Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 293/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 253/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1920 in U in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit August 1950 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Sie beantragte am 26.06.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der Deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, sie habe von Anfang 1940 bis März 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Krakau dort Tätigkeiten in der Küche und in der Schneiderwerkstatt verrichtet. Sie habe Reinigungsarbeiten verrichtet und Küchenhilfstätigkeiten, und in der Schneiderei habe sie alte Kleider repariert. Sie habe 6-8 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe sie für ihre Arbeit wöchentlich Lebensmittel und zusätzliche Produkte und alte Kleidung.
Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge der Claims Conference und die des Amtes für Wiedergutmachung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) bei. Gegenüber der Claims Conference hatte die Klägerin 1993 angegeben: " ... bald daraufhin wurde aus einem Teil der Stadt (Krakau) ein umzäuntes und bewachtes Ghetto gebaut. Im November 1940 wurde ich in dieses Ghetto eingewiesen ... Ich musste verschiedene Arbeiten verrichten, so wie: Schneiderei, reinigen usw. Wenn ich nicht schnell genug arbeitete (wegen Unterernährung), wurde ich von dem polnischen Aufseher Getz oft geschlagen. Im April 1943 wurden wir per LKW ins Zwangsarbeitslager Plaszow überführt ...". In dem Entschädigungsverfahren nach dem BEG hatte die Klägerin 1956 angegeben: "Ich kam gleich zu Beginn in das Ghetto Krakau ... und verrichtete, ohne Bezahlung, zwangsweise, Aufräum-Arbeiten ... Die Arbeit war unsäglich schwer, das Essen knapp und schlecht und das Wohnen mit 10 bis 12 Personen im Zimmer unerträglich ...". Im August 1944 sei sie aus dem Zwangsarbeitslager Plaszow geflohen und danach von den Russen befreit worden. Seit dem 15.08.1950 lebe sie in Israel.
Mit Bescheid vom 04.03.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im Einzelnen heißt es dort, es lägen schon keine ausreichenden Anhaltspunkte vor für eine Beschäftigung aus freiem Willensentschluss. Aus eidlichen Erklärungen von 1956 der Klägerin und auch aus Erklärungen von früheren Zeuginnen gehe hervor, dass die Klägerin zwangsweise während ihres Ghetto-Aufenthalts und ohne Bezahlung Arbeiten habe leisten müssen. Außerdem lägen auch widersprüchliche Angaben in Bezug auf die Art der ausgeübten Tätigkeiten vor, weshalb auch aus diesen Gründen eine Anrechnung von bestimmten Arbeitszeiten nicht in Betracht komme.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 16.03.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im wesentlichen vor, sie habe doch Sachbezüge erhalten, die über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hätten. Ihre entgegenstehenden früheren Angaben könnten nicht als anspruchsvernichtend angesehen werden. Eine schriftliche Erklärung wurde eingereicht. In dieser erklärt die Klägerin, zunächst Reinigungsarbeiten in der Küche und später Arbeit in der Schneiderwerkstatt bekommen zu haben. Dafür habe sie zunächst von der Ghettoverwaltung, und dann von der Schneiderwerkstattverwaltung jeden Tag Mittagessen bekommen, und auch zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wöchentlich wie Brot, Kartoffeln, Gemüse, Salz usw. Neben der freien Unterkunft habe sie auch alte Kleidung erhalten. Für das Entschädigungsverfahren seien aber damals nur ihre Angaben über Zwangsarbeit aufgenommen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, allein der Erhalt von Lebensmitteln und alter Kleidung un Unterkunft reiche nicht aus für die Annahme eines Entgelts im Sinne eines gewissen Austauschverhältnisses. Allein freier Unterhalt begründe kein Entgelt.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 20.11.