Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 72/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, 805,10 EUR an die Klägerin zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für ein verloren gegangenes Hörgerät.
Am 12.09.2002 stellte der HNO-Arzt K bei dem bei der Beklagten versicherten D geboren am 00.00.1990 aufgrund der bei dem Versicherten bestehenden Innenohrschwerhörigkeit beiderseits die ärztliche Verordnung zur Neuversorgung mit einem Hörgerät links aus, da die bisherigen Hörgeräte zu schwach wären. Die Klägerin händigte dem Versicherten das Hörgerät Siemens Swing S 2 P zur Erprobung aus. Noch vor Überprüfung dieser Hörgeräteversorgung durch den HNO-Arzt K ging dieses Hörgerät beim Versicherten während eines Fußballspiels verloren.
Die Klägerin händigte daraufhin dem Versicherten ein baugleiches neues Gerät aus. Im Kostenvoranschlag vom 30.10.2002 führte die Klägerin den Preis für das Hörgerät Siemens S 2 P in Höhe von 894, 76 EUR zweimal auf und zwar einmal laut Kindervertrag und einmal mit dem Zusatz "Verloren". Außerdem enthielt der Kostenvoranschlag die Position eine Kinderotoplastik nach Maß in Höhe von 90,27 EUR und zwei Audioschuhe in Höhe von 50,60 EUR und 18 Batterien Z L 13 in Höhe von 27 EUR, so dass sich ein Gesamtbetrag von 1.957,39 EUR ergab. Am 19.11.2002 bescheinigte K, dass er sich davon überzeugt hätte, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Hörverbesserung erzielt worden wäre und das vorgeschlagene Gerät zweckmäßig sei. Mit Rechnung vom 03.04.2003 stellte die Klägerin der Beklagten den im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Endbetrag von 1.957,39 EUR in Rechnung.
Am 24.02.2003 genehmigte die Beklagte die Versorgung mit einem Hörgerät und erstattete 1.036,33 EUR. Die Beklagte weigerte sich jedoch, dass verloren gegangene Hörgerät zu vergüten.
Am 21.01.2004 erhob daraufhin die Klägerin vor dem Sozialgericht Köln Klage, die mit Beschluss vom 16.03.2004 zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen wurde.
Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 6 Abs. 3 des Vertrages nach § 127 SGB V zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker Mainz einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen andererseits, abgeschlossen für Nordrhein-Westfalen: Nach dieser Vorschrift haftet die Krankenkasse bei Übergabe des Hörgerätes zur Vorstellung beim Kassenarzt oder einer Gutachterstelle für den Verlust oder Beschädigung bis zur Höhe von 90% des Festpreises. Nach dem vertraglich vorgesehenen Ablauf der Hör- geräteversorgung müsse der Hörgeräteakustiker aufgrund der vom Versicherten vorgelegten ärztlichen Verordnung die Anpassung des Hörgerätes vornehmen, das Hörgerät dem Patienten aushändigen und die Versorgung werde erst geschlossen mit der anschließenden Prüfung durch den verordnenden Arzt. Das Hörgerät sei hier daher vor Abschluss der vertraglich vorgesehenen Versorgung verloren gegangen, so dass § 6 Abs. 3 des genannten Vertrages einschlägig sei. Der Vertrag sei zwar mit Wirkung zum 31.12.1997 gekündigt worden, der Inhalt dieses Vertrages werde jedoch nach wie vor der Versorgung zugrunde gelegt. Soweit sich die Beklagte auf die Kündigung des Vertrages berufe, sei dies daher zumindest treuwidrig und widerspreche den Grundsätzen der Selbstbindung in Verbindung mit Artikel 3 Grundgesetz. Selbst wenn eine vertragliche Anspruchsgrundlage nicht bestünde, ergebe sich der Zahlungsanspruch aus § 645 BGB, denn das Werk sei vor Abnahme in Folge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, ohne das ein Umstand mitgewirkt hätte, den der Unternehmer zu vertreten hätte. Als Besteller müsse hier die Beklagte angesehen werden. Beurteile man die Hörgeräteversorgung als