S 28 AS 273/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 273/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der am 26.9.2006 von der Antragstellerin gestellte Antrag,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Kosten für die Kaution für die Wohnung Nstraße 00, 00000 U in Höhe von 1020,00 Euro, hilfsweise in Höhe von 720,00 Euro zu übernehmen,

hat keinen Erfolg.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-). Die Entscheidung des Gerichtes im einstweiligen Rechtsschutz darf grundsätzlich keine Vorwegnahme der Hauptsache enthalten (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, 8. Auflage 2005, § 86 b Rdn. 31).

Dem Antrag mangelt es bereits an einem Anordnungsgrund. Das Gericht kann nicht erkennen, dass der Antragstellerin wesentliche Nachteile drohen würden, die abzuwenden wären (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG), also die Gefahr der Vereitelung des Rechts bestünde oder sie schwere rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile hätte, wenn sie bis zur Entscheidung in der Hauptsache warten müsste. Die Gefahr, dass das beanspruchte Recht - hier Übernahme der Kaution durch die Antragsgegnerin - rechtlich oder tatsächlich vereitelt würde, ist nicht ersichtlich, da der Anspruch im Rahmen des gültigen Rechts geltend gemacht und die leistungsverpflichtete öffentliche Hand nicht konkursfähig ist. Es verbleibt für die Annahme der Eilbedürftigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile nur das Auftreten einer akuten, existenziellen Not der Antragstellerin und ihrer Familie, die es rechtfertigen könnte, ausnahmsweise die Hauptsache vorweg zu nehmen und die Antragsgegnerin zur Zahlung der begehrten Leistung vorläufig zu verpflichten (LSG NRW Beschluss vom 9.6.2005 -L 9 B 25/05 AS ER-). Eine akute, existenzielle Notlage kann das Gericht im Fall der Antragstellerin nicht erkennen. Die Antragstellerin verfügt für sich und ihre Töchter über eine Unterkunft. Sie hat mit ihren Töchtern die zum 1.10.2006 angemietete Wohnung Nstraße 00, U, für die die streitbefangene Kaution zu entrichten ist, inzwischen bezogen. Der unmittelbare Verlust dieser Unterkunft und damit eine drohende Obdachlosigkeit der Antragstellerin und ihrer Kinder stehen derzeit nicht zur ernsthaften Befürchtung. Hinsichtlich der im Mietvertrag vom 14.8.2006 vereinbarten Kaution in Höhe von 1020,00 Euro hat die Antragstellerin am 9.10.2006 eine Rate in Höhe von 510,00 Euro an die Vermieter gezahlt. Ob inzwischen weitere Zahlungen auf die noch offene Kautionsschuld in Höhe von 510,00 Euro erfolgt sind, ist nicht bekannt. Aber auch bei Nichtzahlung des noch offenen (anteiligen) Kautionsbetrages ist der Wohnraum der Antragstellerin in unmittelbare Zukunft nicht gefährdet. Eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch die Vermieter, die den unmittelbar bevorstehenden Verlust der Unterkunft wahrscheinlich machen würde und daher eine sofortige Entscheidung des Gerichtes rechtfertigen könnte, ist im Falle der Nichterfüllung der Kautionsschuld ausgeschlossen (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-, § 551 Rdn. 5). Das ergibt sich zudem ausdrücklich aus § 22 (Abs. 2) des zwischen der Antragstellerin und ihren Vermietern geschlossenen Mietvertrages vom 14.8.2006. Allenfalls das Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses nach § 573 BGB mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist (§ 573 c BGB) kann dem Vermieter im Fall der Nichterfüllung der Kaution zustehen. Eine ordentliche Kündigung ist aber von Seiten der Vermieter gegenüber der Antragstellerin bislang weder angedroht noch ausgesprochen worden, so dass ein zeitnaher Verlust der Unterkunft nicht im Raume steht. Eine besondere Dringlichkeit für eine gerichtliche Entscheidung kann das Gericht daher derzeit nicht sehen. An dieser Stelle weist das Gericht die unvertretene Antragstellerin auf die Regelung des § 551 Abs. 2 und Abs. 4 BGB hin. Danach ist der Mieter, soweit er als Sicherheit eine Geldsumme (Kaution) bereitzustellen hat, zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen berechtigt. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Auch fehlt es dem Antrag an einem hinreichend glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht mehr dagegen als dafür, dass der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Übernahme der Kaution nach § 22 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch -Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II) zusteht. Nach Satz 1 dieser Regelung können Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zustimmung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Nach Satz 2 soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Zunächst fehlt es unstreitig an einer vorherigen Zusicherung der Antragsgegnerin zur Anmietung der neuen Unterkunft Nstraße 00, U. Es kann dahin stehen, ob in diesem Fall die Zusicherung im Nachhinein erteilt bzw. festgestellt werden kann (bejahend SG Lüneburg Beschluss vom 14.3.2006 -S 25 AS 223/06 ER-; ablehnend LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 28.9.2006 –L 14 B 733/06 AS ER-). Denn ungeachtet dessen bestehen begründete