S 16 U 233/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 233/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 79/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1966 geborene Kläger erlernte den Beruf des Frisörs und arbeitete nach Ableistung des Wehrdienstes in der Zeit von 1989 bis 1991 als Frisörgeselle. Danach übte er eine selbständige Tätigkeit als Frisörmeister aus, war von 1995 bis 1998 Geschäftsführer einer Gebäudereinigungsfirma und arbeitete anschließend wieder als selbständiger Friseurmeister. Zurzeit ist er Inhaber eines Frisörgeschäfts. Wegen Schulterbeschwerden verrichtet er jedoch keine Frisörtätigkeiten mehr. Im Februar 2003 zeigte der Facharzt für Orthopädie U der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit an: Der Kläger leide an einer Tendinitis calcaria und an einer Brusitis subacromealis der linken Schulter als Folge mechanischer Belastungen, nämlich repetitiver Bewegungen über der Horizontale. Die Beklagte zog daraufhin die Unterlagen des Versorgungsamtes X bei, holte Befundberichte der behandelnden Ärzte U und P ein und hörte ihren beratenden Arzt T. Dieser führte unter dem 02.09.2003 aus, ein Krankheitsbild nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV liege nicht vor. Von dieser Berufskrankheit würden nur Erkrankungen erfasst, die durch repetitive, intensive die oberen Extremitäten überdurchschnittlich belastenden manuellen Tätigkeiten verursacht würden. Betroffen seien die Sehnenansätze, die Sehnengleitlager und die Sehnenscheiden. Die beim Kläger beschriebenen Veränderungen im Bereich des Schultergelenks und der Rotatorenmanschette könnten diesem Krankheitsbild nicht zugeordnet werden. Auf dieser medizinischen Grundlage lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV ab (Bescheid vom 09.10.2003). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe eine Entzündung der Sehnenscheide des linken Schultergelenks. Diese Entzündung sei die Grundlage für die geltend gemachte Berufskrankheit. Die Beklagte schaltete daraufhin Diplom-Ingenieurin E zur Klärung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit ein. Diese führte unter dem 18.03.2004 aus, seit 1999 führe der Kläger zwei Frisiersalons in denen er, neben den anfallenden Verwaltungsaufgaben, die berufstypischen Tätigkeiten wie Waschen, Schneiden, Fönen, Färben usw. ausübe. Eigenen Angaben zufolge betreue er im Durchschnitt bis zu 18 Kunden täglich, wobei sein Aufgabenschwerpunkt im Herrenbereich liege und mehr als 50 % seiner Tätigkeit auf das Haareschneiden und Fönen entfielen. Die Frisörtätigkeit des Klägers sei aufgrund der wechselnden Bewegungen bzw. Bewegungsarten sowie der Arbeitstechniken keine Tätigkeit, die vornehmlich einseitig ausgeprägt sei. Allerdings könnten sich über den Arbeitstag erstreckende langandauernde und sich summierende mechanische Beanspruchungen, z. B. durch statische Haltearbeit quantitativ als nicht unerheblich angesehen werden. Dies gelte insbesondere für den Schulter- und Armbereich, aber auch für den Rücken. Des Weiteren könnten normalerweise Frisörtätigkeiten nicht als ungewohnte Tätigkeiten mit fehlender oder gestörter Anpassung bezeichnet werden. Die Tätigkeiten des Klägers seien zwar kurzzyklisch und wiederholend, aber die Bewegungsfrequenz liege deutlich unter 10.000,00 pro Stunde. Durch das Haareschneiden würden verschiedene hochfrequente feinmotorische Bewegungsabläufe durchgeführt, teilweise auch in unphysiologischer Haltung. Die Arten der Bewegungsabläufe seien verschieden. Es handele sich im Wesentlichen um Drehbewegungen im Handgelenk sowie Öffnen- und Schließbewegungen zwischen Daumen und Ringfinger. Monton wiederholte Aus- und Einseitsdrehungen der Hand und des Vorderarms kämen beim Färben, Wickeln und Fönen vor. Daraus ergäben sich für den Kläger ca. 5.500 Drehbewegungen an der Hand pro Tag. Kurzfristige, übermäßig anstrengende Betätigungen seien denkbar, aber eher selten. Sodann holte die Beklagte noch eine arbeitsmedizinische Stellungnahme von S ein. Dieser führte u. a. aus, grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die Gesamtheit einer Haarbehandlung soviel unterschiedliche mechanische Manöver beinhalte, dass zwischen den einzelnen Vorgängen ständig Abwechslungen und Pausen bestünden, so dass nur unter ganz besonderen Bedingungen im Friseurhandwerk die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorlägen. Dies gelte jedenfalls für die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Zusammenhang mit Problemen im Schulterbereich. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wies die Widerspruchsstelle bei der Beklagten den Widerspruch daraufhin zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004). Mit seiner am 06.10.2004 bei Gericht eingegangen Klage macht der Kläger geltend, bei Prüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei von der Beklagten außer Acht gelassen worden die Auf- und Abbewegungen der Arme, die als ständige und dauerhaft einseitige Belastungen zu werten seien. Hinzu komme, dass bei jedem Haarschnitt eine Kontrollbewegung erfolge, die ebenfalls im gleichen Bewegungsablauf durchgeführt werde wie das Schneiden. Bei jedem Kunden würden dabei ca. 300 Auf- und Abbewegungen durchgeführt. Bei einer Dauer von ca. 20 Minuten und durchschnittlich 16 Kunden am Tag ergebe sich hieraus eine Belastung von ca. 4.800 Auf- und Abbewegungen. Diese ca. 4.800 Auf- und Abbewegungen seien denen von der Präventionsdienst ermittelten 6.400 Scherbewegungen hinzuzurechnen. Hieraus ergebe sich eindeutig eine weit größere einseitige Belastung als dies von der Beklagten ermittelt worden sei. Darüber hinaus sei von der Beklagten außer Acht gelassen worden, dass er, der Kläger, während des Fönens mit der rechten Hand Armbewegungen mit der Bürste durchgeführt habe. Berücksichtige man hier einmal, dass der linke Arm ca. 20 Minuten einen Fön mit einem Gewicht von ca. 950 Gramm halte und mit der rechten Hand während dieser Zeit immer wiederkehrende monotone und einseitige Handbewegungen mit der Bürste durchgeführt würden, so sei die Tätigkeit des Haarschneidens und die dieser Tätigkeit in den meisten Fällen vorangehenden Tätigkeiten des Fönens und Stylens zusammen als vornehmlich einseitig ausgeprägte Tätigkeit anzusehen. Zur Stützung seines Anspruchs hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung von U vorgelegt, in der von einem Impingementsyndrom beider Schultergelenke subacromeal mit Tendinitis calcaria und chronisch rezidivierenden Bursitiden subacromeal die Rede ist.

Der Kläger beantragt,

1.der Bescheid der Beklagten vom 09.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 21.09.2004 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die beim Kläger vorliegende Erkrankung in beiden Schultergelenken mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 09.10.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2004 ist rechtmäßig. Eine Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV liegt nicht vor. Auch wenn man unterstellt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser Berufskrankheit erfüllt sind, weil - so Diplom-Ingenieurin E - der Kläger beim Färben, Wickeln und Fönen die Hände monoton und wiederholt hat aus- und einseits drehen müssen, so dass von ca. 5.500 Drehbewegungen einer Hand pro Tag auszugehen ist, fehlt es an dem ursächlichen Zusammenhang mit den Schulterbeschwerden des Klägers: Beim Kläger besteht ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke subacromeal mit Tendinitis calcarea und chronisch rezidivierenden Bursitiden. Mit T und S geht die Kammer davon aus, dass diese Gesundheitsstörungen dem Krankheitsbild einer Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV nicht zugeordnet werden können. Bei der Erkrankung des Klägers handelt es sich nicht um ein Sehnen- oder Sehnenansatzleiden. Das bei ihm bestehende Impingementsyndrom beider Schultern stellt vielmehr ein komplexes eigenständiges Krankheitsbild der Schultergelenke dar. Hierbei sind typischerweise nicht nur Sehnen und Sehnenansätze betroffen. Die Auffassung, dass es sich bei Gesundheitsstörungen im Bereich des Schultergürtels nicht um Erkrankungen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt (vgl.Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.11.2005 - L 17 U 6/05). Diese Ansicht ist plausibel, da Entzündungen der Sehnen, Sehnenansätze und Sehnengleitlager typischerweise die gebrauchsseitigen Unterarme betreffen (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, M 2101 Rn. 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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