Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 323/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Hinterbliebenenrente an die Klägerin unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der am 00.00.1916 in Polen geborene Ehemann der Klägerin, Herr G, war Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebte zuletzt in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit. Er heiratete die Klägerin 1939 in Polen (Bl. 38 Gerichtsakte). Am 24.11.1991 verstarb er. Die Klägerin, geboren 1921, hat danach nicht wieder geheiratet.
Ein früherer Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen und auch auf eine Hinterbliebenenrente war von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in den 90er Jahren mit den Bescheiden vom 10.06.1992 und vom 06.10.1993 bestandskräftig abgelehnt worden (Bl. 5, 14 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Die Klägerin beantragte am 30.05.2003 erneut die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, ihr Ehemann habe nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört. Er habe "sich bereit gehalten einen Beruf zu erlernen" (Bl. 29 Rückseite der Verwaltungsakte). Beiträge zur Rentenversicherung seien aus verfolgungsbedingten Gründen unterblieben. Er habe während seines Aufenthaltes im Ghetto von Wegrow (in der Wojewodschaft Warschau) außerhalb des Ghettos Tätigkeiten im Straßenbau und Erdarbeiten verrichtet, von September 1939 bis September 1942. Er habe 8 bis 10 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe er dafür kein Ghetto-Geld, nur "ein wenig Brot und Zucker" und den Schutz vor Deportierung in Vernichtungslager (Bl. 43 der Verwaltungsakte). Im September 1942 sei er aus dem Ghetto geflüchtet und habe so bis zur Befreiung des Gebietes im Herbst 1944 überlebt. In Polen sei er dann bis 1948 geblieben. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von dem Amt für Wiedergutmachung bei, mit den früheren Angaben zu dem Aufenthalt im Ghetto. Dort hatte der Ehemann der Klägerin, zusammen mit ihr, 1958 angegeben: "In X ... sind wir geboren, heirateten hier und wohnten in dieser Stadt bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges. Nach der Besetzung der Stadt ... durch die Deutschen im September 1939 begannen die Judenverfolgungen, wir wurden zu Zwangsarbeiten geschleppt und seit November 1939 trugen wir das Judenkennzeichen. Unsere Wohnung in X wurde uns weggenommen und wir mussten in das Judenviertel - später geschlossene Ghetto - ziehen. Ab Mitte 1940 befanden wir uns somit in dem geschlossenen Ghetto ... Zur Zwangsarbeit bei Straßenbau und Erdarbeiten wurden wir vom Ghetto aus, zu den Arbeitsplätzen, welche sich außerhalb des Ghettos befanden, geführt ... ". Eine Zeugin H erklärte damals: "Nach Ausbruch des Krieges und Besetzung der Stadt X ... im September 1939 leistete ich genau wie die Eheleute G J und G D Zwangsarbeiten und trugen wir seit September 1939 das Judenkennzeichen. Zusammen mit den Eheleuten G J und G D befand ich mich seit 1940 im errichteten Ghetto Wegrow ... Bis September 1942 befand ich mich zusammen mit dem Ehepaar G J und G D im Ghetto Wegrow ...".
Mit Bescheid vom 20.09.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im Einzelnen heißt es dort, angesichts des Bezuges des Ehemannes der Klägerin von nur "ein wenig Brot und Zucker" sei hier von einer fehlenden Entgeltzahlung auszugehen, sodass die Voraussetzung des ZRBG nicht vorlägen. Außerdem sei nach den Angaben in der Entschädigungsakte der Verstorbene zu Zwangsarbeiten außerhalb des Ghettos "geführt" worden. Diese Aussage lasse den Schluss zu, dass hier eine Überwachung auf den Arbeitswegen als auch während der Arbeit stattgefunden habe, was für Zwangsarbeit und gegen das Vorliegen eines aus eigenem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigungsverhältnisses spreche.
Gegen diesen im Ausland zugegangenen Bescheid legte die Klägerin fristgerecht am 09.12.2004 Widerspruch ein und bezog sich auf ihre bisherigen Angaben.