Zweifel, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung der Zusicherung nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II hat, so dass die Ablehnung der Übernahme der Mietkaution nicht rechtswidrig sein dürfte. Zwar ist der Umzug von der Antragsgegnerin veranlasst worden, weil die ehemalige Unterkunft der Antragstellerin hinsichtlich Größe (Wohnfläche 110 qm) und Aufwendungen (690,00 Euro) unangemessen war. Es kommt jedoch auch bei behördlicher Veranlassung des Umzuges für die Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- bzw. Kautionskosten maßgebend darauf an, ob die Kosten der neu angemieteten Unterkunft angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II sind. Denn grundsätzlich ist der Leistungsträger nur zur Übernahme von angemessenen Unterkunftskosten verpflichtet und durch den behördlich veranlassten Umzug aus einer unangemessenen Unterkunft sollen die Unterkunftskosten auf ein angemessenes Maß herab gesenkt werden. Nach dieser Maßgabe können Mietkautionen nur dann übernommen werden, wenn die Kosten der neu angemieteten Unterkunft angemessen sind. Denn der Leistungsträger kann nicht verpflichtet werden, den Einzug in eine unangemessen große oder teure Wohnung durch Übernahme der Mietkaution zu ermöglichen (SG Lüneburg 28.3.2006, aaO, mit weiteren Nachweisen). Die von der Antragstellerin mit ihren Töchtern neu bezogene Wohnung ist zwar hinsichtlich ihrer Größe mit einer Wohnfläche von 58 qm angemessen groß, weil für einen Drei-Personen-Haushalt Wohnungen mit einer Wohnfläche bis zu 75 qm als angemessen angesehen werden. Die Wohnung dürfte jedoch hinsichtlich der Mietaufwendungen unangemessen teuer sein. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftsaufwendungen ist auf den jeweiligen örtlichen Mietmarkt abzustellen. Nach allgemeiner Auffassung ist insoweit aber nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren (nicht untersten) Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfesuchenden marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen, denn dem Hilfesuchenden steht lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zu (BSG 7.11.2006 –B 7 b AS 18/06 R-). Hilfestellungen können dabei u.a. die örtlichen Mietspiegel liefern (Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdn. 45), weil sie die aktuelle Preisstruktur des jeweiligen örtlichen Mietmarktes zuverlässig widerspiegeln. Die Antragsgegnerin hat dem aktuellen Mietspiegel der Stadt Tönisvorst -dritte Mietaltersstufe- folgend einen qm-Preis von 4,80 Euro (Kaltmiete) angenommen. Ausgehend von einer Höchstwohnfläche von 75 qm für einen Drei-Personen-Haushalt hat sie eine Kaltmiete in Höhe von 360,00 Euro als angemessen angesehen. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden. Auch die Antragstellerin hat hiergegen keine Einwände erhoben und insbesondere nicht bestritten, dass Mietwohnraum zu dem vorgegebenen qm-Preis von 4,80 Euro in Tönisvorst zur Verfügung steht. Da die Unterkunft der Antragstellerin mit einer Kaltmiete von 380,00 Euro die angemessene Kaltmiete in Höhe von 360,00 Euro überschreitet, bewohnt sie eine unangemessen teure Wohnung. Der Annahme einer unangemessenen Unterkunft kann auch nicht entgegen gesetzt werden, dass sich die zu errechnende Überschreitung auf (lediglich) 20,00 Euro belaufe und deshalb ggf. wegen Geringfügigkeit als unbeachtlich anzusehen sei. Eine Überschreitung dürfte nur gerechtfertigt sein, wenn feststeht, dass es am Wohnort der Antragstellerin Wohnraum zu den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Konditionen nicht in hinreichendem Umfang zur Anmietung bereit steht. Das liegt hier nicht vor, denn die Antragsgegnerin hat insoweit Unterlagen vorgelegt, denen entnommen werden kann, dass Wohnraum ihren Vorgaben entsprechend in der Gemeinde Tönisvorst vorhanden ist bzw. war. So waren ausweislich der in den Verwaltungsakten vorhandenen Listen über die Wohnungsangebote des Sozialen Wohnungsmarktes in St. Tönis im Februar 2006 Sozialwohnungen in der Größe von ca. 63 qm (2 Räume) zum Preis von 304,00 Euro kalt (Am Düngelshof) bzw. von 67 qm, 76 qm, 75 qm und 65 qm (3 Räume) zum Preis von 276,00 Euro, 260,74 Euro, und 258,46 Euro kalt (Buchenstraße, Corneliusstraße); im Juni 2006 in der Größe von ca. 63 qm (2 Räume) zum Preis von 276,00 Euro bzw. 304,00 Euro kalt (Am Düngelshof) und von ca. 66 qm zum Preis von 203,39 Euro kalt (Corneliusplatz) und im Juli 2006 in der Größe von ca. 63-64 qm (2 Räume) zum Preis von 276,00 Euro/304,00 Euro bzw. 300,00 Euro kalt (Am Düngelshof) und von ca. 66 qm (3 Räume) zum Preis von 203,39 Euro kalt (Corneliusplatz) verfügbar. Das Gericht geht daher davon aus, dass es der Antragstellerin in der Folgezeit nach der Aufforderung, die Unterkunftskosten zu senken (Aufforderungsschreiben vom 27.9.2005) möglich war, in St. Tönis eine hinsichtlich der Aufwendungen angemessene Wohnung anzumieten. Mietet die Antragstellerin gleichwohl eine unangemessene Unterkunft an, kann die Antragsgegnerin nicht verpflichtet werden, die Zusicherung zur Übernahme der Mietkaution zu erteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Rechtskraft
Aus
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