S 16 U 215/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 215/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 238/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente und die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Der 1972 geborene Kläger, der bei der Beklagten als selbständiger Kopfschlächter versichert war, erlitt am 14.05.2001 einen Arbeitsunfall als er sich mit dem Schlachtermesser in das linke Handgelenk stach und dabei auch den sensiblen Ast des Speichennerven zum Daumen verletzte. Am 26.07.2001 entfernte der Neuochirurg S ein posttraumatisches Neurom und nahm eine interfasziculäre Neurolyse des Speichenhautastes vor. Nachdem es erneut zu einer Neurombildung gekommen war, wurde im Rahmen einer stationären Behandlung vom 18. bis zum 20.02.2002 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E dieses Neurom operativ verlagert; zusätzlich erfolgte eine Spaltung des ersten Streckerfachs zum Handgelenk. Am 05.07.2002 musste in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik eine nochmalige Revisionsoperation vorgenommen werden: Der Nervenstamm des oberflächlichen Hautnervens wurde aus der Belastungszone heraus verlagert und gleichzeitig eine Schleimbeutelentfernung am Ellenbogengelenk durchgeführt. Unter dem 04.01.2002 berichtete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie L1 von Restbeschwerden im Versorgungsgebiet des oberflächlichen Astes des Speichennervens und von einem unfallunabhängigen Karpaltunnelsyndrom beiderseits. Ferner äußerte er, zwischen dem beklagten Beschwerdebild, der daraus resultierenden funktionellen Einschränkung und den objektivierbaren Befunden ergäben sich bei dem Kläger erhebliche Diskrepanzen: Die hochgradige Beschwielung beider Hände an denen für die für schwere körperliche Arbeit üblichen Druckstellen spreche dafür, dass der Kläger - entgegen den geltend gemachten Beschwerden - offenbar beidhändig relativ schwere körperliche Tätigkeiten verrichte. Unter dem 14.11.2002 teilten die K-L2 und T, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik E, der Beklagten mit, die neuromartigen Beschwerden ließen sich nicht mehr abgrenzen, der gesamten Narbenbereich sei sicher und gut abtestbar. Die linke Hand des Klägers zeige eine kräftige Beschwielung und auch am Unterarm läge keine Muskelminderung vor. Die Beweglichkeit des Handgelenks sei für Extension und Flexion lediglich endgradig beeinträchtigt. Ein sicherer Grobgriff und Feingriff könne demonstriert werden. Die Kraftentwicklung der linken Hand sei gut. Ab dem 18.11.2002 sei der Kläger durchaus in der Lage, die Tätigkeit eines Kopfschlächters vollschichtig und wettbewerbsfähig auszuüben. Weiter qualifizierende Maßnahmen oder eine Umschulung seien aufgrund der Unfallfolgen nicht erforderlich. Die unfallbedingte MdE liege unter 10 Prozent. Auf dieser medizinischen Grundlage lehnte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie die Bewilligung von Rente ab (Bescheide vom 11.12.2002 und 12.02.2003). Die Widersprüche des Klägers wurden durch Widerspruchsbescheide vom 02.09.2003 zurückgewiesen. Die dagegen beim Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klagen sind verbunden worden. Der Kläger, der (nach dem Arbeitsunfall) vom 01.03.2004 bis zum 30.04.2007 bei der Firma L3 und W als Schlachthelfer gearbeitet hat, macht geltend, unfallbedingt seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben zu können und sich für den Beruf des Lebensmittelkontrolleurs oder Fleischbeschauers zu interessieren. Nach wie vor leide er an elektrisierenden Berührungsschmerzen sowie Taubheitsgefühlen in der linken Hand. Er verspüre kein Gefühl in Daumen, Zeigefinger- und Mittelfinger. Er sei zwar in der Lage, die Finger zu bewegen, könne aber nicht erfühlen, wo diese Finger sich befänden, wenn er nicht dort hinschaue.

Schriftsätzlich begehrt der Kläger, die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 11.12.2002 und 12.02.2003 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 02.09.2003 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie Rente zu gewähren.

Die Beklagte begehrt schriftsätzlich,

die Klageabweisung.

