S 8 (4) KR 4/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (4) KR 4/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 128/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage der Kostenerstattung für eine durchgeführte MagenBypass-Operation.

Der 1961 geborene Kläger ist gelernter Dreher und in der Metallbranche berufstätig. Er ist pflichtversichertes Mitglied der Beklagten, ausgenommen im Zeitraum vom 17.06.2005 bis zum 08.11.2006, in dem er Mitglied der Beigeladenen war.

Im Juli 2004 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine beabsichtigte Magenband-Operation zur Gewichtsreduktion bei einem Gewicht von 180 kg und einer Größe von 1,90 m. Darüber hinaus bestanden bei ihm u.a. als Gesundheitsstörungen ein Bluthochdruck, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus sowie ein Wirbelsäulenleiden mit Bandscheibenvorfällen. Zur Stützung seines Antrages legte er ein Attest des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin I1 und einen Entlassungsbericht der Klinik O1 in Bad O2 vom 17.04.1995 bei. Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des I1 ein und legte die ärztlichen Unterlagen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vor. Nach dessen Stellungnahme lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 30.07.2004 ab. Nach der Einschätzung des MDK sei für die beabsichtigte Operation keine medizinische Indikation gegeben. Es werde vielmehr eine ärztlich geleitete Gewichtsreduktion und Behandlung der Essstörung beim Psychotherapeuten empfohlen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er unter Vorlage eines Attestes I1 geltend macht, dass in der Vergangenheit mehrfach durchgeführte verschiedene Therapien erfolglos geblieben seien. Nach erneuter Vorlage des Vorgangs beim MDK wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2004 zurück.

Der Kläger hat gegen die ablehnenden Bescheide Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Die Magenband-Operation sei entgegen dem Standpunkt der Beklagten medizinisch notwendig, da alle bisherigen Therapien erfolglos geblieben seien und erhebliche Folgeerkrankungen bestünden.

Das Gericht hat zur Ermittlung des Sachverhalts Befundberichte des I1, des Orthopäden C, des Chefarztes der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses O3 in N1, D, sowie das Gutachten des Q, Chefarzt der Medizinischen Klinik des Krankenhauses N2-I2 in L, vom 30.06.2006 und das Zusatzgutachten des Diplom-Psychologen M vom 08.05.2006 eingeholt.

Nach der vom Gericht veranlassten Beweisaufnahme hat der Kläger am 05.07.2006 auf ärztlichen Rat hin eine Magen-Bypass-Operation durchführen lassen. Anschließend hat er sein Gewicht binnen Jahresfrist von 185 kg auf 114,05 kg reduziert.

Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich durchgeführten Operation und dem zwischenzeitlich erfolgten Wechsel der Mitgliedschaft zur Beigeladenen hat das Gericht diese zum Verfahren beigeladen.

Der Kläger sieht sich in seinem Klagebegehren insbesondere durch den Erfolg bestätigt, den die Magen-Bypass-Operation erbracht hat. Hierzu hat er dargelegt, dass ihm binnen eines Jahres eine Gewichtsreduktion um 70 kg gelungen ist und die Folgeerkrankungen sich erheblich gebessert bzw. eingestellt hätten. So bedürfe er keiner Medikamente mehr für Bluthochdruck und Diabetes mellitus, er könne nachts durchschlafen und leide nicht mehr an dem das Schlafapnoe verursachenden Schnarchen. Insofern sei für die Krankenkasse die Operation eine wirtschaftliche Maßnahme gewesen, da sie Kosten von Folgeerkrankungen erheblich reduziert würden.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 30.07.2004 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 13.12.2004 die Beigeladene, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die für die durchgeführte Magen-Bypass-Operation aufgewand- ten Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt schrifsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte macht geltend, dass sie bereits aufgrund des zwischenzeitlich erfolgten Mitgliedschaftswechsels nicht als leistungspflichtiger Versicherungsträger in Betracht käme. Darüber hinaus beruft sie sich auf das Ergebnis der Begutachtung durch die Gerichtssachverständigen.

