S 26 R 267/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 267/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 280/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der vor 2001 geltenden Fassung.

Der Kläger ist am 00.00.1962 geboren. Er hat vom 01.09.1978 bis 14.08.1981 den Beruf des Fleischergesellen in drei Jahren mit Abschluss erlernt. Danach war er bei verschiedenen Arbeitgebern überwiegend als Metzger- bzw. Fleischergeselle und als Ladenfleischer tätig. Vor der Stellung des Rentenantrages bzw. vor der Stellung des Rehabilitations-Antrages (vom 15.11.1999) war der Kläger zuletzt rentenversicherungspflichtig als angestellter Ladenfleischer bei der Firma S in E tätig gewesen, von Juli 1995 bis 30.06.1999. Nach den Arbeitgeberauskünften (Bl. 41 ff. der Gerichtsakte, Bl. 36 ff. der Vorprozessakte S 00 RA 000/00) wurde er nach Gehaltsgruppe IIIa des Einzelhandel-Tarifvertrages NRW bezahlt und verrichtete mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30.06.1999 beendet, entsprechend einem arbeitsgerichtlichen Vergleich. Während dieses Zeitraums war der Kläger auch – bereits seit 1993 – in einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung als Zeitungsbote tätig. Nach der Arbeitgeber-Auskunft (Bl. 51 ff. der Gerichtsakte) handelte es sich um eine leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung im Freien. Seit Juli 1999 wurde diese Tätigkeit beim selben Arbeitgeber im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung weiterhin ausgeübt.

Seit Juli 1999 war der Kläger auch arbeitslos gemeldet.

Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, ist er seit dem 01.04.2006 inzwischen im Wege eines befristeten Vertrages wieder im Verkauf tätig bei einem S Markt in N und arbeitet dort 40 Stunden pro Woche. Diese befristete Anstellung dauert noch bis zum 30.09.2006.

Am 15.11.1999 beantragte der Kläger berufsfördernde Leistungen der Beklagten zur Rehabilitation. Solche Maßnahmen lehnte die Beklagte im August 2001 mit Widerspruchsbescheid ab mit der Begründung, die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei im Bezugsberuf des Ladenfleischers bzw. Bereichsleiters nicht erheblich gefährdet oder gemindert. Im Rahmen eines nachfolgenden Klageverfahrens (Vorprozess S 00 RA 000/00 – vom Sozialgericht Düsseldorf beigezogen –) wies der Berichterstatter des Landessozialgerichts, nach erstinstanzlicher Einholung eines orthopädischen Gutachtens von C1 von März 2002, darauf hin, dass der Kläger aus orthopädischen Gründen im Bezugsberuf des Ladenfleischers nicht mehr arbeiten könne. Dem Grunde nach stünden dem Kläger deshalb doch berufsfördernde Rehabilitations-Leistungen zu. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin in einem Vergleich vom 28.03.2003, dem Kläger berufsfördernde Leistungen dem Grunde nach zu gewähren und einen neuen Bescheid zu erteilen. Damit wurde der Vorprozess beendet (Bl. 117 f. der Vorprozessakte S 00 RA 000/00). Zur Ausführung des Vergleiches leitete die Beklagte noch diverse Ermittlungen ein, u. a. Maßnahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung u. a. im Berufsförderungswerk P. Der Kläger absolvierte auch u. a. ein Praktikum in einem Bau- und Heimwerkermarkt, im Rahmen eines modularen Reintegrationsprojektes (Bl. 391 ff. der Rehabilitationsakte, Bl. 151 bis 156 der Gerichtsakte).

Zuvor hatte der Kläger am 20.08.2002 auch Rente wegen "Berufsunfähigkeit" beantragt, unter Hinweis auf die noch offene Umschulungsangelegenheit (Bl. 3 der Rentenakte). Zur Begründung wurde ein Leiden der Lendenwirbelsäule angegeben. Ärztliche Berichte wurden zur Verwaltungsakte gereicht. Die Beklagte veranlasste die Erstellung eines orthopädischen Gutachtens durch I von Dezember 2002. Dieser Gutachter hielt den Kläger zusammengefasst noch für in der Lage, alle leichten und mittelschweren und gelegentlich schweren Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne längere Zwangshaltungen verrichten zu können, dies auch vollschichtig bzw. sechs Stunden und mehr täglich. Der Kläger könne auch noch im Verkauf arbeiten.

