Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 238/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 R 202/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen aus einem Ghetto (ZRBG),
Die am 00.00.1928 in Q in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit Januar 1949 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Sie beantragte am 20.02.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, zwar nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben. Sie habe aber von Oktober 1940 bis März 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Warschau Tätigkeiten als Straßenreinigerin und Küchenhilfe verrichtet. Sie habe 8 bis 9 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat und eigene Bemühungen vermittelt worden. Bekommen habe sie dafür Essen und Lebensmittel für zu Hause, aber keinen Barlohn. Ab März 1943 habe sie sich bei einem Bauern versteckt. Anfang 1945 sei sie von russischen Truppen befreit worden und sei 1946 bis 1949 in einem DP-Lager in Frankfurt in Deutschland gewesen. Dann sei sie ausgewandert und lebe seit 1949 in Israel.
Die Beklagte zog die Vorgänge der Claims Conference bei. Dort hatte die Klägerin angegeben, von November 1940 bis März 1943 im Ghetto Warschau gewesen zu sein. Wörtlich gab sie an: "Wir kamen nach Warschau und wir wohnten in der Astraße 0. Aber bald wurde ein Ghetto errichtet und November 1940 mussten wir, wie alle anderen Juden, unser Heim verlassen und ins Ghetto ziehen. Das Ghetto durfte man unter Todesstrafe nicht verlassen. Ich war damals ein Mädchen von 12 Jahren und begriff, dass wir in Todesgefahr fortwährend stehen. Ich fürchtete mich furchtbar, wagte mich nicht aus dem Zimmer heraus; ich sah viel Schreckliches, hörte die Schreie und das Jammern der Gequälten, und vieles wurde mir von meinem Vater später erzählt. Wir litten sehr unter Hunger. März 1943, als mein Vater erkannte was die Deutschen mit uns vorhatten und die Insassen des Ghettos immer weniger wurden, wollte er uns retten. Er bestoch einen Wächter und uns aus dem Ghetto heraus."
Mit Bescheid vom 02.10.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr habe sich die Klägerin nach ihren eigenen Schilderungen während des Aufenthaltes im Ghetto nicht aus dem Zimmer gewagt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 23.10.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie eine schriftliche Erklärung ab. In dieser heisst es:" Die Zeit der Verfolgung hat auf mich schrecklich gewirkt. Ich war schwach, hungrig, hatte schreckliche Angst, wollte mich immer verstecken, niemand soll was von mir hören, ich hatte Angst vor Geräuschen, wenn man an die Tür klopfte, ich hatte Angst vor einem Geräusch an einer Wand , etc. und deshalb was ich aussagte, war je nach meiner Laune im selben Moment. Die Tatsache war aber, dass ich essen wollte, weil ich hungrig war und daher ja gearbeitet habe bei Straßenreinigung, und in der Ghettoküche geholfen habe um Essen und Lebensmittel zu bekommen. Bei jeder Sache war ich ängstlich, und nach der Arbeit lief ich zurück zu meiner Unterkunft, wo ich mich sicherer fühlte. Man muss sich einleben wie die damalige Situation war, um zu verstehen, dass man vor lauter Angst verschiedenes aussagte."
