Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 470/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00. oder 00. Januar 1916 in N in Rumänien geborene Kläger ist Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebt seit 1948 in Argentinien mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Der Kläger beantragte unter dem 27.03.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Er gab dabei an, er habe sich von April 1942 bis Juni 1945 in Edinetz in Bessarabien bzw. Rumänien aufgehalten.
Mit Bescheid vom 08.06.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Rente bzw. Leistungen nach dem ZRBG kämen schon deshalb nicht in Betracht, weil das Gesetz nur gelte für Zeiten in einem solchen Ghetto, das sich in einem Gebiet befunden habe, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert gewesen sei. Das ZRBG finde also keine Anwendung für Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto, das sich auf dem Gebiet eines mit dem ehemaligen Deutschen Reich verbündeten Staates befunden habe. Der Kläger sei nach seinen Angaben in einem Ghetto in Rumänien beschäftigt gewesen, und Rumänien sei ein mit dem Deutschen Reich verbündeter Staat gewesen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland am 06.09.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung und zur Anwendbarkeit des ZRBG trug er im wesentlichen vor, es habe Ghettos in Rumänien gegeben, in denen deutsches Militär die Macht ausgeübt habe, und nicht rumänisches. Das sei für ihn entscheidend um das ZRBG anzuwenden. Was die ausgeübte Tätigkeit in Edinetz angehe, trug er vor: Er habe zusammen mit 900 anderen festgenommenen Männern für einen Weg sorgen müssen, damit deutsche Soldaten mit schweren Wagen nach Russland gebracht werden konnten. Man habe mit Dynamit arbeiten müssen. Er sei gezwungen gewesen zu arbeiten. Er habe nicht ausruhen können. Er habe täglich 1 m³ Steine zerstoßen müssen. Hunderte von Männern seien gestorben durch Steine, die herab gestürzt seien. Er sei auch dreimal gegen eine Wand gestellt worden. Es gebe bestimmt Zeugen die bestätigen könnten, dass Juden dort nicht arbeiten wollten, sondern mussten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, es fehle auch an einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt. Vielmehr habe der Kläger Zwangsarbeit ausgeübt, die durch das ZRBG auch nicht entschädigt werde.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger unmittelbar bei der Beklagten Klage zum Sozialgericht Düsseldorf eingereicht, und sinngemäß wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (Bl. 3 ff, Bl. 11 ff der Gerichtsakte) und klargestellt, dass er bei der Beklagten auch Klage einreichen wollte (Bl. 21-27 der Gerichtsakte).
Zur Begründung der Klage nimmt der Kläger sinngemäß Bezug auf sein bisheriges Vorbringen im Widerspruchsverfahren und vertieft dieses. Ergänzend macht er geltend: Er habe in Edineti, auch Edinetz genannt, 1942 in Nord-Bessarabien gearbeitet. Es sei auch Zwangsarbeit gewesen (Bl. 53 der Gerichtsakte). Die Strafen bei der Arbeit, wenn man nicht 1 m³ schaffte, seien sehr streng gewesen; wenn jemand nicht weiter arbeiten konnte, sei er erschossen worden. Wer die Arbeit nicht wie gewünscht beendete, habe die ganze Nacht bei Beleuchtung mit einer Lampe weiterarbeiten müssen. Es sei ein Verbrechen gewesen. Er habe auch im Vernichtungslager wie ein Sklave gearbeitet, um Steinhügel zu sprengen für die Deutschen. Er sei wie die anderen auch nicht aus Menschlichkeit versorgt worden, sondern weil man Sklaven gebraucht hätte, um die Arbeiten bei der Sprengung der Hügel zu verrichten. Er selbst erkenne, dass die Arbeit Sklavenarbeit und Zwangsarbeit gewesen sei, und dass er sie ausgeübt habe, weil es sonst nur ein anderes Schicksal, nämlich den Tod, gegeben hätte (Bl. 3, 62, 69, 77 der Gerichtsakte). Er bitte auch zu bedenken, dass er kein Auto besitze, keinerlei Vermögen und dass er nur einen kleine Rente von 220 $ bekomme (Bl. 62 Gerichtsakte). Früher erhaltene Entschädigungen hätten nichts zu tun mit den jetzt verlangten Leistungen (Bl. 69 Gerichtsakte).
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG – für die von ihm anlässlich des Aufenthaltes im Ghetto Edinetz ab 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung – und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Inzwischen habe sie wegen der vom Sozialgericht Düsseldorf beigezogenen Unterlagen der Claims Conference auch die dort erwähnte Entschädigungsakte des Wiedergutmachungsamtes Saarburg beigezogen. Danach ergebe sich auch kein anderer dem Kläger günstigerer Sachverhalt. Insbesondere führe der Kläger selbst mehrfach aus, dass er zur Arbeit gezwungen worden sei. Auch in einem ärztlichen Bericht vom 30.08.1965 in der Entschädigungsakte sei die Rede von Misshandlungen des Klägers bei der Beschäftigung. Solche Misshandlungen seien auch ein typisches Zeichen von Zwangsarbeiten, die nicht unter das ZRBG fielen. Im übrigen ergebe sich auch aus der Enzyklopädie des Holocaust, dass Edineti 1941 von Rumänien besetzt worden sei und dieser Ort also nicht in einem Gebiet gelegen haben, das überhaupt unter das ZRBG falle.