Mit Bescheid vom 24.01.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die ärztlichen Feststellungen. Der Kläger sei danach noch in der Lage, Tätigkeiten im bisherigen Beruf als Verkaufs-Bereichsleiter und solche des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, und damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Dagegen legte der Kläger am 26.02.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Beklagte verkenne den Gesundheitszustand und die noch offene Umschulungsangelegenheit. Ein ärztliches Attest wurde eingereicht und der Berufsabschluss als Fleischergeselle nachgewiesen. Die Beklagte veranlasste daraufhin noch die Einholung von Arbeitgeber-Auskünften und eines Arztberichts des Orthopäden O.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2003 (abgesandt erst am 24.10.2003, Bl. 80 der Rentenakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete dies damit, dass der Kläger nach ihren ärztlichen Feststellungen weder als berufsunfähig noch als voll oder teilweise erwerbsgemindert anzusehen sei. Berufsunfähigkeit komme schon wegen des Geburtsdatums des Klägers nach § 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung nicht in Betracht, weil der Kläger erst nach dem 01.01.1961 geboren sei.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 26.11.2003 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.

Der Kläger begründet die Klage damit, dass die Beklagte seinen Gesundheitszustand verkenne und sein Leistungsvermögen falsch beurteile, zumindest was den Zustand von 1999 bis 2003 angehe. Nach jahrelanger Arbeit als Ladenfleischer bzw. Metzgergeselle sei er jedenfalls im Zeitraum von 1999 bis 2003 nicht mehr in der Lage gewesen, im bisherigen Beruf oder in zumutbaren Verweisungsberufen tätig zu sein. Erst nach längerer Arbeitslosigkeit sei er erst durch die Schonung des Rückens jetzt fast beschwerdefrei. Gleichwohl halte er sich auch derzeit weiterhin für berufsunfähig i.S.v. § 43 SGB VI in der vor 2001 geltenden Fassung. Die Angelegenheit wurzele auch noch im alten Recht, bei Aufgabe der früheren Tätigkeit im Fleischergewerbe in 1999. Deshalb sei auch die "Berufsunfähigkeit" nach altem Recht weiterhin zu prüfen. Eine Verweisung auf Tätigkeit an einer Etagenkasse komme seiner Meinung nach schon aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht, solche Tätigkeiten könnten seiner Meinung nach nicht überwiegend im Sitzen verrichtet werden. Im Übrigen habe die Beklagte ihn auch im Rahmen von Teilhabe- bzw. Berufsförderungsmaßnahmen nicht dauerhaft integrieren können. Die jetzige seit April 2006 ausgeübte Tätigkeit im Verkauf bei S sei nur eine befristete Tätigkeit, befristet bis zum Ablauf des September 2006.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI (in der Fassung vor 2001) auf der Grundlage eines Versicherungsfalls vom 01.07.1999 und auf der Grundlage eines in einen Rentenantrag nach § 116 SGB VI umzudeutenden Reha-Antrags vom 15.11.1999 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.11.1999 zu gewähren, weiter hilfsweise diese Rentenform auf Zeit bis zum 31.12.2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, auch ein Versicherungsfall nur der Berufsunfähigkeit nach altem Recht vor 2001 sei nicht eingetreten. Denn auch wenn auf die Aufgabe des erlernten Berufs in 1999 und auf den Rehabilitationsantrag von 1999 abgestellt werde, sei Berufsunfähigkeit i. S. d. alten Rechts nicht eingetreten, weil der Kläger schon nach damaligem Rechtszustand verweisbar gewesen wäre bzw. auch weiterhin verweisbar sei. Auch wenn der Kläger nicht mehr als Ladenfleischer bzw. Abteilungsleiter im Bereich Fleisch und Wurst tätig sein könne – was sie inzwischen mit Stellungnahme vom 12.05.2005 einräume –, so sei noch eine Beschäftigung als Kassierer und Mitarbeiter an der Etagenkasse eines Kaufhauses zumutbar, worauf der Kläger verweisbar sei auch nach § 43 SGB VI in der vor 2001 geltenden Fassung. Der Kläger genieße zwar als ehemaliger Abteilungsleiter für den Bereich Fleisch, Wurst und Käse in einem Supermarkt qualifizierten Berufsschutz, zumal er vier Mitarbeiterinnen damals zu beaufsichtigen gehabt habe und eine gewisse Führungsposition innegehabt habe. Verweisbarkeit sei aber gegeben beispielsweise auf Tätigkeiten, die um eine Stufe des Mehr-Stufen-Schemas des Bundessozialgerichts bzw. um eine Tarifgruppe niedriger eingestuft seien. Beispielhaft dafür könne die Tätigkeit an einer Etagenkasse benannt werden. Dafür spreche auch, dass der Kläger über erhebliche Berufserfahrungen im Bereich Verkauf und Kundenbetreuung verfüge, er habe schließlich Branchenkenntnisse sowohl im Lebensmittelhandel wie auch in einem Baumarkt erworben. Die Einweisungszeit für eine Tätigkeit beispielsweise im Textilbereich bzw. in einem Warenhaus sei mit weit weniger als drei Monaten anzunehmen, auch die eigentliche Kassentätigkeit sei dem Kläger schließlich aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen bekannt. In körperlicher Hinsicht werde die Tätigkeit an einer Etagenkasse überwiegend im Sitzen ausgeübt, bei auftretenden Packarbeiten könne die Körperhaltung auch gewechselt werden. Es bestehe die Möglichkeit einer Nutzbarkeit eines drehbaren und höhenverstellbaren Stuhles an den Kassen, so dass eine solche Tätigkeit insgesamt als körperlich nur leichter Art anzusehen wäre, ohne Heben und Tragen von Lasten in nicht zumutbarer Weise. Eine solche Tätigkeit als Kassierer werde nach dem Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in NRW mit Gehaltsgruppe II bewertet und sei dem Kläger deshalb auch sozial zumutbar. Eine solche Verweisung sei im Übrigen bereits von diversen Landessozialgerichten, auch vom LSG NRW, bestätigt worden, auch nach Arbeitsplatzerkundungen und berufskundlichen Stellungnahmen (Bl. 72 ff. der Gerichtsakte).

