Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 RJ 855/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 16.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2004 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Altersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung einer Beschäftigung im Ghetto Warschau von Februar 1941 bis September 1942 und Ersatzzeiten zu gewähren. 3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Altersrente unter Berücksichtigung einer Beschäftigung im Ghetto Warschau.
Der am XX.X.1926 in M./Polen geborene Kläger lebt seit 1970 in den USA und ist amerikanischer Staatsangehörigkeit. Er erhält Leistungen von der Claims Conference nach dem Art. 2 Fond.
Am 2.5.2003 beantragte er bei der Beklagten Altersrente. Er gab an, von Februar 1941 bis September 1942 auf Anraten und unter Vermittlung des Judenrats im Ghetto Warschau Reinigungsarbeiten in Büros verrichtet zu haben. Er habe vom Judenrat Gutscheine zur Bestreitung des Lebensunterhaltes erhalten. Der Kläger legte eine Erklärung des Jüdisch Historischen Instituts in Warschau vom 7.8.1998 über seinen Aufenthalt im Ghetto von Februar 1941 bis September 1942 vor. In der Bescheinigung war angegeben, er gehöre zur Kategorie der am Schlimmsten betroffenen, der Kinder des Holocaust. Die Beklagte zog die Unterlagen des Klägers von der Claims Conference bei. Dort hatte der Kläger u. a. angegeben, von Oktober 1942 bis Mai 1943 im Ghetto Warschau gewesen zu sein. In seiner eigenen Schilderung gibt er an, dass er von zwei polnischen Polizisten, nachdem er in seinem Versteck entdeckt worden sei, nach Warschau ins Ghetto gebracht worden sei. Im Mai 1943 habe man ihm geholfen, aus dem Ghetto auf die arische Seite zu wechseln. Von da an habe er wieder versteckt gelebt. Mit Bescheid vom 16.9.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Wartezeit sei nicht erfüllt, weil die Zeit von Februar 1941 bis September 1942 (Mai 1943) nicht als Zeit einer Beschäftigung im Ghetto anerkannt werden könne. Es sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass es sich um eine entgeltliche Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gehandelt habe. Mit seinem am 27.10.2003 eingelegten Widerspruch machte der Kläger unter Hinweis auf seine Erklärung vom 5.8.2003 geltend, der Judenrat habe empfohlen, dass jeder arbeiten sollte, um nicht selektiert oder deportiert zu werden. Er sei aus eigenem freiem Willen gegangen, um Büros zu reinigen. Es sei eine harte Arbeit gewesen, die er zehn bis zwölf Stunden am Tag verrichtet habe. Er habe Coupons vom Judenrat als Bezahlung erhalten, so dass er Brot und andere Lebensmittel hätte kaufen können. Bei der Claims Conference habe er nur äußerst knappe Angaben machen müssen, da es auf seine Arbeit im Ghetto dort nicht angekommen sei. Er habe auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass er entlohnt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, der Kläger habe im Ghetto Warschau Zwangsarbeit verrichtet. Es handele sich nicht um eine Arbeit im Sinne des ZRBG. Bei den angegebenen Reinigungsarbeiten handele es sich nicht um eine freiwillig aufgenommene entgeltliche Beschäftigung.
Mit seiner am 31.6.2004 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seine Rentenbegehren weiter. Zur Begründung führte er aus, es habe zwar eine generelle Arbeitsverpflichtung im Generalgouvernement bestanden, aber nicht alle Arbeit sei Zwangsarbeit gewesen. Er habe seine Verfolgteneigenschaft und seine Inhaftierung im Ghetto Warschau nachgewiesen. Er habe jedoch eine freiwillige Beschäftigung unter dem Druck der damaligen Verhältnisse ausgeübt. Deren Entlohnung habe er glaubhaft gemacht.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 16.9.2003 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Altersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung einer Beschäftigung im Ghetto Warschau von Februar 1941 bis September 1942 und Ersatzzeiten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte.
Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts die Unterlagen der Claims Conference in Kopie beigezogen. Den Beteiligten liegt auch das vom Sozialgericht Hamburg in verschiedenen Verfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. G. vom 9.9.2005 zu den Verhältnissen im Generalgouvernement, insbesondere in Warschau vor. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 22.8.2006 zum Aktenzeichen S 20 RJ 1264/03 vor dem Sozialgericht Hamburg ist den Beteiligten die partielle Übersetzung aus dem Polnischen der Anlage zum Gutachten von Prof. Dr. G. überreicht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte der Kammer und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat es die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt, dem Kläger eine Altersrente zu gewähren. Die Bescheide waren deshalb aufzuheben. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung einer Altersrente.
Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. das 65. Lebensjahr vollendet und 2. die Wartezeit erfüllt haben (§ 35 Sozialgesetzbuch, 6.Buch, SGB VI).
Der Kläger hat das 65. Lebensjahr vollendet und er erfüllt auch die Wartezeit. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und auch Ersatzzeiten angerechnet (§§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 SGB VI). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Solche Beitragszeiten liegen beim Kläger nicht vor. Pflichtbeitragszeiten sind aber auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Solche Zeiten liegen beim Kläger vor, denn beim ihm liegen Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, für die Beiträge als gezahlt gelten, vor.
Für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto gelten Beiträge als gezahlt und zwar 1. für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebietes sowie 2. für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine Beschäftigung im Bundesgebiet (Ghetto-Beitragszeiten; § 2 Abs.1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 20.6.2002, BGBl I, S. 2074, im Folgenden: ZRBG).
Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto sind gegeben, wenn sich diese dort zwangsweise aufgehalten haben und wenn
1. die Beschäftigung a) aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, b) gegen Entgelt ausgeübt wurde, 2. das Ghetto sich einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG).
Dem Kläger ist es gelungen, glaubhaft zu machen, dass er sich in einem Ghetto, das sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt war, aufgehalten und eine Beschäftigung aus eignem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt hat. Für die Feststellung der nach dem ZRBG maßgeblichen Tatsachen ist deren Glaubhaftmachung ausreichend (§ 1 Abs. 2 ZRBG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung, WGSVG). Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies liegt dann vor, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass der behauptete Vorgang sich so zugetragen hat, wie der Versicherte dies geltend macht (vgl. z.B. Urteil des Bundessozialgerichts, BSG, vom 3.2.1999, Az. B 9 V 33/97 R mit weiteren Nachweisen). Diese gute Möglichkeit besteht unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, auch gegenüber der Claims Conference und der historischen Erkenntnisse, sofern der Kläger die Beschäftigung auf die Zeit von Februar 1941 bis September 1942 beschränkt, so wie es im Rentenantrag geltend gemacht wurde.
Das Ghetto in Warschau ist im November 1940 eingerichtet und am 16.11.1940 geschlossen worden. Der Kläger selbst hat angegeben, erst im Februar 1941 ins Ghetto nach Warschau gekommen zu sein, nachdem er zunächst in einem Versteck gelebt hatte. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Claims Conference ist es ihm im Mai 1943, also als das Ghetto Warschau liquidiert wurde, gelungen auf die arische Seite zu wechseln. Ob es bis zu diesem Zeitpunkt für den Kläger noch möglich war, eine Beschäftigung im Sinne des ZRBG auszuüben, kann dahinstehen, denn er selbst macht lediglich geltend, bis September 1942 beschäftigt gewesen zu sein.
Für die Kammer ist es nach dem Ergebnis der Ermittlungen glaubhaft, dass der Kläger in der Zeit von Februar 1941 bis September 1942 aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt eine Beschäftigung ausgeübt hat(§ 1 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG). Es lag in dieser Zeit keine Zwangsarbeit im Sinne von einer obrigkeitlichen Zuweisung der Arbeit vor. Vielmehr ist der Kläger bei den von ihm angegebenen Reinigungsarbeiten in Büros im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG tätig gewesen.
Zwangsarbeit ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem / hoheitlichem bzw. gesetzlichem Zwang, z.B. als Straf- oder Kriegsgefangener. Typischerweise werden dabei die Zwangsarbeiter bestimmten Unternehmen oder auch staatlichen Projekten zugewiesen, ohne dass die Arbeiter selbst Einfluss auf die Zuweisung haben. Ein Entgelt für die individuell geleistete Arbeit wird nicht oder nur in sehr geringem Maße an die Arbeiter ausgezahlt. Die Arbeit wird unter Bewachung geleistet, um zu verhindern, dass sich die Arbeiter aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts, BSG, vom 10.12.1974, Az. 4 RJ 379/73, BSGE 38, 245). Abzugrenzen ist die vom Kläger verrichteten Reinigungsarbeiten von Büros zum einen hinsichtlich des durch die Verordnung über die Einführung des Arbeitszwanges für die jüdische Bevölkerung des Generalgouvernements vom 26.10.1939 bestehenden Arbeitszwanges. Zum anderen ist eine Abgrenzung vorzunehmen zu dem angeordneten zwangsweisen Aufenthalt im Ghetto.
Bereits in seiner Entscheidung vom 14.7.1999 (Az. B 13 RJ 71/98) hat das BSG deutlich gemacht, dass auch unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, nicht davon auszugehen ist, dass die Gesamtheit aller Arbeitsverhältnisse derart hoheitlich bzw. obrigkeitlich überlagert gewesen sei, dass sie den Charakter von Zwangsarbeit angenommen hätten. Hiervon ist auch der Gesetzgeber des ZRBG ausgegangen, sonst liefe der Anwendungsbereich des ZRBG leer. Auch in den von Arbeitszwang nach der Verordnung vom 26.10.1939 und weiteren Einschränkungen der jüdischen Bevölkerung gekennzeichneten besetzten Gebieten waren Beschäftigungsverhältnisse aus eigenem Willensentschluss möglich. Unter Berücksichtigung des Gutachtens von Herrn Prof. G. vom 9.9.2005 und anderer historischer Quellen ist es sogar überwiegend wahrscheinlich, dass trotz des Arbeitszwanges und auch neben diesem im Generalgouvernement noch andere Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des ZRBG existierten. Nach der Anordnung des Amtes des Generalgouveneurs für die besetzten polnischen Gebiete vom 5.7.1940, auf die später noch ausführlich eingegangen wird, sollte "in allen geeigneten Fällen zunächst der Versuch der Beschäftigung der Juden in freien Arbeitsverhältnissen" unternommen werden. Dass sogar neben einem freien Beschäftigungsverhältnis auch noch dem Arbeitszwang nachgekommen werden konnte, ergibt sich auch aus dem Gutachten von Prof. G ... Dieser beschreibt für Lemberg (Lwow), wo die Arbeitspflicht nur einen Tag in der Woche betrug, dass im Laufe der Zeit sowohl militärische als auch zivile deutsche Objekte und Unternehmen jüdische Facharbeiter anforderten. Die Arbeit für die Deutschen sei für die Juden angenehm gewesen, weil die deutschen Arbeitgeber mit Geld bezahlt hätten (vgl. Gutachten S.5). Prof. G. zitiert in seinem Gutachten aus einem anonymen Tagebuch, wo es heißt: "die Beschäftigten, die formal Arbeitenden, das war eine priviligierte Kaste ... Jeder, der offen und legal arbeitete, mit einem entsprechenden Ausweis und auf eine Weise, wie sie durch die neue Ordnung verfügt wurde, war einer der Auserwählten, der Gesicherten, der Gedeckten, der Menschen, die einen Ort gefunden hatten" (vgl. Gutachten S.11, Fußnote 27). Der Gutachter kommt zu dem Schluß, dass die Entscheidung, eine Tätigkeit anzunehmen, nicht nur freiwillig gewesen sei, sondern als Chance – materiell und geistig - gegolten habe. Wer keine Arbeit gefunden habe, habe nicht nur materiell schlechter dagestanden, er habe sich auch in der ‚neuen Ordnung‘ als unmittelbar gefährdet gesehen (Gutachten, S. 11).