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, für ihre Tätigkeit habe sie Lohn in Form von Sachbezügen zur beliebigen Verfügung bekommen, also ihr Essen am Arbeitsplatz, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause, Kleidung und anderes. Dies hätte die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Außerdem habe sie nach den Richtlinien, Vorschriften und Verordnungen für das Generalgouvernement einen Anspruch auf nicht nur geringfügigen Lohn gehabt, der nach den Vorschriften der §§ 12, 14 WGSVG unter Berücksichtigung der Rechtsanspruchstheorie ein Entgelt bzw. eine Beitragsleistung zur Rentenversicherung fingiere. Die Beschäftigung sei auch aus eigenem Willensentschluss aufgenommen worden, denn die Entscheidung eine Arbeit aufzunehmen sei die vernünftige Reaktion auf die schlimmen Verhältnisse für Juden im Ghetto gewesen. Sie reichte ferner eine weitere schriftliche Erklärung vom 24.12.2006 ein. In dieser heißt es " ... zur Zwangsarbeit im Ghetto selbst hat man mich selten genommen, nur nach dem Bedarf. Aber freiwillige Arbeit habe ich die ganze Zeit meines Aufenthalts im Ghetto erfüllt. Im Ghetto Krakau gab es Möglichkeiten freiwillig zu arbeiten. Das waren Reinigungsarbeiten in der Küche und Reparatur der alten Kleidung in der Schneiderwerksätte. Dafür bekam ich von der Ghetto-Verwaltung Mittagessen täglich und zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wöchentlich. Das war kein freier Unterhalt, sondern ich konnte diese Lebensmittel nach dem Belieben nutzen, meinen Verwandten helfen und einige Lebensmittel tauschen ...". Außerdem könne nach neurer BSG-Rechtsprechung auch bloße Verpflegung im Einzelfall zur Annahme eines Entgelts im Sinne des ZRBG reichen; hier sei auch von Arbit aus eigenem Willensentschluss auszugehen, was insbesondere mit Schriftsatz vom 14.08.2007 im Einzelnen dargelegt werde. Ein historisch-wissenschaftliches Gutachten sei für die Entscheidung erforderlich, was auch aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26.07.2007 hergeleitet werde.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Krakau von Februar 1940 bis März 1943 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung in der Küche und in einer Schneiderwerkstätte - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung gegebenenfalls noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen, hilfsweise ein historisch-wissenschaftliches Gutachten über die Verhältnisse im Ghetto Krakau einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, unter Berücksichtigung des Urteils des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004, dem sie weiterhin folge, sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem "Entgelt" im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Das Gericht hat die Vorgänge der Claims Conference mit Auszügen aus dem BEG-Verfahren erneut beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Gericht konnte in dieser Streitsache in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 04.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 04.03.2005 auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr eine Regelaltersrente gezahlt wird. Diese setzt nämlich gemäß §§ 35 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI die Zurücklegung der allgemeinen Wartezeit (Mindestversicherungszeit) von 5 Jahren voraus, und diese Wartezeit ist hier nicht erfüllt, weil im Fall der Klägerin keinerlei Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung anrechenbar sind. Neben auf die Wartezeit anrechenbaren etwaigen Ersatzzeiten und grundsätzlich zahlbaren freiwilligen Beiträgen müsste aber zumindest ein Monat mit einer echten Versicherungszeit vorliegen, wofür hier allein Ghetto-Beitragszeiten nach §§ 1, 2 ZRBG in Betracht kämen. Beitragszeiten im Sinne von §§ 1, 2 ZRBG sind aber zur Überzeugung der Kammer hier nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es fehlt nämlich an einem wirklich schlüssigen Vortrag für solche Zeiten nach §§ 1, 2 ZRBG, also an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen und auch regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit, die aus freiem Willensentschluss aufgenommen wurde und infolge dessen freiwillig ausgeübt wurde. Gleich ob man zur Prüfung nach §§ 1, 