Das Gericht hat Auskünfte von letzten zwei Arbeitgebern, bei denen der Kläger bis 1999 beschäftigt war, eingeholt (Bl. 41 ff., 51 ff. der Gerichtsakte, Bl. 36 ff. der Vorprozessakte S 00 RA 000/00) und Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen. Der Internist M teilte mit, auf seinem Fachgebiet ergäben sich keine Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Der Orthopäde O teilte mit, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig durchführen (Bl. 22, 30 der Gerichtsakte). Der Chirurg C2 teilte mit, objektiv sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Leiden auf seinem Fachgebiet nicht nennenswert eingeschränkt, nur subjektiv anscheinend.

Sodann hat das Gericht durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben, welche Erkrankungen im Einzelnen bei dem Kläger vorliegen und wie diese sich auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Der Arzt für Orthopädie und Sozialmedizin T kommt zur Beurteilung, bei dem Kläger lägen im Einzelnen folgende wesentliche Diagnosen vor: 1.Wechselhafte Funktionsstörungen der LWS ohne aktuelle Nervenwurzel-Kompressions-Zeichen bei altem muskulärem Defizit am linken Unterschenkel. Angeborene Formvarianten der kleinen Wirbelgelenke der LWS mit Aufbrauch und Umformungsveränderungen (Facettensyndrom der LWS) und angeborenen Varianten im Kreuzbeinbereich. Beinverkürzung rechts um etwa 1 cm und Haltungsfehler mit statischer Skoliose. Dysbalancen und Minderleistung der rumpfaufrichtenden Muskulatur. Übermäßige Beweglichkeit der LWS (Hypermobilitäts-Syndrom). Leichte Aufbrauch- und Umformungsveränderunen an den Zwischenwirbelscheiben der LWS sowie an den Wirbelkörpern der L- und der HWS. 2.Streckdefizit am rechten Kniegelenk mit Neigung zu belastungsabhängigen Funktionsbeschwerden; angeborene Formvarianten der Kniescheiben (Dysplasie) und Haglunddelle; leichte Knorpelschädigung im Gelenk zwischen Kniescheibe und Oberschenkelrolle bds. 3.Leichtes Streckdefizit des rechten Ellenbogengelenkes nach Verletzung im Jugendalter mit leichten Aufbrauch- und Umformungsveränderungen ohne maßgebliche funktionelle Beschwerden. 4.Leichtes Thoracic-outlet-Syndrom rechts. 5.Senk-Spreizfuß bds ... 6.Leichte Krampfaderbildung am rechten Ober- und Unterschenkel mit Wassereinlagerung im unteren Unterschenkelbereich (Ödeme); links beginnende Veränderungen. 7.Zeigefingerdeformierung links mit Narbenbildung nach Arbeitsunfall. Zahlreiche weitere Narben nach Schnittverletzungen im Berufsleben.