Das Gericht hat dem Kläger zunächst wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (mit Beschluss vom 03.03.2006).
Das Gericht hat ferner die seit 1997 geführten Unterlagen der Claims Conference beigezogen. Darin heißt es unter anderem auch, dass der Kläger wie andere im Steinbruch arbeiten musste und jeden Tag 1 m³ kleine Stücke von Steinen produzieren musste. Aufgrund der schweren Arbeit habe der Kläger rechtsseitig einen Leistenbruch erlitten und in Folge des kalten Winters habe er sich auch eine Lungenentzündung zugezogen und wäre mangels Medikamenten fast gestorben. Heute noch habe er in Folge dieser Erkrankung Probleme (Bl. 50 f Gerichtsakte). Die Claims Conference hat ferner mitgeteilt, der Kläger habe aufgrund eines Antrages vom 29.01.2001 (Bl. 58 Gerichtsakte) eine Entschädigung aufgrund seines Verfolgungsschicksales im Ghetto Edinetz in Rumänien im Jahr 1942 erhalten. Zur Feststellung habe man die Entschädigungsakten aus früheren Verfahren eingesehen.
Das Gericht hat auch noch die Entschädigungsakte des Wiedergutmachungsamtes in Saarburg beigezogen. In dieser machte der Kläger zur Zeit in Edinetz im November 1965 folgende Angaben: "Schwere Zwangsarbeiten, ungenügendes mangelhaftes Essen, ungeeignete Bekleidung bei Arbeiten im Freien, auch bei Schnee und Regen, schwere seelische und körperliche Misshandlungen, Mitansehenmüssen von Quälereien, Bestrafungen, Misshandlungen etc. von Schicksalsgenossen. Angst vor Deportierung und Erschießungen ..." und "Ich musste ständig schwere, meine physischen Kräfte weit übersteigende Zwangsarbeiten leisten. Trotz dieser großen Anstrengungen bekam ich nur kärgliche, ungenießbare Nahrung, sodaß meine Kräfte zusehens schwanden. Dazu kam, dass bei jeder Witterung gearbeitet werden musste, auch bei Regen, Schnee und Unwetter, wozu man keine geeignete Kleidung und Schuhwerk erhielt. So kamen wir oftmals vollständig durchnässt von der Arbeit und mussten unsere nassen Lumpen am Körper trocknen lassen, denn andere besaßen wir nicht. Konnte man durch den Kräfteverfall die übertragenen Arbeiten nicht ausführen, wurde man geschlagen, misshandelt, beschimpft und gedemütigt, nicht selten mit Fußtritten traktiert ...". In den ärztlichen Gutachten in der Entschädigungsakte heißt es ferner "In Edinetz ... wird er von der Wachmannschaft ohne Grund brutal geschlagen. Er wird unter Drohungen und Misshandlungen gezwungen, sehr schwere Arbeiten zu verrichten, die in keinem Verhältnis zu seinen physischen Kräften stehen. Ein Opfer des Terrors, des Schreckens und aus Angst vor Bestrafung versucht er trotzdem, die ihm übertragenen Arbeiten unter größter Anstrengung auszuführen. Er muss ganz allein sehr schwere Steine heben und er erleidet bei einer solchen Gelegenheit einen starken Schmerz in der rechten Leistengegend ..." (Bl. 48 Rückseite, 44, 42 und 33 der Entschädigungsakte).
Der Kläger und die Beklagte haben sich mit Erklärungen vom 27.04.2006 und 30.09.2006 (Bl. 36, 65 der Gerichtsakte) mit einer Entscheidung des Sozialgerichts ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der beigezogenen Entschädigungsakten Bezug genommen. Alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der Beratung der Kammer vom 07.12.2006.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in dieser Streitsache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensmöglichkeit, die nach § 124 Abs. 2 SGG besteht, schriftlich einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zwar zulässig. Die Klage ist insbesondere als fristgerecht erhoben anzusehen, wegen des die Beteiligten bindenden Beschlusses des Sozialgerichts über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 08.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Dafür gibt es auch mehrere Ablehnungsgründe, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen noch ergibt. Der vom Kläger begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen.
Wegen des Wortlautes der für eine evtl. Rentengewährung maßgeblichen Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG wird gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen auf die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 08.06.2004; dort hat die Beklagte diese Vorschriften mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung auch der Vorschriften des ZRBG sind im Fall des Klägers – auch angesichts seines äußerst schweren Verfolgungsschicksals – nicht erfüllt.
Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung auch der allgemeinen Wartezeit. Auf diese Wartezeit anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat der Kläger aber nicht; die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu seinen Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland, scheitert schon daran, dass der Kläger keine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG ausgeübt hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre, und auch daran, dass die ausgeübte Beschäftigung in einem Gebiet ausgeübt wurde, das nicht von dem ZRBG erfasst wird, und auch daran, dass er bereits Leistungen als Zwangsarbeiter nach dem Stiftungsgesetz erhalten hat, die nach § 16 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes (EVZStiftG) ohnehin Ansprüche rentenrechtlicher Art ausschließen.
I. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass der Kläger – wie er selbst vorträgt –, in Edinetz im Steinbruch und für Straßenarbeiten Arbeiten verrichten musste, die ein typische Form von Zwangsarbeit darstellten; der Kläger musste für Kriegszwecke wie ein Sklave arbeiten unter Inkaufnahme von Misshandlungen, Schlägen, Bedrohungen und dabei Arbeiten verrichten, die auch seine Gesundheit schädigten und wofür er nicht einmal ein so auch bezeichenbares Entgelt erhielt und nur ungenügendes und mangelhaftes Essen; all dies ergibt sich eindeutig aus der beigezogenen Entschädigungsakte und dem Vortrag des Klägers selbst. Seine Arbeitskraft wurde für Zwecke der deutschen Wehrmacht ausgebeutet und er arbeitete dabei auch noch unter Todesangst ohne auch nur ansatzweise angemessenes Entgelt. Aber gerade Arbeiten bzw. Beschäftigungen unter solchen Bedingungen erfüllen nicht die Voraussetzungen zur Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung. § 1 des ZRBG erfordert nämlich eine "freiwillige" Beschäftigungsaufnahme gegen Zahlung eines echten "Entgeltes" im Sinne eines Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Lohn; nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) würde nicht einmal "gute Verpflegung" ausreichen, um überhaupt eine Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG und im Sinne des SGB VI zu begründen. Dies ist auch bereits mehrfach bestätigt worden von der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 – L 3 RJ 101/04 und vom 03.06.2005 – L 4 R 3/05). Das ZRBG gibt demzufolge gerade denjenigen, denen es in einem Ghetto besonders schlecht ging, keine Ansprüche gegenüber denjenigen, die unter den damaligen Lebensumständen zumindest noch etwas Entgelt nennenswerter Art verdienten.
Die Kammer hat dabei auch geprüft, ob die Vorschriften des ZRBG, soweit sie hohe Anforderungen an die Entgeltlichkeit und die Freiwilligkeit der Arbeit stellen, gegen Vorschriften des Grundgesetzes, insbesondere den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG verstoßen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Gesetzgeber im Bereich des Rentenversicherungsrechts speziell im Bereich Wiedergutmachung einen sehr weiten Gestaltungsspielraum hat (BverfGE 53, 164, 177; 106, 201/206). Dieser Gestaltungsspielraum ist hier noch nicht überschritten.
An der Beurteilung ändern auch nichts die vom Kläger übersandten Informationsmaterialien der Claims Conference. Dort sind nämlich die Voraussetzungen für eine Rente unter Berücksichtigung des ZRBG nicht korrekt wiedergegeben. Es heißt dort hinsichtlich der Bedingungen " You performed voluntary labor either out of your own free-will or in order to avoid "an otherwise worse fate." Die Alternative "in order to avoid an otherwise worse fate – also: "um ein anderweitiges schlimmes Schicksal zu verhindern" ist aber gerade nicht Inhalt des Gesetzes, also des § 1 Abs. 1 ZRBG. Eine Arbeit wird nicht dadurch zur freiwilligen Arbeit, dass sie nur deshalb ausgeübt wird, um einem anderen schlimmen Schicksal – also dem Tod – zu entgehen.
Dass es für unter Zwang ausgeübte Arbeiten keine Ansprüche auf eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung nach dem ZRBG gibt, ist kürzlich auch bestätigt worden durch eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" zur Frage der Überarbeitung des ZRBG (BT Drucksache 16/1955 und 16/1785). Danach soll das ZRBG auch angesichts der hohen Ablehnungsquote nicht geändert werden und auch die Bundesregierung geht davon aus, dass im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Kriterien wie Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit zwingende Voraussetzungen sind für die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit; ansonsten würden der gesetzlichen Rentenversicherung Aufgaben zugewiesen, die keinerlei Bezug mehr zur Sozialversicherung hätten. Soweit und sofern Arbeiten erbracht worden seien, die als Zwangsarbeiten oder als nicht entgeltlich zu qualifizieren seien bleibe es bei den bisherigen dafür vorgesehenen Leistungen nach anderen Entschädigungsgesetzen, gleich ob dafür Entschädigungen gewährt wurden oder in welcher Höhe.