2 ZRBG das Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) heranzieht oder das in weiten Teilen im Widerspruch dazu stehende Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) oder aber das neuerliche Urteil des 13. Senats vom 26.07.2007 (B 13 R 28/06 R), mit welchen Urteilen das Bundessozialgericht immer wieder entschieden hat, ohne bisher zu einer einheitlichen senatsübergreifenden Rechtsmeinung zu den Voraussetzungen des § 1 ZRBG zu kommen, ist davon auszugehen, dass die Klägerin hier nicht ausreichend die Merkmale einer entgeltlichen auch aus freiem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigung erfüllt. Die Klägerin hat nämlich sowohl 1956 im BEG-Verfahren wie auch 1993 gegenüber der Claims Conference wesentlich zeitnäher als heute Angaben gemacht, die für die Annahme von Zwangsarbeit sprechen, was dem ersten Anschein nach gegen ein aus eigenem Willensentschluss aufgenommenes Beschäftigungsverhältnis spricht. So hat sie 1956 angegeben, dass sie zwangsweise im Ghetto habe Arbeit verrichten müssen, die unsäglich schwer gewesen sei; das Essen sei auch nur knapp und schlecht gewesen. 1993 hat sie gegenüber der Claims Conference angegeben, dass sie verschiedene Arbeiten verrichten "musste", und dazu auch die Arbeiten in der Schneiderei gezählt wie auch Reinigungsarbeiten. Obwohl sie unterernährt gewesen sei - was gegen den heutigen Vortrag spricht, sie habe sogar zusätzliche Lebensmittel für zu Hause erhalten -, sei sie sogar bei der Arbeit geschlagen worden, wenn sie nicht schnell genug gearbeitet habe. Sie wurde also nach ihren früheren Angaben in für Zwangsarbeit typischer Weise zur Arbeit gedrängt und auch angehalten, in einem bestimmten Arbeitstempo zu arbeiten, und hat nicht einmal genug zu Essen bekommen. Bei dieser Sachlage ist auch nicht nachvollziehbar, wie sie entsprechend ihren heutigen Angaben Lebensmittel hätte nach Belieben nutzen können und auch noch Verwandten helfen können und sogar noch Lebensmittel tauschen können. Es gibt auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass den jeweils aktuellen Angaben des Versicherten zu folgen wäre; im Gegenteil spricht wegen des im Zeitverlauf typischerweise abnehmenden Erinnerungsvermögens aller Beteiligten viel mehr dafür, den zum Ereignis zeitnäheren Angaben größeres Gewicht einzuräumen (LSG NRW Urteil vom 16.02.2007 - L 14 R 47/06). Die früheren Darstellungen der Klägerin sind mithin nicht weniger wahrscheinlich als die heutigen Angaben, die unter dem Eindruck ganz anderer gesetzlicher Vorschriften gemacht worden sind. Soweit jetzt behauptet wird, es habe neben den Beschäftigungen in der Küche und in der Schneiderwerkstatt auch Zwangsarbeit gegeben, aber nicht nur Zwangsarbeit, ist dies viel zu pauschal behauptet als dass daraus ausreichende Schlüsse gezogen werden könnten, die mehr für ein freiwillig aufgenommenes Beschäftigungsverhältnis sprechen würden als dagegen, zumal auch nicht schlüssig dargelegt wurde, wie die Abweichungen von der früheren Erklärung zur Unterernährung erklärt werden. Der Eindruck ist nicht widerlegt, dass ein der Rechtsprechung und den gesetzlichen Vorschriften angepasster Sachvortrag gegeben ist, auch weil der Erhalt von Lebensmitteln in einem solchen Umfang behauptet wird, dass dies mit der früheren Angabe gegenüber der Claims Conference von 1993 nicht in Einklang zu bringen ist.
Beweisangebote tauglicher Art, zur Klärung der zahlreichen Widersprüche zu früheren Angaben, hat die Klägerin nicht gemacht. Zeugen hat sie nach ihren Angaben in dem Rentenfragebogen nicht (Bl. 47 der Rentenakte). Allein die heutigen Angaben der Klägerin seit Beginn des Rentenverfahrens reichen für sich allein nicht zur Glaubhaftmachung aus. Parteiangeben bzw. selbst Parteivernehmungen sind daher kein zulässiges Beweismittel, denn § 118 SGG verweist auf zahlreiche Vorschriften der Beweisaufnahme in der Zivilprozessordung, nicht aber auf die wenigen Vorschriften zur Parteivernehmung (Bundessozialgericht Entscheidung vom 03.06.2004 - B 11 AL 71/03 B; SGb 04, 479; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 118 Rd. Nr. 8).
