S 13 AL 309/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 309/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 126/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 07.04.2004 bis 27.06.2004 sowie die Erstattung der zu Unrecht gezahlten Leistungen sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 1.998,22 Euro.

Der Kläger bezog von der Beklagten seit dem 26.07.2003 Arbeitslosenhilfe. Am 28.06.2004 sprach er bei der Beklagten vor und teilte seinen Umzug mit. Am 01.12.2004 schied er wegen Arbeitsaufnahme aus dem Leistungsbezug aus.

Am 28.02.2005 ging bei der Beklagten eine Überschneidungsmitteilung ein, wonach der Kläger am 07.04.2004 und 08.04.2004 bei der Firma X X E GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. In der daraufhin angeforderten Arbeitsbescheinigung gab die Firma X an, der Kläger sei dort mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt gewesen. Das Bruttoarbeitsentgelt für die beiden Tage habe 170 Euro betragen und das Arbeitsverhältnis sei durch schriftliche Kündigung vom 07.04.2004 beendet worden. Mit Bescheid vom 29.06.2005 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 07.04.2004 bis 01.07.2004 auf. Der Kläger habe vom 07.04.2004 bis 08.04.2004 in einem mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigungsverhältnis gestanden. Da er die Arbeitsaufnahme nicht unverzüglich angezeigt habe, sei die persönliche Arbeitslosmeldung erloschen. Der Leistungsanspruch entfalle deshalb auch für die Zeit vom 09.04.2004 bis zur erneuten persönlichen Arbeitslosmeldung. Die für die Zeit vom 07.04.2004 bis 01.07.2004 gezahlten Leistungen sowie die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien zu erstatten. Insgesamt ergebe sich eine Forderung in Höhe von2.089,11 Euro.

Mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid trug der Kläger vor, er habe weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag noch eine schriftliche Kündigung erhalten. Er sei daher davon ausgegangen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht zustande gekommen sei. Deshalb habe er die Aufnahme der Tätigkeit der Beklagten nicht mitgeteilt. Er sei vom Arbeitgeber auch nicht darauf hingewiesen worden, dass er sich erneut arbeitslos melden müsse. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 zurück. Darin führt sie aus, dass maßgeblich für den Wegfall der Arbeitslosigkeit die Aufnahme der Beschäftigung sei, nicht die Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages. Durch die Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung sei die Arbeitslosigkeit weggefallen. Nach dem Ende der Beschäftigung sei er zwar wieder beschäftigungslos gewesen, ein Anspruch entfalle jedoch mangels wirksamer Arbeitslosmeldung, da die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung erlösche, wenn eine Arbeitsaufnahme nicht unverzüglich mitgeteilt werde. Die Leistungsbewilligung werde daher gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgehoben, da der Kläger grob fahrlässig seiner Mitteilungspflicht hinsichtlich der Arbeitsaufnahme nicht nachgekommen sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 24.11.2005 erhobenen Klage.