einen Kaufvertrag, so sei die Gefahr des zufälligen Untergangs im Sinne von § 446 BGB auf die Beklagte übergegangen: Nach dem Inhalt des Kaufvertrages genüge für die Übergabe die Verschaffung des mittelbaren Besitzes durch Aushändigung des Hörgerätes an den Versicherten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 805,10 EUR als Erstattung für das verloren-gegangene Hörgerät zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine vertragliche Anspruchsgrundlage bestehe nicht. Der Vertrag sei am 19.09.1997 gekündigt worden. Eine Nachwirkung sei nicht vereinbart. Die Vertragsparteien würden sich jedoch an die Strukturen des Vertrages halten. Nur der Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zwischen der Bundesinnung Hörgeräteakustiker Mainz und unter anderem dem AOK Bundesverband vom 26.05.1992 gelte fort. Selbst bei Anwendung dieses Vertrages ergebe sich kein Vergütungsanspruch. Die Fälligkeit eines Zahlungsanspruches bei Werkverträgen der vorliegenden Art hänge von der Abnahme ab. Eine solche finde in der Form statt, dass die ordnungsgemäße Abgabe des Gerätes durch den Arzt überprüft werde. Erst danach könne von einer Abnahme und Fälligkeit der Vergütungsforderung ausgegangen werden. Für das verloren gegangene Gerät hätte eine Abnahme nicht mehr stattfinden können, so dass ein Zahlungsanspruch ausgeschlossen sei. Außerdem scheitere ein Vergütungsanspruch am Vorliegen der notwendigen ärztlichen Verordnung. Ausweislich der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe vom 12.09.2002 sei die Notwendigkeit für eine Hörhilfe nur links festgestellt worden, gleichwohl hätte die Klägerin aufgrund dieser Verordnung zwei Hörgeräte abgerechnet. Die Beklagte hätte am 24.02.2003 die Kostenübernahme eines Hörgerätes nebst Zubehör genehmigt und dementsprechend in Höhe von 1.036,33 EUR bezahlt. Auf § 6 Abs. 3 des gekündigten Versorgungsvertrages könne die Klägerin sich nicht berufen. Die in diesem Absatz geregelte Haftung bezöge sich nicht auf die Probephase, sondern lediglich auf die Fälle, bei denen Versicherte auf Veranlassung der Krankenkasse Hörgeräte zur Vorstellung beim verordnenden Kassenarzt oder einer Gutachterstelle überlassen werden. Die Worte: "auf Veranlassung der Krankenkasse" seien im Vorfeld des Vertragsabschlusses auf Anregung des IKK-Landesverbandes vom 19.09.1990 mit der Begründung in den Text aufgenommen worden, da ansonsten befürchtet werde, die Kostenträger sollten auch für Schäden/Verlust in dieser Probephase aufkommen, falls sich alle Versicherten gemäß den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien grundsätzlich nochmal beim HNO-Arzt vorstellen müssten. Die Intention der Ergänzung des § 6 Abs. 3 wäre somit eindeutig. Die letztlich ratifizierte Fassung des Vertrages enthalte diese Formulierung. Damit käme zum Ausdruck, dass ein aktives Handeln der Krankenkasse vorliegen müsse, um die Haftung auszulösen. Die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen durch den Hörgeräteakustiker wäre damit nicht gemeint.
Der den Versicherten behandelnde HNO-Arzt K bestätigte auf Anfrage des Gerichtes, dass er im Jahre 2002 lediglich die in den Akten befindliche Hörgeräte- verordung vom 12.09.2002 ausgestellt hatte.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, bei dem Regelungen durch Verwaltungsakt nicht zu treffen sind (vgl. Urteil des BSG vom 07.12.2006 - B 3 KR 29/05 R in Sgb 2007, 99). Ein Vorverfahren ist daher nicht erforderlich und die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten. Eine Beiladung des Versicherten war nicht erforderlich, da der hier streitige Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegen die Krankenkasse keinen Einfluss auf den Leistungsanspruchs des Versicherten hat.
Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist der nach wie vor gültige Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker Mainz und unter dem AOK Bundesverband vom 26.05.1992. Nach § 2 Abs. 1 a gilt dieser Vertrag für die Krankenkassen von den Spitzenverbänden vertretenen Kassenarten und somit auch für die Beklagte. Gemäß § 2 Abs. 2 gelten die bestehenden Verträge gemäß § 127 SGB V, sofern in dem Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen keine anderweitigen Regelungen getroffen sind. § 5 enthält eine Regelung über die Höhe der Vergütung. Weitere Einzelheiten zur Vergütung der Leistungen, wie sie § 6 Abs. 2 und 3 des Vertrages gemäß § 127 SGB V für Nordrhein-Westfalen zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker Mainz einerseits und dem AOK-Landesverband Rheinland und dem AOK Landesverband Westfalen-Lippe und anderen vom 26.10.1990 beeinhaltet, enthält § 5 des Vertrages vom 26.05.1992 nicht. § 6 Abs. 2 und 3 des Vertrages vom 26.10.1990 sind daher über die Klausel in § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 26.05.1992 auch Gegenstand dieses Vertrages für Kinder und Jugendliche geworden. Zwar ist der Vertrag vom 26.10.1990 mit Wirkung zum 31.12.1997 gekündigt worden, die Modalitäten dieses Vertrages werden jedoch wie die Beteiligten übereinstimmend vortragen bei der Versorgung von Hörgeräten für die Beklagte generell weiter angewandt. Aufgrund dieser Praxis muss der nach wie vor geltende Vertrag zur Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen daher so ausgelegt werden, dass über § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 26.05.1992 die Modalitäten des allgemeinen Vertrages vom 26.10.1990 zumindest bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen weiter Geltung haben.
Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin ist § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 26.05.1992 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990. § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990 hat folgenden Wortlaut: "Werden dem Versicherten auf Veranlassung der Krankenkasse die Hörgeräte z. B. zur Vorstellung beim verordnenden Kassenarzt oder einer Gutachterstelle überlassen, so haftet die Krankenkasse für den Verlust oder Beschädigung der Hörgeräte gegenüber dem Hörgeräteakustiker bis maximal zur Höhe von 90 v. H. der Festbeträge." Diese Vertragsklausel regelt einen Schadensersatzanspruch und nicht den Fall der Vergütung nach ordnungsgemäßen Abschluss der Versorgung. Die Rechtsauffassung der Beklagten, der von der Klägerin geltend gemachte streitige Vergütungsanspruch scheitere schon am Fehlen der nach § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 26.05.1992 notwendigen kassenärztlichen Verordnung verkennt den Umstand, dass Streitgegenstand ein Schadensersatzanspruch und nicht der Vergütungsanspruch nach Abschluss ordnungsgemäßer Versorgung ist. Streitgegenstand ist ausschließlich die Haftung für ein vor Abschluss der Versorgung verloren gegangenes Hörgerät. Selbst wenn der verordnende Arzt eine zweite kassenärztliche Verordnung ausgestellt hätte, würde - unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten - ein Vergütungsanspruch daran scheitern, dass der Vertragsarzt dieses Hörgerät nicht mehr prüfen konnte und daher die Versorgung nicht mehr abgeschlossen werden kann und der Vergütungsanspruch der Klägerin aber erst nach Abschluss der Versorgung entsteht. Geht das Hörgerät - wie hier - vor Abschluss der Versorgung nach Aushändigung an den Versicherten verloren, so bedarf es keiner neuen ärztlichen Verordnung, sondern die vorliegende ärztliche Verordnung ist ebenfalls Grundlage für das nun erforderliche Ersatzgerät. Für den Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990 reicht daher hier die ärztliche Verordnung vom 12.09.2002 aus und zwar auch dann, wenn sie wie hier Grundlage für die Versorgung mit dem von der Beklagten abgerechneten Ersatzgerät war.