S 13 (3) AL 21/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (3) AL 21/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 38/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16.06.2003 bis 29.08.2004 sowie die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.789,16 Euro.

Der 1950 geborene Kläger, der iranischer Staatsangehöriger ist, bezog bis zum 09.04.2001 von der Beklagten Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 570,- DM, in Höhe von wöchentlich 272,09 DM.

Zum 16.06.2003 meldete der Kläger sich erneut arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma S E GmbH war er dort bis zum 15.06.2003 als Lager- und Versandarbeiter beitragspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 01.05.2002 bis 23.03.2003 hat er insgesamt ein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 12.997,18 Euro erhalten. Nach der Bescheinigung der AOK Rheinland hat er vom 24.03.2003 bis 30.04.2003 Krankengeld nach einem Regelentgelt in Höhe von kalendertäglich 41,58 Euro bezogen. Auf der Grundlage des bescheinigten Arbeitsentgeltes errechnete die Beklagte ein durchschnittliches wöchentliches Arbeitsentgelt in Höhe von 286,78 Euro. Da sie beim Vergleich dieses Bemessungsentgeltes mit dem Bemessungsentgelt des Vorbezuges D-Mark und Eurobeträge verwechselte, bewilligte sie dem Kläger unter Berücksichtigung der Regelung des § 133 Abs. 1 SGB III Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von wöchentlich 566,83 Euro in Höhe von wöchentlich 243,81 Euro.

Bei der Beantragung von Anschlussarbeitslosenhilfe des Klägers im August 2004 bemerkte die Beklagte die fehlerhafte Berechnung. Nach Anhörung des Klägers nahm die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2004 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16.06.2004 bis 29.08.2004 teilweise in Höhe von wöchentlich 111,72 Euro zurück. Durch die Verwechslung von D-Mark und Euro-Beträgen sei Arbeitslosengeld in fast doppelter Höhe bewilligt worden. Der Kläger habe die Überzahlung zwar nicht verursacht, hätte jedoch aufgrund der Höhe der bewilligten Leistungen mit einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen erkennen können, dass ihm Arbeitslosengeld in dieser Höhe nicht zustehe, da die bewilligte Leistung nicht höher sein könne, als das vorher erzielte versicherungspflichtige Entgelt. Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid trug der Kläger vor, der Berechnungsfehler sei für ihn nicht erkennbar gewesen, zumal die Währungsumstellung von D-Mark auf Euro zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bereits lange zurückgelegen habe. Man habe ihm im Rahmen eines Gespräches mitgeteilt, dass er davon ausgehen könne, dass die amtlich erlassenen Bewilligungsbescheide schon richtig seien. Zudem habe er die überzahlten Beträge zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verbraucht. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2004 zurück.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 18.01.2005 erhobenen Klage. Mit dieser trägt er vor, dass er sich auf die Richtigkeit der Berechnung seines Arbeitslosengeldes durch die Beklagte verlassen habe. Für ihn sei ohne weitere Nachforschung nach Durchsicht der Bewilligungsbescheide nicht erkennbar gewesen, dass die Berechnung fehlerhaft gewesen sei. Die Rechtslage hinsichtlich der Berechnung von Arbeitslosengeld sei nicht einfach. Zudem habe er anlässlich eines Besuches bei der Beklagten dort den Bescheid vorgelegt und gefragt, ob er von der festgesetzten Summe ausgehen könne, darauf habe ihm der Sachbearbeiter erklärt, wenn dies dort so stehe, so müsse dies auch richtig sein. Er habe den überzahlten Betrag für seine allgemeine Lebensführung ausgegeben und sei nicht in der Lage diesen zu erstatten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig und beschwerden den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 16.06.2003 bis 29.08.2004 teilweise zurückgenommen und die für diesen Zeitraum zu Unrecht gewährten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.879,16 Euro zurückgefordert.