Mit Änderungsbescheid vom 07.03.2006 hat die Beklagte die Aufhebung der Leistungsbewilligung auf den Zeitraum vom 07.04.2004 bis 27.06.2004 beschränkt und den Erstattungsanspruch auf insgesamt 1.998,22 Euro beziffert.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, er habe tatsächlich bei der Firma X an den zwei Tagen weniger als 15 Stunden gearbeitet. Er habe in der Kantine der Firma C gearbeitet. Dort sei die tatsächliche Arbeitszeit von 6.45 Uhr bis 14.00 Uhr gewesen. Insgesamt habe er daher nur 14 1/2 Stunden gearbeitet. Für diese Tätigkeit habe er zunächst auch kein Geld bekommen. Er habe sich erst ein halbes Jahr später schriftlich an die Firma X gewandt und um Bezahlung der zwei Tage gebeten. Dabei habe er dann selbst angegeben, dass seine Arbeit ca. 8 Stunden am Tag betragen habe. Er habe nie einen schriftlichen Arbeitsvertrag bekommen. Da er tatsächlich weniger als 15 Stunden gearbeitet habe, sei er der Auffassung gewesen, dass er dies nicht der Beklagten habe mitteilen müssen. Tatsächlich habe er auch für die zwei Tage Arbeit nur 75,10 Euro netto Arbeitsentgelt erhalten. Da dies unterhalb der Grenze der Anrechnung von Nebeneinkommen gelegen habe, habe er auch aus diesem Grunde keine Notwendigkeit zur Mitteilung der Tätigkeit an die Beklagte gesehen. Er habe sich nach seinen Unterlagen am 05.04.2004 bei der Firma X vorgestellt und man habe ihm gesagt er könne am 07.04. dort anfangen. Er habe zunächst einmal abwarten wollen, ob es wirklich zu einer Festanstellung kommen würde. Wenn er festangestellt worden wäre, hätte er dies selbstverständlich der Beklagten mitgeteilt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 29.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 und des Bescheides vom 07.03.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Der Kläger habe seine Mitteilungspflicht grob fahrlässig verletzt, da in dem ihm bei Antragstellung ausgehändigten Merkblatt für Arbeitslose ausdrücklich und unmissverständlich darauf hingewiesen werde, dass jede Form der Arbeitsaufnahme sofort mitgeteilt werden müsse und dass dies auch für sogenannte Probearbeitsverhältnisse gelte. Indem der Kläger diesen Hinweis nicht beachtet habe, habe er grob fahrlässig seine Mitteilungspflicht verletzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Leistungsakte des Klägers bei der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 29.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 und des Änderungsbescheides vom 07.03.2006 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - beschwert, denn diese Bescheide sind rechtmäßig.

Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 07.04.2004 bis 27.06.2004 gemäß § 48 SGB X aufgehoben und einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der zu Unrecht gezahlten Arbeitslosenhilfe sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 1.998,22 Euro geltend gemacht.

Der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe war ab dem 07.04.2004 rechtswidrig. Dem Kläger stand Arbeitslosenhilfe ab dem 07.04.2004 nicht zu, da er nicht mehr arbeitslos war.

Gemäß § 118 Abs. 1 3. Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der im Jahre 2004 geltenden Fassung ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindesten 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht. Nach § 118 Abs. 2 SGB III steht die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung der Beschäftigungslosigkeit nicht entgegen. Der Kläger war nicht arbeitslos, da er ab dem 07.04.2004 einer Tätigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich nachgegangen ist. Er hat am 07.04.2005 eine Arbeit bei der Firma X aufgenommen, bei der es sich nach der Arbeitsbescheinigung um eine Vollzeittätigkeit von 40 Wochenstunden gehandelt hat. Damit war seine Arbeitslosigkeit beendet. Dass er nach seinem Vorbringen tatsächlich nur 14 1/2 Stunden gearbeitet hat, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Entscheidend ist die voraussichtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt seiner Begründung (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999, B 11 AL 53/9 R). Diese Merkmale sind auch dann entscheidend, wenn die Beurteilung erst nach Beendigung der Beschäftigung erfolgt. Wenn eine Vollzeitbeschäftigung aufgenommen wurde, kommt es wegen der Maßgeblichkeit der vorausschauenden Beurteilung auf die tatsächliche zeitliche Dauer der Beschäftigung nicht an (vgl. BSG Urteil vom 17.03.1981 - 7 RAr 19/80). Es ist daher unerheblich, dass der Kläger nur zwei Tage gearbeitet hat und nach seinem Vorbringen nur 14 1/2 Stunden tatsächlich gearbeitet hat.

Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Entscheidend ist nicht der Abschluss eines Arbeitsvertrages sondern die tatsächliche Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses.

Nach Beendigung der Beschäftigung war der Kläger zwar ab dem 09.04.2004 wieder arbeitslos; ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestand jedoch bis zur erneuten Meldung bei der Beklagten am 28.06.2004 nicht, da gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III die Wirkung der Arbeitslosmeldung durch die Aufnahme der Tätigkeit erloschen war, weil der Kläger dies der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Durch den Wegfall der Wirkung der Arbeitslosmeldung waren gleichfalls die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe nicht mehr erfüllt.

