S 16 U 201/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 201/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 77/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger über den 30.06.2006 hinaus Rente beanspruchen kann.

Der 1942 geborene Kläger erlitt am 18.08.2003 einen Arbeitsunfall als er beim Aussteigen aus einem Bagger auf die linke Seite stürzte. Im Durchgangsarztbericht (vom 20.08.2003) von Privat-Dozent S ist von einer Schulter- und Thoraxprellung links sowie von einer Lendenwirbelsäulenprellung die Rede.

Zur Feststellung der verbliebenen Unfallfolgen hörte die Beklagte Privat-Dozent S, der als Unfallfolgen eine posttraumatische Schultersteife links mit erheblicher Bewegungsausmaßminderung in allen Ebenen und einer Muskelminderung im Schultergürtel beschrieb. Die dadurch bedingte MdE schätzte der Gutachter auf 20 vom Hundert. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit bindendem Bescheid vom 20.12.2004 Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 vom Hundert. Bei einer Nachuntersuchung des Klägers am 11.04.2006 stellte Privat-Dozent S nach wie vor eine posttraumatische Schultersteife links mit deutlicher Minderung des Bewegungsausmaßes in allen Ebenen fest und beschrieb darüber hinaus als Unfallfolgen eine mäßiggradige Muskeldistrophie und Kraftminderung im Bereich des linken Schultergürtels sowie Schmerzen im Bereich des linken Schultergürtels bei höhergradiger Belastung. Die dadurch bedingte MdE bewertete er nunmehr mit 10 vom Hundert. Auf dieser medizinischen Grundlage entzog die Beklagte nach vorheriger Anhörung des Klägers die vorläufige Entschädigung und lehnte es ab, Rente auf unbestimmte Zeit zu gewähren (Bescheid vom 16.06.2006). Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.08.2006). Mit seiner am 25.09.2006 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, das Tragen schwerer Lasten sei schmerzbedingt mit dem linken Arm nicht möglich. Auch könne er wegen starken Schmerzen in der linken Schulter nicht mehr Fahrradfahren. Verrichtungen des täglichen Lebens über Kopfhöhe seien aufgrund der Schmerzen und Bewegungseinschränkungen stark eingeschränkt. Er leide unter unsäglichen Schmerzen, die er nur mit schweren Schmerzmitteln mildern könne.

Schriftsätzlich begehrt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 16.06.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2006 dahingehend abzuändern, dass ihm ^ aufgrund einer MdE von 20 eine zeitlich unbegrenzte Rente in gesetzlicher Höhe gezahlt wird.

Die Beklagte begehrt die Klageabweisung.

Das Gericht hat einen Befundbericht von T1 eingeholt und orthopädischerseits T2 gehört. T2 ist zu dem Ergebnis gekommen, posttraumatische Veränderungen des Schultergürtels hätten sich radiologisch weder im Weichteil- noch im Knochenanteil darstellen lassen.

Die aktive Vorhebung des linken Armes sei noch bis 120 Grad möglich. Die Muskulatur der oberen Extremitäten sei ungefähr seitengleich ebenso wie die Beschwielung beider Hände ausgebildet. Auch die grobe Kraftentfaltung gegen Widerstand müsse als seitengleich eingeschätzt werden. Die unfallbedingte MdE hat der Sachverständige auf 10 vom Hundert eingeschätzt. Außerdem hat das Gericht einen von W im Rahmen eines Schwerbehindertenverfahrens am 25.04.1997 erstattetes Gutachten beigezogen. In dem Gutachten heißt es u. a., an den Schultergelenken des Klägers bestehe beidseits eine mäßige und passive deutlichere aktive Bewegungseinschränkung mit Reizzeichen der tiefen, das Schultergelenk führenden Rotatorenmuskulatur. Radiologisch bestünden keine wesentlichen Verschleißzeichen der Schulterhauptgelenke, aber ein Schultereckgelenkverschleiß links. Dafür sei der GdB mit 20 vom Hundert anzusetzen (vgl. Vorprozessakten S 20 Vs 63/96).

Wegen der Beweisergebnisse im Einzelnen sowie wegen des Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, die Akten der Beklagten und die Vorprozessakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 16.06.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2006 ist rechtmäßig. Der Kläger kann über den 30.06.2006 hinaus keine Rente beanspruchen. Es fehlt an einer rentenberechtigenden MdE in Höhe von mindestens 20 vom Hundert (vgl. § 56 SGB VII). Mit dieser Auffassung schließt sich die Kammer den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen T2 an. Danach bestehen die Unfallfolgen im Wesentlichen in der Bewegungseinschränkung der linken Schulter und einer leichten Minderung der Schultergürtelmuskulatur. Dem Kläger ist die aktive Vorhebung des linken Armes noch bis 120 Grad möglich. Die unfallbedingte MdE ist deshalb mit 10 vom Hundert einzuschätzen. Dies ergibt ein Vergleich mit den unfallmedizinischen Erfahrungswerten, an denen sich die Kammer wegen der verfassungsmäßig gebotenen Gleichbehandlung der Verletzten orientiert. Diese Erfahrungswerte, die der ersten Bemessung der Rente auf unbestimmte Zeit zu Grunde zu legen sind, sehen bei einer Bewegungseinschränkung der Schulter die nur noch eine Vorhebung bis 90 Grad zulässt, eine rentenberechtigende MdE von 20 vom Hundert und bei einer Bewegungseinschränkung mit einer Vorhebung bis 120 Grad eine MdE von 10 vom Hundert vor. Eine solche Bewegungseinschränkung (Vorhebung bis 120 Grad) hat T2 beim Kläger festgestellt. Auch Privat-Dozent S, der die MdE ebenfalls mit 10 vom Hundert bewertet hat, hat eine Vorhebung von mehr als 90 Grad ermittelt. Damit erreicht die unfallbedingte MdE zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit kein rentenberechtigendes Ausmaß mehr. Eine höhere MdE-Einschätzung im Hinblick auf die vom Kläger beklagten Schmerzen lässt sich nicht begründen. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Muskulatur seitengleich ausgeprägt ist und auch die Handbeschwielung keine signifikante Seitenunterschiede aufweist. Dies deutet darauf hin, dass der linke Arm im Alltagsgebrauch nicht geschont werden muss. Der unfallbedingten Funktionsbehinderung wird daher mit einer MdE von 10 vom Hundert - entsprechend den unfallmedizinischen Erfahrungswerten - ausreichend Rechnung getragen, zumal auch die grobe Kraftentfaltung vom Sachverständigen seitengleich eingeschätzt wird. Unerheblich ist, ob in den Befunden, die für die Bewilligung der Rente als vorläufige Entschädigung maßgeblich gewesen sind, inzwischen eine Änderung eingetreten ist. Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII kann nämlich bei der erstmaligen Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit von der MdE, die der vorläufigen Entschädigung zu Grunde gelegen hat, abgewichen werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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