Die angeregte Einholung eines historischen Gutachtens kann hier nicht dazu dienen, einen zuvor nötigen individuellen Tatsachen-Vortrag überflüssig zu machen und die Klage erst schlüssig zu machen. Regelmäßig können Historiker nämlich nur allgemeine Umstände - z. B. zur rechtlichen Zuordnung von Transnistrien zu einem bestimmten Staat - darlegen und allgemeine Umstände zu Fabriken und Beschäftigungen; dies ersetzt aber nicht die individuell erst zu erbringende Glaubhaftmachung, jedenfalls dann nicht, wenn abweichend vom heutigen Vortrag früher die individuelle Arbeit generell als Zwangsarbeit wie hier dargestellt wurde. Ferner kann der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts zumindest insoweit nicht gefolgt werden, als Zwangsarbeit nur solche sein könnte, die unter Anwendung von vis absoluta erfolgte, also unmittelbarem Zwang im Sinne einer unmittelbaren Einwirkung auf den Betroffenen. Denn die im erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 zum Ausdruck gebrachte einengende Definition der Zwangsarbeit trifft weder den vom Gesetzgeber des ZRBG in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 14.07.1999 (B 13 RJ 71/98 R) dem ZRBG zugrunde gelegten Begriff der Zwangsarbeit, noch wird sie überhaupt dem Begriff der Zwangsarbeit, wie er sich typischerweise nach der Lebenswirklichkeit darstellt, gerecht. Denn typischerweise und im Regelfalle wird die Ausführung der Zwangsarbeit in der Weise erzwungen, dass die Person, von der Zwangsarbeit verlangt wird, durch Drohung mit vis compulsiva (oder auch vis absoluta) oder durch Anwendung von vis compulsiva dazu genötigt wird, sich unterzuordnen und die verlangte Arbeit - unter Hintanstellung des anders lautenden eigenen Willens - zu leisten. Demgegenüber spielt nämlich die Anwendung von vis absoluta zur unmittelbaren Durchsetzung der aktuell geforderten Zwangsarbeit selbst so gut wie keine Rolle; stellt doch die überwältigende Gewalt, die den Willen der beeinflussten Person völlig ausschaltet (vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 53. Auflage, 2006, § 240 StGB Anmerkung 27), bzw. das unmittelbare Erzwingen eines Verhaltens in aller Regel kein geeignetes Mittel dar, die genötigte Person direkt zu der aktuell geforderten Arbeitsleistung zu veranlassen, da diese Arbeitsleistung in der Regel den durch Zwang oder Drohung mit Zwangseinwirkung gebeugten, zwangsweise in eine bestimmte Richtung, nämlich der verlangten Arbeitsleistung gelenkten Willen, nicht aber den ausgeschalteten Willen der genötigten Person voraussetzt (vgl. auch Urteil des des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.07.2007 - S 15 R 259/05). Ist also wie hier früher in den Entschädigungsverfahren wesentlich zeitnäher immer wieder von Zwangsarbeit gesprochen worden, kann eine so als Zwangsarbeit bezeichnete oder geschilderte Arbeit auch durchaus so im tatsächlichen bzw. juristischen Sinne angenommen werden (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04), wenn das Gegenteil nicht individuell und auch substanziiert heute derart glaubhaft gemacht wird, dass die heutige Darstellung wahrscheinlicher erscheint als die frühere.
Die Klage hat auch keinen Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass der Klägerin möglicherweise früher ein Anspruch auf Lohn zugestanden hätte. Denn für die Zuerkennung einer auch ins Ausland zahlbaren Rente nach § 1 ZRBG kommt es darauf an, ob tatsächlich Entgelt gezahlt wurde, nicht ob Anspruch darauf bestanden hätte, oder Sozialversicherungsbeiträge dafür hätten entrichtet werden müssen. Das ZRBG ist ein lex specialis gegenüber anderen insbesondere älteren Vorschriften, auch gegenüber dem WGSVG; außerdem fingierte § 14 WGSVG auch nur eine Beitragsentrichtung nicht aber schon die Entgeltzahlung selbst. Auch nach der Rechtsprechung des LSG NRW, der sich die Kammer weiterhin anschließt, greift eine Anspruchstheorie nicht ein (LSG NRW Urteile vom 27.01.2006 - L 13 R 123/05 und vom 13.02.2006 - L 3 R 43/05 und 168/05). Dem Entgegenstehendes hat das Bundessozialgericht bisher auch nicht vertreten.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften ohne substanziierte ausreichende Beweisangebote, vorbehaltlich anderweitiger eventuell später noch ergehender klarstellender Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in auch einheitlicher Weise, keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1920 in U in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit August 1950 in Israel mit der dortigen Staatsangehörigkeit.
Sie beantragte am 26.06.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der Deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, sie habe von Anfang 1940 bis März 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Krakau dort Tätigkeiten in der Küche und in der Schneiderwerkstatt verrichtet. Sie habe Reinigungsarbeiten verrichtet und Küchenhilfstätigkeiten, und in der Schneiderei habe sie alte Kleider repariert. Sie habe 6-8 Stunden täglich gearbeitet. Die Arbeit sei durch den Judenrat vermittelt worden. Bekommen habe sie für ihre Arbeit wöchentlich Lebensmittel und zusätzliche Produkte und alte Kleidung.
Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge der Claims Conference und die des Amtes für Wiedergutmachung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) bei. Gegenüber der Claims Conference hatte die Klägerin 1993 angegeben: " ... bald daraufhin wurde aus einem Teil der Stadt (Krakau) ein umzäuntes und bewachtes Ghetto gebaut. Im November 1940 wurde ich in dieses Ghetto eingewiesen ... Ich musste verschiedene Arbeiten verrichten, so wie: Schneiderei, reinigen usw. Wenn ich nicht schnell genug arbeitete (wegen Unterernährung), wurde ich von dem polnischen Aufseher Getz oft geschlagen. Im April 1943 wurden wir per LKW ins Zwangsarbeitslager Plaszow überführt ...". In dem Entschädigungsverfahren nach dem BEG hatte die Klägerin 1956 angegeben: "Ich kam gleich zu Beginn in das Ghetto Krakau ... und verrichtete, ohne Bezahlung, zwangsweise, Aufräum-Arbeiten ... Die Arbeit war unsäglich schwer, das Essen knapp und schlecht und das Wohnen mit 10 bis 12 Personen im Zimmer unerträglich ...". Im August 1944 sei sie aus dem Zwangsarbeitslager Plaszow geflohen und danach von den Russen befreit worden. Seit dem 15.08.1950 lebe sie in Israel.
Mit Bescheid vom 04.03.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im Einzelnen heißt es dort, es lägen schon keine ausreichenden Anhaltspunkte vor für eine Beschäftigung aus freiem Willensentschluss. Aus eidlichen Erklärungen von 1956 der Klägerin und auch aus Erklärungen von früheren Zeuginnen gehe hervor, dass die Klägerin zwangsweise während ihres Ghetto-Aufenthalts und ohne Bezahlung Arbeiten habe leisten müssen. Außerdem lägen auch widersprüchliche Angaben in Bezug auf die Art der ausgeübten Tätigkeiten vor, weshalb auch aus diesen Gründen eine Anrechnung von bestimmten Arbeitszeiten nicht in Betracht komme.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 16.03.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im wesentlichen vor, sie habe doch Sachbezüge erhalten, die über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen hätten. Ihre entgegenstehenden früheren Angaben könnten nicht als anspruchsvernichtend angesehen werden. Eine schriftliche Erklärung wurde eingereicht. In dieser erklärt die Klägerin, zunächst Reinigungsarbeiten in der Küche und später Arbeit in der Schneiderwerkstatt bekommen zu haben. Dafür habe sie zunächst von der Ghettoverwaltung, und dann von der Schneiderwerkstattverwaltung jeden Tag Mittagessen bekommen, und auch zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wöchentlich wie Brot, Kartoffeln, Gemüse, Salz usw. Neben der freien Unterkunft habe sie auch alte Kleidung erhalten. Für das Entschädigungsverfahren seien aber damals nur ihre Angaben über Zwangsarbeit aufgenommen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, allein der Erhalt von Lebensmitteln und alter Kleidung un Unterkunft reiche nicht aus für die Annahme eines Entgelts im Sinne eines gewissen Austauschverhältnisses. Allein freier Unterhalt begründe kein Entgelt.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 20.11.2006 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, für ihre Tätigkeit habe sie Lohn in Form von Sachbezügen zur beliebigen Verfügung bekommen, also ihr Essen am Arbeitsplatz, zusätzliche Lebensmittel für zu Hause, Kleidung und anderes. Dies hätte die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Außerdem habe sie nach den Richtlinien, Vorschriften und Verordnungen für das Generalgouvernement einen Anspruch auf nicht nur geringfügigen Lohn gehabt, der nach den Vorschriften der §§ 12, 14 WGSVG unter Berücksichtigung der Rechtsanspruchstheorie ein Entgelt bzw. eine Beitragsleistung zur Rentenversicherung fingiere. Die Beschäftigung sei auch aus eigenem Willensentschluss aufgenommen worden, denn die Entscheidung eine Arbeit aufzunehmen sei die vernünftige Reaktion auf die schlimmen Verhältnisse für Juden im Ghetto gewesen. Sie reichte ferner eine weitere schriftliche Erklärung vom 24.12.2006 ein. In dieser heißt es " ... zur Zwangsarbeit im Ghetto selbst hat man mich selten genommen, nur nach dem Bedarf. Aber freiwillige Arbeit habe ich die ganze Zeit meines Aufenthalts im Ghetto erfüllt. Im Ghetto Krakau