S 35 AS 185/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 185/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft, Xstr. 00, T im Sinne des § 22 Abs. 2 , 3 SGB II in der bis zum 01.08.2006 gültigen Fassung zu erteilen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um einen geplanten Umzug der Antragstellerin.

Die Antragstellerin erhält von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Auf ihren Antrag vom 18.04.2004 hin übernahm die Antragsgegnerin zunächst die Kosten der Unterkunft der Antragstellerin nur teilweise, mit der Begründung, die Antragstellerin wohne in einer unangemessen großen (55 m²) Wohnung. Nach entsprechenden Widersprüchen der Antragstellerin wurden dann von der Antragsgegnerin rückwirkend ab dem 01.01.2005 die gesamten Unterkunftskosten anerkannt.

Im März 2006 wandte sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin mit der Bitte, rückständige Stromkosten zu übernehmen. Hierzu überreichte sie eine Jahresabrechnung der Stadtwerke T, wonach sie in der Zeit vom 11.02.2005 bis zum 06.02.2006 insgesamt Stromkosten in Höhe von 510,88 Euro zu zahlen hatte. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit der Begründung ab, Stromkosten seien Inhalt der Regelleistung.

Darauf hin beantragte die Antragstellerin die Zustimmung der Antragsgegnerin zu einem Umzug in die Xstraße 00 in T. Bei dieser Wohnung handelt es sich um eine 45 m² große Wohnung, die laut Mietvertrag 249,00 Euro monatlich kalt kostet, zzgl. Neben- und Betriebskosten von 50,00 Euro und Kosten für Heizung in Höhe von 50,00 Euro, zusammen also 349,00 Euro. Nach den Richtlinien der Antragsgegnerin ist in Solingen für eine Person eine Wohnung angemessen, wenn sie 45 m² nicht überschreitet und die Kosten für Kaltmiete und Nebenkosten 299,70 Euro nicht überschreiben.

Mit Bescheid vom 18.05.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme für einen Umzug ab.

Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, die Toilette ihrer Wohnung liege außerhalb des Wohnbereichs. Sie leide an einer Inkontinenz, mit der Folge, dass sie besonders häufig die Toilette aufsuchen müsse. Die Toilette und ihr Badezimmer seien nicht geheizt. Hier müsste sie Heizlüfter aufstellen, die elektrisch betrieben würden und die ihre Stromkosten unnötig in die Höhe treiben würden.

Mit Bescheid vom 24.07.2006 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück. Sie führte aus, der erhöhte Strombedarf stelle keinen wichtigen Grund für einen Umzug dar. Außerdem sei eine amtsärztliche Stellungnahme eingeholt worden, wonach aus medizinischer Sicht ein Umzug nicht notwendig sei. Die Toilette befinde sich direkt gegenüber der Wohnungseingangstür der Antragstellerin.

Gegen den Bescheid hat die Antragstellerin Klage erhoben und unter dem 14. August 2006 den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt.

Die Antragstellerin beantragt,

an sie Unterstützung zu einer Mietkaution in Höhe von 720,00 Euro zu leisten und die Kosten für einen Umzugswagen zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist nunmehr der Auffassung, dass ein Grund für einen Umzug bestehe. Die Kosten für Kaltmiete inkl. der Nebenkosten bewegten sich im angemessenen Rahmen. Die Nebenkosten seien allerdings knapp kalkuliert. Nach den Richtlinien der Antragsgegnerin seien bei 45 qm nur 232,20 Euro Kaltmiete zuzügl. 67,50 Euro Nebenkosten (zusammen 299,70 Euro) übernahmefähig. Eine Zusicherung könne daher nicht erteilt werden.

Hierzu hat die Antragstellerin vorgetragen, sie sei notfalls bereit, die Differenz von 16.80 Euro bei der Kaltmiete aus ihren Grundleistungen zu übernehmen.

II.

Der nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.

Der Antrag der Antragstellerin ist vom Gericht auszulegen. Nach § 22 Abs. 2 SGB II in der bis zum 01.08.2008 gültigen Fassung, die hier maßgeblich ist, ist die Zustimmung des kommunalen Trägers zu einem Umzug Voraussetzung dafür, dass der kommunale Träger notwendige Umzugskosten und Wohnungsbeschaffungskosten übernimmt. Die Antragstellerin begehrt daher sinnvoller Weise die Zusicherung des Antragsgegners im Sinne des § 22 Abs. 2, 3 SGB II. Entsprechend hat das Gericht tenoriert.

Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Anordnungsgrund ist vorliegend, dass die Antragstellerin einen konkreten Mietvertrag vorgelegt hat, der ein Mietverhältnis zum 01.10.2006 begründen soll. Da eine Entscheidung in der Hauptsache bis dahin nicht getroffen werden kann, liegt es in der Natur der Sache, dass der Rechtsstreit eilbedürftig ist.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der von ihr begehrte Umzug ist nämlich - bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung - notwendig im Sinne des § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der bis zum 01.08.2006 gültigen Fassung.

Das Gericht lässt ausdrücklich dahinstehen, ob der Antragstellerin ein Verbleib in einer Wohnung zumutbar ist, die nur über eine Toilette außerhalb der Wohnung verfügt. Es kann vorliegend auch dahinstehen, ob ein Umzug aus medizinischen Gründen notwendig ist, was offenbar von der Antragsgegnerin inzwischen nicht mehr bestritten wird. Das Gericht sieht ein Umzugserfordernis aber jedenfalls in den erhöhten Stromkosten, die die Antragstellerin in der bisherigen Wohnung zu zahlen hat. Nach überschlägiger Betrachtung sind die Stromkosten um etwa 40 % höher als bei einem gewöhnlichen Ein-Personen-Haushalt. Dies dürfte in der Tat damit begründet sein, dass die Antragstellerin zusätzlich mit Strom heizt. Die Antragsgegnerin wäre eigentlich verpflichtet, den Teil der Stromkosten die durch Heizen entstehen zu übernehmen. Da die Antragsgegnerin in der Vergangenheit hierzu nicht bereit war und offenbar bis heute nicht ist, müsste die Antragstellerin - bei weiterem Bewohnen der bisherigen Wohnung - die Stromkosten aus ihrer Grundleistung bezahlen. Dies erscheint dem Gericht nicht zumutbar, weil dies die zum Leben der Antragstellerin erforderlichen Mittel schmälert.

Zudem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin in einer unangemessen großen Wohnung wohnt. Zwar bewegen sich derzeit die gesamten Wohnkosten der Antragstellerin noch im Rahmen der Vorgaben der Antragsgegnerin, es ist jedoch zu befürchten, dass bei einer Erhöhung der Miet- oder Nebenkosten die Antragstellerin aus dem Rahmen der Angemessenheitskriterien der Antragsgegnerin heraus fällt. Für diesen Fall könnte ihr die Antragsgegnerin dann die Wohnungsgröße und die aufgrund der Wohnungsgröße anfallenden Nebenkosten entgegenhalten und die Leistungen der Antragstellerin entsprechend kürzen, so wie dies die Antragsgegnerin bereits ab Januar 2005 – offensichtlich rechtswidrig - versucht hat. Vor diesem Hintergrund ist das Begehren der Antragstellerin eine nur noch angemessen große Wohnung von 45 m² zu bewohnen durchaus nachvollziehbar und begründet.

Der erst mit Schreiben vom 05.09.2006 vorgebrachte Einwand der Antragsgegnerin, die Nebenkosten der neuen Wohnung seien zu gering bemessen, vermag nicht zu überzeugen. Ausweislich des vorgelegten Mietvertrages werden als Nebenkosten nur die für kleine Wohnanlagen üblichen Kosten umgelegt. Es besteht kein Anlass zu der Vermutung, die Nebenkosten seien künstlich klein gehalten worden, zumal die geforderten Nebenkosten nur ca. 17 Euro unter der von der Antragsgegnerin aufgestellten absoluten Höchstgrenze liegen. Das Gericht hat auch Bedenken, die Antragsgegnerin mit diesem Einwand nunmehr überhaupt noch zu hören, denn derartige Einwände hätten bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht werden müssen. Hätte die Antragsgegnerin der Antragstellerin bereits im Mai 2006 eine grundsätzliche Bereitschaft zu einem Umzug signalisiert, so hätte die Antragstellerin gegebenenfalls – unter beratender Mithilfe der Antragsgegnerin – die Anmietung einer Wohnung ins Auge gefasst, die den Vorstellungen der Antragsgegnerin genau entspricht. Dies ist nun so nicht mehr möglich, was im Wesentlichen dem Verhalten der Antragsgegnerin zuzurechnen ist. Es erscheint dem Gericht jedenfalls nicht zumutbar, wenn die Antragstellerin nun erneut auf Wohnungssuche gehen soll, mit der Folge, dass sie dann für einen unbestimmten weiteren Zeitraum die heizbedingten Stromkosten selbst zu tragen hat.

Da der Umzug notwendig ist, dürfte die Antragsgegnerin auch verpflichtet sein Umzugskosten und Wohnungsbeschaffungskosten zu übernehmen. Diese müssen aber angemessen sein. Die Antragstellerin wird auf den letzten Absatz des Schreibens der Antragsgegnerin vom 05.09.2006 hingewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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