S 42 AS 54/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
42
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 42 AS 54/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1) Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 06.02.2007 wird angeordnet. 2) Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilig verpflichtet, den Antragstellerinnen zu 1) und 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 680,25 Euro ab April 2004 bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheides betreffend des Ablehnungsbescheides vom 06.02.2007, längstens aber bis 31.08.2007 zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. 3) Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen.

Gründe:

I.

Die am 00.00.1964 geborene Antragstellerin zu 1) erhält seit Januar 2005 zusammen mit ihrer Tochter, der am 00.00.1996 geborenen Antragstellerin zu 2), Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Antragstellerin hatte in ihrem Antrag vom 19.10.2004 angegeben, sie sei allein erziehend und lebe mit ihrer Tochter in einem Haushalt.

Zuletzt wurden den Antragstellerinnen mit Bescheid vom 18.12.2006 für die Zeit vom 01.12.2006 bis 28.02.2006 Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Für den Monat Dezember 2006 wurden Leistungen in Höhe von insgesamt 673,64 Euro bewilligt und für die Monate Januar und Februar 2007 jeweils 680,25 Euro. Die Antragsgegnerin legte dabei ein monatliches Nettoerwerbseinkommen der Antragstellerin zu 1) in Höhe von 240,00 Euro und berechnete daraus ein monatlich anzurechnendes Einkommen in Höhe von 112,- Euro, Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro sowie Einkünfte aus Unterhaltszahlungen des Vaters der Antragstellerin zu 2) in Höhe von 128,00 Euro zugrunde. Für den Monat Dezember 2006 legte sie an Kosten für Unterkunft und Heizung 474,64 Euro zugrunde, für die folgenden beiden Monate Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 481,25 Euro. Die Anhebung der Unterkunftskosten erfolgte aufgrund einer Mieterhöhung zum 01.01.2007 (vgl. Bl. 53 Verwaltungsakte). Zuzüglich zur Regelleistung sowie den Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligte die Antragsgegnerin zudem einen monatlichen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 41,00 Euro. Aufgrund einer Bitte der Antragstellerin zu 1) laut Schreiben vom 07.10.2005 zahlte die Antragsgegnerin die Miete nicht an die Antragstellerinnen, sondern direkt an den Vermieter (X W).

Die Antragsgegnerin erhielt im November 2006 einen - nicht mehr bezeichneten - Hinweis, wonach Herr D Q1, der bei der Firma T arbeite, mit in der Wohnung der Antragstellerinnen wohne und nicht - wie behauptet - in der Wohnung seiner Mutter. Laut einer von der Antragsgegnerin daraufhin eingeholten "N Intranetauskunft" ist Herr Q1 unter der alleinigen Wohnanschrift Q2feld 00, W erfasst. (vgl. Bl. 51 Verwaltungsakte). Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1) im Erstantrag auf Leistungen nach SGB II ist Herr Q1 der Vater der Antragstellerin zu 2).

Die Antragsgegnerin führte am 21.12.2006 einen Hausbesuch in der Wohnung der Antragstellerinnen durch. Sowohl die Antragstellerin zu 1) als auch Herr Q1 wurden beim Hausbesuch angetroffen. Letzterer habe stark alkoholisiert im gemeinsamen Ehebett gelegen. Ferner seien persönliche Gegenstände wie Kleidung und Hausrat von Herr Q1 gefunden worden. Auch werde der Pkw von Herr Q1 von der Antragstellerin zu 1) mitbenutzt. Es bestehe eine eheähnliche Lebensgemeinschaft (vgl. zu den Einzelheiten des Berichts: Bl. 63 Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 26.01.2007 beantragte die Antragstellerin zu 1) die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 06.02.2007 hob die Antragsgegnerin die Bewilligungsentscheidung ab 01.02.2007 auf und begründete dies mit dem Wegfall der Hilfebedürftigkeit. Mit weiterem Bescheid vom 06.02.2007 lehnte die Antragsgegnerin zudem den Fortzahlungsantrag der Antragstellerinnen ab. Da die Antragstellerinnen die erforderliche Hilfebedürftigkeit gem. § 9 SGB II nicht nachgewiesen hätten, könnten Leistungen nach dem SGB II nicht gewährt werden.