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 01.02.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, für ihre Tätigkeiten habe sie Lohn in Form von Sachbezügen zur beliebigen Verfügung bekommen, also hier Essen am Arbeitsplatz, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause und freie Unterkunft. Dies hätte die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Dass sie arbeitete, habe in ihrem eigenen Interesse gelegen um nicht zu verhungern und um der Deportation zu entgegen. Dazu hat sie eine weitere schriftliche Erklärung vom 10.05.2005 eingereicht. Dort heißt es im Einzelnen: " ... Für meine Tätigkeiten im Ghetto Warschau habe ich täglich Essen und wöchentlich Lebensmittelpakete erhalten. Die Lebensmittelpakete enthielten Mehl, Öl, Kohl, Graupen, Brot, Marmelade, Fischkonserven, Kartoffeln, Zwiebeln. Dank der erhaltenen Nahrungsmittel konnte ich nicht nur meine eigene Lage im Ghetto verbessern, sondern konnte auch noch meinem Vater mit Lebensmitteln aushelfen, der Zwangsarbeit verrichten musste und sich nicht richtig ernähren konnte. Das bedeutet, das die von mir bezogenen Lebensmittelpakete weit über meine eigenen Bedürfnisse hinaus gingen ...". Nachdem das Sozialgericht Düsseldorf dem Bevollmächtigten der Klägerin Kopien der BEG – Entschädigungsakte des Reg. Präsidiums E (die erst im Klageverfahren beigezogen wurde) übersandte, unter Hinweis auf Widersprüche, hat die Klägerin eine weitere schriftliche Erklärung vom 06.11.2005 abgegeben, in der es heißt: " ... Als ich seinerzeit Angaben im Entschädigungsverfahren gemacht habe und angegeben im Ghetto Warschau nicht gearbeitet zu haben, bezog ich mich lediglich darauf, dass ich, im Gegensatz zu meinem Vater, keine Zwangsarbeiten verrichten musste ... Tatsache ist, dass ich keine Zwangsarbeiten verrichtet habe, dagegen aber freiwillig als Reinigungs- und Küchenarbeiterin tätig war ..." Im Übrigen sehe das Sozialgericht Hamburg vor dem Hintergrund auch des Gutachtens von H Möglichkeiten der Anerkennung von Ghettoarbeitszeiten unter anderem in Warschau.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG- für die von ihr im Ghetto Warschau von Oktober 1940 bis März 1943 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung- und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung gegebenenfalls nach erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, auch der Inhalt der Entschädigungsakte belege die frühere eidliche Angabe der Klägerin , in Warschau schon gar nicht gearbeitet zu haben. Selbst falls die Klägerin gleichwohl wie angegeben gearbeitet haben sollte, sei aber aber unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 jedenfalls nicht von ausreichendem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei solches Entgelt nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Im übrigen seien allgemeine historische Ausführungen in historischen Gutachten kein für den Einzelfall heranzuziehendes allein ausreichendes Beweismittel.
Das Gericht hat – wie oben erwähnt – die BEG-Akte des Reg. Präsidiums E beigezogen, bzw. die auf CD-Rom übertragene Mikroverfilmung und den Inhalt ausgedruckt und den Beteiligten zu Kenntnis gebracht. In dieser Akte gab die Klägerin in den 50iger Jahren an: "Seit November 1940 befand ich mich im geschlossenen Ghetto in Warschau, dieses zu verlassen unter Todesstrafe verboten war. Hier habe ich nicht gearbeitet, aber dafür mein Vater ... Im Sinne dieser Verordnung der deutschen Behörden begab ich mich in das Ghetto. Im Ghetto habe ich nicht gearbeitet, aber dafür mein Vater. Im Ghetto war ich bis März 1943 ..." (Bl. 6-8 der Entschädigungsakte). Ein Zeuge L erklärte unter dem 21.02.1958: " ... In dem Ghetto verpflichtete alle Insassen Zwangsarbeit und ich arbeitete mit dem Vater der Antragstellerin auch hier zwangsweise und unentgeltlich zusammen. Die Kägerin wurde noch zu den Zwangsarbeiten nicht herangezogen, da sie noch zu jung war ..." Ein Zeuge G erklärte unter dem 21.02.1958: " ... Auch im Ghetto mussten wir Zwangsarbeiten leisten, jedoch ich habe die Antragstellerin nicht gesehen, ob sie diese schon verrichtet hat, denn sie war noch ein junges Mädchen. Sie hat in Warschau während der Verfolgungszeit ihre Mutter verloren und blieb bei ihrem Vater ..." (Bl. 9 bis 10 der Entschädigungsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakte des Reg. Präsidiums E Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser mit der Terminsmitteilung, die durch Zustellung ordnungsgemäß bewirkt wurde, auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus § 124 Abs. 1 , 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 02.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in ihren angefochtenen Bescheiden und erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 02.10.2003 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch Folgendes aus:
Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 SGB VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf anrechenbare Zeiten in Sinne von §§ 50 ff. SGB VI hat die Klägerin aber nicht. Die Anwendbarkeit des ZRBG zu ihren Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente auch ins Ausland scheitert hier auch schon daran, dass eine Beschäftigung während eines Aufenthaltes in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG nicht nachgewiesen bzw. ausreichend glaubhaft gemacht ist, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung "aus eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre.