II. Selbst wenn die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit bzw. Beschäftigung dem Grunde nach noch unter die Voraussetzungen des ZRBG fiele, also eine entgeltliche unfreiwillige Beschäftigung darstellen würde, würde hier die Anerkennung von Beitragszeiten nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG daran scheitern, dass das Ghetto Edinetz in Bessarabien liegt. Bessarabien war zum Zeitpunkt der Tätigkeiten des Klägers in Edinetz unter rumänischer Verwaltung, bereits seit Ende Juli 1941 (vgl. www.wikipedia.de zu Bessarabien). Rumänien war aber zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Klägers (ab 1942) ein mit dem deutschen Reich verbündeter Staat; Rumänien war also zum damaligen Zeitpunkt kein "vom deutschen Reich besetzter oder eingegliederter Staat", wie § 1 Abs. 1 ZRBG auch verlangt, wenn Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Dass faktisch auch die mit den Rumänen verbündeten Deutschen bzw. deutsche Soldaten ihre Herrschaft in Rumänien ausübten bzw. ihre Macht missbrauchten, führt nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG.
III. Selbst wenn bei dem Kläger eine freiwillige und auch entgeltliche Beschäftigung in Edinetz vorgelegen hätte, und selbst falls die Ausübung der Tätigkeit auf rumänischen Staatsgebiet für die Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG unschädlich wäre, so würde ein Anspruch des Klägers auf eine Rente unter Berücksichtigung des ZRBG auch daran scheitern, dass er für die Zeit im Ghetto Edinetz bereits entschädigt wurde, nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). § 16 dieses Gesetzes regelt in seinem Absatz 1 Satz 2: "Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen". Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf schließt sich damit der Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 07.06.2005 (L 4 R 3/05) an, wonach der Ausschluss von Ansprüchen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung ausschließt. Der Leistungsausschluss hätte nämlich praktisch keinen Anwendungsbereich und würde ausgehebelt, wenn nach § 16 Abs. 3 EVZStiftG auf diesem Umweg doch wieder Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften möglich sein sollten. Ist der Kläger somit wie hier gerade für Tätigkeiten bzw. wegen des Verfolgungsschicksals im Ghetto Edinetz wegen Zwangsarbeiten nach dem EVZStiftG entschädigt worden (was sich aus der Auskunft der Claims Conference vom 15.08.2006 ergibt), so hat dies den Ausschluss von Abgeltungen nach anderen Gesetzes wie hier dem ZRBG oder SGB VI zur Folge. Dabei ist es nach Auffassung der Kammer auch ohne Bedeutung, ob die nach dem EVZStiftG gewährte Zwangsarbeiterentschädigung für Tätigkeiten in einem Ghetto auf ein bestimmtes Jahr beschränkt wurde, denn es handelt sich um Pauschalentschädigungen für die Tätigkeiten zwangsweise im Ghetto, sodaß auch alle sonstigen Tätigkeiten im Ghetto vom Anspruchsausschluss erfasst werden, wenn es um Tätigkeiten geht, die wie hier als Zwangsarbiet zu qualifizieren sind.
IV Die Kammer verkennt nicht das schwere Verfolgungsschicksal des Klägers und die schrecklichen Bedingen, unter denen er ab 1942 für Zwecke der deutschen Wehrmacht arbeiten musste; sie sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der von dem Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit dem geltend gemachten Anspruch auf eine Rente nach dem SGB VI bzw. ZRBG zu entsprechen. Das ZRBG gibt solche Ansprüche für den Kläger zur Überzeugung der Kammer einfach nicht her. Es ist dabei auch ohne Bedeutung, wie hoch bzw. niedrig diejenigen Entschädigungsleistungen sind, die der Kläger bereits nach dem Bundessentschädigungsgesetz (BEG) erhielt bzw. nach dem Art. 2 Fund. Die jetzige finanzielle Situation des Klägers ist auch nicht von Bedeutung, denn die von der Beklagten begehrten Leistungen können nicht nach freiem Ermessen oder unter sonstigen finanziellen Gesichtspunkten zuerkannt werden, vielmehr nur dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen auch erfüllt wären (was aber nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist). Denn die Rechte und Pflichten in Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es (ausdrücklich) vorschreibt oder zulässt (§ 31 SGB I – sogenannter Vorbehalt des Gesetzes). Die Kammer konnte daher keine Ansprüche zuerkennen, für die es keine ausdrückliche geeignete gesetzliche Grundlage gibt.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00. oder 00. Januar 1916 in N in Rumänien geborene Kläger ist Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebt seit 1948 in Argentinien mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Der Kläger beantragte unter dem 27.03.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Er gab dabei an, er habe sich von April 1942 bis Juni 1945 in Edinetz in Bessarabien bzw. Rumänien aufgehalten.
