i.d.F. ab 01.07.2001 (Rhein. Ärzteblatt 9/2001, 73 ff.) i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 4 der Gemeinsamen Prüfvereinbarung. Danach erfolgt die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Zulässigkeit von SSB-Anforderungen nach den Bestimmungen der Gemeinsamen Prüfvereinbarung. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V, wonach die Krankenkassenverbände gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vorsehen können. Demgemäß ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Prüfgremien die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden darf (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 52). Dies gilt auch für die Verordnung solcher Gegenstände oder Arzneimittel, für die zwar eine Leistungspflicht der Krankenkassen nach den Bestimmungen des SGB V besteht, die aber nicht zulässigerweise als SSB verordnet werden können (BSG SozR 3-5533 Allg Nr. 2 m.w.N.; LSG NRW, Urteile vom 30.07.2003 - L 11 KA 116/01 - und - L 11 KA 149/01 -; vom 01.10.2003 - L 11 KA 27/02 -).

Ziffer III.1 der SSB-Vereinbarung schränkt die Verordnungsfähigkeit von Mitteln als SSB in doppelter Weise ein. Einmal muss es sich um Mittel handeln, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten angewendet werden oder die zur Notfall- oder Sofortbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung erforderlich sind (Ziffer III.1 Satz 1). Zudem sind nur diejenigen Mittel als SSB verordnungsfähig, die ausdrücklich unter Ziffer IV. der SSB-Vereinbarung aufgeführt sind (Ziffer III.1 Satz 3). Damit haben sich die Vertragsparteien für eine Kombination von Positivliste und einschränkenden Indikationen entschieden. An diese Regelungen ist die Klägerin zwingend gebunden, denn die SSB-Vereinbarung gilt gemäß Ziffer I.4 für alle an der vertragsärztlichen Versorgung in Nordrhein teilnehmenden Ärzte.

Ziffer IV.7 der SSB-Vereinbarung listet insofern "Arzneimittel für Notfälle und zur Sofortanwendung" auf und sieht hierbei für die sofortige Anwendung die Zulässigkeit von unter Buchstaben a) bis h) aufgezählten Mitteln in geringen Mengen als SSB vor. Es bedarf hierbei keiner Entscheidung, ob und inwieweit die streitgegenständlichen Arzneimittel einem der dort aufgelisteten Mittel unterfallen. Das Tatbestandsmerkmal "insbesondere" bringt zum Ausdruck, dass der Katalog der unter Buchstaben a) bis h) aufgeführten Mittel nicht abschließend ist, sondern exemplarisch Mittel für die sofortige Anwendung benennt und somit auch andere als die ausdrücklich benannten Mittel als SSB zulässig sind. Insofern unterscheidet sich die hier anwendbare SSB-Vereinbarung i.d.F. ab 01.07.2001 von der früheren, ab 01.07.1995 bis 30.06.2001 geltenden SSB-Vereinbarung (Rhein. Ärzteblatt 1/96, 68 ff.). Dort war unter Ziffer IV.1-8 eine abschließende Aufstellung der als SSB zulässigen Mittel enthalten.

Bezogen auf die vorliegend regressierten Mittel im Einzelnen gilt folgendes:

Der Anwendungsbereich von Infi China (Asthenie-Injektion) wird in dem Kompendium des Herstellers J-S beschrieben mit "Rekonvaleszenz nach Infektionskrankheiten, allgemeine Erschöpfungszustände, Arteriosklerose, Neurasthenie, vegetative Dystonie, Antriebslosigkeit" (s. auch Rote Liste 2004 Nr. 73047). Dieses Präparat stellt kein Arzneimittel zur Sofortanwendung im Sinne der Ziffer IV.7 der SSB-Vereinbarung dar.