Der hoheitlich angeordnete – zwangsweise – Aufenthalt in einem Ghetto führte nicht zwangsläufig dazu, dass auch die während dieser Zeit aufgenommen Beschäftigung Zwangsarbeit war. Für die Abgrenzung der in einem Ghetto geleisteten Arbeit ist es von Bedeutung, dass die Beweggründe, die jemanden zur Aufnahme einer Beschäftigung veranlaßten sowie die allgemeinen Lebensumstände, die nicht die Arbeit oder das Arbeitsentgelt betreffen bei der Beurteilung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. Urteile des BSG vom 14.7.1999, Az. B 13 RJ 71/98 und vom 21.4.1999, B 5 RJ 48/98 R). Die Spähren "Lebensbereich" und "Beschäftigungsverhältnis" sind grundsätzlich zu trennen (Urteil des BSG vom 18.6.1997 zum Az. 5 RJ 66/96), so dass der zwangsweise Aufenthalt im Ghetto nur die allgemeinen Lebensumstände der Juden in den besetzten Gebieten regelt. Die Betroffenen wurde zur Kontrolle vom NS-Regime in festgelegten Wohnbezirken (Ghettos) zusammengepfercht. Trotzdem stellt die unter Ghettobedingungen verrichtete Arbeitsleistung keine Zwangsarbeit dar, wenn ein eigener Willensentschluss zur Arbeitsaufnahme vorhanden war und der Betroffene nicht durch staatliche Zwangsmaßnahmen zur Arbeit in bestimmten Unternehmen bzw. bei bestimmten Projekten von der Straße weg durch polizeiliche/obrigkeitliche Aktionen abgefangen wurde.
Selbst die Bewachung bei der Arbeit außerhalb des Ghettos war hierbei in der Regel nicht Folge eines Arbeitszwanges aufgrund von obrigkeitlicher Anordnung, sondern Folge der Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung (so auch Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 17.5.2005, Az. S 19 RJ 1061/03, veröffentlicht unter www.juris.de). Das Bundessozialgericht hat gerade zum Kriterium der "Bewachung von Arbeitern während der Arbeit" ausgeführt, dass Zwangsarbeit in solchen Fällen vorliegen könne, wenn die Bewachung aus dem Grunde erfolge, dass sich die Arbeiter nicht aus dem "obrigkeitlichen Gewahrsam" entfernen sollen. Durch die Bewachung auf dem Weg zum und vom Arbeitsplatz soll jedoch nicht der obrigkeitliche Gewahrsam gesichert werden, sondern hier der zwangsweise Aufenthalt im Ghetto. Schon das Bundessozialgericht hat in seinen Entscheidungen vom 18.6.1997 (Az. 5 RJ 66/95 und 68/95) deutlich gemacht, dass damals der Aufenthalt im Ghetto angeordnet und das Verlassen des Ghettos unter Todesstrafe verboten war, dass Leben im Ghetto jedoch – im Rahmen der sonstigen Umstände und Repressalien, die durch den Nazi-Terror an der Tagesordnung waren - trotzdem insoweit frei war, als dass die Entscheidung zur Aufnahme einer Beschäftigung getroffen werden konnte. Die Bewachung eines Ghettos ist deshalb als Element der allgemeinen Lebensumstände zu werten und nicht der Arbeitssituation zuzurechnen. Ähnlich verhält es sich, wenn Arbeit außerhalb des Ghettos verrichtet wird und der Weg dorthin unter Bewachung stattfindet. Wenn die Bewachung einer "Kolonne von Arbeitern" auf dem Weg vom Ghetto zur Arbeitsstelle und zurück erfolgte, so ist allein aus dieser Tatsache nicht zwingend zu schließen, dass die Arbeit selbst Zwangsarbeit war (vgl. hierzu Urteil des SG Hamburg vom 17.5.2005, Az. S 19 RJ 1061/03). Es muss sich vielmehr aus dem Gesamtbild der Tätigkeit ergeben, ob obrigkeitlicher Zwang zur Arbeit und zwangsweiser Aufenthalt zusammenfallen oder nicht.
Der Kläger hat sich zwar zwangsweise im Ghetto aufgehalten, er hat jedoch nach Überzeugung der Kammer keine Zwangsarbeit verrichtet, denn er berichtet nicht darüber, dass er unter Zwang zu den Reinigungsarbeiten verbracht wurde oder diese unter ständiger Bewachung verrichten mußte. Vielmehr ergibt sich aus seinen Schilderungen durchaus die gute Möglichkeit, dass der Kläger die Büroreinigungsarbeiten im Ghetto zum Beispiel für den Judenrat oder auch in den Betrieben des Ghettos Warschau, die es im hier streitigen Zeitraum von Februar 1941 bis September 1942 gab, verrichtet hat. Dazu ist zu bedenken, dass der Kläger bei Eintreffen im Ghetto Warschau gerade 15 Jahre alt geworden war und zuvor einige Zeit versteckt gelebt hatte. Er hatte mit Sicherheit keine eigenen Mittel mehr, die ihm ein Überleben im Ghetto sicherten. Wenn er sich dann entschloß, Reinigungstätigkeiten in Büros zu verrichten, waren dies Arbeiten, die er als ungelernter Jugendlicher ergreifen konnte, ohne dass diese in körperlich allzu sehr überforderten. Da der Kläger nicht illegal im Ghetto lebte, sondern – so seine Angaben gegenüber der Claims Conference – von zwei polnischen Polizisten ins Ghetto Warschau gebracht wurde, ist es auch für die Kammer überwiegend wahrscheinlich, dass es dem Kläger vom Judenrat angeraten wurde, einer Beschäftigung nachzugehen.
Marcel Reich-Ranicki schreibt in seiner Autobiographie "Mein Leben" (erschienen bei dtv im März 2003, hier zitiert nach der 2. Auflage, August 2005): " ... mit den offiziellen Zuteilungen (gemeint sind hier Lebensmittel) auszukommen war schlechthin undenkbar: Sie reichten gerade aus, um nicht am Hungertod zu sterben. Viel hing vom Beruf ab. Lehrer, Rechtsanwälte und Architekten hatten es besonders schwer. Denn es gab im Getto weder Schulen noch Gerichte, und es wurde auch nichts gebaut. Immerhin fanden viele Juristen eine Tätigkeit in der Verwaltung des Gettos oder in der Kommandantur des Ordnungsdienstes, also der (sehr unbeliebten) jüdischen Miliz. Ärzte und Zahnärzte hatten es entschieden besser, sie wurden ja immer benötigt. Das galt für Handwerker ebenfalls, vor allem für Tischler, Schlosser, Klempner, Elektrotechniker, auch für Schneider und Schuster. Zugleich entstand ein neuer Beruf: der Schmuggler. Tausende von Juden, häufiger Männer als Frauen, eher jüngere Menschen, auch Halbwüchsige gingen täglich zur Arbeit in großen, deutschen Betrieben außerhalb des Gettos. Sie taten es freiwillig, obwohl die Entlohnung minimal war. Der Grund: Sie konnten aus dem Getto Verkäufliches mitnehmen, insbesondere Kleidungsstücke, gelegentlich auch Uhren und Schmuck; alles wurde schnell zu Schleuderpreisen abgesetzt. Für den Erlös kauften sie Lebensmittel, die sie gegen Abend, wenn die jüdischen Kolonnen zurückkehrten, ins Getto schmuggelten" (Reich-Ranicki, Mein Leben, S. 209). Da nicht alle im Ghetto Warschau eingesperrten Juden eine Beschäftigung mit einer festen Anstellung und einem Monatsgehalt als Übersetzer beim Judenrat des Ghettos Warschau (vgl. Reich-Ranicki, Mein Leben, S. 204) erhalten konnten, ist es für die Kammer überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger als Jugendlicher Reinigungsarbeiten in Büros verrichtete, um z.B. auch die Möglichkeit zu haben, dass Ghetto zu verlassen, wenn diese Arbeiten in den großen Betrieben außerhalb des Ghettos anfielen. Die Kammer hält es nicht für überzeugend, wenn z.B. Reinigungsarbeiten in Büros, ohne dass Hinweise auf eine Bewachung während der Arbeit zu finden sind, von der Beklagten als Arbeiten, die der Verordnung vom 26.10.1939 zuzurechnen sind, angesehen werden. Angaben dazu, dass der Kläger zu diesen Arbeiten aufgerufen wurde, finden sich nicht.
Bedenkt man dann noch, dass sogar die Möglichkeit bestand, sich von der Arbeitspflicht aufgrund der Verordnung vom 26.10.1939 durch Stellung eines Vertreters und Zahlung eines bestimmten Betrages zu befreien (vgl. Gutachten von Prof. Dr. G. vom 9.9.2005, S. 5) und es nie an Freiwilligen mangelte, die selbst zu den Arbeiten im Rahmen der Arbeitspflicht meldeten, so wäre auch zu vertreten, selbst bei diesen Freiwilligen von einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zu sprechen, wenn diese über den Judenrat die allen Juden des Ghettos auferlegte Arbeitspflicht an zwei Tagen in der Woche im Warschauer Ghetto für andere erfüllten. Diese Überlegung braucht jedoch im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, da der Kläger an keiner Stelle tatsächliche Angaben macht, die darauf schließen lassen, dass er im Rahmen der Verordnung vom 26.10.1939 tätig geworden. Allein die Angabe, er habe auf Anraten und Vermittlung des Judenrats die Reinigungsarbeiten in Büros übernommen, reicht dafür nicht aus, denn nachdem der Judenrat anfänglich, um den wahllosen Verhaftungen von Juden zur Zwangsarbeit entgegen zu wirken, ein Verfahren zur Bereitstellung von Arbeitskräften eingeführt hatte, verfügte der Judenrat selbst schon bald über zahlreiche Beschäftigte (vgl. Jäckel, Longerich, Schöps, Enzyklopädie des Holocaust, April 1995, S. 1535: Warschau) und es würde gerade ab Sommer 1941 eine Ghettowirtschaft aufgebaut, in der 65.000 Personen eine Arbeit hatten, wovon 55.000 Lohnempfänger waren, der Rest war selbständig (Jäckel, Longerich, Schöps, a.a.O., S. 1536). Auch dies ist für die Kammer ein ausreichendes Indiz dafür, dass die gute Möglichkeit für den Kläger bestand, Reinigungsarbeiten in Büros durchzuführen.