Mit dem im Ausland zugestellten Widerspruchsbescheid vom 22.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil nach Aktenlage der angefochtene Ablehnungsbescheid, ohne nähere Begründung des Widerspruchs, nicht zu beanstanden sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 22.06.2005 per Fax Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, ihr Ehemann habe für seine Tätigkeit als Arbeiter im Straßenbau Lohn in Form von Sachbezügen bekommen, also hier Essen am Arbeitsplatz und wöchentlich zusätzliche Lebensmittel für zu Hause. Genauere Angaben könne sie als Witwe nicht mehr machen. Dass ihr Ehemann die vorgesehene Entlohnung erhalten habe, dessen sei sie sich sicher. Dies hätte jedenfalls die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Die Beschäftigung sei auch aus eigenem Willensentschluss aufgenommen worden, denn die Entscheidung auch Arbeit aufzunehmen sei die vernünftige Reaktion auf die schlimmen Verhältnisse für Juden im Ghetto und die vernünftige Reaktion auf die drohende Deportierung gewesen.
Auf Rückfrage des Gerichts, ob die Klägerin eventuell auch aus eigener Versicherung bzw. aus eigenem Verfolgungsschicksal bereits Ansprüche geltend gemacht habe, hat sie durch ihre Bevollmächtigten mitteilen lassen: "Frau G hat weder durch den verstorbenen Rechtsanwalt B noch durch uns einen Antrag auf Regelaltersrente aus ihrer eigenen Versicherung bzw. ihren eigenen Ghetto-Beitragszeiten gestellt. Sie ist, nach eigenen Angaben, etwa 6 Monate nach Kriegsausbruch mit ihrem Bruder nach Russland geflohen, hat sich also nicht in einem Ghetto aufgehalten oder dort gearbeitet" (Bl. 18 Gerichtsakte).
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihrem Ehemann anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Wegrow von Juli 1940 bis September 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Hinterbliebenenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, es komme auf die individuellen Umstände an, nach denen sie aber hier von unentgeltlicher Zwangsarbeit ausgehe, die nicht unter das ZRBG falle.
Das Gericht hat die Entschädigungsakten des Wiedergutmachungsamtes Saarburg mit den Angaben des Herrn J G und der Klägerin beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakte der Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Gegen den im Ausland zugegangenen Widerspruchsbescheid lief nämlich eine Klagefrist von 3 Monaten, die hier durch die Erhebung der Klage am 22.06.2005 eingehalten wurde.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 20.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Hinterbliebenenrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung für sich allein nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen, wenn nicht zumindest eine Beitragszeit für einen Monat vorliegt bzw. glaubhaft gemacht ist (vgl. BSG Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R). Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für richtig jedenfalls insoweit als die Beklagte von schon nicht aus eigenem Willensentschluss aufgenommener Beschäftigung ausgeht und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 20.09.2004 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Voraussetzung für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ist nach § 46 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 50 ff SGB VI grundsätzlich die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit, zumindest aber - auch nach Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R) - eine Beitragszeit nach § 1 ZRBG. An letzterer fehlt es hier schon für den Hinterbliebenenrentenanspruch; denn auch solche Zeiten hat die Klägerin nicht aus Versicherungstatbeständen bzw. Verfolgungstatbeständen ihres Ehemannes. Sie hat nämlich keine Beschäftigung ihres Ehemannes in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG nachgewiesen bzw. zumindest glaubhaft gemacht, die auch eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss darzustellen geeignet wäre. Denn angesichts der eigenen Angaben des Verstorbenen im Entschädigungsverfahren wie auch der eigenen Angaben der Klägerin im gleichen Entschädigungsverfahren ist nicht anzunehmen, dass hier Beschäftigungsverhältnisse von ihrem Ehemann begründet wurden, die wirklich aus eigenem Willensentschluss zustande kamen. Die Eheleute G haben vielmehr selbst angegeben, zur "Zwangsarbeit" bei Straßenbau und Erdarbeiten "geführt" worden zu sein, auch zu Zwangsarbeiten "geschleppt" worden zu sein. Auch die damalige Zeugin H berichtete von "Zwangsarbeiten". Diese früheren damals wesentlich zeitnäher gemachten Angaben erscheinen der Kammer nicht unwahrscheinlicher als die heute gemachten Angaben. Hinzu kommt auch, dass der heutige Vortrag von einem entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht wahrscheinlicher erscheint als die früher im Entschädigungsverfahren gemachten Angaben, weil die Klägerin jetzt sogar mit Schriftsatz vom 07.11.2005 eine ganz andere