Die Beklagte war daher berechtigt, die Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteilige Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Kläger seiner Verpflichtung, die Aufnahme der Tätigkeit der Beklagten mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Soweit der Kläger vorbringt, er sei davon ausgegangen, er müsse die Aufnahme der Beschäftigung nicht nachweisen, da er keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten habe, tatsächlich weniger als 15 Stunden gearbeitet habe und ein Einkommen erzielt habe, welches unter dem Freibetrag für die Anrechnung von Nebeneinkommen gelegen habe, entlastet ihn dies nicht. Im Merkblatt für Arbeitslose, welches der Kläger bei Antragstellung ausgehändigt erhielt, wird ausdrücklich und unmissverständlich darauf hingewiesen, dass jede Beschäftigungsaufnahme mitzuteilen ist und dass dies auch für sogenannte Probearbeitsverhältnisse und für Nebentätigkeiten gilt. Indem der Kläge diesen Hinweis nicht beachtet hat, hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und sich damit grob fahrlässig verhalten. Grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf die Verletzung der Mitteilungspflicht ist dann zu bejahen, wenn dem Versicherten ohne weitere Überlegung klar gewesen sein mußte, dass er den betreffenden Umstand mitteilen mußte. Bei Beachtung der im Merkblatt für Arbeitslose enthaltenen Hinweis über die Mitteilungspflichten hätte dem Kläger ohne weiteres klar sein müssen, dass er jede Beschäftigungsaufnahme der Beklagten mitzuteilen hatte und dass es nicht seine Sache war zu beurteilen, ob die Aufnahme der Beschäftigung für den Leistungsbezug Auswirkungen hatte. Dies zu beurteilen ist Sache der Beklagten und nicht des Leistungsbeziehers.

Dem Kläger wäre es auch möglich gewesen, die Aufnahme der Beschäftigung rechtzeitig, d. h. noch vor Aufnahme der Tätigkeit, der Beklagten mitzuteilen. Nach seinen eigenen Angaben hat er bei einem Vorstellungsgespräch am 05.04.2004 von der Firma X die Zusage erhalten, am 07.04.2004 die Arbeit aufnehmen zu können. Er hätte daher nach dem Gespräch bei der Firma X am 05.04.2004 oder am (Dienstag) den 06.04.2004 die Möglichkeit gehabt, die Beklagte persönlich oder telefonisch von der bevorstehenden Arbeitsaufnahme zu verständigen. Wenn er darauf verzichtet hat, weil er erst abwarten wollte, ob es tatsächlich zu einer Festanstellung kommen würde, um sich den damit verbundenen Aufwand oder Schwierigkeiten durch eine Leistungseinstellung obwohl das Beschäftigungsverhältnis bereits nach wenigen Tagen beendet war ersparen wollte, muß er die Konsequenzen dieses Verhaltens tragen.

Da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X (grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht) vorliegen, war die Beklagte gem. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht nur berechtigt, sonder verpflichtet, die Leistungsbewilligung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, ohne dass es einer Ermessensabwägung oder der Prüfung des Vorliegens eines atypischen Falles bedurfte.

Es ist auch ohne Bedeutung, ob der Kläger wußte oder hätte erkennen können, dass die Wirkung seiner Arbeitslosmeldung weggefallen war, so dass die Anspruchsvoraussetzungen auch für die Zeit nach Beendigung der Beschäftigung weggefallen war. Die Verletzung der Mitteilungspflicht rechtfertigt nicht nur die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die zwei Tage der Aufnahme der Beschäftigung, für die der Kläger jedenfalls hätte erkennen können, dass ihm Leistungen nicht zustanden sondern auch die Aufhebung für den Zeitraum, in dem die Wirkung der Arbeitslosmeldung erloschen war, da der unrechtmäßige Leistungsbezug in diesem Zeitraum gleichfalls auf der Verletzung der Mitteilungspflicht beruht.

Da die Leistungsbewilligung nach alledem für die Zeit vom 07.04.2004 bis 27.06.2004 zu Recht aufgehoben wurde, sind die zu Unrecht erbrachten Leistungen gem. § 50 Abs. 1 SGB X durch den Kläger zu erstatten.

Die Verpflichtung zur Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich aus § 335 Abs. 1 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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