S 16 (24) KN 26/04 U

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (24) KN 26/04 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 222/06 U
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie die Feststellung einer Berufskrankheit gemäß Nr. 70 BKVO-DDR, hilfsweise die Feststellung einer Berufskrankheit nach den Nr. 71, 72 BKVO-DDR.

Der 1950 geborene Kläger arbeitete nach eigenen Angaben in der damaligen DDR vom 01.09.1964 bis zum 31.08.1967 als Hauerlehrling, war danach bis zum 28.04.1968 als Hauer und anschließend als Zugführer tätig. Vom 02.05.1978 bis zum 24.08.1990 war er bei der T-X als Sprenghauer beschäftigt. Danach arbeitete er nicht mehr im Bergbau.

2003 teilte er der Beklagten mit, seine Halswirbelsäulenbeschwerden seien auf seine Untertage-Tätigkeit als Sprenghauer im Uranerzbergbau der früheren DDR zurückzuführen. Die Beklagte zog daraufhin über den Kläger vorliegende medizinische Unterlagen bei und hörte ihren Technischen Aufsichtsdienst, der eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit verneinte.

Nachdem gewerbeärztlicherseits B wegen Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Beklagten empfohlen hatte, das beim Kläger vorliegende chronische Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule nicht als Berufskrankheit nach Nr. 2109 anzuerkennen, lehnte die Beklagte eine Feststellung dieser Berufskrankheit ab (Bescheid vom 10.11.2003).

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, sein Halswirbelsäulenleiden sei durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter verursacht worden. Er habe Untertage ständig Hölzer geschleppt, es habe sich um 3,50 m bis 5 m lange Hölzer mit einem Durchmesser von 20 bis 30 cm gehandelt. Diese seien zur Abstützung im Bergbau (Stempel und Kappen) benötigt worden.

Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der X GmbH ein, der zu entnehmen ist, es sei lediglich in besonderen Situationen vorgekommen, dass bei der Hauertätigkeit manuelle Transporte von Lasten von mindestens 50 kg über eine Strecke von mehr als 50 m hätten durchgeführt werden müssen. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten äußerte daraufhin, diese Auskunft belege, dass der Trageanteil von Gewichten mit mindestens 50 kg pro Schicht weniger als 1,5 Stunden ausgemacht habe.

Auf dieser Grundlage wies der Widerspruchsausschuss bei der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.02.2004).

Mit seiner am 11.03.2004 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, er habe als Sprenghauer Gerätschaften und Lasten jeden Tag zu seinem Arbeitsplatz zu transportieren gehabt. Technische Hilfsmittel hätte es damals nicht gegeben. Er habe in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten schwere Hölzer mit einem Gewicht von weit über 50 kg auf der Schulter schleppen müssen. Aufgrund der Arbeitsbedingungen leide er unter bandscheibenbedingten Erkrankungen der Halswirbelsäule.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2004 eine Berufskrankheit nach Nr. 2109 der BKV anzuerkennen und

festzustellen, dass es sich bei den im Verlauf seiner Untertage erfolgten Berufs- ausübung als Facharbeiter für Bergbautechnologie und als Sprenghauer von 09/64 bis 05/68 im Steinkohlenbergbaubetrieb N I A und von 05/78 bis 08/90 im Uranerzbergbaubetrieben der T X und der infolge der Verschlimmerungswirkungen eines Arbeitsunfalls vom 27.03.1990 (Teilverschüt- tung) erlittenen Schädigungen – Verschleißerkrankungen der Wirbelsäule, Verschleißerkrankungen von Gliedmaßengelenken einschließlich von Zwischen- gelenken, Erkrankung der Sehnengleitgewebe durch langjährige Überbelastung - um unmittelbar Berufsausübungs- und hinsichtlich der Verschlimmerungswirkung um arbeitsunfallbedingte Schädigungen handelt, die im Verlauf seines Berufs- lebens chronischen Charakter annahmen, infolge zu seiner Berufsunfähigkeit führten und somit als Berufskrankheit gemäß Nr. 70 BKVO-DDR,

hilfsweise Berufskrankheit nach Nr. 71 BKVO-DDR und hilfsweise Nr. 72 BKVO- DDR anzuerkennen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes.

Zur Arbeitsüberlastung des Klägers hat das Gericht die Rentnerin K, den Bergmann G und den Bus- und Straßenbahnfahrer L im Wege der Rechtshilfe vernehmen lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unzulässig, soweit sie auf die Feststellungen von Berufskrankheiten nach dem Recht der ehemaligen DDR gerichtet ist. Es fehlt an einer den Kläger belastenden Verwaltungsentscheidung. Der angefochtene Bescheid vom 10.11.2003 betrifft lediglich die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass das Begehren des Klägers auch unbegründet ist. Gemäß § 215 Abs. 1 SGB VII gilt für die Übernahme der vor dem 01. Januar 1992 eingetretenen Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nach wie vor § 1150 Absätze 2 und 3 Reichsversicherungsordnung (RVO). § 1150 Abs. 2 RVO bestimmt, dass Berufskrankheiten nach dem in der DDR geltenden Recht nicht als Berufskrankheit nach hiesigem Recht anzuerkennen sind, sofern sie dem Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31.12.1993 bekannt werden und nach dem hier geltenden Recht nicht zu entschädigen sind. Der Beklagten ist die HWS-Erkrankung des Klägers erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden. Im Übrigen handelt es sich um keine Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV. Soweit der Kläger die Feststellung einer solchen Berufskrankheit unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2004 begehrt, ist insoweit zulässige Klage daher unbegründet. Es fehlt an den sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen. Aufgrund der Aussage des Zeugen L ist zwar davon auszugehen, dass der Kläger im Zeitraum von 1978 bis 1979 durchschnittlich 1 Stunde pro Arbeitsschicht Lasten von mindestens 50 kg auf der Schulter hat tragen müssen. Dabei hat es sich um Rundhölzer (mehr als 50 kg) und Halbhölzer (Gewicht von ca. 15 bis 20 kg) gehandelt. Mit dem Technischen Aufsichtsdienst geht die Kammer jedoch davon aus, dass die Hölzer zwar auf der Schulter getragen worden sind, aber nicht mit Druck auf die Halswirbelsäule. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV beim Tragen von starren Objekten auf der Schulter in aufrechter Position nicht erfüllt werden ist (vgl. Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, M 2109 Rn. 2). Hinweise für diese Auffassung lassen sich auch dem vom Bundesminister für Arbeiter herausgebenen Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV entnehmen. Danach ist als berufliche Voraussetzung eine statische Belastung der zervikalen Bewegungssegmente und eine außergewöhnliche Zwangshaltung der Halswirbelsäule erforderlich. Eine derartige kombinierte Belastung der Halswirbelsäule wird zum Beispiel bei Fleischträgern beobachtet, die Tierhälften oder -viertel auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel tragen. Die nach vorn und seitwärts erzwungene Kopfbeugehaltung und das gleichzeitige das maximale Anspannen der Nackenmuskulatur führen dabei zu einer Hyperlordosierung und auch zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule. Dies wiederum kann zu einer bandscheibenbedingten Erkrankung führen. Im Falle des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Tragen der Hölzer in seitwärts erzwungener Kopfbeugehaltung erfolgt ist. Vielmehr nimmt die Kammer mit dem Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten an, dass diese Hölzer in aufrechter Position auf der Schulter getragen worden sind, ohne dass es zu einer seitwärts erzwungenen Kopfbeugehaltung gekommen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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