Zur Klärung der Zusammenhangsfragen hat das Gericht unfallchirurgischerseits X gehört. Dieser hat die unfallbedingte MdE ab dem 18.11.2002 als nicht messbar eingeschätzt und geäußert, Tätigkeiten im Inneren eines Tierkörpers, die eine Orientierung der linken Hand innerhalb einer vorgegebenen Hülle oder eines Raumes erforderten seien bei dem mangelnden streckseitigen Tastsinn des Klägers nicht möglich. Der vom Gericht zum berufskundlichen Sachverständigen bestellte Koch- und Fleischermeister C hat unter dem 29.07.2007 ausgeführt, bei der Schlachtung würden Arbeitsvorgänge nicht in einer uneinsehbaren Körperhöhle durchgeführt, vielmehr könnte bei den Arbeiten die linke Hand gezielt mit Sichtkontakt eingesetzt werden. Wegen der Unfallfolgen sei der Kläger nicht gehindert, als Kopfschlächter und Fleischermeister wettbewerbsfähig zu arbeiten. Inwieweit sich das Karpaltunnelsyndrom auf die Tätigkeit des Klägers auswirke, vermöge er nicht zu beurteilen. Außerdem hat das Gericht als Zeugen den Metzgermeister W gehört, in dessen Firma der Kläger als Schlachthelfer tätig gewesen ist. Der Zeuge hat angegeben, als Schlachter habe der Kläger nicht arbeiten können, da er angegeben habe, diese Arbeiten nicht ausführen zu können wobei er immer auf seinen Arm hingewiesen habe.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten hingewiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger kann weder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben noch Rente beanspruchen. Anspruchsgrundlage für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beurteilen sich nach den §§ 26, 35 SGB VII. Danach ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen, dass der Arbeitsunfall einen Gesundheitsschaden zur Folge hat, der sich auf die Fähigkeiten des Versicherten, seine berufliche Tätigkeit auszuüben, so ausgewirkt haben muss, dass der Versicherte die bisherige Tätigkeit nicht mehr wettbewerbsfähig verrichten kann oder dass bei Fortführen dieser Tätigkeit die konkrete Gefahr des Eintritt eines Versicherungsfalls besteht (vgl. Breiter-Hahn/Mehrtens, Handkommentar zur Gesetzlichen Unfallversicherung, Anhang zu § 35 SGB VII Randnumme (1.2). Der Gesundheitsschaden und die Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit müssen dabei voll, d. h. mit an Sicherheit grenzender, ernste Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und seinen gesundheitlichen Folgen bzw. zwischen diesen und den bestehenden beurflichen Einschränkungen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist. Die Befunderhebung durch X hat ergeben, dass beim Kläger als Unfallfolgen eine ausgedehnte Narbe an der Streck-Speichenseite des linken Handgelenks, eine Neurombildung am körperfernen streck-speichenseitigen Unterarm sowie eine erheblich Gefühlsminderung der Haut am linken Handrücken, entsprechend dem Ausbreitungsgebiet des Speichenhautnerven bestehen. Objektivierbare Hinweise für Gefühlsstörungen im Ausbreitungsgebiet des Mittelnervens zeigen sich nicht, die Gefühlsleitung der Fingerbeeren ist regelrecht erhalten. Die Funktion der großen Gelenke ist nicht eingeschränkt. Ebenso ist keine grobe Bewegungsbehinderung im Bereich der Daumen und der Fingergelenke feststellbar. Damit fehlt es an einer wesentlichen Funktionsbehinderung. Die kräftige Ausbildung der Muskulatur, die kräftige Hohlhandbeschwielung sowie der seitengleiche Kalksalzgehalt beider Hände weisen im Übrigen darauf hin, dass die linke Hand nicht geschont werden muss. Durch die erhebliche Gefühlsminderung der Haut am linken Handrücken ist der Kläger bei der Arbeit als Kopfschlächter nicht eingeschränkt. Der berufskundliche Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit eines Kopfschlächters keine Arbeiten bedingt, die in uneinsehbaren Körperhöhlen durchgeführt werden müssen, vielmehr können alle Arbeiten der linken Hand mit Sichtkontakt vorgenommen werden. Darüber hinaus ist der Kläger auch als Fleischermeister, sowohl in Handwerksbetrieben wie auch in Filialbetrieben als Ladenmetzger wettbewerbsfähig einsetzbar, so dass sich die Folgen des Arbeitsunfalls nicht mehr auf seine berufliche Tätigkeiten ausführen und damit auch kein Anspruch auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitaiton bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben besteht.

Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht Anspruch auf Rente. Es fehlt an einer rentenberechtigenden MdE in Höhe von mindestens 20 vom Hundert (vgl. § 56 SGB VII). Seit dem 18.11.2002 sind die Unfallfolgen vielmehr auf weniger als 10 vom Hundert einzuschätzen. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass der verbliebene Gefühlsverlust der Haut am linken Handrücken funktionell unbedeutend ist. Wesentlich ist das Gefühl an der Greifseite der Hand und der Finger. Dieses Gefühl ist vollständig erhalten. Auch die motorische Funktion der Hand ist nicht beeinträchtigt. Die bereits von 1 und den K-L2 und T beschriebene kräftige Beschwielung der linken Hand unter Hinweis auf die fehlende Muskelminderung am linken Unterarm belegen drüber hinaus, dass bereits zum 18.11.2002 eine wesentliche unfallbedingte Funktionsbehinderung nicht vorgelegen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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