Im übrigen unterscheidet die Beklagte nach Überzeugung der Kammer nicht hinreichen zwischen Straßenreinigungs- und Aufräumarbeiten und den vom Kläger angegebenen Reinigungsarbeiten in Büros. Selbst wenn man – entgegen der Ausführungen von Herrn Prof. Dr. G. auf S. 12 seines Gutachtens – davon ausginge, dass es bestimmte Arbeiten gab, zu denen sich keiner der Ghettoinsassen aus eigenem Willensentschluss meldete, so sind hiervon nicht die Reinigungsarbeiten in Büros betroffen. Selbst für die Straßenreinigungsarbeiten führt Prof. Dr. G. jedoch aus, "dass Reinigungsarbeiten als nicht erstrebenswert angesehen werden, entspringt einem bürgerlichen Reinheitsdenken, das nicht berücksichtigt, dass in der ‚Dritten Welt‘ zwischen Brasilien und Ägypten der berufsbezogene Umgang mit Müll durchaus freiwillig und lebenserhaltend sein kann. Für nicht ausgebildete und nicht verbürgerlichte Juden, die aus den recht armseligen Kleinstädten Polens kamen und auch dort niedere und körperliche Arbeiten verrichten hatten, bedeutete eine derartige Tätigkeit die Existenzmöglichkeit (auch noch in der privilegierten Stelle eines Angestellten der Judenratsverwaltung) ohne sich umschulen lassen zu müssen. Im übrigen war man mit Unrat und Leichen auch sonst im Ghetto stets konfrontiert. Eine Unfreiwilligkeit ist daher m.E. nicht von vornherein anzunehmen"(Gutachten vom 9.9.2005, S. 12, 13). Der Kläger kam von außerhalb Warschaus aus einem Versteck ins Ghetto, war gerade 15 Jahre alt und hatte keinerlei verwertbare Vorkenntnisse oder Ausbildung, so dass die Übernahme von Reinigungsarbeiten in Büros für ihn eine gute Möglichkeit der Existenzsicherung darstellte.
Der Kläger hat seine Beschäftigung der Büroreinigung auch gegen Entgelt ausgeübt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b ZRBG). Zwar hat der Kläger an keiner Stelle Angaben zur Höhe eines Entgeltes gemacht, vielmehr hat er angeben, Gutscheine zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausgegeben vom Judenrat erhalten zu haben. Dies allein wäre für die Kammer nicht überzeugend, um glaubhaft zu machen, dass eine entgeltliche Beschäftigung im Sinne des ZRBG vorgelegen hat, denn bei den auf Gutschein zu beziehenden Lebensmitteln konnte es sich auch um die offiziell Zuteilungen handeln, die gerade ausreichten, um nicht am Hungertod zu sterben (Reich-Ranicki, a.a.O., S. 209). Dennoch gibt es ausreichend Hinweise, dass neben den offiziellen Lebensmittelrationen auch Geld gezahlt wurde bzw. diejenigen, die in den Betrieben tätig waren, ein Anrecht auf Sonderzuteilungen hatten, ja sogar für Arbeiten im Rahmen der Arbeitspflicht Geld gezahlt wurde. So führt Herr Prof. Dr. G. aus, "in den meisten Fällen ging es in den ordentlich operierenden Betrieben um eine Abwicklung über Geld, also die Zuteilung von Lohn, der dann für Lebensmittel teilweisen wieder eingezogen wurde"(Gutachten vom 9.9.2005, S. 14). "Darüber hinaus hatten diejenigen, die in den Betrieben tätig waren, Anrecht auf Sonderzuteilungen, die von der Art der Betriebe abhängig war. Normalerweise hatten die Warschauer Ghettobewohner ein Anrecht auf maximal 2,5 kg Brot monatlich. Im Frühjahr 1942 verfügte der (deutsche) Kommissar des jüdischen Wohnbezirks H. A. folgende Sonderzuteilungen: - Beschäftigte in Betrieben des Rüstungskommandos 4 kg zusätzlich - Beschäftigte in arischen Betrieben des Ghettos 4 kg zusätzlich - Beschäftigte in Betrieben, die für die Ausfuhr aus dem Ghetto produzierten, 2, 6 kg zusätzlich - Arbeiter und Angestellte der Selbstverwaltung 4 kg zusätzlich - Beschäftigte in "nützlichen Betrieben" 4 kg zusätzlich - "nützlich arbeitenden Personen (Handwerker, Ärzte) 4 kg zusätzlich - Funktionäre des Ordnungsdienstes (J. Polizei) 10 kg zusätzlich"
(Gutachten vom 9.9.2005, S. 14, 15). Selbst die Arbeiter, die den Deutschen in festen Quoten vom Judenrat zur Verfügung gestellt worden, wurden ebenfalls gegen Entgelt tätig, denn "nach dieser Vereinbarung wurden jedem Juden eine bestimmte Anzahl von Tagen pro Monat für Zwangsarbeiten zugewiesen. Die Folge war eine chronische Finanznot des Judenrates, da ihm die zur Lohnzahlung der Zwangsarbeiter nötigen Geldmittel fehlten" (Jäckel, Longerich, Schöps, a.a.O., S. 1530). Dies bestätigt auch Herr Prof. Dr. G., wenn er ausführt, "diese Arbeiter wurden vom Judenrat (manchmal mit großem Verzug) bezahlt, der eine Arbeiterkartei führte und versuchte, den Arbeitszwang gleichmäßig zu verteilen" (Gutachten vom 9.9.2005, S. 5). Damit ist es für die Kammer glaubhaft gemacht, dass der Kläger seine Reinigungsarbeiten von Büros auch gegen ein Entgelt verrichtete und es sich nicht um eine Beschäftigung handelt, die nur gegen Kost (und Logis) verrichtet wurde und damit zumindest nach den damaligen Bestimmungen, der im Generalgouvernement nicht anwendbaren Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungsfrei war.
Selbst wenn man zuungunsten des Klägers davon ausginge, dass die Behauptung des Erhalts von Gutscheinen zur Beschaffung von Lebensmitteln nicht geeignet ist, ein Entgelt im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 b) ZRBG als glaubhaft zu machen, ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zumindest einen Entgeltanspruch hatte. Dieser ergibt sich aus dem damals geltenden Recht, wonach für die jüdischen Arbeitskräfte ein gesetzlicher Lohnanspruch bestand (vgl. Neunte Durchführungsverordnung zur Verordnung vom 31.10.1939 über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und den Arbeitsschutz im Generalgouvernement vom 15.12.1941, VOBIGG 1942 S. 2).
In einer Anordnung des Generalgouverneurs Frank für die besetzten polnischen Gebiete an die Leiter der Abteilung Arbeit bei den Chefs der Distrikte und Leiter der Arbeitsämter im Bereich des Generalgouvernements vom 5.7.1940 zum Arbeitseinsatz der jüdischen Bevölkerung heißt es schon im Juli 1940 unter II. Arbeitseinsatz: "Zweck des Arbeitseinsatzes der Juden ist, wie schon erwähnt, zur Behebung des Mangels an Arbeitskräften im Generalgouvernement beizutragen. Die Beschäftigung von Juden soll grundsätzlich auf der Grundlage der Verordnung vom 26.10.1939 und der Durchführungsvorschrift vom 12.12.1939 erfolgen. Dabei ist jedoch in allen geeigneten Fällen der Versuch der Beschäftigung der Juden in einem freien Arbeitsverhältnis zu unternehmen. Die Beschäftigung der Juden hat zweierlei zum Ziel: 1) die bestmögliche Ausnutzung ihrer Arbeitskraft im Allgemeininteresse und 2) die Sicherung des eigenen und des Lebensunterhaltes der Familie. Demgemäß kann sich der Arbeitseinsatz der Juden in zwei Formen vollziehen: a) durch Beschäftigung der nicht zur Zwangsarbeit aufgerufenen Juden im freien Arbeitsverhältnis; die Arbeitsbedingungen sind in einer besonderen Tarifordnung im einzelnen noch festzulegen (s. Ziffer IV); b) durch die Einberufung von Juden zur Zwangsarbeit auf Grund der Verordnung vom 26.10.1939, die eine Entlohnung nicht vorsieht. Die Form zu b) kommt im allgemeinen nur Frage bei grösseren Projekten, bei denen eine grosse Anzahl von Zwangsarbeitern beschäftigt, lagermässig untergebracht und bewacht werden kann." Weiter heißt es unter IV. Entlohnung: "Bisher fand eine regelrechte Entlohnung der jüdischen Arbeitskräfte meist nicht statt. Man überließ dies vielmehr den Judenräten. Inzwischen sind jedoch langsam die Geldreserven der Judenräte erschöpft. Um die Arbeitsfähigkeit der Juden zu erhalten, den nötigen Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen und Krankheiten und Seuchen zu vermeiden, muss mit diesem bisherigen Grundsatz gebrochen und eine ordnungsgemäße Entlohnung gefordert werden. Bei der lagermässigen Unterbringung der zu Zwangsarbeiten einberufenen Juden, findet, wie schon erwähnt, keine Entlohnung, sondern nur eine Gewährung von Leistungsprämien als Anreiz zur Leistungssteigerung, die der Träger der Arbeit im Einvernehmen mit dem Arbeitsamt zu bestimmen hat, statt ..." und weiter wird ausgeführt: "Bei den nicht zur Zwangsarbeit einberufenen, sondern vermittelten Arbeitskräften hat eine ordnungsgemäße Entlohnung auf Grund der noch zu erlassenden Tarifordnung zu erfolgen. Um den Träger der Arbeit einen Anreiz zur Beschäftigung von Juden zu geben, soll die Beschäftigung im allgemeinen auf Akkordbasis erfolgen, wobei der Leistungslohn für Juden etwa 20% unter dem gleichen Lohn für polnische Arbeitskräfte liegt. Falls eine Beschäftigung auf Akkordbasis nicht möglich ist, ist der Stundenlohn nach einer Tarifordnung für polnische Arbeitskräfte – vermindert um 20% zu gewähren. Einzelheiten werden in der in Kürze zu erlassenden Tarifordnung festgelegt. Jedoch kann hiernach schon jetzt verfahren werden. In diesen Fällen ist außerdem zu prüfen, ob der Lohn unmittelbar an den empfangsberechtigten Juden oder an den Judenrat, dem die soziale Betreuung der Juden und ihrer Familien aus Mitteln der Judengemeinde in erster Linie obliegt, zu zahlen ist. Die vermittelten jüdischen Arbeitskräfte sind von den Betriebsführern selbstverständlich zur Sozialversicherung anzumelden." Da es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Kläger nicht zur Zwangsarbeit einberufen war, er war auch nicht lagermäßig untergebracht und auch nicht bei einem größeren Projekt eingesetzt, hatte er einen Lohnanspruch, der 80% des Lohnanspruchs polnischer Arbeitskräfte betrug. Dies reicht aus, um das Tatbestandsmerkmal "gegen Entgelt ausgeübt" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b ZRBG zu erfüllen. Dem steht nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7.10.2004 (Az. B 13 RJ 59/03 R, veröffentlicht unter www.juris.de) entgegen, denn in dieser Entscheidung sind keine Feststellungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen als Tatsacheninstanz zu der Anordnung des Generalgouverneurs Frank für die besetzten polnischen Gebiete an die Leiter der Abteilung Arbeit bei den Chefs der Distrikte und Leiter der Arbeitsämter im Bereich des Generalgouvernements vom 5.7.1940 zum Arbeitseinsatz der jüdischen Bevölkerung getroffen. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass diese Anordnung bei der Entscheidung vom 7.10.2004 nicht bekannt war. Im übrigen ist es auch außerhalb der Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen mit einem zwangsweisen Aufenthalt im Ghetto für die Entstehung rentenrechtlicher Zeiten nicht zwingend notwendig, dass tatsächlich ein Entgelt gezahlt worden ist, so reicht es z.B. bei verlorenen oder untergegangen Versicherungsunterlagen aus, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und hiervon Beiträge zur Rentenversicherung einbehalten worden sind (§ 203 Abs. 2 SGB VI bzw. § 1423 Reichsversicherungsordnung, RVO). Schon in der Anordnung vom 5.7.1940 heißt es, dass "die vermittelten jüdischen Arbeitskräfte sind von den Betriebsführern selbstverständlich zur Sozialversicherung anzumelden". Auch damit wird deutlich, dass zumindest auch für die Beschäftigung von jüdischen Arbeitskräften Beiträge zur Sozialversicherung erhoben werden sollten, selbst wenn beabsichtigt war, ihnen später die Leistungen vorzuenthalten.
Die vom Kläger im Ghetto Warschau zurückgelegte Zeit der Beschäftigung von Februar 1941 bis September 1942, für die Beiträge nach § 2 Abs. 1 ZRBG als gezahlt gelten, ist auch auf die Wartezeit als Beitragszeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI anrechenbar, insbesondere scheidet eine solche Anrechnung nicht schon deshalb aus, weil der Kläger nicht zum deutschen Sprach- und Kulturkreis gehört. Eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis ist nicht Tatbestandsmerkmal des ZRBG (so aber Landessozialgericht, LSG, Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 13.01.2006, L 4 RJ 113/04 und LSG Hamburg, Urteil vom 15.12.2005 zum Az. L 6 RJ 24/03, das in seinen Gründen auch auf die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.1.2006 verweist). Dies ergibt zunächst die Auslegung des ZRBG anhand des Wortlauts. In § 2 Abs. 1 ZRBG wird festgelegt, dass Zeiten, die Verfolgte in Ghettos zurückgelegt haben und die den Anforderungen nach § 1 ZRBG entsprechen, als Beitragszeiten gelten. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Ebenfalls spricht für diese Auslegung der Wortlaut des § 2 Abs. 1 ZRBG, in dem im Wege einer Legaldefinition eine Ghetto-Beitragszeit definiert wird, für die Beiträge als gezahlt gelten. Wenn jedoch das ZRBG in § 2 Abs. 1 Ziffer 1 festlegt, dass für solche Zeiten Beiträge als "Beiträge nach der Reichsversicherungsordnung" als gezahlt gelten, kommt es weder auf die Anwendbarkeit des Fremdrentengesetzes (FRG) oder des WGSVG an, um rentenrechtliche Zeiten begründen zu können. Ähnlich ist die Regelung im ZRBG für die Frage der Zahlbarmachung. Die Voraussetzungen des § 21 WGSVG müssen nicht erfüllt sein. Ghetto-Beitragszeiten gelten ohne Nachentrichtungsnotwendigkeit als Bundesgebietszeiten (§ 1 Abs. 1 Ziffer 2 ZRBG). Das anhand der Auslegung nach dem Wortlaut gewonnene Ergebnis wird gestützt durch das Ergebnis der systematischen Auslegung. In § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ist geregelt, dass auch solche Zeiten auf die Wartezeit anrechenbar sind, für die Beiträge als gezahlt gelten. Ferner sprechen für eine durch das ZRBG geschaffene eigenständige Beitragszeit, die zu den bis zum Erlass des ZRBG nach SGB VI bzw. RVO, WGSVG und FRG vorhandenen Möglichkeiten von Beitragszeiten für Verfolgte hinzutritt, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine solche Zeit nach § 1 ZRBG, insbesondere das Erfordernis einer entgeltlichen Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss. Die Benennung dieser, den früheren Regelungen zwar ähnlichen, mit ihnen aber nicht identischen Voraussetzungen im ZRBG wäre nicht erforderlich gewesen, wenn lediglich, wie die Überschrift des Gesetzes unvollständig ausdrückt, mit dem ZRBG bereits bestehende Rentenansprüche ins Ausland zahlbar gemacht werden sollten. Denn dann hätte die Qualifikation einer Beschäftigung in einem Ghetto nach den bis zum Erlass des ZRBG geltenden Regeln, nämlich einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der Vorschriften der RVO und des SGB VI mit den Besonderheiten des FRG und des WGSVG ausgereicht. Es hätte lediglich der Regelungen in § 2 Abs. 1 ZRBG für die Zahlbarmachung ins Ausland bedurft. Dasselbe Ergebnis zeigt sich, wenn man § 1 Abs.1 Satz 1 Ziffer 2 des ZRBG betrachtet, wonach Beschäftigungszeiten in Ghettos in vom Deutschen Reich besetzten Gebieten ebenso behandelt werden wie Zeiten in eingegliederten Gebieten, was nach dem vor Inkrafttreten des ZRBG geltenden Rentenrechts gerade nicht der Fall war. In den eingegliederten Gebieten z.B. Oberschlesien, in denen grundsätzlich Versicherungspflicht nach der RVO (mit bestimmten als nationalsozialistisches Unrecht zu kennzeichnenden Ausnahmen für die jüdische Bevölkerung) bestand, bedurfte es für die Anrechenbarkeit der Zeit in der deutschen Rentenversicherung regelmäßig keiner Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (auch BSG, Urteil vom 20.7.2005, Az: B 13 RJ 37/04 R, veröffentlicht unter www.juris.de, spricht davon, dass in dieser Norm die Anspruchsberechtigung "örtlich ausgeweitet" wird). In den besetzten Gebieten wie dem Generalgouvernement, zu dem auch Warschau gehörte, wo solche Zeiten nur im Rahmen des FRG anrechenbar sein konnten, bedurfte es dagegen zusätzlich zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen einer dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung einer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis. Dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem ZRBG jedoch beide Gebiete gleichgestellt hat, ergibt sich schon aus der Systematik, dass der deutsche Sprach- und Kulturkreis kein weiteres, den Kreis der Anspruchsberechtigten einschränkendes Tatbestandsmerkmal ist. Ebenfalls für die hier vertretene Rechtsauffassung spricht die teleologische Auslegung des ZRBG, denn Sinn und Zweck des ZRBG war es, rentenrechtliches Neuland zu betreten. Dazu führt der Gesetzgeber im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung (Bundestags- Drucksache 14/8583) aus: "Mit diesem Gesetz wird daher zugunsten von Verfolgten, die alle bereits das für die Regelaltersrente geltende Alter von 65 Jahren – teils erheblich- überschritten haben, im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Neuland betreten, wobei von bestimmten Grundsätzen sowohl im Bereich der Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten als auch der Erbringung von Leistungen ins Ausland abgewichen wird." Hieraus ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber nicht nur, wie die Gesetzesüberschrift nahe legen könnte, die Regelungen des allgemeinen Auslandsrentenrechts zur Zahlbarmachung von Ansprüchen ins Ausland ergänzen, sondern auch im Bereich der Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten "Neuland betreten" wollte. Nur wenn eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis nicht verlangt wird, wird im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung tatsächlich Neuland betreten, weil der Kreis der Anspruchsberechtigten größer wird. Auch das LSG Nordrhein-Westfalen erwägt die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber mit dem ZRBG einen neuen Beitragszeittatbestand schaffen wollte, hält sie jedoch nicht für durchschlagend wegen des Verweises in § 1 Abs. 2 ZRBG auf eine Ergänzung der Vorschriften des WGSVG, das auf Schadensausgleich in der Sozialversicherung ausgerichtet sei. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung zum ZRBG, dass bei der Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten von bestimmten Grundsätzen des Rentenrechts abgewichen werde, ist jedoch so eindeutig, dass ein anderer Wille des Gesetzgebers als die Schaffung eines neuen Beitragszeittatbestandes nicht erkennbar ist. Hierfür spricht der im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung zum ZRBG enthaltene Hinweis, dass auch eine Lösung dafür für nötig gehalten worden sei, dass Ansprüche aus Beschäftigungszeiten im Sinne von § 16 FRG nie ins Ausland gezahlt werden konnten. Auch insoweit ergibt sich die vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Änderung durch das ZRBG nur, wenn wie hier angenommen wird, dass auch für Zeiten, die nach früherem Recht keine Versicherungspflicht begründen würden (auch nicht mit Hilfe des deutschen Sprach- und Kulturkreises) durch das ZRBG neue Beitragszeittatbestände geschaffen wurden. Das Ergebnis wird weiter gestützt durch die Ausführungen des Gesetzgebers im Besonderen Teil der Begründung zu Artikel 1 Abs. 2 des ZRBG, nämlich zu den Folgen der Anwendbarkeit des WGSVG. Dort heißt es: "Bedeutung hat dies insbesondere für die dort zum Leistungsrecht getroffenen Regelungen über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Berücksichtigung von Anrechnungszeiten, die besondere Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten und die Bewertung von Verfolgungsersatzzeiten für pflichtversicherte Verfolgte. Weiterer ergänzender Regelungen bedarf es nicht, zumal die allgemein geltenden Vorschriften des Rentenrechts im SGB VI, insbesondere auch diejenigen über die Ermittlung von Entgeltpunkten (z. B. § 256 b SGB VI) Anwendung finden. Die übrigen Regelungen des rentenrechtlichen Teils des WGSVG über die Nachzahlung von Beiträgen und deren Berücksichtigung im Rahmen des Leistungsrechts brauchen wegen der in § 2 Abs. 1 für die Erbringung von Leistungen ins Ausland fiktiv angenommenen Gleichstellung von Ghetto- Beitragszeiten mit Bundesgebiets- Beitragszeiten nicht angewendet zu werden." Es ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber einerseits in der Gesetzesbegründung zum ZRBG sehr detaillierte Ausführungen über einzelne Folgen der Regelung zur Geltung des WGSVG z. B. für Kindererziehungszeiten macht, jedoch eine so gravierende und für einen Großteil der Verfolgten anspruchssausschließende Folge nicht benennen würde, wie dies die Notwendigkeit der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis wäre. Zum selben Ergebnis führt die Auswertung des "Berichts zur Umsetzung des ZRBG" vom 15.02.2005 des für den damaligen Gesetzesentwurf zuständigen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Dort ist auf Seite 7 ausdrücklich ausgeführt: "Aufgabe des ZRBG ist die Schließung einer letzten, im Zusammenhang mit dem Urteil des BSG aus dem Jahre 1997 entstandenen Lücke im Regelungskomplex der Ausgleichs- und Rentenleistungen an Verfolgte des Nationalsozialismus. Nachdem mit dem WGSVG und dem FRG für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Regelungen getroffen worden sind, die bei den Betroffenen die verfolgungsbedingt entstandenen Lücken in ihrer Versicherungsbiographie geschlossen haben, und nachdem mit dem Stiftungsgesetz Zwangsarbeitern Entschädigungen für erlittene Zwangsarbeit gewährt wurden, verfolgt das ZRBG zwei Ziele: Die Anerkennung von Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in einem Ghetto im sozialversicherungsrechtlichen Sinne unabhängig davon, ob der Verfolgte zum Personenkreis des FRG oder des Deutschen Sprach- und Kulturkreises(DSK) gehört (§ 1 und 17 a FRG, 20 WGSVG) und die Zahlung daraus resultierender Renten auch ins Ausland". Ebenso eindeutig wird dies von den Rentenversicherungsträgern so gesehen, siehe die "Dienstanweisung zum ZRBG der Deutsche Rentenversicherung Bund vom 4.11.2005, Punkt 2" und "Gemeinsame Arbeitsanweisungen LVA Freie und Hansestadt Hamburg EL N 22 – August 2004 zum ZRBG, R 3.2, Seite 6", wo es heißt: "Im Unterschied zur bisherigen Feststellung von Beitragszeiten von Verfolgten in den eingegliederten und besetzten Gebieten nach der BSG-Rechtsprechung ist nach dem ZRBG einer Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten unabhängig davon möglich, welches Sozialversicherungsrecht (deutsches Recht oder weiter geltendes Recht des Aufenthaltsstaates) in dem betroffenen Gebiet seinerzeit galt, ob die Beschäftigung nach dem in dem jeweiligen Gebiet geltenden Recht zur Versicherungspflicht geführt hätte und ob gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des FRG (z. B. Personenkreis §§ 1,17a FRG oder Beitragsübergang nach § 17 Abs. 1 Buchstabe b FRG a.F.) erfüllt sind. Das ZRBG reduziert die Anerkennungsvoraussetzungen auf das Grundelement der "frei gewählten" Beschäftigung gegen Entgelt." Einziger Ausschlußgrund für Leistungen nach dem ZRBG wäre, wenn für die hier in Streit stehenden Zeiten bereits eine Leistung aus einem anderen System der sozialen Sicherheit erbracht würde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger bezieht für diese Zeit nicht bereits eine Leistung aus einem anderen System der sozialen Sicherung. Dies sind nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 14/8583) zu § 1 Abs.1 Satz 2 ZRBG ausländische soziale Sicherungssysteme, insbesondere Rentenversicherungen im Herkunfts- bzw. Wohnlandes des Verfolgten. Hier sind keinerlei Gesichtspunkte erkennbar, dass der Kläger aus Polen oder den USA entsprechende Leistungen für dieselben Verfolgungszeiten erhält. Auch die Zahlungen, die ein Kläger über die Claims Conference erhält, stellen keine solchen Leistungen dar. Die Ausschlußregelung des § 16 Abs. 3 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (EVZStiftG) erfasst nicht weitergehende Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen gegen die öffentliche Hand, wozu auch bereits bestehende und zukünftige Wiedergutmachungsregelungen der Sozialversicherung gehören (vgl. Urteil des BSG vom 22.3.2006, Az. B 12 RJ 1/05 R, www.juris.de). Im übrigen hat der Gesetzgeber das am 20.6.2002 in Kraft getretene ZRBG in Ergänzung zu dem am 12.8.2000 in Kraft getretenem EVZStiftG, also auch in Kenntnis der über das EVZStiftG geschaffenen Regelungen zur Entschädigung von Zwangsarbeitern, geschaffen, worauf auch im Bericht zur Umsetzung des ZRBG (S.7) hingewiesen wird. Ein Anspruchsausschluß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG bei Leistungen nach dem EVZStiftG kommt deshalb auch von daher nicht in Betracht.
Neben der Ghettobeitragszeit sind auf die allgemeine Wartezeit auch verfolgungsbedingte Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI anzurechnen. Gem. § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sind Ersatzzeiten u.a. Zeiten vor dem 01.01.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und in denen Versicherte, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und Verfolgte im Sinne des § 1 BEG sind, in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 BEG). Der Kläger ist Versicherter im Sinne dieser Norm wegen der von ihm zurückgelegten Beitragszeiten für eine Beschäftigung im Ghetto Warschau.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 2 BEG hat der Verfolgte Anspruch auf Entschädigung, wenn ihm in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 08. Mai 1945 die Freiheit entzogen worden ist, wobei gemäß § 43 Abs. 2 BEG Freiheitsentziehung im Sinne dieser Vorschrift insbesondere polizeiliche oder militärische Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslagerhaft und Zwangsaufenthalt in einem Ghetto sind. Nach § 43 Abs. 3 BEG ist der Freiheitsentziehung das Leben unter haftähnlichen Bedingungen, Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen und Zugehörigkeit zu einer Straf- oder Bewährungseinheit der Wehrmacht gleichgestellt. Gem. § 47 Abs. 1 BEG hat der Verfolgte Anspruch auf Entschädigung, wenn er in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 08. Mai 1945 den Judenstern getragen oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität gelebt hat.
Die Zeiten vom 1.10.1939 bis Februar 1941 und ab September 1941 sind als Zeiten nach § 43 BEG anzusehen, weil der Kläger in jener Zeit den Judenstern tragen und versteckt bis Januar 1945 leben musste, so dass der Kläger auch ohne die bisher nicht geklärten amerikanischen Versicherungszeiten, die aufgrund des DASVA zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit heranzuziehen sind, wenn mindestens 18 Monate deutscher Versicherungszeiten vorliegen, die allgemeine Wartezeit allein nach deutschem Rentenversicherungsrecht erfüllt ist.
Der Kläger hat nach alledem Anspruch auf eine Regelaltersrente. Da der Antrag am 2.5.2003 bei der Beklagten gestellt worden ist, findet § 3 Abs. 1 ZRBG Anwendung, so dass eine rückwirkende Zahlung ab 1.7.1997 vorzunehmen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz. Die Entscheidung ergeht für den Kläger gerichtskostenfrei.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Altersrente unter Berücksichtigung einer Beschäftigung im Ghetto Warschau.
Der am XX.X.1926 in M./Polen geborene Kläger lebt seit 1970 in den USA und ist amerikanischer Staatsangehörigkeit. Er erhält Leistungen von der Claims Conference nach dem Art. 2 Fond.
Am 2.5.2003 beantragte er bei der Beklagten Altersrente. Er gab an, von Februar 1941 bis September 1942 auf Anraten und unter Vermittlung des Judenrats im Ghetto Warschau Reinigungsarbeiten in Büros verrichtet zu haben. Er habe vom Judenrat Gutscheine zur Bestreitung des Lebensunterhaltes erhalten. Der Kläger legte eine Erklärung des Jüdisch Historischen Instituts in Warschau vom 7.8.1998 über seinen Aufenthalt im Ghetto von Februar 1941 bis September 1942 vor. In der Bescheinigung war angegeben, er gehöre zur Kategorie der am Schlimmsten betroffenen, der Kinder des Holocaust. Die Beklagte zog die Unterlagen des Klägers von der Claims Conference bei. Dort hatte der Kläger u. a. angegeben, von Oktober 1942 bis Mai 1943 im Ghetto Warschau gewesen zu sein. In seiner eigenen Schilderung gibt er an, dass er von zwei polnischen Polizisten, nachdem er in seinem Versteck entdeckt worden sei, nach Warschau ins Ghetto gebracht worden sei. Im Mai 1943 habe man ihm geholfen, aus dem Ghetto auf die arische Seite zu wechseln. Von da an habe er wieder versteckt gelebt. Mit Bescheid vom 16.9.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Wartezeit sei nicht erfüllt, weil die Zeit von Februar 1941 bis September 1942 (Mai 1943) nicht als Zeit einer Beschäftigung im Ghetto anerkannt werden könne. Es sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass es sich um eine entgeltliche Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gehandelt habe. Mit seinem am 27.10.2003 eingelegten Widerspruch machte der Kläger unter Hinweis auf seine Erklärung vom 5.8.2003 geltend, der Judenrat habe empfohlen, dass jeder arbeiten sollte, um nicht selektiert oder deportiert zu werden. Er sei aus eigenem freiem Willen gegangen, um Büros zu reinigen. Es sei eine harte Arbeit gewesen, die er zehn bis zwölf Stunden am Tag verrichtet habe. Er habe Coupons vom Judenrat als Bezahlung erhalten, so dass er Brot und andere Lebensmittel hätte kaufen können. Bei der Claims Conference habe er nur äußerst knappe Angaben machen müssen, da es auf seine Arbeit im Ghetto dort nicht angekommen sei. Er habe auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass er entlohnt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.5.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, der Kläger habe im Ghetto Warschau Zwangsarbeit verrichtet. Es handele sich nicht um eine Arbeit im Sinne des ZRBG. Bei den angegebenen Reinigungsarbeiten handele es sich nicht um eine freiwillig aufgenommene entgeltliche Beschäftigung.
Mit seiner am 31.6.2004 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seine Rentenbegehren weiter. Zur Begründung führte er aus, es habe zwar eine generelle Arbeitsverpflichtung im Generalgouvernement bestanden, aber nicht alle Arbeit sei Zwangsarbeit gewesen. Er habe seine Verfolgteneigenschaft und seine Inhaftierung im Ghetto Warschau nachgewiesen. Er habe jedoch eine freiwillige Beschäftigung unter dem Druck der damaligen Verhältnisse ausgeübt. Deren Entlohnung habe er glaubhaft gemacht.
Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 16.9.2003 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Altersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung einer Beschäftigung im Ghetto Warschau von Februar 1941 bis September 1942 und Ersatzzeiten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und den Inhalt ihrer Verwaltungsakte.
Das Gericht hat zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts die Unterlagen der Claims Conference in Kopie beigezogen. Den Beteiligten liegt auch das vom Sozialgericht Hamburg in verschiedenen Verfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. G. vom 9.9.2005 zu den Verhältnissen im Generalgouvernement, insbesondere in Warschau vor. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 22.8.2006 zum Aktenzeichen S 20 RJ 1264/03 vor dem Sozialgericht Hamburg ist den Beteiligten die partielle Übersetzung aus dem Polnischen der Anlage zum Gutachten von Prof. Dr. G. überreicht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte der Kammer und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat es die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt, dem Kläger eine Altersrente zu gewähren. Die Bescheide waren deshalb aufzuheben. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung einer Altersrente.
Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. das 65. Lebensjahr vollendet und 2. die Wartezeit erfüllt haben (§ 35 Sozialgesetzbuch, 6.Buch, SGB VI).
Der Kläger hat das 65. Lebensjahr vollendet und er erfüllt auch die Wartezeit. Auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und auch Ersatzzeiten angerechnet (§§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 SGB VI). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Solche Beitragszeiten liegen beim Kläger nicht vor. Pflichtbeitragszeiten sind aber auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Solche Zeiten liegen beim Kläger vor, denn beim ihm liegen Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, für die Beiträge als gezahlt gelten, vor.
Für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto gelten Beiträge als gezahlt und zwar 1. für die Berechnung der Rente als Beiträge nach den Reichsversicherungsgesetzen für eine Beschäftigung außerhalb des Bundesgebietes sowie 2. für die Erbringung von Leistungen ins Ausland als Beiträge für eine Beschäftigung im Bundesgebiet (Ghetto-Beitragszeiten; § 2 Abs.1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 20.6.2002, BGBl I, S. 2074, im Folgenden: ZRBG).
Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto sind gegeben, wenn sich diese dort zwangsweise aufgehalten haben und wenn
1. die Beschäftigung a) aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, b) gegen Entgelt ausgeübt wurde, 2. das Ghetto sich einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG).
Dem Kläger ist es gelungen, glaubhaft zu machen, dass er sich in einem Ghetto, das sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt war, aufgehalten und eine Beschäftigung aus eignem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt hat. Für die Feststellung der nach dem ZRBG maßgeblichen Tatsachen ist deren Glaubhaftmachung ausreichend (§ 1 Abs. 2 ZRBG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung, WGSVG). Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies liegt dann vor, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass der behauptete Vorgang sich so zugetragen hat, wie der Versicherte dies geltend macht (vgl. z.B. Urteil des Bundessozialgerichts, BSG, vom 3.2.1999, Az. B 9 V 33/97 R mit weiteren Nachweisen). Diese gute Möglichkeit besteht unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, auch gegenüber der Claims Conference und der historischen Erkenntnisse, sofern der Kläger die Beschäftigung auf die Zeit von Februar 1941 bis September 1942 beschränkt, so wie es im Rentenantrag geltend gemacht wurde.
Das Ghetto in Warschau ist im November 1940 eingerichtet und am 16.11.1940 geschlossen worden. Der Kläger selbst hat angegeben, erst im Februar 1941 ins Ghetto nach Warschau gekommen zu sein, nachdem er zunächst in einem Versteck gelebt hatte. Nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Claims Conference ist es ihm im Mai 1943, also als das Ghetto Warschau liquidiert wurde, gelungen auf die arische Seite zu wechseln. Ob es bis zu diesem Zeitpunkt für den Kläger noch möglich war, eine Beschäftigung im Sinne des ZRBG auszuüben, kann dahinstehen, denn er selbst macht lediglich geltend, bis September 1942 beschäftigt gewesen zu sein.
Für die Kammer ist es nach dem Ergebnis der Ermittlungen glaubhaft, dass der Kläger in der Zeit von Februar 1941 bis September 1942 aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt eine Beschäftigung ausgeübt hat(§ 1 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 ZRBG). Es lag in dieser Zeit keine Zwangsarbeit im Sinne von einer obrigkeitlichen Zuweisung der Arbeit vor. Vielmehr ist der Kläger bei den von ihm angegebenen Reinigungsarbeiten in Büros im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG tätig gewesen.
Zwangsarbeit ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem / hoheitlichem bzw. gesetzlichem Zwang, z.B. als Straf- oder Kriegsgefangener. Typischerweise werden dabei die Zwangsarbeiter bestimmten Unternehmen oder auch staatlichen Projekten zugewiesen, ohne dass die Arbeiter selbst Einfluss auf die Zuweisung haben. Ein Entgelt für die individuell geleistete Arbeit wird nicht oder nur in sehr geringem Maße an die Arbeiter ausgezahlt. Die Arbeit wird unter Bewachung geleistet, um zu verhindern, dass sich die Arbeiter aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts, BSG, vom 10.12.1974, Az. 4 RJ 379/73, BSGE 38, 245). Abzugrenzen ist die vom Kläger verrichteten Reinigungsarbeiten von Büros zum einen hinsichtlich des durch die Verordnung über die Einführung des Arbeitszwanges für die jüdische Bevölkerung des Generalgouvernements vom 26.10.1939 bestehenden Arbeitszwanges. Zum anderen ist eine Abgrenzung vorzunehmen zu dem angeordneten zwangsweisen Aufenthalt im Ghetto.
Bereits in seiner Entscheidung vom 14.7.1999 (Az. B 13 RJ 71/98) hat das BSG deutlich gemacht, dass auch unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, nicht davon auszugehen ist, dass die Gesamtheit aller Arbeitsverhältnisse derart hoheitlich bzw. obrigkeitlich überlagert gewesen sei, dass sie den Charakter von Zwangsarbeit angenommen hätten. Hiervon ist auch der Gesetzgeber des ZRBG ausgegangen, sonst liefe der Anwendungsbereich des ZRBG leer. Auch in den von Arbeitszwang nach der Verordnung vom 26.10.1939 und weiteren Einschränkungen der jüdischen Bevölkerung gekennzeichneten besetzten Gebieten waren Beschäftigungsverhältnisse aus eigenem Willensentschluss möglich. Unter Berücksichtigung des Gutachtens von Herrn Prof. G. vom 9.9.2005 und anderer historischer Quellen ist es sogar überwiegend wahrscheinlich, dass trotz des Arbeitszwanges und auch neben diesem im Generalgouvernement noch andere Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des ZRBG existierten. Nach der Anordnung des Amtes des Generalgouveneurs für die besetzten polnischen Gebiete vom 5.7.1940, auf die später noch ausführlich eingegangen wird, sollte "in allen geeigneten Fällen zunächst der Versuch der Beschäftigung der Juden in freien Arbeitsverhältnissen" unternommen werden. Dass sogar neben einem freien Beschäftigungsverhältnis auch noch dem Arbeitszwang nachgekommen werden konnte, ergibt sich auch aus dem Gutachten von Prof. G ... Dieser beschreibt für Lemberg (Lwow), wo die Arbeitspflicht nur einen Tag in der Woche betrug, dass im Laufe der Zeit sowohl militärische als auch zivile deutsche Objekte und Unternehmen jüdische Facharbeiter anforderten. Die Arbeit für die Deutschen sei für die Juden angenehm gewesen, weil die deutschen Arbeitgeber mit Geld bezahlt hätten (vgl. Gutachten S.5). Prof. G. zitiert in seinem Gutachten aus einem anonymen Tagebuch, wo es heißt: "die Beschäftigten, die formal Arbeitenden, das war eine priviligierte Kaste ... Jeder, der offen und legal arbeitete, mit einem entsprechenden Ausweis und auf eine Weise, wie sie durch die neue Ordnung verfügt wurde, war einer der Auserwählten, der Gesicherten, der Gedeckten, der Menschen, die einen Ort gefunden hatten" (vgl. Gutachten S.11, Fußnote 27). Der Gutachter kommt zu dem Schluß, dass die Entscheidung, eine Tätigkeit anzunehmen, nicht nur freiwillig gewesen sei, sondern als Chance – materiell und geistig - gegolten habe. Wer keine Arbeit gefunden habe, habe nicht nur materiell schlechter dagestanden, er habe sich auch in der ‚neuen Ordnung‘ als unmittelbar gefährdet gesehen (Gutachten, S. 11).
Der hoheitlich angeordnete – zwangsweise – Aufenthalt in einem Ghetto führte nicht zwangsläufig dazu, dass auch die während dieser Zeit aufgenommen Beschäftigung Zwangsarbeit war. Für die Abgrenzung der in einem Ghetto geleisteten Arbeit ist es von Bedeutung, dass die Beweggründe, die jemanden zur Aufnahme einer Beschäftigung veranlaßten sowie die allgemeinen Lebensumstände, die nicht die Arbeit oder das Arbeitsentgelt betreffen bei der Beurteilung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. Urteile des BSG vom 14.7.1999, Az. B 13 RJ 71/98 und vom 21.4.1999, B 5 RJ 48/98 R). Die Spähren "Lebensbereich" und "Beschäftigungsverhältnis" sind grundsätzlich zu trennen (Urteil des BSG vom 18.6.1997 zum Az. 5 RJ 66/96), so dass der zwangsweise Aufenthalt im Ghetto nur die allgemeinen Lebensumstände der Juden in den besetzten Gebieten regelt. Die Betroffenen wurde zur Kontrolle vom NS-Regime in festgelegten Wohnbezirken (Ghettos) zusammengepfercht. Trotzdem stellt die unter Ghettobedingungen verrichtete Arbeitsleistung keine Zwangsarbeit dar, wenn ein eigener Willensentschluss zur Arbeitsaufnahme vorhanden war und der Betroffene nicht durch staatliche Zwangsmaßnahmen zur Arbeit in bestimmten Unternehmen bzw. bei bestimmten Projekten von der Straße weg durch polizeiliche/obrigkeitliche Aktionen abgefangen wurde.
Selbst die Bewachung bei der Arbeit außerhalb des Ghettos war hierbei in der Regel nicht Folge eines Arbeitszwanges aufgrund von obrigkeitlicher Anordnung, sondern Folge der Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung (so auch Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 17.5.2005, Az. S 19 RJ 1061/03, veröffentlicht unter www.juris.de). Das Bundessozialgericht hat gerade zum Kriterium der "Bewachung von Arbeitern während der Arbeit" ausgeführt, dass Zwangsarbeit in solchen Fällen vorliegen könne, wenn die Bewachung aus dem Grunde erfolge, dass sich die Arbeiter nicht aus dem "obrigkeitlichen Gewahrsam" entfernen sollen. Durch die Bewachung auf dem Weg zum und vom Arbeitsplatz soll jedoch nicht der obrigkeitliche Gewahrsam gesichert werden, sondern hier der zwangsweise Aufenthalt im Ghetto. Schon das Bundessozialgericht hat in seinen Entscheidungen vom 18.6.1997 (Az. 5 RJ 66/95 und 68/95) deutlich gemacht, dass damals der Aufenthalt im Ghetto angeordnet und das Verlassen des Ghettos unter Todesstrafe verboten war, dass Leben im Ghetto jedoch – im Rahmen der sonstigen Umstände und Repressalien, die durch den Nazi-Terror an der Tagesordnung waren - trotzdem insoweit frei war, als dass die Entscheidung zur Aufnahme einer Beschäftigung getroffen werden konnte. Die Bewachung eines Ghettos ist deshalb als Element der allgemeinen Lebensumstände zu werten und nicht der Arbeitssituation zuzurechnen. Ähnlich verhält es sich, wenn Arbeit außerhalb des Ghettos verrichtet wird und der Weg dorthin unter Bewachung stattfindet. Wenn die Bewachung einer "Kolonne von Arbeitern" auf dem Weg vom Ghetto zur Arbeitsstelle und zurück erfolgte, so ist allein aus dieser Tatsache nicht zwingend zu schließen, dass die Arbeit selbst Zwangsarbeit war (vgl. hierzu Urteil des SG Hamburg vom 17.5.2005, Az. S 19 RJ 1061/03). Es muss sich vielmehr aus dem Gesamtbild der Tätigkeit ergeben, ob obrigkeitlicher Zwang zur Arbeit und zwangsweiser Aufenthalt zusammenfallen oder nicht.
Der Kläger hat sich zwar zwangsweise im Ghetto aufgehalten, er hat jedoch nach Überzeugung der Kammer keine Zwangsarbeit verrichtet, denn er berichtet nicht darüber, dass er unter Zwang zu den Reinigungsarbeiten verbracht wurde oder diese unter ständiger Bewachung verrichten mußte. Vielmehr ergibt sich aus seinen Schilderungen durchaus die gute Möglichkeit, dass der Kläger die Büroreinigungsarbeiten im Ghetto zum Beispiel für den Judenrat oder auch in den Betrieben des Ghettos Warschau, die es im hier streitigen Zeitraum von Februar 1941 bis September 1942 gab, verrichtet hat. Dazu ist zu bedenken, dass der Kläger bei Eintreffen im Ghetto Warschau gerade 15 Jahre alt geworden war und zuvor einige Zeit versteckt gelebt hatte. Er hatte mit Sicherheit keine eigenen Mittel mehr, die ihm ein Überleben im Ghetto sicherten. Wenn er sich dann entschloß, Reinigungstätigkeiten in Büros zu verrichten, waren dies Arbeiten, die er als ungelernter Jugendlicher ergreifen konnte, ohne dass diese in körperlich allzu sehr überforderten. Da der Kläger nicht illegal im Ghetto lebte, sondern – so seine Angaben gegenüber der Claims Conference – von zwei polnischen Polizisten ins Ghetto Warschau gebracht wurde, ist es auch für die Kammer überwiegend wahrscheinlich, dass es dem Kläger vom Judenrat angeraten wurde, einer Beschäftigung nachzugehen.
Marcel Reich-Ranicki schreibt in seiner Autobiographie "Mein Leben" (erschienen bei dtv im März 2003, hier zitiert nach der 2. Auflage, August 2005): " ... mit den offiziellen Zuteilungen (gemeint sind hier Lebensmittel) auszukommen war schlechthin undenkbar: Sie reichten gerade aus, um nicht am Hungertod zu sterben. Viel hing vom Beruf ab. Lehrer, Rechtsanwälte und Architekten hatten es besonders schwer. Denn es gab im Getto weder Schulen noch Gerichte, und es wurde auch nichts gebaut. Immerhin fanden viele Juristen eine Tätigkeit in der Verwaltung des Gettos oder in der Kommandantur des Ordnungsdienstes, also der (sehr unbeliebten) jüdischen Miliz. Ärzte und Zahnärzte hatten es entschieden besser, sie wurden ja immer benötigt. Das galt für Handwerker ebenfalls, vor allem für Tischler, Schlosser, Klempner, Elektrotechniker, auch für Schneider und Schuster. Zugleich entstand ein neuer Beruf: der Schmuggler. Tausende von Juden, häufiger Männer als Frauen, eher jüngere Menschen, auch Halbwüchsige gingen täglich zur Arbeit in großen, deutschen Betrieben außerhalb des Gettos. Sie taten es freiwillig, obwohl die Entlohnung minimal war. Der Grund: Sie konnten aus dem Getto Verkäufliches mitnehmen, insbesondere Kleidungsstücke, gelegentlich auch Uhren und Schmuck; alles wurde schnell zu Schleuderpreisen abgesetzt. Für den Erlös kauften sie Lebensmittel, die sie gegen Abend, wenn die jüdischen Kolonnen zurückkehrten, ins Getto schmuggelten" (Reich-Ranicki, Mein Leben, S. 209). Da nicht alle im Ghetto Warschau eingesperrten Juden eine Beschäftigung mit einer festen Anstellung und einem Monatsgehalt als Übersetzer beim Judenrat des Ghettos Warschau (vgl. Reich-Ranicki, Mein Leben, S. 204) erhalten konnten, ist es für die Kammer überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger als Jugendlicher Reinigungsarbeiten in Büros verrichtete, um z.B. auch die Möglichkeit zu haben, dass Ghetto zu verlassen, wenn diese Arbeiten in den großen Betrieben außerhalb des Ghettos anfielen. Die Kammer hält es nicht für überzeugend, wenn z.B. Reinigungsarbeiten in Büros, ohne dass Hinweise auf eine Bewachung während der Arbeit zu finden sind, von der Beklagten als Arbeiten, die der Verordnung vom 26.10.1939 zuzurechnen sind, angesehen werden. Angaben dazu, dass der Kläger zu diesen Arbeiten aufgerufen wurde, finden sich nicht.
Bedenkt man dann noch, dass sogar die Möglichkeit bestand, sich von der Arbeitspflicht aufgrund der Verordnung vom 26.10.1939 durch Stellung eines Vertreters und Zahlung eines bestimmten Betrages zu befreien (vgl. Gutachten von Prof. Dr. G. vom 9.9.2005, S. 5) und es nie an Freiwilligen mangelte, die selbst zu den Arbeiten im Rahmen der Arbeitspflicht meldeten, so wäre auch zu vertreten, selbst bei diesen Freiwilligen von einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zu sprechen, wenn diese über den Judenrat die allen Juden des Ghettos auferlegte Arbeitspflicht an zwei Tagen in der Woche im Warschauer Ghetto für andere erfüllten. Diese Überlegung braucht jedoch im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden, da der Kläger an keiner Stelle tatsächliche Angaben macht, die darauf schließen lassen, dass er im Rahmen der Verordnung vom 26.10.1939 tätig geworden. Allein die Angabe, er habe auf Anraten und Vermittlung des Judenrats die Reinigungsarbeiten in Büros übernommen, reicht dafür nicht aus, denn nachdem der Judenrat anfänglich, um den wahllosen Verhaftungen von Juden zur Zwangsarbeit entgegen zu wirken, ein Verfahren zur Bereitstellung von Arbeitskräften eingeführt hatte, verfügte der Judenrat selbst schon bald über zahlreiche Beschäftigte (vgl. Jäckel, Longerich, Schöps, Enzyklopädie des Holocaust, April 1995, S. 1535: Warschau) und es würde gerade ab Sommer 1941 eine Ghettowirtschaft aufgebaut, in der 65.000 Personen eine Arbeit hatten, wovon 55.000 Lohnempfänger waren, der Rest war selbständig (Jäckel, Longerich, Schöps, a.a.O., S. 1536). Auch dies ist für die Kammer ein ausreichendes Indiz dafür, dass die gute Möglichkeit für den Kläger bestand, Reinigungsarbeiten in Büros durchzuführen.
Im übrigen unterscheidet die Beklagte nach Überzeugung der Kammer nicht hinreichen zwischen Straßenreinigungs- und Aufräumarbeiten und den vom Kläger angegebenen Reinigungsarbeiten in Büros. Selbst wenn man – entgegen der Ausführungen von Herrn Prof. Dr. G. auf S. 12 seines Gutachtens – davon ausginge, dass es bestimmte Arbeiten gab, zu denen sich keiner der Ghettoinsassen aus eigenem Willensentschluss meldete, so sind hiervon nicht die Reinigungsarbeiten in Büros betroffen. Selbst für die Straßenreinigungsarbeiten führt Prof. Dr. G. jedoch aus, "dass Reinigungsarbeiten als nicht erstrebenswert angesehen werden, entspringt einem bürgerlichen Reinheitsdenken, das nicht berücksichtigt, dass in der ‚Dritten Welt‘ zwischen Brasilien und Ägypten der berufsbezogene Umgang mit Müll durchaus freiwillig und lebenserhaltend sein kann. Für nicht ausgebildete und nicht verbürgerlichte Juden, die aus den recht armseligen Kleinstädten Polens kamen und auch dort niedere und körperliche Arbeiten verrichten hatten, bedeutete eine derartige Tätigkeit die Existenzmöglichkeit (auch noch in der privilegierten Stelle eines Angestellten der Judenratsverwaltung) ohne sich umschulen lassen zu müssen. Im übrigen war man mit Unrat und Leichen auch sonst im Ghetto stets konfrontiert. Eine Unfreiwilligkeit ist daher m.E. nicht von vornherein anzunehmen"(Gutachten vom 9.9.2005, S. 12, 13). Der Kläger kam von außerhalb Warschaus aus einem Versteck ins Ghetto, war gerade 15 Jahre alt und hatte keinerlei verwertbare Vorkenntnisse oder Ausbildung, so dass die Übernahme von Reinigungsarbeiten in Büros für ihn eine gute Möglichkeit der Existenzsicherung darstellte.
