S 16 U 50/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 50/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 22/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Bewilligung von Rente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der 1948 geborene Kläger erlitt am 24.09.1998 einen Arbeitsunfalls als er mit seinem Motorroller auf die linke Körperseite stürzte. Durchgangsärztlich wurden zahlreiche Prellungen und Hautabschürfungen an der linken Körperseite und eine deutliche Schwellung des linken Großzehengrundgelenks festgestellt. Frakturzeichen am linken Fuß und an der linken Großzehe fanden sich röntgenologisch nicht. Ab dem 03.12.1998 war der Kläger wieder arbeitsfähig. In der Folgezeit klagte er über ein Schmerzsyndrom am linken Fuß. Trotz zahlreicher Behandlungen stellte sich eine Besserung der Beschwerden nicht ein. Zur Feststellung der verbliebenen Unfallfolgen holte die Beklagte ein Gutachten von Privatz-Dozent L1, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik E-C ein. Dieser berichtete unter dem 19.09.2000, eine neurologische Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik am 14.04.2000 habe ergeben, dass der objektivierbare neurologische Befund regelrecht sei und Schädigungen peripherer Nerven nicht hätte nachgewiesen werden können. Nach wie vor bestehe eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit im linken Großzehengrundgelenk. Radiologisch ergäben sich keine Hinweise auf knöcherne Verletzungen, insbesondere hätten auch Verletzungen des linken oberen Sprunggelenks ausgeschlossen werden können. Eine am linken großen Grundgelenk ermittelte Arthrose sei nicht den Unfallfolgen anzulasten. Die unfallbedingte MdE sei nicht mehr messbar. Daraufhin erkannte die Beklagte den Unfall des Klägers als Versicherungsfall an, lehnte aber die Gewährung von Rente ab (Bescheid vom 09.01.2000). Mit seinem Widerspruch bezog sich der Kläger auf ein von W, Kliniken St. B, erstattetes neurologisch-psychiatrisches Gutachten, in dem davon die Rede ist, der Kläger wirke in erheblichem Maße auf das Beschwerdebild fixiert, die ungewöhnlich zahlreichen Bemühungen wiesen auf einen erheblichen Leidensdruck hin. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liege eine verletzungsbedingte Teilschädigung des sensiblen Endastes des Nervus plantaris medialis an der Innenseite des linken Fußes vor. Die dadurch bedingte MdE sei auf 10 vom Hundert einzuschätzen.

Die Beklagte holte daraufhin ein nervenärztliches Gutachten von L2 ein. L2 berichtete von Verdeutlichungstendenzen des Klägers und kam zu dem Ergebnis, beim Kläger lägen allenfalls geringfügige Überleitungsverzögerungen im Versorgungsgebiet des Nervus plantaris medialis links vor, ohne dass sich aus den erhobenen Befunden eine funktionelle Relevanz oder Erklärung das atypische Beschwerdebild ergäbe. Die Haltung des Klägers und seine gesamte psychische und psycho-soziale Situation gäbe Anlass zu der Annahme, dass eine Zweckreaktion vorliege, der Kläger von Vornherein mit der Aufgabe seiner Tätigkeit als selbständiger Unternehmensberater gerechnet und dies sogar geplant habe. Auf Anregung des Klägers hörte die Beklagte sodann neurologischerseits T, Universitätsklinikum E, der eine traumatische Schädigung und narbige Irritation der sensiblen Endäste des Nervus plantaris beschrieb und ihm Hinblick auf die vom Kläger geäußerte Schmerzsymptomatik die MdE mit 10 vom Hundert bewertete. Auf dieser medizinischen Grundlage erkannte die Beklagte eine traumatisch bedingte Reizung der Endäste des Fußsohlennervs mit therapierefraktären Schmerzen im Bereich der Großzehe links als Unfallfolgen an (Abhilfebescheid vom 13.02.2002). Der Kläger nahm daraufhin seinen Widerspruch zurück.