Die Beklagte war hierzu nach § 330 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X berechtigt. Die Bescheide über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 16.06.2003 bzw. ab dem 01.01.2004 waren von Anfang an teilweise rechtswidrig. Dem Kläger stand Arbeitslosengeld nicht in Höhe von 243,81 Euro bzw. 249,20 Euro sondern lediglich in Höhe von 137,69 Euro bzw. 137,48 Euro zu. Die um 106,12 Euro bzw. 111,72 Euro wöchentlich zu hohe Bewilligung erfolgte aufgrund eines Versehens der Beklagten bei der Umrechnung des Bemessungsentgeltes von D-Mark auf Euro-Beträge.

Es liegen auch die Voraussetzungen für die rückwirkende Rücknahme der Leistungsbewilligung gemäß § 45 SGB X vor. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, (nur) unter den Einschränkungen der Absätze 1 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Kläger sich nicht berufen, denn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X sind erfüllt. Danach kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist z. B. dann zu bejahen, wenn sich die Rechtswidrigkeit ohne weitere Nachforschung aus dem Bescheid selbst ergeben hat, oder anhand der Umstände und ganz naheliegender Überlegungen einleuchten und auffallen mußte, dass der Bescheid fehlerhaft ist (vgl. Schroeder-Printzen, Kommentar zum SGB X, 3. Auflage § 45 Anm. 24). Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben. Dem Kläger mußte aufgrund der Höhe der bewilligten Leistung ohne weiteres klar sein, dass der Bewilligungsbescheid fehlerhaft war. Dies ergibt sich schon daraus, dass das bewilligte Arbeitslosengeld über dem zuletzt vom Kläger bezogenen monatlichen Nettoarbeitsentgelt gelegen haben muß. Dem Kläger wurde Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 34,83 Euro bewilligt. Dies entspricht einem monatlichen Arbeitslosengeld in Höhe von mindestens 1044,90 Euro. Demgegenüber hat er in seinem letzten Beschäftigungsverhältnis durchschnittlich wöchentlich 286,78 Euro brutto verdient. Nach der SGB III Leistungsentgeltverordnung 2003 entspricht diesem Bruttoarbeitsentgelt ein pauschaliertes Nettoarbeitsentgelt (Leistungsentgelt) in Höhe von 225,58 Euro wöchentlich. Dies ergibt ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 966,77 Euro. Auch ohne genaue Kenntnisse über die Berechnungsweise des Arbeitslosengeldes muß jedem Leistungsempfänger klar sein, dass das Arbeitslosengeld nicht höher als das Nettoarbeitsentgelt sein kann, sondern im Gegenteil wesentlich geringer sein muß. Dies mußte auch und gerade für den Kläger eindeutig sein, da er in der Vergangenheit bereits Leistungen bezogen hat, so dass ihm bekannt sein mußte, dass mit dem Bezug von Arbeitslosengeld eine wesentliche Einkommenseinbuße verbunden ist.

Die grobe Fahrlässigkeit des Klägers entfällt auch nicht deshalb, weil er sich angeblich bei der Beklagten erkundigt haben will, ob die Leistungsbewilligung in zutreffender Höhe erfolgt sei. Dieses Vorbringen ist zu allgemein und kann vom Kläger auch nicht bewiesen werden. Entlasten könnte ihn allenfalls, wenn er bei der Beklagten unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass das Arbeitslosengeld höher als sein Nettoarbeitsentgelt war, nachgefragt hätte und trotz dieses ausdrücklichen Hinweises die Auskunft erhalten hätte, dass die Leistungsberechnung zutreffend war und er diese Vorsprache auch beweisen könnte. Eine solche ausdrückliche und eindeutige Nachfrage hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.

Da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen, war die Leistungsbewilligung nach § 330 Abs. 2 SGB III zurückzunehmen. Raum für eine Ermessensentscheidung der Beklagten, in deren Rahmen etwa ihr Mitverschulden an der Überzahlung zu berücksichtigen wäre, besteht nicht. Soweit die Leistungsbewilligung zurückgenommen wurde, sind die überzahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.879,16 Euro gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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