Darstellung abgibt als früher im Entschädigungsverfahren; nach dem Schriftsatz vom 07.11.2005 soll sie selbst schon 6 Monate nach Kriegsausbruch mit ihrem Bruder nach Russland geflohen sein, sich selbst also überhaupt nicht in einem Ghetto aufgehalten haben, was im absoluten Widerspruch steht zu den früheren gemeinsam gemachten Angaben der Eheleute G in der Entschädigungsakte. Wenn es so zutrifft, wie sie es jetzt mit Schriftsatz vom 07.11.2005 darstellen lässt, dann kann sie im Rahmen des Antrages auf Hinterbliebenenrente ihre Angaben nur vom Hören-Sagen gemacht haben, also nicht aus eigener Kenntnis, und wenn ihr heutiger Vortrag vom 07.11.2005 nicht richtig sein sollte, dann ist nicht mehr klar, welche ihrer jetzigen Angaben überhaupt noch zutreffend sind. Das gesamte Verfolgungsschicksal der Klägerin wie auch ihres verstorbenen Ehemannes ist jedenfalls durch den jetzigen Vortrag im Klageverfahren nicht klarer geworden, sodass die Kammer im Zweifel unter Bezugnahme auf die früheren Erklärungen im Entschädigungsverfahren hier im Zweifel nur davon ausgehen kann, dass die früheren zeitnäher gemachten Angaben zutreffend sind, wonach allerdings damals im Ghetto allenfalls Zwangsarbeit vom Verstorbenen verrichtet worden sein könnte. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 0 R 00/00 R) insgesamt gefolgt werden kann, denn auch unter Berücksichtigung dieser neueren Entscheidung kann unter Würdigung der vorstehenden Ausführungen hier nicht überwiegend wahrscheinlich davon ausgegangen werden, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Ghetto andere als Zwangsarbeiten verrichtete.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des Ehemannes der Klägerin und ihr eigenes, sieht aber nach Lage der Akten und der bisher gemachten Angaben keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Hinterbliebenenrente an die Klägerin unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der am 00.00.1916 in Polen geborene Ehemann der Klägerin, Herr G, war Jude und Verfolgter des Nazi-Regimes und lebte zuletzt in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit. Er heiratete die Klägerin 1939 in Polen (Bl. 38 Gerichtsakte). Am 24.11.1991 verstarb er. Die Klägerin, geboren 1921, hat danach nicht wieder geheiratet.
Ein früherer Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen und auch auf eine Hinterbliebenenrente war von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in den 90er Jahren mit den Bescheiden vom 10.06.1992 und vom 06.10.1993 bestandskräftig abgelehnt worden (Bl. 5, 14 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Die Klägerin beantragte am 30.05.2003 erneut die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der deutschen Rentenversicherung, nun unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, ihr Ehemann habe nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört. Er habe "sich bereit gehalten einen Beruf zu erlernen" (Bl. 29 Rückseite der Verwaltungsakte). Beiträge zur Rentenversicherung seien aus verfolgungsbedingten Gründen unterblieben. Er habe während seines Aufenthaltes im Ghetto von Wegrow (in der Wojewodschaft Warschau) außerhalb des Ghettos Tätigkeiten im Straßenbau und Erdarbeiten verrichtet, von September 1939 bis September 1942. Er habe 8 bis 10 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe er dafür kein Ghetto-Geld, nur "ein wenig Brot und Zucker" und den Schutz vor Deportierung in Vernichtungslager (Bl. 43 der Verwaltungsakte). Im September 1942 sei er aus dem Ghetto geflüchtet und habe so bis zur Befreiung des Gebietes im Herbst 1944 überlebt. In Polen sei er dann bis 1948 geblieben. Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von dem Amt für Wiedergutmachung bei, mit den früheren Angaben zu dem Aufenthalt im Ghetto. Dort hatte der Ehemann der Klägerin, zusammen mit ihr, 1958 angegeben: "In X ... sind wir geboren, heirateten hier und wohnten in dieser Stadt bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges. Nach der Besetzung der Stadt ... durch die Deutschen im September 1939 begannen die Judenverfolgungen, wir wurden zu Zwangsarbeiten geschleppt und seit November 1939 trugen wir das Judenkennzeichen. Unsere Wohnung in X wurde uns weggenommen und wir mussten in das Judenviertel - später geschlossene Ghetto - ziehen. Ab Mitte 1940 befanden wir uns somit in dem geschlossenen Ghetto ... Zur Zwangsarbeit bei Straßenbau und Erdarbeiten wurden wir vom Ghetto aus, zu den Arbeitsplätzen, welche sich außerhalb des Ghettos befanden, geführt ... ". Eine Zeugin H erklärte damals: "Nach Ausbruch des Krieges und Besetzung der Stadt X ... im September 1939 leistete ich genau wie die Eheleute G J und G D Zwangsarbeiten und trugen wir seit September 1939 das Judenkennzeichen. Zusammen mit den Eheleuten G J und G D befand ich mich seit 1940 im errichteten Ghetto Wegrow ... Bis September 1942 befand ich mich zusammen mit dem Ehepaar G J und G D im Ghetto Wegrow ...".