I. Es fehlt schon an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen -auch regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit, für die sogar ein Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen haben müsste, das über die Gewährung freien Unterhalts auch hinaus ging (§ 1227 der zum Zeitpunkt der behaupteten Ghetto-Tätigkeit geltenden Reichsversicherungsordnung). Angesicht der Angaben der Klägerin gegenüber der Claims-Conference und angesichts der früheren zeitnäheren Angaben der Klägerin in der BEG-Entschädigungsakte, sie habe nicht gearbeitet, was damals auch Zeugen bestätigten, ist schon die Ausübung einer Tätigkeit hier nicht glaubhaft. Richtig ist zwar, dass im Entschädigungsverfahren üblicherweise nur "Zwangsarbeiten" angegeben wurden, da nur diese Arbeiten für die Entschädigung von Bedeutung waren; aber dann, wenn keine Zwangsarbeiten geleistet wurden, schweigen üblicherweise die Akten bzw. wurden dann eben keine Angaben insoweit gemacht. Hier fällt aber auf, dass die Klägerin selbst in der Entschädigungsakte mehrfach angab, sie habe nicht gearbeitet. Dies passt auch genau zusammen mit den schon in den 90iger Jahren gemachten Angaben der Klägerin, sie habe sich im Ghetto gar nicht aus dem Zimmer herausgewagt, bis zur Flucht aus dem Ghetto (Bl. 26 der Verwaltungsakte). Bei dieser Sachlage erscheint der jetzige Vortrag der Klägerin, sie habe nur eben keine Zwangsarbeiten gemacht, nicht wahrscheinlicher als die früher gemachten Angaben.
Selbst wenn der heutige Vortrag zuträfe, sie habe zwar gearbeitet, aber nur keine Zwangsarbeiten verrichtet, so erscheint dann aber nicht glaubhaft, dass die Klägerin ein Entgelt für ihre Tätigkeit erhalten habe, das über die bloße Überlebenssicherung hinaus ging. Denn schließlich hat sie gegenüber der Claims Conference auch betont, sie habe sehr unter Hunger gelitten. Es ist dann nicht überzeugend, dass sie als 12-15 Jahre altes Mädchen für ihre Arbeit mehr erhalten haben soll, als ihr zwangsarbeitender Vater, mit Lebensmittelpaketen und den von ihr erst im Klageverfahren geschilderten Sachbezügen. Vielmehr sprechen die früheren zeitnäheren Angaben der Klägerin in Verfahren der Claims-Conference und im Verfahren beim Reg. Präsidium E dafür, dass ihr Vater und sie damals einen Überlebenskampf führen mussten, und dass ihr Vater sie, um sie zu schützen, letztlich immer in der Wohnung hielt.
II. Aus dem vom Bevollmächtigten der Klägerin erwähnten historischen Gutachten von H ergibt sich für die Klägerin auch nichts Günstiges, denn es kommt immer auf die individuellen Umstände eines Verfolgten an und allein ein historisches Gutachten kann kein alleiniges Beweismittel darstellen für die Ausführung individuell freiwilliger unentgeltlicher Tätigkeit, wenn die sonstigen früheren Angaben wie hier deutlich dagegen sprechen.
III. Im Übrigen wird klägerischerseits verkannt, dass das ZRBG in der vorliegenden Form von vornherein nicht geeignet ist, Ansprüche für einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von den meisten noch heute lebenden Ghetto-Insassen gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht nicht jede - hier schon streitige – Art von Tätigkeit anlässlich Aufenthalt in einem Ghetto aus, um ins Ausland zahlbare Rentenansprüche nach dem ZRBG zu begründen (vgl. BSG vom 07.10.2004 – B 13 RJ 5903 R – LSG NRW Urteile vom 03.06.2005 – L 4 R 305/ und vom 18.7.2005 – L 3 RJ 101/04). Von der Klägerin wurde nichts Schlüssiges im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit vorgetragen, was im Licht dieser vorgenannten Entscheidungen hier die von ihr behaupteten Ghettotätigkeiten glaubhaft anders bewerten könnte.