Die Beigeladene hält die Klage für unbegründet. Einer Kostenerstattungspflicht ihrerseits stünde bereits entgegen, dass sie vor der Selbstbeschaffung der Maßnahme keine entsprechende Verwaltungsentscheidung getroffen habe und so der sog. Beschaffungsweg nicht eingehalten sei. Darüber hinaus hätten die Gutachten der Gerichtssachverständigen ergeben, dass eine medizinische Indikation für die Magenoperation nicht vorgelegen habe.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die vom Gericht eingeholten Befundberichte und Gutachten sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch weder gegenüber der Beigeladenen noch gegenüber der Beklagten zu, da die Durchführung der begehrten Magenoperation nicht zu Unrecht abgelehnt worden ist, § 13 Abs. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).

Dem Kläger stand kein Anspruch auf Durchführung einer Magenoperation - sei es dem Anlegen eines Magenbandes oder eines Magen-Bypasses - zu. Denn die Beweisaufnahme hat ergeben, dass jedenfalls im Sommer 2006 die Durchführung einer Magenoperation (noch) nicht medizinisch indiziert war. Dies haben insbesondere die vom Gericht eingeholten Gutachten der Gerichtssachverständigen Q und M ergeben. Insbesondere Q kommt aufgrund der ambulanten Untersuchungsergebnisse und der Kenntnis des Akteninhalts, einschließlich der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, sowie unter Miteinbeziehung des psychologischen Zusatzgutachtens zu dem Ergebnis, dass die in Betracht kommenden konservativen Therapien noch nicht ausgeschöpft waren. Sowohl Q als auch der Zusatzgutachter M sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Durchführung einer längerfristigen (mindestens 6 Monate dauernden) Ernährungstherapie, kombiniert mit einer angepassten Bewegungstherapie unter krankengymnastischer Begleitung und insbesondere in Verbindung mit einer modifizierten Verhaltenstherapie bzw. einem Verhaltensmodifikationstraining als erfolgversprechende konservative Maßnahme noch in Betracht kam. Damit lagen die medizinischen Voraussetzungen für eine in ein gesundes Körperorgan eingreifende Operation im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme nicht vor (vgl. BSG, Beschluss vom 17.10.2006 - B 1 KR 104/06 B - www.juris.de; Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - , juris, BSGE 90, 289 ff., www.bundessozialgericht.de, Stichwort: Entscheidungstexte). Die Kammer ist den Gutachten der Gerichtssachverständigen gefolgt, da sie in sich schlüssig sind und in Kenntnis der Einschätzungen der behandelnden Ärzte sowie der ambulant erhobenen Befunde und insbesondere unter Berücksichtigung der einschlägigen Leitlinien erstellt sind.

Demgegenüber konnten die Einwände des Klägers zu keiner für ihn positiven Entscheidung führen, insbesondere nicht der von ihm anschaulich dargelegte Erfolg der durchgeführten Operation. Denn entscheidungserheblich war nicht die Frage, ob eine Operation den angestrebten Erfolg einer erheblichen Gewichtsreduktion realisieren kann, sondern die Frage der medizinischen Notwendigkeit im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme.

Die Bedenken des Klägers hinsichtlich der Verwertbarkeit bzw. Fundiertheit des psychologischen Zusatzgutachtens hat das Gericht nicht teilen können. Der monierte Umstand, dass sich der Psychologe sich einer Multiple-Choice-Testung bedient hat, stellt die Verwertbarkeit seines Gutachtens nicht in Frage. Vielmehr geht aus seinem Gutachten hervor, dass er sich insbesondere zu den einschlägigen Umständen des Ernährungsverhaltens des Klägers und der Frage einer psychogenen Essstörung im Rahmen der Untersuchung ausreichend orientiert hat.

Unter Berücksichtigung des entscheidungserheblichen Umstandes, dass die medizinische Beweiserhebung keine medizinische Indikation für die begehrte Maßnahme ergeben hat, konnte dahingestellt bleiben, ob die formalen Einwände insbesondere der Beigeladenen zur Frage des Beschaffungsweges unter Berücksichtigung des bereits anhängigen Klageverfahrens nach durchgeführtem Verwaltungsverfahren bei der Beklagten, durchgreifen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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