"Sofortanwendung" bedeutet, dass es für den behandelnden Arzt angesichts des Krankheitsbildes des Patienten aus zeitlichen Gründen medizinisch nicht vertretbar ist, diesem eine Einzelverordnung auszustellen, mit welcher der Patient die Apotheke aufsucht und anschließend mit dem Arzneimittel in die ärztliche Praxis zurückkehrt, damit ihm das Arzneimittel verabreicht wird. In solchen Situationen - namentlich in den "Notfällen" im Sinne der Ziffer IV.7 der SSB-Vereinbarung - muss der Arzt eine geringe Menge geeigneter Arzneimittel vorhalten und über SSB beziehen können, um ohne zeitliche Verzögerung sofort mit therapeutischen Maßnahmen beginnen zu können. Hierzu gehört der o.a. Indikationsbereich ersichtlich nicht.

Infi Echinacea (Anti-Infekt-Injektion) dient der Therapie von "fieberhaften Infekten, grippalen Infekten, Grippehusten, Schüttelfrost, Bronchitis, Pertussis, Entzündungen von Nieren und Blase, septischen Prozessen, Furunkeln" (s. auch Rote Liste 2004 Nr. 45029). Unter den Gesichtspunkten der Bekämpfung fieberhafter Infekte und von Schüttelfrost sieht die Kammer hinreichend Raum für eine Sofortanwendung dieses Mittels in der vertragsärztlichen Praxis.

Dabei bedarf es keiner Diskussion über die grundsätzliche Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel. Alle hier streitbefangenen Arzneimittel sind beim BfArM registrierte Fertigarzneimittel und allgemein in Apotheken erhältlich (Ziffer V.6 Satz 3 der SSB-Vereinbarung). Ein Verordnungsausschluss ergibt sich auch nicht aus Abschnitt F (Verordnungseinschränkungen aufgrund §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12, 70 SGB V und zugelassene Ausnahmen), Ziffer 17 der Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (AMR), wobei es auf die Tatbestände der Ziffer 17 AMR nicht weiter ankommt. Denn der Bundesausschuss war bis zum 31.12.2003 nicht ermächtigt, ein Arzneimittel grundsätzlich in den nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Richtlinien auszuschließen, so dass diese Regelung unwirksam ist (LSG NRW, Urteile vom 21.12.2005 - L 11 KA 90/04 - und - L 11 KA 104/04 -). Schließlich wird die Verordnung der hier streitgegenständlichen Arzneimittel auch nicht durch die "Verordnung zur Änderung der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 16.11.2000 - sog. erweiterte Negativliste - (vgl. grundlegend BVerfG SozR 3-2500 § 34 Nr. 1) ausgeschlossen. Die Wirkstoffe, aus denen die vorliegenden Fertigarzneimittel zusammengesetzt sind, sind in der Anlage 2 Nr. 6 dieser Negativliste (Arzneimittel der besonderen Therapierichtung Homöopathie) nicht aufgelistet.

Hevertigon des Herstellers I2 findet Anwendung bei "Schwindelzuständen aller Art, Menièreschem Syndrom, Reisekrankheit" (Rote Liste 2004 Nr. 14037) und begründet nach Ansicht der mit einem Vertragsarzt sachkundig besetzten Kammer keinen Bedarf für eine Sofortanwendung.

Hyperforat der Fa. L2 wirkt gegen "Depressive Verstimmungszustände, Angst und nervöse Unruhe, psychovegetative Störungen, die sich in nervlichen Beschwerden äußern wie Antriebsmangel, Gereiztheit und Konzentrationsschwäche, auch im Klimakterium. Zur Unterstützung einer psychotherapeutischen Behandlung" (Rote Liste 2004 Nr. 71010). Die als Hypericumextrakt bezeichneten Wirkstoffe des Johanniskrauts besitzen, innerlich angewandt, eine antidepressive und stimmungsaufhellende Wirkung. Auch insofern vermag die Kammer Raum für eine Sofortanwendung nicht zu erkennen.

Infi Camphora (Kreislauf-Injektion) dient der Behandlung von "Kreislaufschwäche, Kollapszuständen, Präkordialangst, Herzmuskelschwäche, Herzunruhe, Koronarinsuffizienz, Unruhe, Schwindelzuständen, Kachexie". Jedenfalls der Aspekt der Kollapszustände, ggf. auch der Kreislaufschwäche, rechtfertigt nach Ansicht der Kammer die Sofortanwendung.