IV. Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin , sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der zuletzt vom Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht NRW aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen. Das ZRBG gibt solches für sie nicht her.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Nr. 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen aus einem Ghetto (ZRBG),
Die am 00.00.1928 in Q in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit Januar 1949 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Sie beantragte am 20.02.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, zwar nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört zu haben. Sie habe aber von Oktober 1940 bis März 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Warschau Tätigkeiten als Straßenreinigerin und Küchenhilfe verrichtet. Sie habe 8 bis 9 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat und eigene Bemühungen vermittelt worden. Bekommen habe sie dafür Essen und Lebensmittel für zu Hause, aber keinen Barlohn. Ab März 1943 habe sie sich bei einem Bauern versteckt. Anfang 1945 sei sie von russischen Truppen befreit worden und sei 1946 bis 1949 in einem DP-Lager in Frankfurt in Deutschland gewesen. Dann sei sie ausgewandert und lebe seit 1949 in Israel.
Die Beklagte zog die Vorgänge der Claims Conference bei. Dort hatte die Klägerin angegeben, von November 1940 bis März 1943 im Ghetto Warschau gewesen zu sein. Wörtlich gab sie an: "Wir kamen nach Warschau und wir wohnten in der Astraße 0. Aber bald wurde ein Ghetto errichtet und November 1940 mussten wir, wie alle anderen Juden, unser Heim verlassen und ins Ghetto ziehen. Das Ghetto durfte man unter Todesstrafe nicht verlassen. Ich war damals ein Mädchen von 12 Jahren und begriff, dass wir in Todesgefahr fortwährend stehen. Ich fürchtete mich furchtbar, wagte mich nicht aus dem Zimmer heraus; ich sah viel Schreckliches, hörte die Schreie und das Jammern der Gequälten, und vieles wurde mir von meinem Vater später erzählt. Wir litten sehr unter Hunger. März 1943, als mein Vater erkannte was die Deutschen mit uns vorhatten und die Insassen des Ghettos immer weniger wurden, wollte er uns retten. Er bestoch einen Wächter und uns aus dem Ghetto heraus."
Mit Bescheid vom 02.10.2003 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr habe sich die Klägerin nach ihren eigenen Schilderungen während des Aufenthaltes im Ghetto nicht aus dem Zimmer gewagt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 23.10.2003 Widerspruch ein. Zur Begründung gab sie eine schriftliche Erklärung ab. In dieser heisst es:" Die Zeit der Verfolgung hat auf mich schrecklich gewirkt. Ich war schwach, hungrig, hatte schreckliche Angst, wollte mich immer verstecken, niemand soll was von mir hören, ich hatte Angst vor Geräuschen, wenn man an die Tür klopfte, ich hatte Angst vor einem Geräusch an einer Wand , etc. und deshalb was ich aussagte, war je nach meiner Laune im selben Moment. Die Tatsache war aber, dass ich essen wollte, weil ich hungrig war und daher ja gearbeitet habe bei Straßenreinigung, und in der Ghettoküche geholfen habe um Essen und Lebensmittel zu bekommen. Bei jeder Sache war ich ängstlich, und nach der Arbeit lief ich zurück zu meiner Unterkunft, wo ich mich sicherer fühlte. Man muss sich einleben wie die damalige Situation war, um zu verstehen, dass man vor lauter Angst verschiedenes aussagte."