Die Zeigefingerdeformierung bewirke aber keine Funktionseinschränkungen (S. 37 unten des Gutachtens). Mit diesen Befunden könne der Kläger aber noch, so T, vollschichtig, also für die Dauer eines üblichen Arbeitstages, leichte und mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten; auch überwiegend im Gehen und Stehen oder auch überwiegend im Sitzen, bei Meidung von ungünstigen Bedingungen wie langandauernden Zwangshaltungen der Wirbelsäule. In Betracht käme auch noch eine Tätigkeit als Kassierer an einer Etagenkasse eines Kaufhauses, wie in den berufskundlichen Unterlagen der Gerichtsakte beschrieben, dies auch vollschichtig. Der Kläger könne auch noch Wegstrecken zu Fuß von viermal mehr als 1000 m täglich zurücklegen (in einer Zeit von weniger als 15 bis 20 Minuten für 500 m) und öffentliche Verkehrsmittel benutzen und einen Pkw als Fahrer. Die Tätigkeit als Zeitungsausträger sei nicht auf Kosten der Gesundheit ausgeübt worden. Seine Beurteilung gelte auch seit Ende Juni 1999.

Das Gericht hat ferner noch das Gutachten des Orthopäden W aus dem Verfahren des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft beigezogen, das am Tage vor der Sitzung bei der 3. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf eingegangen ist. Kopien dieses Gutachtens wurden in der mündlichen Verhandlung den Beteiligten ausgehändigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und auch fristgerecht erhoben. Der Widerspruchsbescheid wurde von der Beklagten erst am 24.10.2003 abgesandt, was sich aus Bl. 80 der Rentenakte ergibt; er gilt damit fiktiv nach § 37 Abs. 2 SGB X als erst am 27.10.2003 zugegangen. Die Klagefrist lief damit bis zum Ablauf des 27.11.2003. Bereits einen Tag zuvor wurde die Klage beim Sozialgericht Düsseldorf anhängig gemacht.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 24.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2003, sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden im Ergebnis zutreffend die Gewährung einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.

Ein Anspruch auf die mit der Klage allein noch geltend gemachte Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der vor 2001 geltenden Fassung ergibt sich nämlich nicht für den Kläger. Der Kläger kann zwar dem Grunde nach zulässig einen solchen Rentenanspruch nach § 43 SGB VI in der Fassung vor 2001 geltend machen, auch wenn die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden über diese Rechtsnorm nicht ausdrücklich entschieden hat (vgl. Urteile des BSG vom 05.10.2005 - B 5 RJ 6/05 R - und vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R -, wonach es bei Ablehnung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung ist, ob die Beklagte sich in ihren angefochtenen Bescheiden sowohl mit dem Rechtszustand vor 2001 wie auch mit dem Rechtszustand nach 2001 auseinandergesetzt hat). Der Kläger ist aber - nachdem ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach altem Recht oder auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach neuem Recht oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach neuem Recht nicht mehr geltend gemacht wird - auch nicht einmal nur als berufsunfähig i.S.v. § 43 SGB VI in der vor 2001 geltenden Fassung anzusehen. § 43 SGB VI in der vor 2001 geltenden Fassung ist zwar grundsätzlich anwendbar unter Zugrundelegung des geltend gemachten Versicherungsfalles (am 01.07.1999, unmittelbar nach Aufgabe der letzten Tätigkeit im Fleischereigewerbe) und unter Zugrundelegung eines im Falle von Berufsunfähigkeit in einen Rentenantrag umdeutbaren Rehabilitationsantrages vom 15.11.1999 (§ 116 SGB VI), weil im Falle von Berufsunfähigkeit schon seit 01.07.1999 dann ein Rentenbeginn schon unter der Geltung alten Rechts dem Grunde nach ab 01.11.1999 eintreten würde. Die medizinischen Voraussetzungen für einen Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs. 2 SGB VI sind aber nicht erfüllt.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI in der vor dem 01.01.2001 geltenden Fassung waren bzw. sind Versicherte berufsunfähig,

deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die an Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen erfüllte und erfüllt der Kläger nicht, auch nicht für einen zurückliegenden Zeitraum nur bis Ende 2003. Denn der Kläger kann noch vollschichtig, d.h. acht Stunden täglich - § 3 Arbeitszeitgesetz -, also für die Dauer eines üblichen Arbeitstages, eine körperlich leichte und auch mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung verrichten, auch überwiegend im Gehen und Stehen oder auch überwiegend im Sitzen, bei Meidung lediglich von langandauernden Zwangshaltungen der Wirbelsäule, so wie das der Sachverständige T in seinem Gutachten im Einzelnen ausgeführt hat. Der Kläger kann damit beispielsweise noch eine Tätigkeit als Kassierer an einer Etagenkasse oder Sammelkasse eines Kaufhauses verrichten, auch vollschichtig, worauf er verweisbar ist, und ist deshalb nicht als berufsunfähig i.S.v. § 43 SGB VI a.F. anzusehen, wobei diese Beurteilung nach dem Votum des Sachverständigen auch bereits seit Juni 1999 so gilt und auch fort gilt.

Was das allgemeine Leistungsvermögen des Klägers angeht, so ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger - und dies seit Ende Juni 1999 - dem Grunde nach noch vollschichtig eine körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung verrichten kann, so wie das oben bzw. im Gutachten von T im Einzelnen beschrieben ist, zumal eine substantiierte medizinische Stellungnahme zu dem Gutachten von T nicht abgegeben wurde; die Beurteilung von T deckt sich sogar im Wesentlichen mit der Beurteilung des behandelnden Orthopäden O, der gleichfalls eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten bejaht hat (Bl. 30 der Gerichtsakte). Auch aus dem von der 3. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf beigezogenen Gutachten von W aus dem Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft ergeben sich keine dem entgegenstehenden Gesichtspunkte. Zwar ist dieses Gutachten für einen anderen Rechtskreis und für andere Beweisfragen erstellt worden; gleichwohl lässt sich aus diesem Gutachten ableiten, dass auch weder eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Hals- noch der Lendenwirbelsäule vorliegen oder sonst weitere Gesundheitsstörungen, die T nicht schon berücksichtigt hätte. Gegen das Vorliegen weiterer schwerwiegender Gesundheitsstörungen spricht auch, dass der Kläger seit dem 01.04.2006 inzwischen wieder vollschichtig tätig ist, im Verkauf bei S wenn auch nicht mehr unmittelbar im Fleischerbereich. Denn die tatsächliche Ausübung einer Berufstätigkeit hat auch einen hohen Beweiswert, sie kann sogar einen höheren Beweiswert haben als Befunde (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 RVO Nr. 12 und BSGE 47, 57 ff.).