gab es Möglichkeiten freiwillig zu arbeiten. Das waren Reinigungsarbeiten in der Küche und Reparatur der alten Kleidung in der Schneiderwerksätte. Dafür bekam ich von der Ghetto-Verwaltung Mittagessen täglich und zusätzliche Lebensmittel für zu Hause wöchentlich. Das war kein freier Unterhalt, sondern ich konnte diese Lebensmittel nach dem Belieben nutzen, meinen Verwandten helfen und einige Lebensmittel tauschen ...". Außerdem könne nach neurer BSG-Rechtsprechung auch bloße Verpflegung im Einzelfall zur Annahme eines Entgelts im Sinne des ZRBG reichen; hier sei auch von Arbit aus eigenem Willensentschluss auszugehen, was insbesondere mit Schriftsatz vom 14.08.2007 im Einzelnen dargelegt werde. Ein historisch-wissenschaftliches Gutachten sei für die Entscheidung erforderlich, was auch aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26.07.2007 hergeleitet werde.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthalts im Ghetto von Krakau von Februar 1940 bis März 1943 zurückgelegten Zeiten einer Beschäftigung in der Küche und in einer Schneiderwerkstätte - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung gegebenenfalls noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen seit dem 01.07.1997 zu zahlen, hilfsweise ein historisch-wissenschaftliches Gutachten über die Verhältnisse im Ghetto Krakau einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, unter Berücksichtigung des Urteils des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004, dem sie weiterhin folge, sei hier von schon nicht ausreichendem versicherungspflichtigem "Entgelt" im Sinne des ZRBG auszugehen, bzw. sei ein solches Entgelt auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Das Gericht hat die Vorgänge der Claims Conference mit Auszügen aus dem BEG-Verfahren erneut beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Gericht konnte in dieser Streitsache in Abwesenheit des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil dieser in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Verfahrensmöglichkeit hingewiesen worden ist, die sich aus §§ 124 Abs. 1, 126 und 127 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergibt.
Die Klage ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 04.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2006, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war somit nicht zu entsprechen, weil Beitragszeiten nach dem ZRBG hier nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend glaubhaft gemacht sind und weil allein Ersatzzeiten wegen Verfolgung nicht ausreichen, einen Rentenanspruch zu begründen.
Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht Düsseldorf gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und erklärt sie für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Insbesondere hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 04.03.2005 auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZRBG mit den dortigen wesentlichen Voraussetzungen wiedergegeben.
Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus: Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass ihr eine Regelaltersrente gezahlt wird. Diese setzt nämlich gemäß §§ 35 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI die Zurücklegung der allgemeinen Wartezeit (Mindestversicherungszeit) von 5 Jahren voraus, und diese Wartezeit ist hier nicht erfüllt, weil im Fall der Klägerin keinerlei Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung anrechenbar sind. Neben auf die Wartezeit anrechenbaren etwaigen Ersatzzeiten und grundsätzlich zahlbaren freiwilligen Beiträgen müsste aber zumindest ein Monat mit einer echten Versicherungszeit vorliegen, wofür hier allein Ghetto-Beitragszeiten nach §§ 1, 2 ZRBG in Betracht kämen. Beitragszeiten im Sinne von §§ 1, 2 ZRBG sind aber zur Überzeugung der Kammer hier nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Es fehlt nämlich an einem wirklich schlüssigen Vortrag für solche Zeiten nach §§ 1, 2 ZRBG, also an einem schlüssigen Vortrag für die Annahme einer regelmäßigen und auch regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit, die aus freiem Willensentschluss aufgenommen wurde und infolge