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 01.02.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, für ihre Tätigkeiten habe sie Lohn in Form von Sachbezügen zur beliebigen Verfügung bekommen, also hier Essen am Arbeitsplatz, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause und freie Unterkunft. Dies hätte die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Dass sie arbeitete, habe in ihrem eigenen Interesse gelegen um nicht zu verhungern und um der Deportation zu entgegen. Dazu hat sie eine weitere schriftliche Erklärung vom 10.05.2005 eingereicht. Dort heißt es im Einzelnen: " ... Für meine Tätigkeiten im Ghetto Warschau habe ich täglich Essen und wöchentlich Lebensmittelpakete erhalten. Die Lebensmittelpakete enthielten Mehl, Öl, Kohl, Graupen, Brot, Marmelade, Fischkonserven, Kartoffeln, Zwiebeln. Dank der erhaltenen Nahrungsmittel konnte ich nicht nur meine eigene Lage im Ghetto verbessern, sondern konnte auch noch meinem Vater mit Lebensmitteln aushelfen, der Zwangsarbeit verrichten musste und sich nicht richtig ernähren konnte. Das bedeutet, das die von mir bezogenen Lebensmittelpakete weit über meine eigenen Bedürfnisse hinaus gingen ...". Nachdem das Sozialgericht Düsseldorf dem Bevollmächtigten der Klägerin Kopien der BEG – Entschädigungsakte des Reg. Präsidiums E (die erst im Klageverfahren beigezogen wurde) übersandte, unter Hinweis auf Widersprüche, hat die Klägerin eine weitere schriftliche Erklärung vom 06.11.2005 abgegeben, in der es heißt: " ... Als ich seinerzeit Angaben im Entschädigungsverfahren gemacht habe und angegeben im Ghetto Warschau nicht gearbeitet zu haben, bezog ich mich lediglich darauf, dass ich, im Gegensatz zu meinem Vater, keine Zwangsarbeiten verrichten musste ... Tatsache ist, dass ich keine Zwangsarbeiten verrichtet habe, dagegen aber freiwillig als Reinigungs- und Küchenarbeiterin tätig war ..." Im Übrigen sehe das Sozialgericht Hamburg vor dem Hintergrund auch des Gutachtens von H Möglichkeiten der Anerkennung von Ghettoarbeitszeiten unter anderem in Warschau.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG- für die von ihr im Ghetto Warschau von Oktober 1940 bis März 1943 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung- und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung gegebenenfalls nach erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, auch der Inhalt der Entschädigungsakte belege die frühere eidliche Angabe der Klägerin , in Warschau schon gar nicht gearbeitet zu haben. Selbst falls die Klägerin gleichwohl wie angegeben gearbeitet haben sollte, sei aber aber unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 jedenfalls nicht von ausreichendem Entgelt im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei solches Entgelt nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Im übrigen seien allgemeine historische Ausführungen in historischen Gutachten kein für den Einzelfall heranzuziehendes allein ausreichendes Beweismittel.
Das Gericht hat – wie oben erwähnt – die BEG-Akte des Reg. Präsidiums E beigezogen, bzw. die auf CD-Rom übertragene Mikroverfilmung und den Inhalt ausgedruckt und den Beteiligten zu Kenntnis gebracht. In dieser Akte gab die Klägerin in den 50iger Jahren an: "Seit November 1940 befand ich mich im geschlossenen Ghetto in Warschau, dieses zu verlassen unter Todesstrafe verboten war. Hier habe ich nicht gearbeitet, aber dafür mein Vater ... Im Sinne dieser Verordnung der deutschen Behörden begab ich mich in das Ghetto. Im Ghetto habe ich nicht gearbeitet, aber dafür mein Vater. Im Ghetto war ich bis März 1943 ..." (Bl. 6-8 der Entschädigungsakte). Ein Zeuge L erklärte unter dem 21.02.1958: " ... In dem Ghetto verpflichtete alle Insassen Zwangsarbeit und ich arbeitete mit dem Vater der Antragstellerin auch hier zwangsweise und unentgeltlich zusammen. Die Kägerin wurde noch zu den Zwangsarbeiten nicht herangezogen, da sie noch zu jung war ..." Ein Zeuge G erklärte unter dem 21.02.1958: " ... Auch im Ghetto mussten wir Zwangsarbeiten leisten, jedoch ich habe die Antragstellerin nicht gesehen, ob sie diese schon verrichtet hat, denn sie war noch ein junges Mädchen. Sie hat in Warschau während der Verfolgungszeit ihre Mutter verloren und blieb bei ihrem Vater ..." (Bl. 9 bis 10 der Entschädigungsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakte des Reg. Präsidiums E Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser mit der Terminsmitteilung, die durch Zustellung ordnungsgemäß bewirkt wurde, auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus § 124 Abs. 1 , 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 02.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in ihren angefochtenen Bescheiden und erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 02.10.2003 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch Folgendes aus:
Voraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 SGB VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Darauf anrechenbare Zeiten in Sinne von §§ 50 ff. SGB VI hat die Klägerin aber nicht. Die Anwendbarkeit des ZRBG zu ihren Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente auch ins Ausland scheitert hier auch schon daran, dass eine Beschäftigung während eines Aufenthaltes in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG nicht nachgewiesen bzw. ausreichend glaubhaft gemacht ist, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung "aus eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre.