Mit Bescheid vom 20.09.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im Einzelnen heißt es dort, angesichts des Bezuges des Ehemannes der Klägerin von nur "ein wenig Brot und Zucker" sei hier von einer fehlenden Entgeltzahlung auszugehen, sodass die Voraussetzung des ZRBG nicht vorlägen. Außerdem sei nach den Angaben in der Entschädigungsakte der Verstorbene zu Zwangsarbeiten außerhalb des Ghettos "geführt" worden. Diese Aussage lasse den Schluss zu, dass hier eine Überwachung auf den Arbeitswegen als auch während der Arbeit stattgefunden habe, was für Zwangsarbeit und gegen das Vorliegen eines aus eigenem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigungsverhältnisses spreche.
Gegen diesen im Ausland zugegangenen Bescheid legte die Klägerin fristgerecht am 09.12.2004 Widerspruch ein und bezog sich auf ihre bisherigen Angaben.
Mit dem im Ausland zugestellten Widerspruchsbescheid vom 22.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil nach Aktenlage der angefochtene Ablehnungsbescheid, ohne nähere Begründung des Widerspruchs, nicht zu beanstanden sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 22.06.2005 per Fax Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, ihr Ehemann habe für seine Tätigkeit als Arbeiter im Straßenbau Lohn in Form von Sachbezügen bekommen, also hier Essen am Arbeitsplatz und wöchentlich zusätzliche Lebensmittel für zu Hause. Genauere Angaben könne sie als Witwe nicht mehr machen. Dass ihr Ehemann die vorgesehene Entlohnung erhalten habe, dessen sei sie sich sicher. Dies hätte jedenfalls die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Die Beschäftigung sei auch aus eigenem Willensentschluss aufgenommen worden, denn die Entscheidung auch Arbeit aufzunehmen sei die vernünftige Reaktion auf die schlimmen Verhältnisse für Juden im Ghetto und die vernünftige Reaktion auf die drohende Deportierung gewesen.
Auf Rückfrage des Gerichts, ob die Klägerin eventuell auch aus eigener Versicherung bzw. aus eigenem Verfolgungsschicksal bereits Ansprüche geltend gemacht habe, hat sie durch ihre Bevollmächtigten mitteilen lassen: "Frau G hat weder durch den verstorbenen Rechtsanwalt B noch durch uns einen Antrag auf Regelaltersrente aus ihrer eigenen Versicherung bzw. ihren eigenen Ghetto-Beitragszeiten gestellt. Sie ist, nach eigenen Angaben, etwa 6 Monate nach Kriegsausbruch mit ihrem Bruder nach Russland geflohen, hat sich also nicht in einem Ghetto aufgehalten oder dort gearbeitet" (Bl. 18 Gerichtsakte).
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihrem Ehemann anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Wegrow von Juli 1940 bis September 1942 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Hinterbliebenenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, es komme auf die individuellen Umstände an, nach denen sie aber hier von unentgeltlicher Zwangsarbeit ausgehe, die nicht unter das ZRBG falle.