dessen freiwillig ausgeübt wurde. Gleich ob man zur Prüfung nach §§ 1, 2 ZRBG das Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) heranzieht oder das in weiten Teilen im Widerspruch dazu stehende Urteil des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 4 R 29/06 R) oder aber das neuerliche Urteil des 13. Senats vom 26.07.2007 (B 13 R 28/06 R), mit welchen Urteilen das Bundessozialgericht immer wieder entschieden hat, ohne bisher zu einer einheitlichen senatsübergreifenden Rechtsmeinung zu den Voraussetzungen des § 1 ZRBG zu kommen, ist davon auszugehen, dass die Klägerin hier nicht ausreichend die Merkmale einer entgeltlichen auch aus freiem Willensentschluss aufgenommenen Beschäftigung erfüllt. Die Klägerin hat nämlich sowohl 1956 im BEG-Verfahren wie auch 1993 gegenüber der Claims Conference wesentlich zeitnäher als heute Angaben gemacht, die für die Annahme von Zwangsarbeit sprechen, was dem ersten Anschein nach gegen ein aus eigenem Willensentschluss aufgenommenes Beschäftigungsverhältnis spricht. So hat sie 1956 angegeben, dass sie zwangsweise im Ghetto habe Arbeit verrichten müssen, die unsäglich schwer gewesen sei; das Essen sei auch nur knapp und schlecht gewesen. 1993 hat sie gegenüber der Claims Conference angegeben, dass sie verschiedene Arbeiten verrichten "musste", und dazu auch die Arbeiten in der Schneiderei gezählt wie auch Reinigungsarbeiten. Obwohl sie unterernährt gewesen sei - was gegen den heutigen Vortrag spricht, sie habe sogar zusätzliche Lebensmittel für zu Hause erhalten -, sei sie sogar bei der Arbeit geschlagen worden, wenn sie nicht schnell genug gearbeitet habe. Sie wurde also nach ihren früheren Angaben in für Zwangsarbeit typischer Weise zur Arbeit gedrängt und auch angehalten, in einem bestimmten Arbeitstempo zu arbeiten, und hat nicht einmal genug zu Essen bekommen. Bei dieser Sachlage ist auch nicht nachvollziehbar, wie sie entsprechend ihren heutigen Angaben Lebensmittel hätte nach Belieben nutzen können und auch noch Verwandten helfen können und sogar noch Lebensmittel tauschen können. Es gibt auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass den jeweils aktuellen Angaben des Versicherten zu folgen wäre; im Gegenteil spricht wegen des im Zeitverlauf typischerweise abnehmenden Erinnerungsvermögens aller Beteiligten viel mehr dafür, den zum Ereignis zeitnäheren Angaben größeres Gewicht einzuräumen (LSG NRW Urteil vom 16.02.2007 - L 14 R 47/06). Die früheren Darstellungen der Klägerin sind mithin nicht weniger wahrscheinlich als die heutigen Angaben, die unter dem Eindruck ganz anderer gesetzlicher Vorschriften gemacht worden sind. Soweit jetzt behauptet wird, es habe neben den Beschäftigungen in der Küche und in der Schneiderwerkstatt auch Zwangsarbeit gegeben, aber nicht nur Zwangsarbeit, ist dies viel zu pauschal behauptet als dass daraus ausreichende Schlüsse gezogen werden könnten, die mehr für ein freiwillig aufgenommenes Beschäftigungsverhältnis sprechen würden als dagegen, zumal auch nicht schlüssig dargelegt wurde, wie die Abweichungen von der früheren Erklärung zur Unterernährung erklärt werden. Der Eindruck ist nicht widerlegt, dass ein der Rechtsprechung und den gesetzlichen Vorschriften angepasster Sachvortrag gegeben ist, auch weil der Erhalt von Lebensmitteln in einem solchen Umfang behauptet wird, dass dies mit der früheren Angabe gegenüber der Claims Conference von 1993 nicht in Einklang zu bringen ist.
Beweisangebote tauglicher Art, zur Klärung der zahlreichen Widersprüche zu früheren Angaben, hat die Klägerin nicht gemacht. Zeugen hat sie nach ihren Angaben in dem Rentenfragebogen nicht (Bl. 47 der Rentenakte). Allein die heutigen Angaben der Klägerin seit Beginn des Rentenverfahrens reichen für sich allein nicht zur Glaubhaftmachung aus. Parteiangeben bzw. selbst Parteivernehmungen sind daher kein zulässiges Beweismittel, denn § 118 SGG verweist auf zahlreiche Vorschriften der Beweisaufnahme in der Zivilprozessordung, nicht aber auf die wenigen Vorschriften zur Parteivernehmung (Bundessozialgericht Entscheidung vom 03.06.2004 - B 11 AL 71/03 B; SGb 04, 479; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 118 Rd. Nr. 8).
