Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 290/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 20/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der in Frankreich wohnende Kläger begehrt die Entlassung aus der Krankenversicherung der Rentner.
Der am 00.00.1935 geborene Kläger bezieht seit dem 01.07.1999 Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung und ist seitdem freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten.
Im Jahr 2000 verlegte er seinen ständigen Wohnsitz nach Frankreich.
Mit Schreiben vom 09.01.2002 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er mit Wirkung ab 01.04.2002 aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 Pflicht- mitglied in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten würde. Eine Fort- führung der freiwilligen Versicherung sei nicht möglich. Er könne sich jedoch binnen einer Frist von 3 Monaten ab dem 01.04.2002 von der Versicherungspflicht befreien lassen.
Am 15.03.2004 kündigte der Kläger die Krankenversicherung der Rentner mit Wirkung zum 01.05.2004. Mit Bescheid vom 29.03.2004 lehnte die Beklagte die Annahme der Kündigung ab und stellte fest, dass die Pflichtversicherung in der KvdR nicht gekündigt werden könne.
Der dagegen vom Kläger am 01.04.2004 erhobene Widerspruch wurde von der Wider- spruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Die gesetzliche Regelung sehe eine Beendigung der Pflichtmitglied- schaft in der KvdR durch einseitige Willenserklärung des Rentners nicht vor. Nur im Rahmen der Krankenkassenwahlrechte nach § 175 Abs. 4 SGB V könne eine Pflicht- versicherung zugunsten einer Pflichtversicherung bei einer anderen gesetzlichen deutschen Krankenkasse beendet werden. Der Wechsel zu einer ausländischen Kranken- kasse sei nicht vorgesehen. Eine weitere freiwillige Versicherung und eine Befreiung von der Versicherungspflicht komme nicht mehr in Betracht. Eine Fortsetzung der freiwilligen Versicherung über den 31.03.2002 hinaus wäre nur auf Antrag innerhalb von 6 Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht, also bis zum 30.09.2002 möglich gewesen. Hiervon hätte der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht. Eine Befreiung von der Versicherungs- pflicht hätte gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht beantragt werden müssen. Einen derartigen Antrag hätte der Kläger innerhalb dieser Frist nicht gestellt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die genannte Frist vom Kläger unverschuldet versäumt worden wären. Über die Befreiungsmöglichkeit sei der Kläger im Schreiben vom 09.01.2002 und über das Opitionsrecht in der Mitgliederzeitschrift 2/2002 Seite 40, 41 aufgeklärt worden.
Dagegen hat der Kläger am 10.09.2004 Klage erhoben. Seiner Auffassung nach liege eine Pflichtversicherung nicht vor. Das SGB V gelte gemäß § 3 Nr. 2 SGB IV nur in Deutsch-land, nicht jedoch in Frankreich. Nach EG-Recht werde zwar durch die EG-Verordnung 1408/71 ein Versicherungsverhältnis zur deutschen Krankenversicherung begründet. Die Anwendung deutschen Rechts sei jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Außerdem gelte diese Verordnung nur für Arbeitnehmer und Selbständige. Ein Rentner sei jedoch weder Arbeitnehmer noch Selbständiger. Abgesehen davon beinhalte ein Festhalten an der Pflichtversicherung einen Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Regelung sei unverhältnismäßig und verstosse gegen das Äquivalenzprinzip zwischen Beiträgen und Leistungen:
In Frankreich erhalte er Leistungen nur im Wege der Kostenerstattung und nur mit erheblicher Selbstbeteiligung (70% der Sachleistung). Er müsse jedoch einen hohen Beitrag entrichten, erhalte jedoch nur geringe Leistungen. Bei einer Vollversicherung betrage die Beitragsbelastung einschließlich der Beiträge für eine private Zusatzver-sicherung ca. 174 Euro, während er an die Beklagte einen Beitrag von 516 Euro zu entrichten hätte. Außerdem stelle die von der Beklagten angewandte Regelung einen Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) dar: Seine Situation weiche von derjenigen eines in Deutschland wohnenden Rentners so gravierend ab, dass er diesem nicht gleich gestellt werden dürfe. Seiner Auffassung nach bestünden auch mehrere Möglichkeiten zur verfassungskonformen Auslegung: Bei Nichtanwendung der Pflichtversicherungstat-bestände auf ständig im EG-Ausland wohnende Rentner ließen sich die oben dargelegten Verfassungsverstösse vermeiden. Möglich sei auch die Nichtanwendung der 3-Monats-frist in § 8 Abs. 2 SGB V. Darüber hinaus könne das Kündigungsrecht nach § 175 auf ausländische Krankenversicherungsträger innerhalb der EG übertragen werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 zu verpflichten, ihn aus der Krankenversicherung der Rentner zu entlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchs-bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Akte Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse daran, ob die vom ihm ausge- sprochene Kündigung der Pflichtmitgliedschaft der Krankenversicherung der Rentner wirksam ist oder ob er noch Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist und keinen Anspruch auf Beendigung der Pflichtmitgliedschaft in der KvdR hat.
