S 35 AS 148/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 148/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 27.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2006 verurteilt, der Klägerin Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 301,60 Euro zu erstatten. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit Bescheid vom 14.12.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.05.2005 Leistungen nach dem SGB II. Dabei wurden unter anderem Einkommen aus Wohngeld und Erwerbstätigkeit zu Lasten der Klägerin angerechnet.

Hiergegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin Widerspruch mit dem sie ausführte, ihr stehe seit dem 01.01.2005 Wohngeld nicht mehr zu. Außerdem habe sie Anspruch auf Mehrbedarf wegen Alleinerziehung in Höhe von 82,80 Euro monatlich. Schließlich sei in dem Bescheid unberücksichtigt geblieben, dass eine Einkommensbereinigung gem. § 11 Abs. 2 SGB II vorzunehmen sei. Vom Einkommen der Klägerin sei eine Pauschale für private Versicherungen in Höhe von 30,00 Euro, eine Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 Euro und Fahrtkosten in Höhe von 31,00 Euro abzusetzen.

Mit Bescheid vom 13.03.2006 half die Beklagte dem Widerspruch ab und erkannte die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts an.

Mit Kostenrechnung vom 21.03.2006 begehrte die Klägerin Kostenerstattung für die Vertretung im Widerspruchsverfahren in Höhe von 301,60 Euro. Diese Rechnung enthielt eine Regelgebühr gem. Nr. 2500 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in Höhe von 240,00 Euro.

Mit Bescheid vom 27.03.2006 erkannte die Beklagte eine Geschäftsgebühr in Höhe von 180,00 Euro an. Insgesamt erstattete sie einen Betrag in Höhe von 232,00 Euro. Zur Begründung der Festsetzung der Geschäftsgebühr verwies die Beklagte auf § 14 RVG und darauf, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin nicht dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen würden und von daher nur der Ansatz einer um 1/4 reduzierten Gebühr von 240,00 Euro gerechtfertigt sei.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit dem sie vortrug, dass sowohl die Schwierigkeit der Bearbeitung als auch die Bedeutung der Angelegenheit über dem Durchschnitt läge.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 12.06.2006 bei Gericht eingegangen Klage, mit der die Klägerin vorträgt, das Verfahren sei für sie von besonderer Wichtigkeit gewesen. Es habe zu einer Mehrleistung von monatlich 300,00 Euro für die gesamte Bedarfsgemeinschaft geführt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 27.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2006 zu verpflichten, die im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 14.12.2004 entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 301,60 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - , denn die Bescheide erweisen sich als rechtswidrig. Die Klägerin hat nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von mindestens 301,60 Euro. Nach der vorgenannten Vorschrift hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren sind gem. § 63 Abs. 2 SGB X erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

Die Kostenerstattung richtet sich vorliegend zunächst nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG. Danach entstehen im Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Dies gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs. 2 RVG). Der Fall der Klägerin betrifft eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, dass seinerseits gerichtskostenfrei wäre. Denn nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unter anderem für Leistungsempfänger kostenfrei, soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Bei der Klägerin handelt es sich um einen Leistungsempfänger in diesem Sinne.

Bei Rahmengebühren im Sinne des § 3 RVG bestimmt der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftragsgeberin, nach billigem Ermessen.

Der Gebührenrahmen ergibt sich aus dem Vergütungsverzeichnis des RVG. Nach Nr. 2500 des Vergütungsverzeichnisses beträgt die Geschäftsgebühr in sozialgerichtlichen Angelegenheiten 40,00 Euro bis 520,00 Euro. Eine Gebühr von mehr als 240,00 Euro kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Im Falle der Klägerin ist eine Gebühr nach Nr. 2500 des Vergütungsverzeichnisses des RVG in Höhe von 240,00 Euro zugrunde zu legen. Die Mittelgebühr entspricht den den Fall prägenden Umständen.

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind mindestens als durchschnittlich zu bewerten.

Bei dem Umfang der anwaltlichen Schwierigkeit ist der zeitliche Ablauf zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt auf die Sache verwenden muss. Der von dem Bevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren bezüglich des angefochtenen Bescheides betriebene Aufwand beschränkt sich auf die Formulierung des Widerspruchs sowie auf eine Erinnerung. Dabei handelt es sich um die Arbeitsschritte, die typischwerweise bei der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens anfallen.

Die Schwierigkeit der Angelegenheit ergibt sich aus der Intensität der Arbeit. Schwierig ist eine Tätigkeit, bei der erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme entweder auf juristischem oder tatsächlichen Gebiet zu behandeln sind. Hinsichtlich der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist zwar zu berücksichtigen, dass diese das Gebiet des SGB II und damit eine neue Rechtsmaterie betraf, zu der eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht existierte, gleichwohl war Kommentarliteratur vorhanden. Allerdings war vorliegend der gesamte Inhalt des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, denn der angefochtene Bescheid erwies sich in mehrfacher Hinsicht als rechtswidrig. Die Schwierigkeit war daher mindestens auch durchschnittlich.

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin war vorliegend überdurchschnittlich. Mit dem Widerspruch hat die Klägerin erreicht, dass sie für ihre Bedarfsgemeinschaft monatlich 300,00 Euro höhere Leistungen erlangt. Das ist ein beträchtlicher Teil der ihr insgesamt im Monat zur Verfügung stehenden Leistungen.

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II unterdurchschnittlich sind. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Gebühr zu ermäßigen (so auch die 23. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf - Az. S 23 AS 125/06, Urteil vom 27.10.2006, www. sozialgerichtsbarkeit. de). Die geringeren Einkommens- und Vermögensverhältnisse werden durch die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin kompensiert. Die Kammer geht grundsätzlich davon aus, dass in Verfahren nach dem SGB II oder SGB XII die Bedeutung der Angelegenheit um so wichtiger wird, je geringer die jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind. Die Kriterien Einkommens- und Vermögensverhältnisse einerseits und Bedeutung der Angelegenheit andererseits heben sich daher grundsätzlich gegeneinander auf.

Insgesamt ist daher der Ansatz einer Gebühr in Höhe von 240,00 Euro gerechtfertigt, so dass sich zusammen mit den übrigen Kosten, die hier nicht streitig sind, ein Erstattungsanspruch in Höhe von 301,60 Euro errechnet.

Die Zulassung der Berufung beruht auf der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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