Mit Bescheid vom 08.06.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Rente bzw. Leistungen nach dem ZRBG kämen schon deshalb nicht in Betracht, weil das Gesetz nur gelte für Zeiten in einem solchen Ghetto, das sich in einem Gebiet befunden habe, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert gewesen sei. Das ZRBG finde also keine Anwendung für Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto, das sich auf dem Gebiet eines mit dem ehemaligen Deutschen Reich verbündeten Staates befunden habe. Der Kläger sei nach seinen Angaben in einem Ghetto in Rumänien beschäftigt gewesen, und Rumänien sei ein mit dem Deutschen Reich verbündeter Staat gewesen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland am 06.09.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung und zur Anwendbarkeit des ZRBG trug er im wesentlichen vor, es habe Ghettos in Rumänien gegeben, in denen deutsches Militär die Macht ausgeübt habe, und nicht rumänisches. Das sei für ihn entscheidend um das ZRBG anzuwenden. Was die ausgeübte Tätigkeit in Edinetz angehe, trug er vor: Er habe zusammen mit 900 anderen festgenommenen Männern für einen Weg sorgen müssen, damit deutsche Soldaten mit schweren Wagen nach Russland gebracht werden konnten. Man habe mit Dynamit arbeiten müssen. Er sei gezwungen gewesen zu arbeiten. Er habe nicht ausruhen können. Er habe täglich 1 m³ Steine zerstoßen müssen. Hunderte von Männern seien gestorben durch Steine, die herab gestürzt seien. Er sei auch dreimal gegen eine Wand gestellt worden. Es gebe bestimmt Zeugen die bestätigen könnten, dass Juden dort nicht arbeiten wollten, sondern mussten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, es fehle auch an einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt. Vielmehr habe der Kläger Zwangsarbeit ausgeübt, die durch das ZRBG auch nicht entschädigt werde.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger unmittelbar bei der Beklagten Klage zum Sozialgericht Düsseldorf eingereicht, und sinngemäß wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (Bl. 3 ff, Bl. 11 ff der Gerichtsakte) und klargestellt, dass er bei der Beklagten auch Klage einreichen wollte (Bl. 21-27 der Gerichtsakte).
Zur Begründung der Klage nimmt der Kläger sinngemäß Bezug auf sein bisheriges Vorbringen im Widerspruchsverfahren und vertieft dieses. Ergänzend macht er geltend: Er habe in Edineti, auch Edinetz genannt, 1942 in Nord-Bessarabien gearbeitet. Es sei auch Zwangsarbeit gewesen (Bl. 53 der Gerichtsakte). Die Strafen bei der Arbeit, wenn man nicht 1 m³ schaffte, seien sehr streng gewesen; wenn jemand nicht weiter arbeiten konnte, sei er erschossen worden. Wer die Arbeit nicht wie gewünscht beendete, habe die ganze Nacht bei Beleuchtung mit einer Lampe weiterarbeiten müssen. Es sei ein Verbrechen gewesen. Er habe auch im Vernichtungslager wie ein Sklave gearbeitet, um Steinhügel zu sprengen für die Deutschen. Er sei wie die anderen auch nicht aus Menschlichkeit versorgt worden, sondern weil man Sklaven gebraucht hätte, um die Arbeiten bei der Sprengung der Hügel zu verrichten. Er selbst erkenne, dass die Arbeit Sklavenarbeit und Zwangsarbeit gewesen sei, und dass er sie ausgeübt habe, weil es sonst nur ein anderes Schicksal, nämlich den Tod, gegeben hätte (Bl. 3, 62, 69, 77 der Gerichtsakte). Er bitte auch zu bedenken, dass er kein Auto besitze, keinerlei Vermögen und dass er nur einen kleine Rente von 220 $ bekomme (Bl. 62 Gerichtsakte). Früher erhaltene Entschädigungen hätten nichts zu tun mit den jetzt verlangten Leistungen (Bl. 69 Gerichtsakte).
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG – für die von ihm anlässlich des Aufenthaltes im Ghetto Edinetz ab 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung – und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Inzwischen habe sie wegen der vom Sozialgericht Düsseldorf beigezogenen Unterlagen der Claims Conference auch die dort erwähnte Entschädigungsakte des Wiedergutmachungsamtes Saarburg beigezogen. Danach ergebe sich auch kein anderer dem Kläger günstigerer Sachverhalt. Insbesondere führe der Kläger selbst mehrfach aus, dass er zur Arbeit gezwungen worden sei. Auch in einem ärztlichen Bericht vom 30.08.1965 in der Entschädigungsakte sei die Rede von Misshandlungen des Klägers bei der Beschäftigung. Solche Misshandlungen seien auch ein typisches Zeichen von Zwangsarbeiten, die nicht unter das ZRBG fielen. Im übrigen ergebe sich auch aus der Enzyklopädie des Holocaust, dass Edineti 1941 von Rumänien besetzt worden sei und dieser Ort also nicht in einem Gebiet gelegen haben, das überhaupt unter das ZRBG falle.