Jeweils mit Schreiben vom 28.02.2007 widersprach der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen den Bescheiden vom 06.02.2007. Die Antragstellerin zu 1) lebe mit ihrer Tochter alleine. Der Vater der Tochter, Herr Q1, sei wohnhaft Q2feld 00 in W. Er übe regelmäßige Umgangskontakte zu seiner Tochter aus. Dies reiche aber nicht aus, um von einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auszugehen.

Am 26.03.2007 führte die Antragsgegnerin einen Hausbesuch in der Wohnung "Q2feld 00" in W durch, bei dem die Mutter von Herrn Q1 zugegen war. Die Außendienstmitarbeiter stellten fest, dass in der Küche der Wohnung ein zusammengeklapptes Reisebett ohne Bettzeug stand. Die Mutter von Herrn Q1 erklärte, ihr Sohn würde hier schlafen. Die Außendienstmitarbeiter hielten ferner fest: "Sonstige Bekleidung bzw. persönliche Gegenstände bis auf eine Hose und zwei Pullover im Wohnzimmerschrank waren nicht vorhanden. Der Hauptwohnsitz des Herrn Q1 ist mit Sicherheit nicht in der Wohnung Q2feld 00 in W begründet" (vgl. zu den Einzelheiten Bl. 97 Verwaltungsakte).

Am 10.04.2007 haben die Antragstellerinnen um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Nach Wegfall der Leistungen im Februar 2007 habe die Vermieterin bereits einen Mietrückstand in Höhe von 505,25 Euro angemahnt. Auch im Monat März 2007 sei die geschuldete Miete nicht gezahlt worden. Die Antragstellerin zu 1) verfüge lediglich über eine Erwerbseinkommen in Höhe von 240,00 Euro. Neben dem Kindergeld in Höhe von 154,00 Euro sowie dem Unterhalt der Antragstellerin zu 2) in Höhe von 128,00 Euro sei weiteres Einkommen nicht vorhanden. Herr Q1 übe lediglich regelmäßige Umgangskontakte zu seiner Tochter aus, die zum Teil auch in der Wohnung der Antragstellerinnen stattfänden. Eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II bzw. Haushaltsgemeinschaft im Sinne von § 9 SGB II könne hieraus nicht konstruiert werden.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,

1) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 06.02.2007 anzuordnen,

2) die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 680,25 Euro ab März 2007 und fortlaufend zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Aus den durchgeführten Hausbesuchen ergäbe sich eindeutig eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin zu 1) und Herrn Q1. Der Hauptwohnsitz von Herrn Q1 sei keinesfalls in der Wohnung Q2feld 00 in W begründet.

Das Gericht hat die Antragsgegnerin um Mitteilung gebeten, ob - über die Schreiben in der Verwaltungsakte hinaus - weitere, detailliertere Protokolle der beiden Hausbesuche existieren. Die Antragsgegnerin hat hierzu mitgeteilt, dass weitere, ausführlichere Protokolle nicht gefertigt worden seien. Der Mitarbeiter, der den Hausbesuch vorgenommen habe, könne hierzu aber berichten.

Die Antragstellerinnen haben auf gerichtliche Anfrage mitgeteilt, die Mutter von Herrn Q1 heiße Frau F Q1 und wohne Am Q2feld 00 in W. Diese sei pflegebedürftig und werde von ihrem Sohn, Herrn D Q1 sowie der Tochter, Frau C Q3 gepflegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie den der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die Anträge auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz haben im tenorierten Umfang Erfolg. Das Gericht legt die Anträge vom 10.04.2007 dahin gehend aus, dass über die ausdrückliche Antragstellung hinaus nicht nur Leistungen an die Antragstellerin zu 1), sondern auch Leistungen an die Antragstellerin zu 2) begehrt werden. Dies ergibt sich bereits aus der Begründung des Antrages, in der u.a. die Mietrückstände in voller Höhe aufgeführt werden und somit auch der Unterkunftskostenanteil der Antragstellerin zu 2) geltend gemacht wird. Der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen hat mit Schriftsatz vom 14.05.2007 das Begehren im vorgenannten Sinne bestätigt.