Die Beklagte hat mit als Bescheid auszulegendem Schreiben vom 09.01.2002 bindend festgestellt, dass der Kläger mit Wirkung ab 01.04.2002 Pflichtmitglied in der Kranken- versicherung der Rentner nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V geworden ist. Gegen die Pflicht- mitgliedschaft spricht nicht, dass der Kläger schon seit dem Jahr 2000 seinen ständigen Wohnsitz in Frankreich hatte. Zwar gelten die Vorschriften über die Pflichtversicherung nach § 3 SGB IV grundsätzlich nur im Geltungsbereich des SGB. Nach § 6 SGB IV bleiben jedoch die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechtes unberührt. Nach Artikel 28 und 28a der EG-Verordnung 1408/71 unterliegt ein in einem anderen EG-Staat wohnender Rentner, der eine Rente nur aus der deutschen gesetzlichen Renten- versicherung bezieht, den deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung, wenn er die nach innerstaatlich deutschem Recht geforderten Voraussetzungen für die KVdR erfüllt und keinen eigenen Leistungsanspruch im Wohnsitzstaat hat. Das BSG hat noch mit Urteil vom 05.07.2005 (B 1 KR 2/04 R -) ausdrücklich bestätigt, dass das Versicherungsverhält- nis eines Rentners, der Mitglied in der deutschen Krankenver-sicherung der Rentner ist, durch den Wohnsitzwechsel ins EG-Ausland nicht entfällt. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist Artikel 28 und 28a der EG-Verordnung 1408/71 unmittelbar geltendes Recht. Das heißt eine Nichtanwendung der Vorschriften über die Pflichtversicherung wäre wegen Verstosses gegen Gemeinschaftsrecht rechts- wirdrig. Die vom Kläger angeregte verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften über die Pflichtversicherung wäre somit wegen Verstosses gegen Gemeinschaftsrecht nicht möglich.
Eine Beendigung der Pflichtmitgliedschaft aufgrund einseitiger Willenserklärung durch Kündigung ist nicht möglich. § 190 SGB V der das Ende der Mitgliedschaft Versicherungs- pflichtiger regelt, enthält keine Fallvariante, wonach eine Kündigung einer Pflichtmitglied- schaft möglich wäre. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift endet die Mitgliedschaft Versicherungs- pflichtiger grundsätzlich mit dem Tod des Mitglieds. Nach Abs. 11 endet die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner mit Ablauf des Monats, in dem der Anspruch auf Rente wegfällt oder die Entscheidung über den Wegfall oder den Entzug der Rente unanfechtbar geworden ist, frühestens mit Ablauf des Monats, für den letztmalig Rente zu zahlen oder bei Gewährung einer Rente für zurückliegende Zeiträume mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird.