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich die Schadensersatzregelung in § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990 auf die Probephase: Also auf die Phase nach Aushändigung des Gerätes an den Versicherten vor abschließender Prüfung durch den Vertragsarzt. Die Auffassung der Beklagten, die Aufnahme der Worte: "auf Veranlassung der Krankenkasse" in den Vertragstext würden verdeutlichen, dass diese Regelung nicht für Schäden oder Verlust in der Probephase gelten solle, läßt sich mit dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift und dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren. Es mag zwar sein, dass auf Anregung des IKK-Landesverbandes diese Worte in den Text aufgenommen worden sind. Damit ist jedoch nicht nachgewiesen, dass alle Vertrags- partner sich der Auffassung des IKK-Landesverbandes angeschlossen haben, dass mit Aufnahme dieser Worte klargestellt sei, dass die Probephase nicht erfasst werden solle. Die Formulierung: "auf Veranlassung der Krankenkasse" stellt vom Wortlaut her nicht eindeutig klar, ob hier ein konkreter Anlass gemeint ist oder diese Worte verdeutlichen sollen, dass - wie in der Probephase - der Leistungserbringer das Gerät aufgrund der mit den Kassen getroffenen Vereinbarung an den Versicherten - und somit auf generelle Veranlassung hin - aushändigt und somit die Regelung in § 6 Abs. 3 lediglich klarstellen soll, dass es sich hier um eine Versorgung zu Lasten der Kasse und nicht eine Privat- versorgung handelt. Würde wie die Beklagte meint, die Probephase nicht gemeint sein, so ist nicht erkennbar, welchen Sinn diese Regelung noch machen soll und welcher An- wendungsbereich übrig bleibt. Nach Abschluss der Probephase geht das Gerät in den Eigentum des Versicherten über und bei Vorstellung des Gerätes beim verordnenden Kassenarzt oder einer Gutachterstelle besteht nicht der geringste Anlass für einen Ent- schädigungsanspruch des Leistungserbringers. Die Beklagte vermochte auch nicht darzu- legen, welcher Anwendungsfall bei der von ihr zugrundegelegten Interpretation des § 6 Abs. 3 noch übrig bleibt. Nur in der Probephase ist der Leistungserbringer aufgrund der Regelungen in § 127 SGB V gezwungen, das noch in seinem Eigentum befindliche Gerät dem Versicherten auszuhändigen, so dass für den Verlust oder die Beschädigung des Gerätes in dieser Phase bis zum Abschluss der Versorgung der Bedarf für eine Regelung der Haftungsfrage besteht.
Auch die Festbetragsregelung für Hörhilfen gemäß § 36 Abs. 2 SGB V in Nordrhein-Westfalen vom 21.07.1997 verdeutlicht diese Auslegung: Dort ist unter Nr. 13.99.99.1101 ein Abschlag in DM bei Nachlieferung von verloren gegangenen oder unbrauchbar gewordenen Hörhilfen innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss der Anpassung in Höhe von minus 300,00 DM vorgesehen. Eine derartige Regelung wäre überflüssig oder steht zumindest nicht im inhaltlichen Einklang mit der Regelung in § 6 Abs. 3, wenn § 6 Abs. 3 sich auch Fälle nach Abschluss der Versorgung beziehen sollte. § 6 Abs. 3 kann daher nur so ausgelegt werden, dass er insbesondere für die Probephase gilt.
Die Klägerin hat somit Anspruch auf Zahlung von 90% des in Rechnung gestellten Vertrags- bzw. Festpreises in Höhe von 894,45 EUR: 90% sind somit 805,28 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für ein verloren gegangenes Hörgerät.