1) Der Antrag zu 1) ist zulässig und begründet. Hierbei handelt es sich um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerinnen gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.02.2007 betreffend der Aufhebung der bereits bewilligten Leistungen für den Monat Februar 2007. Der Antrag ist nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Die Antragstellerinnen sind nach § 54 Abs. 1 S. 2 SGG analog antragsbefugt. Ferner haben sie auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Sie haben gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.02.2007 nicht offensichtlich unzulässig Widerspruch erhoben. Der eingelegte Rechtsbehelf hat auch gem. § 39 S. 1 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung.

Der Antrag ist auch begründet. Voraussetzung ist, dass das Suspendierungsinterresse der Antragstellerinnen das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer Sozialgerichtsgesetz, Kommentar § 86 b Randnr. 12). Maßgebend sind insoweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach der beim einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung. Ist das Hauptsacheverfahren aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet; ist der angegriffene Bescheid offenbar rechtswidrig, wird dessen Vollziehung ausgesetzt; sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung.

Nach summarischer Prüfung erweist sich der angegriffene Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.02.2007 betreffend der Aufhebung der mit Bescheid vom 18.12.2006 für den Monat Februar 2007 bewilligten Leistungen als rechtswidrig.

Der Bescheid vom 06.02.2007 stützt sich in seiner Begründung als Rechtsgrundlage auf § 48 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 48 SGB X ist gem. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X stets, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, wesentlich verändert haben. Eine wesentliche Änderung setzt Umstände voraus, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt nach den nunmehr vorliegenden Verhältnissen nicht mehr erlassen werden dürfte. Ob eine derartige Änderung nach Erlass des Bescheides vom 18.12.2006 eingetreten ist, kann das Gericht derzeit nicht feststellen.

Vorliegend erscheint das Hauptsacheverfahren betreffend des Bescheides vom 06.02.2007 schon deshalb erfolgversprechend, weil der Bescheid vom 06.02.2007 eine hinreichende Begründung, wie sie bei schriftlichen Verwaltungsakten gem. § 35 Abs. 1 SGB X erforderlich ist, vermissen lässt. Nach § 35 Abs. 1 S 2. SGB X sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die hiernach für die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides erforderliche Begründung setzt voraus, dass die maßgebenden tragenden Erwägungen für den Erlass des Bescheides offengelegt werden, so dass der Betroffene in die Lage versetzt wird, seine Rechte hinreichend wahrzunehmen (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 35, RandNr. 5). Die Begründung für den Bescheid vom 06.02.2007 lautet "Wegfall der Hilfebedürftigkeit". Woraus sich die aus Sicht der Antragsgegnerin offenbar geänderten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerinnen ergeben, lässt der Bescheid vom 06.02.2007 nicht erkennen. Die Begründung des Bescheides vom 06.02.2007 lässt insbesondere die Mitteilung der tatsächlichen Gründe für die Aufhebungsentscheidung vermissen. Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid lediglich anführt "Wegfall der Hilfebedürftigkeit", stellt dies keine tatsächliche Feststellung zum Sachverhalt dar, sondern ist eine rechtliche Bewertung.

Derzeit bestehen für das Gericht auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Begründung nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X entbehrlich ist. Hiernach ist eine Begründung entbehrlich, wenn dem Betroffenen die Auffassung der Behörde zur Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder ohne weiteres erkennbar ist. Die Antragstellerin zu 1) wurde vor Erlass des Aufhebungsbescheides vom 06.02.2007 offenbar nicht angehört. Anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zu 1) bereits im Vorfeld des Erlass des Bescheides vom 06.02.2007 über die anstehende Entscheidung der Antragsgegnerin und deren Gründe informiert war, bestehen ebenfalls nicht.

Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass der Formfehler nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X unbeachtlich ist. Zwar kann hiernach eine erforderliche Begründung nachträglich, d.h. bis zur letzten Tatsacheninstanz eines gerichtlichen Verfahrens, nachgeholt werden. Das Gericht kann nicht erkennen, dass eine derartige Nachholung im erforderlichen Umfang stattgefunden hat.