Nach §§ 173 bis 175 bestehen jedoch Wahlrechte zwischen verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen. Diese Vorschriften regeln, unter welchen Voraussetzungen Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen die Krankenkasse wechseln können. Die Krankenkassen- wahlrechte beziehen sich jedoch ausschließlich auf Krankenkassen im Geltungsbereich des SGB V also auf deutsche Krankenkassen. Die vom Kläger angeregte Anwendung dieser Vorschrift auf im EG-Ausland befindliche Krankenkassen scheitert aus zwei Gründen: Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 darf die gewählte Krankenkasse die Mitgliedschaft nicht ablehnen. Die Verpflichtung einer ausländischen Krankenkasse aufgrund nationaler deutscher Rechtsvorschriften ist jedoch nicht möglich. Auch die internationalen Vorschrift-en des EG-Rechtes enthalten keine Rechtsgrundlage für eine derartige Verpflichtung. Darüber hinaus scheitert eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften daran, dass es sich um Ausnahmevorschriften handelt, die grundsätzlich nicht extensiv über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus ausgelegt werden dürfen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente ... Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist der Antrag jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Diese 3-Monats- frist lief hier vom 01.04.2002 bis 30.06.2002 und war somit bei Antragstellung am 15.03.2004 verstrichen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 27 Abs. 3 SGB X kann ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Einjahresfrist in Folge höherer Gewalt unmöglich war. Diese Jahres- frist war hier ebenfalls schon abgelaufen ehe der Kläger den Antrag stellte. Die Jahres- frist lief am 30.06.2003 ab und der Antrag wurde am 15.03.2004 gestellt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Die Beklagte hatte den Kläger mit Schreiben vom 09.01.2002 zutreffend über die 3-Monatsfrist in Kenntnis gesetzt. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Folge unzutreffender Information kann somit nicht bestehen.
Eine verfassungskonforme Auslegung der gesetzlich geregelten Ausschlußfrist von 3 Monaten für die Beantragung der Befreiung von der Versicherungspflicht ist ebenfalls nicht möglich. Eine Auslegung käme nur in Betracht, soweit der Wortlaut auslegungsfähig wäre. Hier liegt jedoch ein eindeutiger Wortlaut vor, der eine Auslegung nicht zulässt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Fortsetzung der Pflichtversicherung als frei- willige Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V. Nach dieser Vorschrift können Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31.03.2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand, die aber nicht die Vorversicherungszeiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 01.01.1993 erfüllt hatten und die deswegen bis zum 31.03.2002 freiwillige Mitglieder waren, innerhalb von 6 Monaten nach dem Eintritt der Versicherungspflicht der Versicherung freiwillig beitreten. Diese 6-Monatsfrist war hier am 30.09.2002 abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet ebenfalls aus den oben genannten Gründen wegen Ablaufs des Jahresfrist nach § 27 Abs. 3 SGB X aus. Es liegen auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches hier nicht vor. Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 09.01.2002 die Möglichkeit der Fortsetzung einer freiwilligen Versicherung ausdrücklich verneint; diese Information vom 09.01.2002 war zum damaligen Zeitpunkt zutreffend. § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V wurde erst durch das Zehnte SGB V-Änderungsgesetz vom 22.03.2002 eingefügt. Die Beklagte konnte daher bei Abfassung des Schreibens vom 09.01.2002 von dieser gesetzlichen Möglichkeit noch keine Kenntnis haben. Über die danach eingetretene gesetzliche Änderung hat die Beklagte ihre Mitglieder jedoch zutreffend in ihrer Mitgliederzeitschrift 2/2002 informiert. Diese Information muss sich der Kläger zurechnen lassen, auch dann wenn er sie persön-lich konkret nicht zur Kenntnis genommen hat. Ein Informations- oder Beratungsfehler liegt somit nicht vor.
Die Klage musste daher abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Der in Frankreich wohnende Kläger begehrt die Entlassung aus der Krankenversicherung der Rentner.