Am 12.09.2002 stellte der HNO-Arzt K bei dem bei der Beklagten versicherten D geboren am 00.00.1990 aufgrund der bei dem Versicherten bestehenden Innenohrschwerhörigkeit beiderseits die ärztliche Verordnung zur Neuversorgung mit einem Hörgerät links aus, da die bisherigen Hörgeräte zu schwach wären. Die Klägerin händigte dem Versicherten das Hörgerät Siemens Swing S 2 P zur Erprobung aus. Noch vor Überprüfung dieser Hörgeräteversorgung durch den HNO-Arzt K ging dieses Hörgerät beim Versicherten während eines Fußballspiels verloren.
Die Klägerin händigte daraufhin dem Versicherten ein baugleiches neues Gerät aus. Im Kostenvoranschlag vom 30.10.2002 führte die Klägerin den Preis für das Hörgerät Siemens S 2 P in Höhe von 894, 76 EUR zweimal auf und zwar einmal laut Kindervertrag und einmal mit dem Zusatz "Verloren". Außerdem enthielt der Kostenvoranschlag die Position eine Kinderotoplastik nach Maß in Höhe von 90,27 EUR und zwei Audioschuhe in Höhe von 50,60 EUR und 18 Batterien Z L 13 in Höhe von 27 EUR, so dass sich ein Gesamtbetrag von 1.957,39 EUR ergab. Am 19.11.2002 bescheinigte K, dass er sich davon überzeugt hätte, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Hörverbesserung erzielt worden wäre und das vorgeschlagene Gerät zweckmäßig sei. Mit Rechnung vom 03.04.2003 stellte die Klägerin der Beklagten den im Kostenvoranschlag ausgewiesenen Endbetrag von 1.957,39 EUR in Rechnung.
Am 24.02.2003 genehmigte die Beklagte die Versorgung mit einem Hörgerät und erstattete 1.036,33 EUR. Die Beklagte weigerte sich jedoch, dass verloren gegangene Hörgerät zu vergüten.
Am 21.01.2004 erhob daraufhin die Klägerin vor dem Sozialgericht Köln Klage, die mit Beschluss vom 16.03.2004 zuständigkeitshalber an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen wurde.
Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 6 Abs. 3 des Vertrages nach § 127 SGB V zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker Mainz einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen andererseits, abgeschlossen für Nordrhein-Westfalen: Nach dieser Vorschrift haftet die Krankenkasse bei Übergabe des Hörgerätes zur Vorstellung beim Kassenarzt oder einer Gutachterstelle für den Verlust oder Beschädigung bis zur Höhe von 90% des Festpreises. Nach dem vertraglich vorgesehenen Ablauf der Hör- geräteversorgung müsse der Hörgeräteakustiker aufgrund der vom Versicherten vorgelegten ärztlichen Verordnung die Anpassung des Hörgerätes vornehmen, das Hörgerät dem Patienten aushändigen und die Versorgung werde erst geschlossen mit der anschließenden Prüfung durch den verordnenden Arzt. Das Hörgerät sei hier daher vor Abschluss der vertraglich vorgesehenen Versorgung verloren gegangen, so dass § 6 Abs. 3 des genannten Vertrages einschlägig sei. Der Vertrag sei zwar mit Wirkung zum 31.12.1997 gekündigt worden, der Inhalt dieses Vertrages werde jedoch nach wie vor der Versorgung zugrunde gelegt. Soweit sich die Beklagte auf die Kündigung des Vertrages berufe, sei dies daher zumindest treuwidrig und widerspreche den Grundsätzen der Selbstbindung in Verbindung mit Artikel 3 Grundgesetz. Selbst wenn eine vertragliche Anspruchsgrundlage nicht bestünde, ergebe sich der Zahlungsanspruch aus § 645 BGB, denn das Werk sei vor Abnahme in Folge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, ohne das ein Umstand mitgewirkt hätte, den der Unternehmer zu vertreten hätte. Als Besteller müsse hier die Beklagte angesehen werden. Beurteile man die Hörgeräteversorgung als einen Kaufvertrag, so sei die Gefahr des zufälligen Untergangs im Sinne von § 446 BGB auf die Beklagte übergegangen: Nach dem Inhalt des Kaufvertrages genüge für die Übergabe die Verschaffung des mittelbaren Besitzes durch Aushändigung des Hörgerätes an den Versicherten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 805,10 EUR als Erstattung für das verloren-gegangene Hörgerät zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Eine vertragliche Anspruchsgrundlage bestehe nicht. Der Vertrag sei am 19.09.1997 gekündigt worden. Eine Nachwirkung sei nicht vereinbart. Die Vertragsparteien würden sich jedoch an die Strukturen des Vertrages halten. Nur der Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zwischen der Bundesinnung Hörgeräteakustiker Mainz und unter anderem dem AOK Bundesverband vom 26.05.1992 gelte fort. Selbst bei Anwendung dieses Vertrages ergebe sich kein Vergütungsanspruch. Die Fälligkeit eines Zahlungsanspruches bei Werkverträgen der vorliegenden Art hänge von der Abnahme ab. Eine solche finde in der Form statt, dass die ordnungsgemäße Abgabe des Gerätes durch den Arzt überprüft werde. Erst danach könne von einer Abnahme und Fälligkeit der Vergütungsforderung ausgegangen werden. Für das verloren gegangene Gerät hätte eine Abnahme nicht mehr stattfinden können, so dass ein Zahlungsanspruch ausgeschlossen sei. Außerdem scheitere ein Vergütungsanspruch am Vorliegen der notwendigen ärztlichen Verordnung. Ausweislich der ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe vom 12.09.2002 sei die Notwendigkeit für eine Hörhilfe nur links festgestellt worden, gleichwohl hätte die Klägerin aufgrund dieser Verordnung zwei Hörgeräte abgerechnet. Die Beklagte hätte am 24.02.2003 die Kostenübernahme eines Hörgerätes nebst Zubehör genehmigt und dementsprechend in Höhe von 1.036,33 EUR bezahlt. Auf § 6 Abs. 3 des gekündigten Versorgungsvertrages könne die Klägerin sich nicht berufen. Die in diesem Absatz geregelte Haftung bezöge sich nicht auf die Probephase, sondern lediglich auf die Fälle, bei denen Versicherte auf Veranlassung der Krankenkasse Hörgeräte zur Vorstellung beim verordnenden Kassenarzt oder einer Gutachterstelle überlassen werden. Die Worte: "auf Veranlassung der Krankenkasse" seien im Vorfeld des Vertragsabschlusses auf Anregung des IKK-Landesverbandes vom 19.09.1990 mit der Begründung in den Text aufgenommen worden, da ansonsten befürchtet werde, die Kostenträger sollten auch für Schäden/Verlust in dieser Probephase aufkommen, falls sich alle Versicherten gemäß den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien grundsätzlich nochmal beim HNO-Arzt vorstellen müssten. Die Intention der Ergänzung des § 6 Abs. 3 wäre somit eindeutig. Die letztlich ratifizierte Fassung des Vertrages enthalte diese Formulierung. Damit käme zum Ausdruck, dass ein aktives Handeln der Krankenkasse vorliegen müsse, um die Haftung auszulösen. Die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen durch den Hörgeräteakustiker wäre damit nicht gemeint.
Der den Versicherten behandelnde HNO-Arzt K bestätigte auf Anfrage des Gerichtes, dass er im Jahre 2002 lediglich die in den Akten befindliche Hörgeräte- verordung vom 12.09.2002 ausgestellt hatte.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, bei dem Regelungen durch Verwaltungsakt nicht zu treffen sind (vgl. Urteil des BSG vom 07.12.2006 - B 3 KR 29/05 R in Sgb 2007, 99). Ein Vorverfahren ist daher nicht erforderlich und die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten. Eine Beiladung des Versicherten war nicht erforderlich, da der hier streitige Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegen die Krankenkasse keinen Einfluss auf den Leistungsanspruchs des Versicherten hat.
Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist der nach wie vor gültige Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker Mainz und unter dem AOK Bundesverband vom 26.05.1992. Nach § 2 Abs. 1 a gilt dieser Vertrag für die Krankenkassen von den Spitzenverbänden vertretenen Kassenarten und somit auch für die Beklagte. Gemäß § 2 Abs. 2 gelten die bestehenden Verträge gemäß § 127 SGB V, sofern in dem Vertrag über die Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen keine anderweitigen Regelungen getroffen sind. § 5 enthält eine Regelung über die Höhe der Vergütung. Weitere Einzelheiten zur Vergütung der Leistungen, wie sie § 6 Abs. 2 und 3 des Vertrages gemäß § 127 SGB V für Nordrhein-Westfalen zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker Mainz einerseits und dem AOK-Landesverband Rheinland und dem AOK Landesverband Westfalen-Lippe und anderen vom 26.10.1990 beeinhaltet, enthält § 5 des Vertrages vom 26.05.1992 nicht. § 6 Abs. 2 und 3 des Vertrages vom 26.10.1990 sind daher über die Klausel in § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 26.05.1992 auch Gegenstand dieses Vertrages für Kinder und Jugendliche geworden. Zwar ist der Vertrag vom 26.10.1990 mit Wirkung zum 31.12.1997 gekündigt worden, die Modalitäten dieses Vertrages werden jedoch wie die Beteiligten übereinstimmend vortragen bei der Versorgung von Hörgeräten für die Beklagte generell weiter angewandt. Aufgrund dieser Praxis muss der nach wie vor geltende Vertrag zur Hörgeräteversorgung von Kindern und Jugendlichen daher so ausgelegt werden, dass über § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 26.05.1992 die Modalitäten des allgemeinen Vertrages vom 26.10.1990 zumindest bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen weiter Geltung haben.
Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin ist § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 26.05.1992 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990. § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990 hat folgenden Wortlaut: "Werden dem Versicherten auf Veranlassung der Krankenkasse die Hörgeräte z. B. zur Vorstellung beim verordnenden Kassenarzt oder einer Gutachterstelle überlassen, so haftet die Krankenkasse für den Verlust oder Beschädigung der Hörgeräte gegenüber dem Hörgeräteakustiker bis maximal zur Höhe von 90 v. H. der Festbeträge." Diese Vertragsklausel regelt einen Schadensersatzanspruch und nicht den Fall der Vergütung nach ordnungsgemäßen Abschluss der Versorgung. Die Rechtsauffassung der Beklagten, der von der Klägerin geltend gemachte streitige Vergütungsanspruch scheitere schon am Fehlen der nach § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 26.05.1992 notwendigen kassenärztlichen Verordnung verkennt den Umstand, dass Streitgegenstand ein Schadensersatzanspruch und nicht der Vergütungsanspruch nach Abschluss ordnungsgemäßer Versorgung ist. Streitgegenstand ist ausschließlich die Haftung für ein vor Abschluss der Versorgung verloren gegangenes Hörgerät. Selbst wenn der verordnende Arzt eine zweite kassenärztliche Verordnung ausgestellt hätte, würde - unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten - ein Vergütungsanspruch daran scheitern, dass der Vertragsarzt dieses Hörgerät nicht mehr prüfen konnte und daher die Versorgung nicht mehr abgeschlossen werden kann und der Vergütungsanspruch der Klägerin aber erst nach Abschluss der Versorgung entsteht. Geht das Hörgerät - wie hier - vor Abschluss der Versorgung nach Aushändigung an den Versicherten verloren, so bedarf es keiner neuen ärztlichen Verordnung, sondern die vorliegende ärztliche Verordnung ist ebenfalls Grundlage für das nun erforderliche Ersatzgerät. Für den Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990 reicht daher hier die ärztliche Verordnung vom 12.09.2002 aus und zwar auch dann, wenn sie wie hier Grundlage für die Versorgung mit dem von der Beklagten abgerechneten Ersatzgerät war.