Das Gericht hat dem Kläger zunächst wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (mit Beschluss vom 03.03.2006).
Das Gericht hat ferner die seit 1997 geführten Unterlagen der Claims Conference beigezogen. Darin heißt es unter anderem auch, dass der Kläger wie andere im Steinbruch arbeiten musste und jeden Tag 1 m³ kleine Stücke von Steinen produzieren musste. Aufgrund der schweren Arbeit habe der Kläger rechtsseitig einen Leistenbruch erlitten und in Folge des kalten Winters habe er sich auch eine Lungenentzündung zugezogen und wäre mangels Medikamenten fast gestorben. Heute noch habe er in Folge dieser Erkrankung Probleme (Bl. 50 f Gerichtsakte). Die Claims Conference hat ferner mitgeteilt, der Kläger habe aufgrund eines Antrages vom 29.01.2001 (Bl. 58 Gerichtsakte) eine Entschädigung aufgrund seines Verfolgungsschicksales im Ghetto Edinetz in Rumänien im Jahr 1942 erhalten. Zur Feststellung habe man die Entschädigungsakten aus früheren Verfahren eingesehen.
Das Gericht hat auch noch die Entschädigungsakte des Wiedergutmachungsamtes in Saarburg beigezogen. In dieser machte der Kläger zur Zeit in Edinetz im November 1965 folgende Angaben: "Schwere Zwangsarbeiten, ungenügendes mangelhaftes Essen, ungeeignete Bekleidung bei Arbeiten im Freien, auch bei Schnee und Regen, schwere seelische und körperliche Misshandlungen, Mitansehenmüssen von Quälereien, Bestrafungen, Misshandlungen etc. von Schicksalsgenossen. Angst vor Deportierung und Erschießungen ..." und "Ich musste ständig schwere, meine physischen Kräfte weit übersteigende Zwangsarbeiten leisten. Trotz dieser großen Anstrengungen bekam ich nur kärgliche, ungenießbare Nahrung, sodaß meine Kräfte zusehens schwanden. Dazu kam, dass bei jeder Witterung gearbeitet werden musste, auch bei Regen, Schnee und Unwetter, wozu man keine geeignete Kleidung und Schuhwerk erhielt. So kamen wir oftmals vollständig durchnässt von der Arbeit und mussten unsere nassen Lumpen am Körper trocknen lassen, denn andere besaßen wir nicht. Konnte man durch den Kräfteverfall die übertragenen Arbeiten nicht ausführen, wurde man geschlagen, misshandelt, beschimpft und gedemütigt, nicht selten mit Fußtritten traktiert ...". In den ärztlichen Gutachten in der Entschädigungsakte heißt es ferner "In Edinetz ... wird er von der Wachmannschaft ohne Grund brutal geschlagen. Er wird unter Drohungen und Misshandlungen gezwungen, sehr schwere Arbeiten zu verrichten, die in keinem Verhältnis zu seinen physischen Kräften stehen. Ein Opfer des Terrors, des Schreckens und aus Angst vor Bestrafung versucht er trotzdem, die ihm übertragenen Arbeiten unter größter Anstrengung auszuführen. Er muss ganz allein sehr schwere Steine heben und er erleidet bei einer solchen Gelegenheit einen starken Schmerz in der rechten Leistengegend ..." (Bl. 48 Rückseite, 44, 42 und 33 der Entschädigungsakte).
Der Kläger und die Beklagte haben sich mit Erklärungen vom 27.04.2006 und 30.09.2006 (Bl. 36, 65 der Gerichtsakte) mit einer Entscheidung des Sozialgerichts ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der beigezogenen Entschädigungsakten Bezug genommen. Alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der Beratung der Kammer vom 07.12.2006.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in dieser Streitsache durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensmöglichkeit, die nach § 124 Abs. 2 SGG besteht, schriftlich einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist zwar zulässig. Die Klage ist insbesondere als fristgerecht erhoben anzusehen, wegen des die Beteiligten bindenden Beschlusses des Sozialgerichts über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 08.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Dafür gibt es auch mehrere Ablehnungsgründe, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen noch ergibt. Der vom Kläger begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen.
Wegen des Wortlautes der für eine evtl. Rentengewährung maßgeblichen Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG wird gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen auf die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 08.06.2004; dort hat die Beklagte diese Vorschriften mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung auch der Vorschriften des ZRBG sind im Fall des Klägers – auch angesichts seines äußerst schweren Verfolgungsschicksals – nicht erfüllt.
Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Regelaltersrente ist nach § 35 des Sozialgesetzbuches (SGB) VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahres die Erfüllung auch der allgemeinen Wartezeit. Auf diese Wartezeit anrechenbare Zeiten im Sinne von §§ 50 ff SGB VI hat der Kläger aber nicht; die Anwendbarkeit des ZRBG, also des "Ghetto-Gesetzes" zu seinen Gunsten zur Begründung von Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung und zur Zahlbarmachung einer Rente ins Ausland, scheitert schon daran, dass der Kläger keine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG ausgeübt hat, die auch eine "entgeltliche" Beschäftigung aus "eigenem Willensentschluss" darzustellen geeignet wäre, und auch daran, dass die ausgeübte Beschäftigung in einem Gebiet ausgeübt wurde, das nicht von dem ZRBG erfasst wird, und auch daran, dass er bereits Leistungen als Zwangsarbeiter nach dem Stiftungsgesetz erhalten hat, die nach § 16 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes (EVZStiftG) ohnehin Ansprüche rentenrechtlicher Art ausschließen.
I. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass der Kläger – wie er selbst vorträgt –, in Edinetz im Steinbruch und für Straßenarbeiten Arbeiten verrichten musste, die ein typische Form von Zwangsarbeit darstellten; der Kläger musste für Kriegszwecke wie ein Sklave arbeiten unter Inkaufnahme von Misshandlungen, Schlägen, Bedrohungen und dabei Arbeiten verrichten, die auch seine Gesundheit schädigten und wofür er nicht einmal ein so auch bezeichenbares Entgelt erhielt und nur ungenügendes und mangelhaftes Essen; all dies ergibt sich eindeutig aus der beigezogenen Entschädigungsakte und dem Vortrag des Klägers selbst. Seine Arbeitskraft wurde für Zwecke der deutschen Wehrmacht ausgebeutet und er arbeitete dabei auch noch unter Todesangst ohne auch nur ansatzweise angemessenes Entgelt. Aber gerade Arbeiten bzw. Beschäftigungen unter solchen Bedingungen erfüllen nicht die Voraussetzungen zur Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung. § 1 des ZRBG erfordert nämlich eine "freiwillige" Beschäftigungsaufnahme gegen Zahlung eines echten "Entgeltes" im Sinne eines Austauschverhältnisses zwischen Arbeit und Lohn; nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) würde nicht einmal "gute Verpflegung" ausreichen, um überhaupt eine Entgeltlichkeit im Sinne des ZRBG und im Sinne des SGB VI zu begründen. Dies ist auch bereits mehrfach bestätigt worden von der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 – L 3 RJ 101/04 und vom 03.06.2005 – L 4 R 3/05). Das ZRBG gibt demzufolge gerade denjenigen, denen es in einem Ghetto besonders schlecht ging, keine Ansprüche gegenüber denjenigen, die unter den damaligen Lebensumständen zumindest noch etwas Entgelt nennenswerter Art verdienten.
Die Kammer hat dabei auch geprüft, ob die Vorschriften des ZRBG, soweit sie hohe Anforderungen an die Entgeltlichkeit und die Freiwilligkeit der Arbeit stellen, gegen Vorschriften des Grundgesetzes, insbesondere den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG verstoßen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da der Gesetzgeber im Bereich des Rentenversicherungsrechts speziell im Bereich Wiedergutmachung einen sehr weiten Gestaltungsspielraum hat (BverfGE 53, 164, 177; 106, 201/206). Dieser Gestaltungsspielraum ist hier noch nicht überschritten.
An der Beurteilung ändern auch nichts die vom Kläger übersandten Informationsmaterialien der Claims Conference. Dort sind nämlich die Voraussetzungen für eine Rente unter Berücksichtigung des ZRBG nicht korrekt wiedergegeben. Es heißt dort hinsichtlich der Bedingungen " You performed voluntary labor either out of your own free-will or in order to avoid "an otherwise worse fate." Die Alternative "in order to avoid an otherwise worse fate – also: "um ein anderweitiges schlimmes Schicksal zu verhindern" ist aber gerade nicht Inhalt des Gesetzes, also des § 1 Abs. 1 ZRBG. Eine Arbeit wird nicht dadurch zur freiwilligen Arbeit, dass sie nur deshalb ausgeübt wird, um einem anderen schlimmen Schicksal – also dem Tod – zu entgehen.
Dass es für unter Zwang ausgeübte Arbeiten keine Ansprüche auf eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung nach dem ZRBG gibt, ist kürzlich auch bestätigt worden durch eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" zur Frage der Überarbeitung des ZRBG (BT Drucksache 16/1955 und 16/1785). Danach soll das ZRBG auch angesichts der hohen Ablehnungsquote nicht geändert werden und auch die Bundesregierung geht davon aus, dass im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Kriterien wie Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit zwingende Voraussetzungen sind für die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit; ansonsten würden der gesetzlichen Rentenversicherung Aufgaben zugewiesen, die keinerlei Bezug mehr zur Sozialversicherung hätten. Soweit und sofern Arbeiten erbracht worden seien, die als Zwangsarbeiten oder als nicht entgeltlich zu qualifizieren seien bleibe es bei den bisherigen dafür vorgesehenen Leistungen nach anderen Entschädigungsgesetzen, gleich ob dafür Entschädigungen gewährt wurden oder in welcher Höhe.