Der am 00.00.1935 geborene Kläger bezieht seit dem 01.07.1999 Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung und ist seitdem freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten.
Im Jahr 2000 verlegte er seinen ständigen Wohnsitz nach Frankreich.
Mit Schreiben vom 09.01.2002 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er mit Wirkung ab 01.04.2002 aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 Pflicht- mitglied in der Krankenversicherung der Rentner bei der Beklagten würde. Eine Fort- führung der freiwilligen Versicherung sei nicht möglich. Er könne sich jedoch binnen einer Frist von 3 Monaten ab dem 01.04.2002 von der Versicherungspflicht befreien lassen.
Am 15.03.2004 kündigte der Kläger die Krankenversicherung der Rentner mit Wirkung zum 01.05.2004. Mit Bescheid vom 29.03.2004 lehnte die Beklagte die Annahme der Kündigung ab und stellte fest, dass die Pflichtversicherung in der KvdR nicht gekündigt werden könne.
Der dagegen vom Kläger am 01.04.2004 erhobene Widerspruch wurde von der Wider- spruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Die gesetzliche Regelung sehe eine Beendigung der Pflichtmitglied- schaft in der KvdR durch einseitige Willenserklärung des Rentners nicht vor. Nur im Rahmen der Krankenkassenwahlrechte nach § 175 Abs. 4 SGB V könne eine Pflicht- versicherung zugunsten einer Pflichtversicherung bei einer anderen gesetzlichen deutschen Krankenkasse beendet werden. Der Wechsel zu einer ausländischen Kranken- kasse sei nicht vorgesehen. Eine weitere freiwillige Versicherung und eine Befreiung von der Versicherungspflicht komme nicht mehr in Betracht. Eine Fortsetzung der freiwilligen Versicherung über den 31.03.2002 hinaus wäre nur auf Antrag innerhalb von 6 Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht, also bis zum 30.09.2002 möglich gewesen. Hiervon hätte der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht. Eine Befreiung von der Versicherungs- pflicht hätte gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht beantragt werden müssen. Einen derartigen Antrag hätte der Kläger innerhalb dieser Frist nicht gestellt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die genannte Frist vom Kläger unverschuldet versäumt worden wären. Über die Befreiungsmöglichkeit sei der Kläger im Schreiben vom 09.01.2002 und über das Opitionsrecht in der Mitgliederzeitschrift 2/2002 Seite 40, 41 aufgeklärt worden.
Dagegen hat der Kläger am 10.09.2004 Klage erhoben. Seiner Auffassung nach liege eine Pflichtversicherung nicht vor. Das SGB V gelte gemäß § 3 Nr. 2 SGB IV nur in Deutsch-land, nicht jedoch in Frankreich. Nach EG-Recht werde zwar durch die EG-Verordnung 1408/71 ein Versicherungsverhältnis zur deutschen Krankenversicherung begründet. Die Anwendung deutschen Rechts sei jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Außerdem gelte diese Verordnung nur für Arbeitnehmer und Selbständige. Ein Rentner sei jedoch weder Arbeitnehmer noch Selbständiger. Abgesehen davon beinhalte ein Festhalten an der Pflichtversicherung einen Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Regelung sei unverhältnismäßig und verstosse gegen das Äquivalenzprinzip zwischen Beiträgen und Leistungen:
In Frankreich erhalte er Leistungen nur im Wege der Kostenerstattung und nur mit erheblicher Selbstbeteiligung (70% der Sachleistung). Er müsse jedoch einen hohen Beitrag entrichten, erhalte jedoch nur geringe Leistungen. Bei einer Vollversicherung betrage die Beitragsbelastung einschließlich der Beiträge für eine private Zusatzver-sicherung ca. 174 Euro, während er an die Beklagte einen Beitrag von 516 Euro zu entrichten hätte. Außerdem stelle die von der Beklagten angewandte Regelung einen Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) dar: Seine Situation weiche von derjenigen eines in Deutschland wohnenden Rentners so gravierend ab, dass er diesem nicht gleich gestellt werden dürfe. Seiner Auffassung nach bestünden auch mehrere Möglichkeiten zur verfassungskonformen Auslegung: Bei Nichtanwendung der Pflichtversicherungstat-bestände auf ständig im EG-Ausland wohnende Rentner ließen sich die oben dargelegten Verfassungsverstösse vermeiden. Möglich sei auch die Nichtanwendung der 3-Monats-frist in § 8 Abs. 2 SGB V. Darüber hinaus könne das Kündigungsrecht nach § 175 auf ausländische Krankenversicherungsträger innerhalb der EG übertragen werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.03.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2004 zu verpflichten, ihn aus der Krankenversicherung der Rentner zu entlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchs-bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Akte Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse daran, ob die vom ihm ausge- sprochene Kündigung der Pflichtmitgliedschaft der Krankenversicherung der Rentner wirksam ist oder ob er noch Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist und keinen Anspruch auf Beendigung der Pflichtmitgliedschaft in der KvdR hat.