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich die Schadensersatzregelung in § 6 Abs. 3 des Vertrages vom 26.10.1990 auf die Probephase: Also auf die Phase nach Aushändigung des Gerätes an den Versicherten vor abschließender Prüfung durch den Vertragsarzt. Die Auffassung der Beklagten, die Aufnahme der Worte: "auf Veranlassung der Krankenkasse" in den Vertragstext würden verdeutlichen, dass diese Regelung nicht für Schäden oder Verlust in der Probephase gelten solle, läßt sich mit dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift und dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbaren. Es mag zwar sein, dass auf Anregung des IKK-Landesverbandes diese Worte in den Text aufgenommen worden sind. Damit ist jedoch nicht nachgewiesen, dass alle Vertrags- partner sich der Auffassung des IKK-Landesverbandes angeschlossen haben, dass mit Aufnahme dieser Worte klargestellt sei, dass die Probephase nicht erfasst werden solle. Die Formulierung: "auf Veranlassung der Krankenkasse" stellt vom Wortlaut her nicht eindeutig klar, ob hier ein konkreter Anlass gemeint ist oder diese Worte verdeutlichen sollen, dass - wie in der Probephase - der Leistungserbringer das Gerät aufgrund der mit den Kassen getroffenen Vereinbarung an den Versicherten - und somit auf generelle Veranlassung hin - aushändigt und somit die Regelung in § 6 Abs. 3 lediglich klarstellen soll, dass es sich hier um eine Versorgung zu Lasten der Kasse und nicht eine Privat- versorgung handelt. Würde wie die Beklagte meint, die Probephase nicht gemeint sein, so ist nicht erkennbar, welchen Sinn diese Regelung noch machen soll und welcher An- wendungsbereich übrig bleibt. Nach Abschluss der Probephase geht das Gerät in den Eigentum des Versicherten über und bei Vorstellung des Gerätes beim verordnenden Kassenarzt oder einer Gutachterstelle besteht nicht der geringste Anlass für einen Ent- schädigungsanspruch des Leistungserbringers. Die Beklagte vermochte auch nicht darzu- legen, welcher Anwendungsfall bei der von ihr zugrundegelegten Interpretation des § 6 Abs. 3 noch übrig bleibt. Nur in der Probephase ist der Leistungserbringer aufgrund der Regelungen in § 127 SGB V gezwungen, das noch in seinem Eigentum befindliche Gerät dem Versicherten auszuhändigen, so dass für den Verlust oder die Beschädigung des Gerätes in dieser Phase bis zum Abschluss der Versorgung der Bedarf für eine Regelung der Haftungsfrage besteht.
Auch die Festbetragsregelung für Hörhilfen gemäß § 36 Abs. 2 SGB V in Nordrhein-Westfalen vom 21.07.1997 verdeutlicht diese Auslegung: Dort ist unter Nr. 13.99.99.1101 ein Abschlag in DM bei Nachlieferung von verloren gegangenen oder unbrauchbar gewordenen Hörhilfen innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss der Anpassung in Höhe von minus 300,00 DM vorgesehen. Eine derartige Regelung wäre überflüssig oder steht zumindest nicht im inhaltlichen Einklang mit der Regelung in § 6 Abs. 3, wenn § 6 Abs. 3 sich auch Fälle nach Abschluss der Versorgung beziehen sollte. § 6 Abs. 3 kann daher nur so ausgelegt werden, dass er insbesondere für die Probephase gilt.
Die Klägerin hat somit Anspruch auf Zahlung von 90% des in Rechnung gestellten Vertrags- bzw. Festpreises in Höhe von 894,45 EUR: 90% sind somit 805,28 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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