Myosotis (Lymph-Injektion) wird eingesetzt zur Therapie von "Lymphatismus, Lymphomen, Lymphdrüsenschwellungen, Tonsillenhypertrophie, Tonsillitis, Milchschorf und Ekzemen". Eine Sofortanwendung ist hierbei nicht geboten.

Infi Spigelia (Cephalgie-Injektion) findet Anwendung bei "Kopfschmerzen aller Art, Migräne, Gesichts- und Kopfneuralgien". Bei Migräne handelt es sich um anfallartige, oft pulsierende Kopfschmerzen, die wiederholt und meist halbseitig auftreten (Hemikranie); die Migräne wird oft von vegetativen Symptomen (z.B. Übelkeit, Erbrechen), Licht- und Lärmscheu, visuellen Symptomen oder neurologischen Ausfällen begleitet (s. Def. in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl.). Jedenfalls im Hinblick hierauf kommt eine Sofortanwendung in Betracht.

Infi Tabacum (Durchblutungs-Injektion) erstreckt sich auf die Anwendungsgebiete "Cardiale und cerebrale Durchblutungsstörungen, Claudicatio intermittens, Varikose und Ulcus cruris". Die Behandlung von Durchblutungsstörungen des Herzens und des Gehirns rechtfertigt nach Auffassung der Kammer die sofortige Anwendung.

Infi Lachesis (Umstimmungs-Injektion) wird mit den Arzneimittelbildern "Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, chronische Infekte und resistente Entzündungen aller Art, Allergien, Heuschnupfen, Bronchialasthma, Hautkrankheiten" beschrieben. Eine Sofortanwendung ist insofern nicht indiziert.

Infi Lactrodectus (Stenocardie-Injektion) findet Einsatz bei "Stenokardien und pectaginösen Beschwerden, kardial bedingter Dyspnoe, Durchblutungsstörungen des Herzmuskels". Pectaginöse Beschwerden (Herzschmerzen, Druck und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend) und kardial bedingte Kurzatmigkeit stellen nach Auffassung der Kammer hinreichende Indikationen für eine Sofortanwendung dar.

Insgesamt geht die Kammer somit davon aus, dass die Arzneimittel Infi Echinacea, Infi Camphora, Infi Spigelia, Infi Tabacum und Infi Lactrodectus im Rahmen der Sofortanwendung zulässigerweise über SSB verordnet werden durften. Für die übrigen Präparate gilt dies nicht; sie unterfallen auch nicht dem abschließenden Katalog der Ziffer IV.5 der SSB-Vereinbarung (Mittel zur Diagnostik bzw. Akuttherapie) und wären als Individualverordnung auf den Namen des Patienten zu rezeptieren gewesen.

Insofern ist durch die unzulässige Verordnung dieser Präparate den beteiligten Krankenkassen ein Schaden entstanden.

Nach Ziffer I.1 der SSB-Vereinbarung erfolgt die Verordnung von SSB zu Lasten der Beigeladenen zu 1). Die Verordnungskosten werden sodann nach den Fallzahlen eines jeden Abrechnungsquartals unter den Krankenkassenverbänden aufgeteilt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Umlagevereinbarung), d.h. ohne Ansehen der mit den verordneten Mitteln versorgten Versicherten und ihrer jeweiligen Krankenkassenzugehörigkeit. Mithin müssen für die Verordnung eines Mittels über SSB zugunsten eines Versicherten im Ergebnis sämtliche Krankenkassen aufkommen und nicht nur diejenige, deren Mitglied die Versicherte ist (zum sog. normativen Schadensbegriff LSG NRW, Urteile vom 30.07.2003, a.a.O.). Dass die Verordnung von Großpackungen über SSB kostengünstiger als über Einzelrezept auf den Namen des Patienten gewesen sein mochte, wie die Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgetragen hat, ist daher rechtlich unerheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenverteilung berücksichtigt, dass der Regress bei einem Gesamtumfang von 580,84 EUR in Höhe von 389,75 EUR aufgehoben wurde, während die Klägerin in Höhe von 191,09 EUR unterlegen ist.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung einer Bevollmächtigten ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).
Rechtskraft
Aus
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