Die Beklagte hat mit als Bescheid auszulegendem Schreiben vom 09.01.2002 bindend festgestellt, dass der Kläger mit Wirkung ab 01.04.2002 Pflichtmitglied in der Kranken- versicherung der Rentner nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V geworden ist. Gegen die Pflicht- mitgliedschaft spricht nicht, dass der Kläger schon seit dem Jahr 2000 seinen ständigen Wohnsitz in Frankreich hatte. Zwar gelten die Vorschriften über die Pflichtversicherung nach § 3 SGB IV grundsätzlich nur im Geltungsbereich des SGB. Nach § 6 SGB IV bleiben jedoch die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechtes unberührt. Nach Artikel 28 und 28a der EG-Verordnung 1408/71 unterliegt ein in einem anderen EG-Staat wohnender Rentner, der eine Rente nur aus der deutschen gesetzlichen Renten- versicherung bezieht, den deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung, wenn er die nach innerstaatlich deutschem Recht geforderten Voraussetzungen für die KVdR erfüllt und keinen eigenen Leistungsanspruch im Wohnsitzstaat hat. Das BSG hat noch mit Urteil vom 05.07.2005 (B 1 KR 2/04 R -) ausdrücklich bestätigt, dass das Versicherungsverhält- nis eines Rentners, der Mitglied in der deutschen Krankenver-sicherung der Rentner ist, durch den Wohnsitzwechsel ins EG-Ausland nicht entfällt. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist Artikel 28 und 28a der EG-Verordnung 1408/71 unmittelbar geltendes Recht. Das heißt eine Nichtanwendung der Vorschriften über die Pflichtversicherung wäre wegen Verstosses gegen Gemeinschaftsrecht rechts- wirdrig. Die vom Kläger angeregte verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften über die Pflichtversicherung wäre somit wegen Verstosses gegen Gemeinschaftsrecht nicht möglich.
Eine Beendigung der Pflichtmitgliedschaft aufgrund einseitiger Willenserklärung durch Kündigung ist nicht möglich. § 190 SGB V der das Ende der Mitgliedschaft Versicherungs- pflichtiger regelt, enthält keine Fallvariante, wonach eine Kündigung einer Pflichtmitglied- schaft möglich wäre. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift endet die Mitgliedschaft Versicherungs- pflichtiger grundsätzlich mit dem Tod des Mitglieds. Nach Abs. 11 endet die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Rentner mit Ablauf des Monats, in dem der Anspruch auf Rente wegfällt oder die Entscheidung über den Wegfall oder den Entzug der Rente unanfechtbar geworden ist, frühestens mit Ablauf des Monats, für den letztmalig Rente zu zahlen oder bei Gewährung einer Rente für zurückliegende Zeiträume mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird.