Die angeregte Einholung eines historischen Gutachtens kann hier nicht dazu dienen, einen zuvor nötigen individuellen Tatsachen-Vortrag überflüssig zu machen und die Klage erst schlüssig zu machen. Regelmäßig können Historiker nämlich nur allgemeine Umstände - z. B. zur rechtlichen Zuordnung von Transnistrien zu einem bestimmten Staat - darlegen und allgemeine Umstände zu Fabriken und Beschäftigungen; dies ersetzt aber nicht die individuell erst zu erbringende Glaubhaftmachung, jedenfalls dann nicht, wenn abweichend vom heutigen Vortrag früher die individuelle Arbeit generell als Zwangsarbeit wie hier dargestellt wurde. Ferner kann der Auffassung des 4. Senats des Bundessozialgerichts zumindest insoweit nicht gefolgt werden, als Zwangsarbeit nur solche sein könnte, die unter Anwendung von vis absoluta erfolgte, also unmittelbarem Zwang im Sinne einer unmittelbaren Einwirkung auf den Betroffenen. Denn die im erwähnten Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 zum Ausdruck gebrachte einengende Definition der Zwangsarbeit trifft weder den vom Gesetzgeber des ZRBG in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 14.07.1999 (B 13 RJ 71/98 R) dem ZRBG zugrunde gelegten Begriff der Zwangsarbeit, noch wird sie überhaupt dem Begriff der Zwangsarbeit, wie er sich typischerweise nach der Lebenswirklichkeit darstellt, gerecht. Denn typischerweise und im Regelfalle wird die Ausführung der Zwangsarbeit in der Weise erzwungen, dass die Person, von der Zwangsarbeit verlangt wird, durch Drohung mit vis compulsiva (oder auch vis absoluta) oder durch Anwendung von vis compulsiva dazu genötigt wird, sich unterzuordnen und die verlangte Arbeit - unter Hintanstellung des anders lautenden eigenen Willens - zu leisten. Demgegenüber spielt nämlich die Anwendung von vis absoluta zur unmittelbaren Durchsetzung der aktuell geforderten Zwangsarbeit selbst so gut wie keine Rolle; stellt doch die überwältigende Gewalt, die den Willen der beeinflussten Person völlig ausschaltet (vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 53. Auflage, 2006, § 240 StGB Anmerkung 27), bzw. das unmittelbare Erzwingen eines Verhaltens in aller Regel kein geeignetes Mittel dar, die genötigte Person direkt zu der aktuell geforderten Arbeitsleistung zu veranlassen, da diese Arbeitsleistung in der Regel den durch Zwang oder Drohung mit Zwangseinwirkung gebeugten, zwangsweise in eine bestimmte Richtung, nämlich der verlangten Arbeitsleistung gelenkten Willen, nicht aber den ausgeschalteten Willen der genötigten Person voraussetzt (vgl. auch Urteil des des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.07.2007 - S 15 R 259/05). Ist also wie hier früher in den Entschädigungsverfahren wesentlich zeitnäher immer wieder von Zwangsarbeit gesprochen worden, kann eine so als Zwangsarbeit bezeichnete oder geschilderte Arbeit auch durchaus so im tatsächlichen bzw. juristischen Sinne angenommen werden (vgl. LSG NRW Urteil vom 18.07.2005 - L 3 RJ 101/04), wenn das Gegenteil nicht individuell und auch substanziiert heute derart glaubhaft gemacht wird, dass die heutige Darstellung wahrscheinlicher erscheint als die frühere.
Die Klage hat auch keinen Erfolg unter dem Gesichtspunkt, dass der Klägerin möglicherweise früher ein Anspruch auf Lohn zugestanden hätte. Denn für die Zuerkennung einer auch ins Ausland zahlbaren Rente nach § 1 ZRBG kommt es darauf an, ob tatsächlich Entgelt gezahlt wurde, nicht ob Anspruch darauf bestanden hätte, oder Sozialversicherungsbeiträge dafür hätten entrichtet werden müssen. Das ZRBG ist ein lex specialis gegenüber anderen insbesondere älteren Vorschriften, auch gegenüber dem WGSVG; außerdem fingierte § 14 WGSVG auch nur eine Beitragsentrichtung nicht aber schon die Entgeltzahlung selbst. Auch nach der Rechtsprechung des LSG NRW, der sich die Kammer weiterhin anschließt, greift eine Anspruchstheorie nicht ein (LSG NRW Urteile vom 27.01.2006 - L 13 R 123/05 und vom 13.02.2006 - L 3 R 43/05 und 168/05). Dem Entgegenstehendes hat das Bundessozialgericht bisher auch nicht vertreten.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften ohne substanziierte ausreichende Beweisangebote, vorbehaltlich anderweitiger eventuell später noch ergehender klarstellender Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in auch einheitlicher Weise, keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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