Unter dem 04.11.2002 machte der Kläger eine Verschlimmerung der Unfallfolgen geltend und regte erneut eine Begutachtung durch T an. Die Beklagte nahm diese Anregung auf und veranlasste eine weitere Begutachtung des Klägers in der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums E. Aufgrund einer Untersuchung des Klägers am 16.12.2002 kam T zu dem Ergebnis, der Kläger habe sich eine im Verlaufrückläufige, aber fortbestehende Schmerzsymptomatik im Bereich des linken Fußes mit Schwerpunkt der linken Großzehe zugezogen. Ein Karpaltunnel-Syndrom könne nicht festgestellt werden. Die MdE sei nach wie vor auf 10 vom Hundert zu schätzen. Nachdem der Kläger der Beklagten mitgeteilt hatte, wegen der Unfallfolgen seine Arbeit als Unternehmensberater aufgegeben zu haben und der behandelnde Psychologe des Klägers von somatoformen Schmerzstörungen berichtet hatte, holte die Beklagte ein psychosomatisches Gutachten von U, Rheinische Landeskliniken E, ein. Dieser bescheinigte dem Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine mittelgradige depressive Episode. Die Unfallfolgen seien in ihrer Art und Schwere geeignet gewesen, die vom Kläger geäußerten Beschwerden zu verursachen. Aufgrund der depressiven Symptomatik und der körperlichen Einschränkungen durch die Fußschmerzen sei der Kläger nicht mehr in der Lage seine Tätigkeit als selbständiger Unternehmensberater weiter auszuüben. Die dadurch bedingte MdE sei auf 80 vom Hundert einzuschätzen. Die Beklagte schloss sich dieser Beurteilung nicht an und lehnte die Bewilligung von Rente auf der Grundlage des Gutachtens von T ab (Bescheid vom 11.11.2003). Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.02.2004). Mit seiner am 05.03.2004 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein auf Rente gerichtetes Begehren weiter. Er macht geltend, unfallbedingt nicht mehr als selbständiger Personalberater tätig sein zu können.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 11.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2004 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.09.1998 Rente nach einer MdE von 60 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zunächst gemäß § 106 SGG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von G, Alexianer-Krankenhaus-L3 eingeholt. Dieser hat unter dem 30.12.2004 geäußert, die vom Kläger beschriebene Schmerzsymptomatik gehe über das erklärbare Maß hinaus, die Unfallfolgen seien folgenlos ausgeheilt. Ein morphologisch fassbares korrelat für die beklagten Schmerzen ließe sich als Folge des Unfalls nicht finden. Eine rentenberechtigende MdE sei allenfalls für die Dauer von 8 Wochen nach dem Unfallereignis anzunehmen. Auf Antrag des Klägers hat das Gericht sodann - gemäß § 109 SGG - ein Gutachten von E, Bereich Psychosomatik in der Zahnheilkunde, Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum N, eingeholt. Dieser ist unter dem 08.08.2005 zu dem Ergebnis gekommen, als Unfallfolgen seien eine somatoforme Schmerzstörung (40 %) sowie eine Dysthymie (20 %) verblieben wobei die Gesamt-MdE auf 50 % zu schätzen sei. Dabei ist E mit dem Kläger davon ausgegangen, dass der Unfall vom 24.09.1998 für den Kläger einen "dramatischer Karriereknick" bedeutet hat. Dem hat die Beklagte unter Vorlage des Versicherungsverlaufs des Klägers, der für den Zeitraum vom 10.09.1997 bis zum 07.11.1997 Geldersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit ausweist und unter Vorlage eines Zusatzblatts zum Antrag auf Arbeitslosengeld des Klägers vom 23.09.1997 widersprochen. In diesem Zusatzblatt heißt es unter anderem, wegen fehlender Anschlussaufträge sei es geplant, die Selbständigkeit aufzugeben. Der Kläger hat sich gegen die Verwertung dieser Angaben aus datenschutzrechtlichen Gründen gewandt. Das Gericht hat den Kläger aufgefordert, die Einkommenssteuerbescheide für den Zeitraum ab 1995 vorzulegen. Daraufhin hat der Kläger mitgeteilt, die Bescheide lägen ihm nicht mehr vor, stattdessen hat er eine "Einnahme-Überschussrechnung" eingereicht, die Grundlage der Steuererklärungen gewesen sei.