Zwar hat die Antragstellerin zu 1) offenbar nach Erlass der Bescheide vom 06.02.2007 bei der Antragsgegnerin vorgesprochen, um die Gründe für das behördliche Vorgehen zu erfahren (vgl. Bl. 95 Verwaltungsakte). Was der Antragstellerin zu 1) bei dieser Vorsprache mitgeteilt wurde, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Aktenvermerk nicht. Dem Widerspruchsschreiben des Bevollmächtigten vom 28.02.2007 (Bl. 83 f. Verwaltungsakte) kann das Gericht lediglich entnehmen, dass der Antragstellerin zu 1) bei ihrer Vorsprache offenbar mitgeteilt wurde, dass die Antragsgegnerin von einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen ihr und dem Vater der Antragstellerin zu 2) ausgeht. Auch dies ist eine in erster Linie rechtliche Bewertung. Hinreichende Anhaltspunkte, dass die Antragsgegnerin die dieser Wertung zugrundeliegenden Tatsachen erläutert hat, hat das Gericht nicht.

Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 16.04.2007 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darauf verwiesen hat, dass "eindeutig eine eheähnliche Gemeinschaft" vorliege und insoweit auf die durchgeführten Hausbesuche verweist, erfüllt dies ebenfalls nicht die Voraussetzungen für die nach § 35 Abs. 1 SGB X erforderliche Begründung. Zum Einen ist bereits fraglich, ob es sich bei dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um eine "Tatsacheninstanz" im Sinne von § 41 Abs. 2 SGB X handelt. Zum Anderen hat die Antragsgegnerin auch in ihren Ausführungen im gerichtlichen Verfahren weder Angaben dazu gemacht, inwieweit sie von einem Einkommen des Herrn Q1 ausgeht noch ausgeführt, ob die von der Antragsgegnerin angenommene Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin zu 1) und Herrn Q1 nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 18.12.2006 begründet wurde. Beides wäre aber, wie vorstehend ausgeführt, Voraussetzung für die von der Antragsgegnerin herangezogene Rechtsgrundlage des § 48 SGB X und insofern "wesentlich" im Sinne von § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X.

Aufgrund der unzureichenden Begründung des Bescheides vom 06.02.2007 kommt es daher nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 06.02.2007 gegebenenfalls zulässigerweise statt auf § 48 SGB X auf § 45 SGB X stützen kann. Das Auswechseln einer Rechtsgrundlage setzt voraus, dass im Bescheid alle wesentlichen Tatsachen, auf die die Verwaltung ihre Entscheidung gestützt hat, aufgeführt werden und insofern hinreichend Möglichkeit der Stellungnahme für den Betroffenen eröffnet werden.

2) Bei dem Antrag zu 2) handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur einstweiligen Bewilligung von Leistungen zu verurteilen.

Das Gericht legt den Antrag der Antragstellerinnen dahingehend aus, dass diese bereits für die Zeit ab einschließlich März 2007 Leistungen nach dem SGB II begehren. Dies ergibt sich für das Gericht insbesondere aus der Antragsbegründung, in der u.a. die für den Monat März 2007 geschuldete Miete erwähnt wurde.

Der Antrag ist nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der so verstandene Antrag ist betreffend der Leistungen für den Monat März 2007 unbegründet und im Übrigen begründet.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Voraussetzung ist das Bestehen des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch) sowie die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Der geltend gemachte Anspruch sowie die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen, § 86 Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Anordnungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Beeinträchtigungen entstehen (vgl. Landessozialgericht, Beschluss vom 14.03.2007, Az.: L 9 B 52/06 SO ER). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, ist die einstweilige Anordnung zu erlassen. Ist sie offensichtlich unbegründet, wird die Anordnung abgelehnt. Ist die Hauptsachelage offen, ist eine Interessenabwägung erforderlich, bei der insbesondere die betroffenen Grundrechte des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzubeziehen sind (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 1 BvR 569/05 vom 12.05.2005).

a) Hinsichtlich des Monates März 2007 ist der Antrag unbegründet, da ein Anordnungsgrund nicht besteht. Mit dem Antrag vom 10.04.2007 werden betreffend des Monates März 2007 Leistungen für die Vergangenheit geltend gemacht. Diese können im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG grundsätzlich nicht beansprucht werden, da es insofern an der erforderlichen Eilbedürftigkeit fehlt (Sozialgericht Düsseldorf, Beschluss vom 12.05.2006, Az.: S 28 SO 16/06 ER).