Mit dem wie oben beschriebenen vollschichtigen Leistungsvermögen für körperlich leichte und auch mittelschwere Tätigkeiten ist der Kläger aber nicht berufsunfähig i.S.v. § 43 SGB VI a.F. Denn nach dieser Vorschrift ist auch bei - zwischen den Beteiligten unstreitiger - Leistungsunfähigkeit in Bezug auf die bis Ende Juni 1999 ausgeübte Tätigkeit als angestellter Ladenfleischer eine Verweisbarkeit auf andere noch zumutbare Tätigkeiten zu prüfen, beispielsweise auch auf die Tätigkeit als Kassierer an einer Etagenkasse oder Sammelkasse eines Kaufhauses. Diese Verweisbarkeit des Klägers ergibt sich aus dem von dem Bundessozialgericht entwickelten Stufenschema. Danach gibt es die Angestellten ohne reguläre Ausbildung bzw. mit nur Anlernung, die Angestellten mit einer abgeschlossenen Ausbildung von bis zu zwei Jahren, die Angestellten mit einer Ausbildungsdauer von über zwei Jahren und entsprechendem Berufsabschluss und dann noch die besondere Gruppe derjenigen Angestellten, die Leitungsfunktionen innehaben und im Bereich der Beitragsbemessungsgrenze arbeiten. Zu beachten ist dabei, dass sich der Berufsschutz, also die Berufsstufe, grundsätzlich in aller Regel nach Intensität und Dauer der erforderlichen Ausbildung für eine vor Antragstellung zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit richtet und nicht nach irgendeiner tariflichen Einstufung oder Entlohnung (BSG Urteil vom 25.01.1994 in: Amtliche Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 1994, 313 ff., 316). Dabei müssen sich Versicherte einer Stufe nach der Rechtsprechung auf die gleiche oder auf die nächst untere Berufsstufe verweisen lassen. Der Kläger ist nach seiner Berufsbiographie anzusehen wie ein Angesteller mit einer regulären Ausbildungsdauer von drei Jahren. Denn für die langjährig bis Juni 1999 ausgeübte Tätigkeit als angestellter Ladenfleischer hat der Kläger offenkundig seine Kenntnisse und Erfahrungen als Fleischergeselle mit eingebracht. Ein weitergehender Berufsschutz kommt dem Kläger aber nicht zu, da die vom Kläger bis Juni 1999 erzielten Entgelte sich nicht im Bereich der Beitragsbemessungsgrenze bewegten, sondern nur bei etwa 65 % der Beitragsbemessungsgrenze lagen. Für das Jahr 1998 betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern 100.800,- DM; der Kläger verdiente als angestellter Ladenfleischer in diesem Jahr 61.175,- DM. Im Jahr 1999 betrug die Beitragsbemessungsgrenze 102.000,- DM, für sechs Monate also 51.000,- DM. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1999 verdiente der Kläger als angestellter Ladenfleischer 30.885,- DM, was sich aus dem zur Gerichtsakte gelangten Versicherungsverlauf vom 21.06.2004 ablesen lässt. Der Kläger ist also anzusehen wie ein Angestellter mit einer Ausbildungsdauer von bis zu drei Jahren und damit dem Grunde nach verweisbar sogar auf Tätigkeiten der nächst unteren Stufe, also auf Tätigkeiten, die ihrerseits nur eine Ausbildung bis zu zwei Jahren Dauer voraussetzen würden. In Betracht käme für den Kläger aber, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, sogar eine Tätigkeit in der gleichen Berufsstufe als Kassierer an einer Etagen- oder Sammelkasse eines Kaufhauses, die ähnlich vergütet wird wie die Tätigkeit für einen dreijährigen Angestellten und die auch nur eine Tarifstufe niedriger bezahlt wurde als die bisherige Tätigkeit des Klägers als Ladenfleischer. Die Kammer macht sich damit die berufskundliche Stellungnahme der Beklagten vom 12.05.2005 (Bl. 72 ff. der Gerichtsakte) zu eigen und folgt dieser in jeder Hinsicht, zumal diese Ansicht auch untermauert wurde durch diverse Urteile, auch des LSG NRW und durch berufskundliche Unterlagen z. B. der Firma Q und D. Eine solche Tätigkeit als Kassierer an der Etagen- oder Sammelkasse eines Kaufhauses kann der Kläger damit sowohl in körperlicher wie auch geistiger Hinsicht wie auch in sozialer Hinsicht ausüben. Dass der Kläger eine dementsprechende Tätigkeit in körperlicher Hinsicht ausüben kann, lässt sich ohne Weiteres aus dem Gutachten von T ableiten. Er hält den Kläger nicht nur für fähig, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten, er hält den Kläger sogar für in der Lage, auch mittelschwere Tätigkeiten ausüben zu können; soweit der Kläger dagegen einwendet, etwaige Tätigkeiten als Kassierer einer Etagen- oder Sammelkasse eines Kaufhauses seien in der praktischen Wirklichkeit nicht überwiegend im Sitzen auszuüben, verfängt dieses Argument hier schon deshalb nicht, weil der Kläger nach dem Gutachten von T leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auch überwiegend im Gehen und Stehen verrichten kann, also nicht nur in vorwiegend sitzender Körperhaltung. Dabei sind selbst Zwangshaltungen nicht schlechthin kontraindiziert; T hat nur langandauernde Zwangshaltungen der Wirbelsäule (S. 39 Mitte des Gutachtens) (ausgeschlossen). Sonstige von T gemachten qualitativen Einschränkungen wirken sich auf eine Tätigkeit an einer Etagenkasse oder Sammelkasse nicht aus, denn solche Tätigkeiten sind nach dem überzeugenden Urteil des LSG NRW vom 31.03.2003 (L 3 RA 20/01 - Bl. 90 ff. der Gerichtsakte -) körperlich nur leichte Arbeiten mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung ohne ansonsten ungünstige Bedingungen (S. 11 f. des erwähnten Urteils). Die Kammer hat auch hinsichtlich einer zeitnahen Einsetzbarkeit des Klägers in der Verweisungstätigkeit keine Zweifel. Wie sich aus dem erwähnten Urteil des LSG NRW ergibt, und auch aus den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen X von der L AG, liegt die Einarbeitungszeit für Arbeiten an Etagen-Bereichs- bzw. Sammelkassen regelmäßig nur bei bis zu drei Monaten; vor dem Hintergrund der beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse des Klägers als Ladenfleischer ist anzunehmen, dass auch der Kläger sich in eine solche Arbeit innerhalb von weniger als drei Monaten Einarbeitungszeit einfügen könnte. Auch die psychologischen Stellungnahmen, die im Rahmen des Verfahrens betreffend berufsfördernde Leistungen bzw. Teilhabeleistungen abgegeben wurden, sprechen dafür. Insgesamt liegt bei dem Kläger nach dem Bericht des Berufsförderungswerks P eine insgesamt durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit vor (Bl. 251 und 258 der Rehabilitationsakte). Die Tätigkeit als Kassierer an einer Etagen- oder ähnlichen Kasse im Bereich von Kaufhäusern ist auch der vor Antragstellung ausgeübten Tätigkeit als Ladenfleischer durchaus berufsverwandt. Die Kammer macht darauf aufmerksam, dass die von der Beklagten im Rahmen der berufskundlichen Stellungnahme zitierten Urteile des LSG NRW sich vorwiegend auf Fleischereifachverkäufer und Lebensmittelverkäufer bezogen, die bisherige Tätigkeit des Klägers als Ladenfleischer ist dabei durchaus als berufsverwandt anzusehen. Im Übrigen spricht auch die jetzt von dem Kläger vollschichtig ausgeübte Tätigkeit bei S im Verkauf dafür, dass der Kläger die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten ausüben könnte. Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Kläger derzeit ausgeübte Tätigkeit nur auf Kosten der Gesundheit verrichtet würde, bestehen nicht; im Gegenteil. Denn mit dem Schreiben vom 03.07.2006 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 17.07.2006 räumt der Kläger selbst ein, dass er "im Moment fast beschwerdefrei" sei, dies also auch schon zum Zeitpunkt der (erneuten) Ausübung einer Tätigkeit bei S im Verkauf. Der Kläger hat sogar gegenüber dem Gutachter W (im Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft) angegeben, er habe zur Zeit keine orthopädischen Beschwerden und könne auch nicht sagen, wann er zuletzt wegen Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung gewesen sei (S. 4 Mitte des Gutachtens von W).