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 01.01.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente, er ist in seiner Erwerbsfähigkeit nicht um mindestens 20 vom Hundert gemindert (vgl. § 56 SGB VII). Zwar sind U und E gegenteiliger Ansicht. Sie haben vorgeschlagen, eine unfallbedingte MdE von 80 vom Hundert bzw. 50 vom Hundert anzunehmen. Ihren Vorschlägen kann jedoch nicht gefolgt werden, davon hat sich die Kammer insbesondere aufgrund der Darlegungen von G überzeugt. Danach mag es durch den Unfall vom 24.09.1998 zwar zu einer Reizung der Endäste des Nervus plantaris gekommen sein, die zu Schmerzen im Bereich der linken Großzehe geführt hat. Die vom Kläger geäußerte Schmerzsymptomatik lässt sich jedoch durch diese partielle Schädigung nicht erklären, da es allenfalls zu einer Sensibilitätsstörung und einer Berührungsempfindlichkeit in dem Hautareal gekommen ist, das vom Nervus plantaris versorgt wird. G hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich ein morphologisch fassbares Korrelat für die vom Kläger geäußerten Beschwerden nicht finden lässt. Auch E und U gehen davon aus, dass kein organischer Befund erhoben werden kann, der das vom Kläger beschriebene Ausmaß der Schmerzen im linken Fuß erklärt kann. Dementsprechend diagnostizieren sie eine somatoforme Schmerzstörung und gehen darüber hinaus von einer Dysthymie aus, deren Ursache sie in unfallabhängigen psychosozialen Faktoren sehen: Die unbewusste psychogene Aufrechterhaltung des Schmerzerlebens habe beim Kläger eine Schutzfunktion erfüllt und es ihm erspart, sein berufliches Scheitern einzugestehen. Dieser Beurteilung vermag die Kammer nicht zu folgen, soweit U und E in dem Unfall vom 24.09.1998 die Ursache des vom Kläger beschriebenen Karriereknicks" sehen. Beide Gutachter legen ihrer Bewertung offensichtlich die Angaben des Klägers zugrunde, er sei vor dem Unfall außerordentlich erfolgreich gewesen, durch die unfallbedingten Schmerzen habe er jedoch seine Tätigkeit nicht mehr ausüben können. Damit stützen die Gutachter ihre Bewertung auf Angaben des Klägers, die sich nach Auffassung der Kammer nicht verifizieren lassen: Der Kläger hat bereits im September 1997 und damit ein Jahr vor dem Unfall einen Antrag auf Arbeitslosengeld mit der Begründung gestellt, wegen fehlender Anschlussaufträge sei die Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit geplant. Auch der Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung Bund weist für den Zeitraum vom 10.09.1997 bis zum 07.11.1999 Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit aus. Einkommenssteuerbescheide, die für den Zeitraum vor dem Unfall seine Darstellung stützen, er sei vor dem Unfall als Selbständiger außerordentlich erfolgreich gewesen, hat der Kläger nicht vorlegen können. Stattdessen hat er eine detaillierte "Einnahme-Ausgaben-Überschussrechnung" eingereicht. Trotz dieser Angaben ist die Kammer nicht von der Richtigkeit der Darstellung des Klägers überzeugt, insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum zwar eine detaillierte Darstellung der Einnahmen und Ausgaben hat erfolgen können, die Einkommenssteuerbescheide aber nicht mehr vorliegen sollen. Festzuhalten bleibt daher, dass U und E ihre Beurteilung Tatsachen zu Grunde legen, die sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit haben beweisen lassen. Die Last des nicht erbrachten Beweises von anspruchsbegründenden Tatsachen hat aber auch im sozialgerichtlichen Verfahren stets derjenige zu tragen, der aus der behaupteten, aber nicht erweislichen Tatsache Rechte herleiten will. Das ist hier der Kläger.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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