b) Für die Zeit ab April 2007 ist der Antrag zu 2) dagegen begründet. Die Antragstellerinnen haben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Nach § 19 S. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfsbedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Nicht erwerbsfähige Angehörige erhalten nach § 28 SGB II Sozialgeld. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 S. 1 SGB II wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend mit eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus dem zu berücksichtigen Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Die Antragstellerin zu 1) bildet zusammen mit der Antragstellerin zu 2) nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft. Das Gericht hält es derzeit für wahrscheinlich, dass der Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft die Einkünfte der Bedarfsgemeinschaft unterschreitet. Entsprechend des Bewilligungsbescheides vom 18.12.2006 geht das Gericht von einem Gesamtbedarf der Antragstellerinnen in Höhe von 1.074,25 Euro und einem zu berücksichtigen Gesamteinkommen in Höhe von 394,00 Euro aus. Gegen die insoweit zugrunde gelegte Beträge für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 481,25 Euro, eines anzurechnenden Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 1) in Höhe von 112,00 Euro, Kindergeld für die Antragstellerin zu 2) in Höhe von 154,00 Euro sowie Einkommen aus Unterhaltszahlungen der Antragstellerin zu 2) in Höhe von 128,00 Euro haben weder die Antragstellerinnen noch die Antragsgegnerin Einwände erhoben.

Das Gericht hält es daher für überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerinnen einen monatlichen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 680,25 Euro haben.

Es bestehen derzeit keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, auf der Bedarfsseite die tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung nur anteilig zugrunde zu legen. Dies würde voraussetzen, dass - wie von der Antragsgegnerin offenbar angenommen - der Vater der Antragstellerin zu 2), Herr Q1, in der Wohnung der Antragstellerinnen wohnt. Derzeit kann das Gericht hiervon jedenfalls nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgehen. Zwar hat die Antragsgegnerin beim Hausbesuch am 21.12.2006 in der Wohnung der Antragstellerinnen auch Herrn Q1 angetroffen, der nach den Feststellungen des Außendienstmitarbeiters stark alkoholisiert im "gemeinsamen Ehebett" lag. Auch hat der Außendienstmitarbeiter persönliche Gegenstände wie Kleidung und Hausrat von Herrn Q1 vorgefunden. Das Gericht kann sich aus den insoweit sehr knapp gehaltenen Angaben des Außendienstmitarbeiters (vgl. Bl. 63 Verwaltungsakte) nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit schließen, dass Herr Q1 in der Wohnung der Antragstellerinnen im Sinne eines dauerhaften Aufenthaltes wohnt. Der Außendienstmitarbeiter hat weder angegeben, woraus er schließt, dass es sich bei dem von Herrn Q1 genutzten Bett um das "gemeinsamene Ehebett" handelt. Auch kann allein die Tatsache, dass Herr Q1 auf diesem Bett lag, nicht geschlossen werden, dass er in der Wohnung wohnt. Da er offensichtlich unter erheblichem Alkoholeinfluss stand, liegt es nach der Lebenserfahrung des Gerichts durchaus nahe, dass Herr Q1 das Bett der Antragstellerin zu 1) möglicherweise lediglich dazu benutzte, um die Wirkung seines Alkoholgenusses aufzufangen. Für das Gericht ist nicht erkennbar, weshalb es sich damit - automatisch - um das gemeinsame Ehebett der Antragstellerin zu 1) und Herrn Q1 gehandelt haben soll. Soweit der Außendienstmitarbeiter persönliche Gegenstände wie Kleidung und Hausrat von Herrn Q1 vorgefunden hat, ist das Gericht mangels weiterer, detaillierter Angaben gehindert, den Schluss auf einen dauernden Aufenthalt von Herrn Q1 in der Wohnung der Antragstellerinnen zu ziehen. Es hat sich dabei möglicherweise lediglich um einige wenige Bekleidungsgegenstände gehandelt, die noch nicht auf einen dauerhaften Aufenthalt schließen lassen. Die Antragstellerin zu 1) hat im gerichtlichen Verfahren stets betont, dass sie zu Herrn Q1 ein gutes Verhältnis habe und dieser den Umgang mit seiner Tochter, der Antragstellerin zu 2), regelmäßig und auch in ihrer Wohnung pflege. Insofern erscheint es schon aus diesen Gründen nahe liegend, wenn Herr Q1 gewisse persönliche Gegenstände wie z.B. Ersatzkleidung in der Wohnung der Antragstellerinnen aufbewahrt. Sofern der Außendienstmitarbeiter festgestellt hat, dass die Antragstellerin zu 1) den Pkw von Herrn Q1 mitbenutzt, kann daraus das Gericht nicht den Schluss ziehen, dass Herr Q1 in der Wohnung der Antragstellerinnen wohnt. Zum Einen ist es für das Gericht fraglich, inwieweit ein Außendienstmitarbeiter bei einer Wohnungsbesichtigung die Nutzungsverhältnisse eines Pkw feststellen kann. Zum Anderen würde auch bei Erweislichkeit dieser Tatsache dies nicht dazu führen, dass Herr Q1 automatisch als bei den Antragstellerinnen wohnhaft anzusehen wäre.