Nach §§ 173 bis 175 bestehen jedoch Wahlrechte zwischen verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen. Diese Vorschriften regeln, unter welchen Voraussetzungen Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen die Krankenkasse wechseln können. Die Krankenkassen- wahlrechte beziehen sich jedoch ausschließlich auf Krankenkassen im Geltungsbereich des SGB V also auf deutsche Krankenkassen. Die vom Kläger angeregte Anwendung dieser Vorschrift auf im EG-Ausland befindliche Krankenkassen scheitert aus zwei Gründen: Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 darf die gewählte Krankenkasse die Mitgliedschaft nicht ablehnen. Die Verpflichtung einer ausländischen Krankenkasse aufgrund nationaler deutscher Rechtsvorschriften ist jedoch nicht möglich. Auch die internationalen Vorschrift-en des EG-Rechtes enthalten keine Rechtsgrundlage für eine derartige Verpflichtung. Darüber hinaus scheitert eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften daran, dass es sich um Ausnahmevorschriften handelt, die grundsätzlich nicht extensiv über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus ausgelegt werden dürfen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente ... Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist der Antrag jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Diese 3-Monats- frist lief hier vom 01.04.2002 bis 30.06.2002 und war somit bei Antragstellung am 15.03.2004 verstrichen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 27 Abs. 3 SGB X kann ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Einjahresfrist in Folge höherer Gewalt unmöglich war. Diese Jahres- frist war hier ebenfalls schon abgelaufen ehe der Kläger den Antrag stellte. Die Jahres- frist lief am 30.06.2003 ab und der Antrag wurde am 15.03.2004 gestellt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches. Die Beklagte hatte den Kläger mit Schreiben vom 09.01.2002 zutreffend über die 3-Monatsfrist in Kenntnis gesetzt. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch in Folge unzutreffender Information kann somit nicht bestehen.
Eine verfassungskonforme Auslegung der gesetzlich geregelten Ausschlußfrist von 3 Monaten für die Beantragung der Befreiung von der Versicherungspflicht ist ebenfalls nicht möglich. Eine Auslegung käme nur in Betracht, soweit der Wortlaut auslegungsfähig wäre. Hier liegt jedoch ein eindeutiger Wortlaut vor, der eine Auslegung nicht zulässt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Fortsetzung der Pflichtversicherung als frei- willige Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V. Nach dieser Vorschrift können Bezieher einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31.03.2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand, die aber nicht die Vorversicherungszeiten nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 01.01.1993 erfüllt hatten und die deswegen bis zum 31.03.2002 freiwillige Mitglieder waren, innerhalb von 6 Monaten nach dem Eintritt der Versicherungspflicht der Versicherung freiwillig beitreten. Diese 6-Monatsfrist war hier am 30.09.2002 abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet ebenfalls aus den oben genannten Gründen wegen Ablaufs des Jahresfrist nach § 27 Abs. 3 SGB X aus. Es liegen auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches hier nicht vor. Zwar hat die Beklagte mit Schreiben vom 09.01.2002 die Möglichkeit der Fortsetzung einer freiwilligen Versicherung ausdrücklich verneint; diese Information vom 09.01.2002 war zum damaligen Zeitpunkt zutreffend. § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V wurde erst durch das Zehnte SGB V-Änderungsgesetz vom 22.03.2002 eingefügt. Die Beklagte konnte daher bei Abfassung des Schreibens vom 09.01.2002 von dieser gesetzlichen Möglichkeit noch keine Kenntnis haben. Über die danach eingetretene gesetzliche Änderung hat die Beklagte ihre Mitglieder jedoch zutreffend in ihrer Mitgliederzeitschrift 2/2002 informiert. Diese Information muss sich der Kläger zurechnen lassen, auch dann wenn er sie persön-lich konkret nicht zur Kenntnis genommen hat. Ein Informations- oder Beratungsfehler liegt somit nicht vor.
Die Klage musste daher abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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