Im Übrigen ist die Situation des Arbeitsmarktes unerheblich, und dass der Kläger seit Mitte 1999 entweder nur eine geringfügige Tätigkeit als Zeitungsbote ausübte oder erst inzwischen wieder in Arbeit ist und lange Zeit arbeitslos war. Denn das Risiko der Vermittelbarkeit des Klägers fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung. Auch der Gesetzgeber hat klargestellt, dass die Arbeitsmarktlage eines vollschichtig in einem fachlich zumutbaren Beruf einsetzbaren Versicherten außer Betracht zu bleiben hat, § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI in der Fassung vor 2001 (und BSG Urteil vom 18.07.1996 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 52).

Bei dieser Sachlage kam ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach altem vor 2001 geltenden Recht nicht in Betracht, weder auf Zeit noch auf Dauer. Darüber hinausgehend sind Ansprüche nicht mehr geltend gemacht worden, und im Übrigen hätte ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach neuem Recht (§ 240 SGB VI) für den Kläger schon deshalb nicht bestehen können, weil er erst nach dem 01.01.1962 geboren ist. Da schon die Voraussetzungen einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach altem (oder auch nach neuem) Recht nicht vorlagen, war auch Erwerbsunfähigkeit i.S.v. § 44 SGB VI in der Fassung vor 2001 oder volle Erwerbsminderung oder teilweise Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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