Auch aus den Ermittlungsergebnissen des Hausbesuches am 26.03.2007 in der Wohnung "Q2feld 00" (hierbei handelt es sich wohl um einen Schreibfehler; aufgrund der weiteren Angaben in der Verwaltungsakte geht das Gericht davon aus, dass der Hausbesuch in der Wohnung "Am Q2feld 00" stattgefunden hat) kann das Gericht nicht ableiten, dass Herr Q1 in der Wohnung der Antragstellerinnen wohnt. Soweit die Antragsgegnerin beim Hausbesuch am 23.03.2007 festgestellt hat, dass Herr Q1 dort aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse nicht wohnen kann, ist dies für das Gericht zwar durchaus plausibel. Das Gericht kann daraus aber nicht den zwingenden bzw. überwiegend wahrscheinlichen Schluss ziehen, dass Herr Q1 bei den Antragstellerinnen wohnt. Die diesbezüglichen Ermittlungen müssen einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Es erscheint dem Gericht derzeit und nach den derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Einkommensverhältnisse von Herrn Q1 sich derartig bedarfsmindernd auf die Einkommenssituation der Antragstellerinnen auswirkt, dass von einer Hilfebedürftigkeit nicht mehr auszugehen ist. Eine Einkommensanrechnung des Einkommens von Herrn Q1 auf den Bedarf der Antragstellerinnen wäre nach § 9 Abs. 2 S. 1, § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II nur dann zulässig, wenn Herr Q1 und die Antragstellerin zu 1) eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bilden würden. Eine derartige Gemeinschaft setzt aber zumindest voraus, dass die betroffenen Personen zusammen leben. Wie zuvor bereits ausgeführt, kann das Gericht derzeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Herr Q1 in der Wohnung der Antragstellerinnen wohnt. Ob darüber hinaus der für eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft erforderliche Wille zu einem qualifizierten Zusammenleben vorliegt, bedarf vor diesem Hintergrund derzeit keiner Klärung.

Die Antragstellerinnen haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Antragstellerinnen haben seit dem Monat Februar 2007 die monatliche Miete nicht bezahlt. Der Vermieter hat mit Datum 03.04.2007 einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichtes I über eine Summe von 1046,06 Euro erwirkt, mit Schreiben vom 23.04.2007 einen Zahlungsrückstand in Höhe von 1546,31 Euro angemahnt sowie eine Räumungsklage angedroht. Den Antragstellerinnen kann nicht zugemutet werden, den Ausgang dieses wahrscheinlich erfolgreichen zivilrechtlichen Verfahrens abzuwarten. Es ist der Antragstellerin auch nicht zuzumuten, ihre Einkünfte jedenfalls zum Teil und zur teilweisen Deckung der Miete einzusetzen, womit möglicherweise eine Räumungsklage des Vermieters abgewendet werden könnte. Das Gericht geht davon aus, dass insbesondere beim Vorhandensein von minderjährigen, schulpflichtigen Kindern wie der Antragstellerin zu 2) der monatliche Bedarf nicht - auch nicht für eine nur begrenzte Zeit wie die eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens - spürbar reduziert werden werden kann. Insbesondere bei (schulpflichtigen) Kindern entstehen regelmäßig unaufschiebbare Bedarfe wie etwa Bekleidung, wenn das Kind seine Körpergrösse verändert oder Schulmaterialien, deren Befriedigung nicht um einige Monate verschoben werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Rechtskraft
Aus
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