Das Gericht hat die Entschädigungsakten des Wiedergutmachungsamtes Saarburg mit den Angaben des Herrn J G und der Klägerin beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakte der Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Gegen den im Ausland zugegangenen Widerspruchsbescheid lief nämlich eine Klagefrist von 3 Monaten, die hier durch die Erhebung der Klage am 22.06.2005 eingehalten wurde.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 20.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Hinterbliebenenrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung für sich allein nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen, wenn nicht zumindest eine Beitragszeit für einen Monat vorliegt bzw. glaubhaft gemacht ist (vgl. BSG Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R). Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt sie für richtig jedenfalls insoweit als die Beklagte von schon nicht aus eigenem Willensentschluss aufgenommener Beschäftigung ausgeht und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 20.09.2004 auch bereits die entscheidende Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Voraussetzung für die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ist nach § 46 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 50 ff SGB VI grundsätzlich die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit, zumindest aber - auch nach Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R) - eine Beitragszeit nach § 1 ZRBG. An letzterer fehlt es hier schon für den Hinterbliebenenrentenanspruch; denn auch solche Zeiten hat die Klägerin nicht aus Versicherungstatbeständen bzw. Verfolgungstatbeständen ihres Ehemannes. Sie hat nämlich keine Beschäftigung ihres Ehemannes in einem Ghetto im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG nachgewiesen bzw. zumindest glaubhaft gemacht, die auch eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss darzustellen geeignet wäre. Denn angesichts der eigenen Angaben des Verstorbenen im Entschädigungsverfahren wie auch der eigenen Angaben der Klägerin im gleichen Entschädigungsverfahren ist nicht anzunehmen, dass hier Beschäftigungsverhältnisse von ihrem Ehemann begründet wurden, die wirklich aus eigenem Willensentschluss zustande kamen. Die Eheleute G haben vielmehr selbst angegeben, zur "Zwangsarbeit" bei Straßenbau und Erdarbeiten "geführt" worden zu sein, auch zu Zwangsarbeiten "geschleppt" worden zu sein. Auch die damalige Zeugin H berichtete von "Zwangsarbeiten". Diese früheren damals wesentlich zeitnäher gemachten Angaben erscheinen der Kammer nicht unwahrscheinlicher als die heute gemachten Angaben. Hinzu kommt auch, dass der heutige Vortrag von einem entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht wahrscheinlicher erscheint als die früher im Entschädigungsverfahren gemachten Angaben, weil die Klägerin jetzt sogar mit Schriftsatz vom 07.11.2005 eine ganz andere Darstellung abgibt als früher im Entschädigungsverfahren; nach dem Schriftsatz vom 07.11.2005 soll sie selbst schon 6 Monate nach Kriegsausbruch mit ihrem Bruder nach Russland geflohen sein, sich selbst also überhaupt nicht in einem Ghetto aufgehalten haben, was im absoluten Widerspruch steht zu den früheren gemeinsam gemachten Angaben der Eheleute G in der Entschädigungsakte. Wenn es so zutrifft, wie sie es jetzt mit Schriftsatz vom 07.11.2005 darstellen lässt, dann kann sie im Rahmen des Antrages auf Hinterbliebenenrente ihre Angaben nur vom Hören-Sagen gemacht haben, also nicht aus eigener Kenntnis, und wenn ihr heutiger Vortrag vom 07.11.2005 nicht richtig sein sollte, dann ist nicht mehr klar, welche ihrer jetzigen Angaben überhaupt noch zutreffend sind. Das gesamte Verfolgungsschicksal der Klägerin wie auch ihres verstorbenen Ehemannes ist jedenfalls durch den jetzigen Vortrag im Klageverfahren nicht klarer geworden, sodass die Kammer im Zweifel unter Bezugnahme auf die früheren Erklärungen im Entschädigungsverfahren hier im Zweifel nur davon ausgehen kann, dass die früheren zeitnäher gemachten Angaben zutreffend sind, wonach allerdings damals im Ghetto allenfalls Zwangsarbeit vom Verstorbenen verrichtet worden sein könnte. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Entscheidung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 0 R 00/00 R) insgesamt gefolgt werden kann, denn auch unter Berücksichtigung dieser neueren Entscheidung kann unter Würdigung der vorstehenden Ausführungen hier nicht überwiegend wahrscheinlich davon ausgegangen werden, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Ghetto andere als Zwangsarbeiten verrichtete.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal des Ehemannes der Klägerin und ihr eigenes, sieht aber nach Lage der Akten und der bisher gemachten Angaben keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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