II. Selbst wenn die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit bzw. Beschäftigung dem Grunde nach noch unter die Voraussetzungen des ZRBG fiele, also eine entgeltliche unfreiwillige Beschäftigung darstellen würde, würde hier die Anerkennung von Beitragszeiten nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG daran scheitern, dass das Ghetto Edinetz in Bessarabien liegt. Bessarabien war zum Zeitpunkt der Tätigkeiten des Klägers in Edinetz unter rumänischer Verwaltung, bereits seit Ende Juli 1941 (vgl. www.wikipedia.de zu Bessarabien). Rumänien war aber zum Zeitpunkt der Tätigkeit des Klägers (ab 1942) ein mit dem deutschen Reich verbündeter Staat; Rumänien war also zum damaligen Zeitpunkt kein "vom deutschen Reich besetzter oder eingegliederter Staat", wie § 1 Abs. 1 ZRBG auch verlangt, wenn Ansprüche geltend gemacht werden sollen. Dass faktisch auch die mit den Rumänen verbündeten Deutschen bzw. deutsche Soldaten ihre Herrschaft in Rumänien ausübten bzw. ihre Macht missbrauchten, führt nicht zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ZRBG.
III. Selbst wenn bei dem Kläger eine freiwillige und auch entgeltliche Beschäftigung in Edinetz vorgelegen hätte, und selbst falls die Ausübung der Tätigkeit auf rumänischen Staatsgebiet für die Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG unschädlich wäre, so würde ein Anspruch des Klägers auf eine Rente unter Berücksichtigung des ZRBG auch daran scheitern, dass er für die Zeit im Ghetto Edinetz bereits entschädigt wurde, nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). § 16 dieses Gesetzes regelt in seinem Absatz 1 Satz 2: "Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen". Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf schließt sich damit der Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 07.06.2005 (L 4 R 3/05) an, wonach der Ausschluss von Ansprüchen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung ausschließt. Der Leistungsausschluss hätte nämlich praktisch keinen Anwendungsbereich und würde ausgehebelt, wenn nach § 16 Abs. 3 EVZStiftG auf diesem Umweg doch wieder Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften möglich sein sollten. Ist der Kläger somit wie hier gerade für Tätigkeiten bzw. wegen des Verfolgungsschicksals im Ghetto Edinetz wegen Zwangsarbeiten nach dem EVZStiftG entschädigt worden (was sich aus der Auskunft der Claims Conference vom 15.08.2006 ergibt), so hat dies den Ausschluss von Abgeltungen nach anderen Gesetzes wie hier dem ZRBG oder SGB VI zur Folge. Dabei ist es nach Auffassung der Kammer auch ohne Bedeutung, ob die nach dem EVZStiftG gewährte Zwangsarbeiterentschädigung für Tätigkeiten in einem Ghetto auf ein bestimmtes Jahr beschränkt wurde, denn es handelt sich um Pauschalentschädigungen für die Tätigkeiten zwangsweise im Ghetto, sodaß auch alle sonstigen Tätigkeiten im Ghetto vom Anspruchsausschluss erfasst werden, wenn es um Tätigkeiten geht, die wie hier als Zwangsarbiet zu qualifizieren sind.
IV Die Kammer verkennt nicht das schwere Verfolgungsschicksal des Klägers und die schrecklichen Bedingen, unter denen er ab 1942 für Zwecke der deutschen Wehrmacht arbeiten musste; sie sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften und der von dem Bundessozialgericht und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen aufgestellten Voraussetzungen keine Möglichkeit dem geltend gemachten Anspruch auf eine Rente nach dem SGB VI bzw. ZRBG zu entsprechen. Das ZRBG gibt solche Ansprüche für den Kläger zur Überzeugung der Kammer einfach nicht her. Es ist dabei auch ohne Bedeutung, wie hoch bzw. niedrig diejenigen Entschädigungsleistungen sind, die der Kläger bereits nach dem Bundessentschädigungsgesetz (BEG) erhielt bzw. nach dem Art. 2 Fund. Die jetzige finanzielle Situation des Klägers ist auch nicht von Bedeutung, denn die von der Beklagten begehrten Leistungen können nicht nach freiem Ermessen oder unter sonstigen finanziellen Gesichtspunkten zuerkannt werden, vielmehr nur dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen auch erfüllt wären (was aber nach den obigen Ausführungen nicht der Fall ist). Denn die Rechte und Pflichten in Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es (ausdrücklich) vorschreibt oder zulässt (§ 31 SGB I – sogenannter Vorbehalt des Gesetzes). Die Kammer konnte daher keine Ansprüche zuerkennen, für die es keine ausdrückliche geeignete gesetzliche Grundlage gibt.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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