I. Es fehlt schon an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen -auch regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit, für die sogar ein Entgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze vorgelegen haben müsste, das über die Gewährung freien Unterhalts auch hinaus ging (§ 1227 der zum Zeitpunkt der behaupteten Ghetto-Tätigkeit geltenden Reichsversicherungsordnung). Angesicht der Angaben der Klägerin gegenüber der Claims-Conference und angesichts der früheren zeitnäheren Angaben der Klägerin in der BEG-Entschädigungsakte, sie habe nicht gearbeitet, was damals auch Zeugen bestätigten, ist schon die Ausübung einer Tätigkeit hier nicht glaubhaft. Richtig ist zwar, dass im Entschädigungsverfahren üblicherweise nur "Zwangsarbeiten" angegeben wurden, da nur diese Arbeiten für die Entschädigung von Bedeutung waren; aber dann, wenn keine Zwangsarbeiten geleistet wurden, schweigen üblicherweise die Akten bzw. wurden dann eben keine Angaben insoweit gemacht. Hier fällt aber auf, dass die Klägerin selbst in der Entschädigungsakte mehrfach angab, sie habe nicht gearbeitet. Dies passt auch genau zusammen mit den schon in den 90iger Jahren gemachten Angaben der Klägerin, sie habe sich im Ghetto gar nicht aus dem Zimmer herausgewagt, bis zur Flucht aus dem Ghetto (Bl. 26 der Verwaltungsakte). Bei dieser Sachlage erscheint der jetzige Vortrag der Klägerin, sie habe nur eben keine Zwangsarbeiten gemacht, nicht wahrscheinlicher als die früher gemachten Angaben.
Selbst wenn der heutige Vortrag zuträfe, sie habe zwar gearbeitet, aber nur keine Zwangsarbeiten verrichtet, so erscheint dann aber nicht glaubhaft, dass die Klägerin ein Entgelt für ihre Tätigkeit erhalten habe, das über die bloße Überlebenssicherung hinaus ging. Denn schließlich hat sie gegenüber der Claims Conference auch betont, sie habe sehr unter Hunger gelitten. Es ist dann nicht überzeugend, dass sie als 12-15 Jahre altes Mädchen für ihre Arbeit mehr erhalten haben soll, als ihr zwangsarbeitender Vater, mit Lebensmittelpaketen und den von ihr erst im Klageverfahren geschilderten Sachbezügen. Vielmehr sprechen die früheren zeitnäheren Angaben der Klägerin in Verfahren der Claims-Conference und im Verfahren beim Reg. Präsidium E dafür, dass ihr Vater und sie damals einen Überlebenskampf führen mussten, und dass ihr Vater sie, um sie zu schützen, letztlich immer in der Wohnung hielt.
II. Aus dem vom Bevollmächtigten der Klägerin erwähnten historischen Gutachten von H ergibt sich für die Klägerin auch nichts Günstiges, denn es kommt immer auf die individuellen Umstände eines Verfolgten an und allein ein historisches Gutachten kann kein alleiniges Beweismittel darstellen für die Ausführung individuell freiwilliger unentgeltlicher Tätigkeit, wenn die sonstigen früheren Angaben wie hier deutlich dagegen sprechen.
III. Im Übrigen wird klägerischerseits verkannt, dass das ZRBG in der vorliegenden Form von vornherein nicht geeignet ist, Ansprüche für einen wirklich größeren Personenkreis zu begründen und die von den meisten noch heute lebenden Ghetto-Insassen gehegten Erwartungen zu erfüllen. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes reicht nicht jede - hier schon streitige – Art von Tätigkeit anlässlich Aufenthalt in einem Ghetto aus, um ins Ausland zahlbare Rentenansprüche nach dem ZRBG zu begründen (vgl. BSG vom 07.10.2004 – B 13 RJ 5903 R – LSG NRW Urteile vom 03.06.2005 – L 4 R 305/ und vom 18.7.2005 – L 3 RJ 101/04). Von der Klägerin wurde nichts Schlüssiges im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit vorgetragen, was im Licht dieser vorgenannten Entscheidungen hier die von ihr behaupteten Ghettotätigkeiten glaubhaft anders bewerten könnte.
IV. Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin , sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der zuletzt vom Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht NRW aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen. Das ZRBG gibt solches für sie nicht her.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Nr. 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved