S 16 U 68/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 68/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung seiner Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1957 geborene Kläger war - eigenen Angaben zufolge - von Juli 1972 bis Juni 1977 als Auszubildender in PKW-Reparaturwerkstätten beschäftigt. Danach arbeitete er bis August 1981 bei den L1 X1, die später von der E Deutschland übernommen wurden. Anschließend war er bis April 1982 arbeitslos und sodann bis zum 06.04.1983 bei den L2-L1 tätig. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit bis Juli 1984 war er bis Januar 1985 bei der D, X2, beschäftigt und war sodann bis November 1986 arbeitslos. In der Zeit bis September 1987 arbeitete er bei der Firma G, war dann wieder bis April 1989 - unterbrochen durch ein Beschäftigungsverhältnis von Februar bis März 1989 - arbeitslos und war anschließend bis Oktober 1990 bei der Firma U beschäftigt. Bis November 1993 ging er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und arbeitete sodann bei der H Gemeinnützige Gesellschaft für Entsorgung, Sanierung und Ausbildung. Sodann bezog er bis März 1995 Arbeitslosengeld und war bis September 1996 bei der X3 GmbH beschäftigt; seitdem geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Im Mai 2001 ersuchte der Kläger die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik um Einleitung eines berufsgenossenschaftlichen Feststellungsverfahrens. Dabei bezog er sich auf einen Bescheid des Versorgungsamts X4 (vom 01.02.2001), der als Behinderungen "Wiederkehrendes LWS-Syndrom bei Verschleiß der Wirbelsäule, lumbale Bandscheibenschäden" ausweist. Die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik zog daraufhin medizinische Unterlagen bei und gab den Rechtsstreit nach Einholung von Arbeitsauskünften zuständigkeitshalber an die beklagte Berufsgenossenschaft ab. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik war der Kläger bei den L1 X1 einer Gesamtdosis von 5,34 MNh berechnet auf der Grundlage des Mainz-Dortmunder-Dosismodells ausgesetzt, dagegen hatte er bei der L Kabelwerken, bei denen er mit dem Herstellen von Gummimischungen beschäftigt war keine bandscheibengefährdenden Tätigkeiten zu verrichten. Ebenso wie bei der Firma D , bei der er - nach den Ermittlungsergebnissen des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie - als Maschinenführer in der Silikongummi-Schlauchextrusion beschäftigt war, wobei ihm das Überwachen und Beschicken des Extruders mit Rohmaterial oblag. Das Beschicken des Extruders erfolgte mit einem Schäufelchen aus einem durch andere Personen bereitgestellten Eimer. Bei der Firma U war der Kläger - nach Ausführungen der Präventionsabteilung der Beklagten - als Maschinenführer von Pressen- und Gewindeschneidmaschinen tätig wobei die Tagesbelastungsdosis von 5.500 Nh bei weitem unterschritten wurde. Nach den Feststellungen der Präventionsdienste der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege hatte der Kläger bei der Firma H Elektrogroßgeräte zu demontieren, wobei seine Tätigkeit hauptsächlich im Sitzen und Stehen ausgeübt wurde und der Grenzwert von 5.500 Nh mit ungefähr 1.230 Nh ebenfalls bei weitem unterschritten wurde. Dies gilt auch für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma X3, in der er Kupplungen zu montieren hatte, wobei die fertigen Kupplungen ein Gewicht zwischen ca. 3 und maximal 10 kg hatten und darüber hinaus Kisten zwischen 30 und 50 kg mit Hilfsmitteln bewegt werden mussten. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung der Beklagten lag die Tagesbelastung weit unter 50 % des Dosisrichtwertes. Mit Bescheid vom 25.03.2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Entschädigung mit der Begründung ab, die arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien nicht erfüllt. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.03.2004). Mit seiner am 29.03.2004 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, seine Gesundheitsschäden seien allein auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Die arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten würden seine berufliche körperliche Belastung nur unzureichend wiederspiegeln.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2004 zu verurteilen, ihm Rente wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat einen Befundbericht von den E und L3 eingeholt und orthopädischerseits W als Sachverständigen gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.03.2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente (vgl. § 56 SGB VII), weil ein Versicherungsfall in Gestalt der streitigen Berufskrankheit (vgl. § 7 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 SGB VII) nicht eingetreten ist. Der Kläger leidet nicht an einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Dieser Berufskrankheit sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zuzurechnen, die durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verursacht worden sind. Als Lastgewichte, deren regelmäßiges Heben oder Tragen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule verbunden sind gelten bei Männern im Alter zwischen 18 und 39 Jahren Lasten von 25 kg und bei Männern ab 40 Jahr Lasten von 20 kg. Eine solche berufliche Belastung des Klägers lässt sich nach den plausiblen arbeitstechnischen Ermittlungen im Verwaltungsverfahren nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Die Belastung ist dabei anhand des Mainz-Dortmunder-Dosismodells zu schätzen. Bei diesem Berechnungsmodus wird zur Beurteilung einer möglichen Gefährdung aus der Belastungshöhe und der Belastungsdauer eine schichtbezogene Beurteilungsdosis (Tagesdosis) errechnet. Als Belastungssumme wird die Zugkraft auf das Bandscheibensegment L 5/S 1 als Belastungsdauer die Dauer für Hebe- oder Tragevorgänge herangezogen. Dabei geht die Druckkraft gegenüber der Belastungsdauer aufgrund des höheren Schädigungspotenzials überproportional in die Berechnung der Tagesdosis ein. Als täglicher Tagesdosis-Richtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Gefährdung für das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zu rechnen ist, wird ein Wert von 5.500 Nh abgeleitet, d. h. nur Tätigkeiten mit Dosiswerten ab diesem Wert sind als gefährdend im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzusehen. Nur wenn die Tagesdosisrichtwerte erreicht oder überschritten werden, werden die Tagesdosen zu einer Gesamtdosis addiert. Im vorliegenden Fall überschreiten nur die bei der Firma X1 zurückgelegten Tagesdosen den Grenzwert von 5.500 Nh, so dass sich aus diesen Werten eine Gesamtdosis von 5,34 Mnh errechnet. Dieser Betrag erreicht den Richtwert für die Gesamtbelastungsdosis der bei Männern nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell 25 Mnh beträgt bei weitem nicht. Dies gilt auch dann, wenn die bisher nicht bewerteten Tätigkeiten als Auszubildender im Kfz-Handwerk berücksichtigt werden. Für den Kläger hat daher kein berufsbedingt erhöhtes Risiko für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule bestanden. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass nach ständiger BSG-Rechtsprechung (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, M 2108 Nr. 2.3 mit Rechtsprechungshinweisen) das Mainz-Dortmunder-Dosismodell aufgrund des derzeitigen Standes der medizinischen Erkenntnisse eine hinreichend bestimmte Grundlage für eine gleichmäßige Rechtsanwendung darstellt, letztlich der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten" dient und auf der wissenschaftlichen Erkenntnis beruht, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch äußere Einwirkungen verursacht werden können und dafür eine gewisse Belastungsdosis im Sinne eines Drucks auf die bandscheiben notwendig ist. Bei dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell handelt es sich damit um die Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen, die das Gericht - auch zur gleichmäßigen Rechtsanwendung - seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat. Wegen der fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen lassen sich auch die mediznischen Voraussetzungen nicht begründen. Dabei stützt sich die Kammer auf die plausiblen Feststellungen des Sachverständigen W. Zwar besteht beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung, ein belastungskonformer Krankheitsverlauf lässt sich dagegen nicht bestätigen.

Die Kostenentschediung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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