S 35 AS 245/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 245/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet der Antragstellerin für den Zeitraum vom 21. November 2006 bis 30. November 2006 222,75 Euro und für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 jeweils 668,25 Euro zu zahlen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X aus E bewilligt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist kanadische Staatsangehörige.

Sie hält sich seit dem Jahr 2001 berechtigt in Deutschland auf.

Unter dem 25.03.2003 hat Herr H gegenüber dem Ausländeramt der Stadt S eine selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorrausklage abgegeben. In dieser Bürgschaft hat sich Herr H verpflichtet

"für die Hilfe zum Lebensunterhalt und in besonderen Lebenslagen (§ 1 BSHG ) sowie eventuelle Rückforderungskosten für die Antragstellerin voll und ganz aufzukommen".

Im September 2004 stellte die Antragstellerin erstmals einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. In der Folge erhielt sie bis Juli 2006 fortlaufend Leistungen in Höhe von 668,25 Euro. Am 16.10.2006 stellte die Antragstellerin einen Fortzahlungsantrag, der unter dem 24.10.2006 mit der Begründung abgelehnt wurde, die Antragstellerin sei nicht bedürftig, da sie sich an Herrn H wenden könne. Dieser schulde ihr Unterhalt und Wohnraum.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit dem am 21. November 2006 bei Gericht eingegangenen Antrag. Die Antragstellerin ist der Auffassung, ein Rechtverhältnis bestünde nur zwischen der Stadt S und Herrn H.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß:

Die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen in Höhe von monatlich 668,25 Euro zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund bestehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Der nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Antrag ist in dem tenorierten Umfang begründet.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn sie hat dargelegt, dass sie mittellos ist.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung spricht vieles dafür, dass die Antragstellerin Anspruch auf Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch hat. Einem solchen Anspruch dürfte die selbstschuldnerische Bürgschaft, die Herr H gegenüber der Stadt S abgegeben hat, nicht entgegen stehen. Abgesehen davon, dass die selbstschuldnerische Bürgschaft zwischen einer Behörde und einer Privatperson, die beide am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt sind, geschlossen wurde, gibt schon der Wortlaut der Bürgschaft nicht wieder, dass sich H dazu verpflichtet haben soll, die Antragstellerin gegenüber Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch frei zu halten. Vielmehr verpflichtet sich Herr H lediglich, dafür Sorge zu tragen, dass die Antragstellerin keine Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz in Anspruch zu nehmen braucht. Selbst wenn man die Vereinbarung dahingehend auslegen würde, dass auch Nachfolgegesetze des Bundessozialhilfegesetzes mit einbezogen sein sollen, so dürfte sich dies aber nicht auf das zweite Buch Sozialgesetzbuch beziehen, denn beim SGB II handelt sich um ein Nachfolgegesetz zur Arbeitslosenhilfe (SGB III) und nicht zum BSHG. Nachfolgegesetz des Bundessozialhilfegesetzes ist das SGB XII.

Unabhängig davon dürfte aber auch aus der Verpflichtung, die Herr H eingegangen ist, kein Anspruch der Antragstellerin gegen über Herrn H entstanden sein. Dies folgt schon aus der Tatsache, dass Herr H als Bürge einspringt. Der Bürge kann aber in der Regel nur von demjenigen in Anspruch genommen werden, gegenüber dem er bürgt, nicht vom dem demjenigen, für den er bürgt.

Schließlich dürfte die Antragsgegnerin aber auch leistungsverpflichtet sein, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass aus der Bürgschaftserklärung unmittelbar ein Anspruch der Antragstellerin gegenüber Herrn H erwachsen würde, denn die Antragstellerin kann offensichtlich, selbst wenn sie zivilrechtliche Ansprüche gegen Herrn H hätte, diese nicht durchsetzen. Ausweislich der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin ist Herr H nämlich unbekannt verzogen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es der Antragstellerin in absehbarer Zeit nicht möglich, einen vollstreckbaren Titel gegen Herrn H vor einem Zivilgericht zu erwirken.

Das Gericht hat der Antragstellerin Leistungen erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht zugesprochen, da grundsätzlich im einstweiligen Anordnungsverfahren keine Leistungen für zurückliegende Zeiträume erstritten werden können. Nur aus Gründen äußerster Vorsorge weist das Gericht allerdings darauf hin, dass die Antragstellerin in der Hauptsache im Zweifel Anspruch auf Leistungen seit Antragstellung hat. Im Übrigen hat das Gericht die Leistungen vorliegend für die Zukunft bis Ende Januar 2007 begrenzt um zu vermeiden, dass im einstweiligen Anordnungsverfahren die Hauptsache vorweg genommen wird. Sollte bis dahin über den Widerspruch der Antragstellerin noch nicht entschieden worden sein, mag die Antragstellerin ggf. im Februar 2007 einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung der § 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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