Der Kläger hat seine Beschäftigung der Büroreinigung auch gegen Entgelt ausgeübt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b ZRBG). Zwar hat der Kläger an keiner Stelle Angaben zur Höhe eines Entgeltes gemacht, vielmehr hat er angeben, Gutscheine zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausgegeben vom Judenrat erhalten zu haben. Dies allein wäre für die Kammer nicht überzeugend, um glaubhaft zu machen, dass eine entgeltliche Beschäftigung im Sinne des ZRBG vorgelegen hat, denn bei den auf Gutschein zu beziehenden Lebensmitteln konnte es sich auch um die offiziell Zuteilungen handeln, die gerade ausreichten, um nicht am Hungertod zu sterben (Reich-Ranicki, a.a.O., S. 209). Dennoch gibt es ausreichend Hinweise, dass neben den offiziellen Lebensmittelrationen auch Geld gezahlt wurde bzw. diejenigen, die in den Betrieben tätig waren, ein Anrecht auf Sonderzuteilungen hatten, ja sogar für Arbeiten im Rahmen der Arbeitspflicht Geld gezahlt wurde. So führt Herr Prof. Dr. G. aus, "in den meisten Fällen ging es in den ordentlich operierenden Betrieben um eine Abwicklung über Geld, also die Zuteilung von Lohn, der dann für Lebensmittel teilweisen wieder eingezogen wurde"(Gutachten vom 9.9.2005, S. 14). "Darüber hinaus hatten diejenigen, die in den Betrieben tätig waren, Anrecht auf Sonderzuteilungen, die von der Art der Betriebe abhängig war. Normalerweise hatten die Warschauer Ghettobewohner ein Anrecht auf maximal 2,5 kg Brot monatlich. Im Frühjahr 1942 verfügte der (deutsche) Kommissar des jüdischen Wohnbezirks H. A. folgende Sonderzuteilungen: - Beschäftigte in Betrieben des Rüstungskommandos 4 kg zusätzlich - Beschäftigte in arischen Betrieben des Ghettos 4 kg zusätzlich - Beschäftigte in Betrieben, die für die Ausfuhr aus dem Ghetto produzierten, 2, 6 kg zusätzlich - Arbeiter und Angestellte der Selbstverwaltung 4 kg zusätzlich - Beschäftigte in "nützlichen Betrieben" 4 kg zusätzlich - "nützlich arbeitenden Personen (Handwerker, Ärzte) 4 kg zusätzlich - Funktionäre des Ordnungsdienstes (J. Polizei) 10 kg zusätzlich"
(Gutachten vom 9.9.2005, S. 14, 15). Selbst die Arbeiter, die den Deutschen in festen Quoten vom Judenrat zur Verfügung gestellt worden, wurden ebenfalls gegen Entgelt tätig, denn "nach dieser Vereinbarung wurden jedem Juden eine bestimmte Anzahl von Tagen pro Monat für Zwangsarbeiten zugewiesen. Die Folge war eine chronische Finanznot des Judenrates, da ihm die zur Lohnzahlung der Zwangsarbeiter nötigen Geldmittel fehlten" (Jäckel, Longerich, Schöps, a.a.O., S. 1530). Dies bestätigt auch Herr Prof. Dr. G., wenn er ausführt, "diese Arbeiter wurden vom Judenrat (manchmal mit großem Verzug) bezahlt, der eine Arbeiterkartei führte und versuchte, den Arbeitszwang gleichmäßig zu verteilen" (Gutachten vom 9.9.2005, S. 5). Damit ist es für die Kammer glaubhaft gemacht, dass der Kläger seine Reinigungsarbeiten von Büros auch gegen ein Entgelt verrichtete und es sich nicht um eine Beschäftigung handelt, die nur gegen Kost (und Logis) verrichtet wurde und damit zumindest nach den damaligen Bestimmungen, der im Generalgouvernement nicht anwendbaren Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherungsfrei war.
Selbst wenn man zuungunsten des Klägers davon ausginge, dass die Behauptung des Erhalts von Gutscheinen zur Beschaffung von Lebensmitteln nicht geeignet ist, ein Entgelt im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 b) ZRBG als glaubhaft zu machen, ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zumindest einen Entgeltanspruch hatte. Dieser ergibt sich aus dem damals geltenden Recht, wonach für die jüdischen Arbeitskräfte ein gesetzlicher Lohnanspruch bestand (vgl. Neunte Durchführungsverordnung zur Verordnung vom 31.10.1939 über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und den Arbeitsschutz im Generalgouvernement vom 15.12.1941, VOBIGG 1942 S. 2).
In einer Anordnung des Generalgouverneurs Frank für die besetzten polnischen Gebiete an die Leiter der Abteilung Arbeit bei den Chefs der Distrikte und Leiter der Arbeitsämter im Bereich des Generalgouvernements vom 5.7.1940 zum Arbeitseinsatz der jüdischen Bevölkerung heißt es schon im Juli 1940 unter II. Arbeitseinsatz: "Zweck des Arbeitseinsatzes der Juden ist, wie schon erwähnt, zur Behebung des Mangels an Arbeitskräften im Generalgouvernement beizutragen. Die Beschäftigung von Juden soll grundsätzlich auf der Grundlage der Verordnung vom 26.10.1939 und der Durchführungsvorschrift vom 12.12.1939 erfolgen. Dabei ist jedoch in allen geeigneten Fällen der Versuch der Beschäftigung der Juden in einem freien Arbeitsverhältnis zu unternehmen. Die Beschäftigung der Juden hat zweierlei zum Ziel: 1) die bestmögliche Ausnutzung ihrer Arbeitskraft im Allgemeininteresse und 2) die Sicherung des eigenen und des Lebensunterhaltes der Familie. Demgemäß kann sich der Arbeitseinsatz der Juden in zwei Formen vollziehen: a) durch Beschäftigung der nicht zur Zwangsarbeit aufgerufenen Juden im freien Arbeitsverhältnis; die Arbeitsbedingungen sind in einer besonderen Tarifordnung im einzelnen noch festzulegen (s. Ziffer IV); b) durch die Einberufung von Juden zur Zwangsarbeit auf Grund der Verordnung vom 26.10.1939, die eine Entlohnung nicht vorsieht. Die Form zu b) kommt im allgemeinen nur Frage bei grösseren Projekten, bei denen eine grosse Anzahl von Zwangsarbeitern beschäftigt, lagermässig untergebracht und bewacht werden kann." Weiter heißt es unter IV. Entlohnung: "Bisher fand eine regelrechte Entlohnung der jüdischen Arbeitskräfte meist nicht statt. Man überließ dies vielmehr den Judenräten. Inzwischen sind jedoch langsam die Geldreserven der Judenräte erschöpft. Um die Arbeitsfähigkeit der Juden zu erhalten, den nötigen Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen und Krankheiten und Seuchen zu vermeiden, muss mit diesem bisherigen Grundsatz gebrochen und eine ordnungsgemäße Entlohnung gefordert werden. Bei der lagermässigen Unterbringung der zu Zwangsarbeiten einberufenen Juden, findet, wie schon erwähnt, keine Entlohnung, sondern nur eine Gewährung von Leistungsprämien als Anreiz zur Leistungssteigerung, die der Träger der Arbeit im Einvernehmen mit dem Arbeitsamt zu bestimmen hat, statt ..." und weiter wird ausgeführt: "Bei den nicht zur Zwangsarbeit einberufenen, sondern vermittelten Arbeitskräften hat eine ordnungsgemäße Entlohnung auf Grund der noch zu erlassenden Tarifordnung zu erfolgen. Um den Träger der Arbeit einen Anreiz zur Beschäftigung von Juden zu geben, soll die Beschäftigung im allgemeinen auf Akkordbasis erfolgen, wobei der Leistungslohn für Juden etwa 20% unter dem gleichen Lohn für polnische Arbeitskräfte liegt. Falls eine Beschäftigung auf Akkordbasis nicht möglich ist, ist der Stundenlohn nach einer Tarifordnung für polnische Arbeitskräfte – vermindert um 20% zu gewähren. Einzelheiten werden in der in Kürze zu erlassenden Tarifordnung festgelegt. Jedoch kann hiernach schon jetzt verfahren werden. In diesen Fällen ist außerdem zu prüfen, ob der Lohn unmittelbar an den empfangsberechtigten Juden oder an den Judenrat, dem die soziale Betreuung der Juden und ihrer Familien aus Mitteln der Judengemeinde in erster Linie obliegt, zu zahlen ist. Die vermittelten jüdischen Arbeitskräfte sind von den Betriebsführern selbstverständlich zur Sozialversicherung anzumelden." Da es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Kläger nicht zur Zwangsarbeit einberufen war, er war auch nicht lagermäßig untergebracht und auch nicht bei einem größeren Projekt eingesetzt, hatte er einen Lohnanspruch, der 80% des Lohnanspruchs polnischer Arbeitskräfte betrug. Dies reicht aus, um das Tatbestandsmerkmal "gegen Entgelt ausgeübt" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b ZRBG zu erfüllen. Dem steht nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7.10.2004 (Az. B 13 RJ 59/03 R, veröffentlicht unter www.juris.de) entgegen, denn in dieser Entscheidung sind keine Feststellungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen als Tatsacheninstanz zu der Anordnung des Generalgouverneurs Frank für die besetzten polnischen Gebiete an die Leiter der Abteilung Arbeit bei den Chefs der Distrikte und Leiter der Arbeitsämter im Bereich des Generalgouvernements vom 5.7.1940 zum Arbeitseinsatz der jüdischen Bevölkerung getroffen. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass diese Anordnung bei der Entscheidung vom 7.10.2004 nicht bekannt war. Im übrigen ist es auch außerhalb der Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen mit einem zwangsweisen Aufenthalt im Ghetto für die Entstehung rentenrechtlicher Zeiten nicht zwingend notwendig, dass tatsächlich ein Entgelt gezahlt worden ist, so reicht es z.B. bei verlorenen oder untergegangen Versicherungsunterlagen aus, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und hiervon Beiträge zur Rentenversicherung einbehalten worden sind (§ 203 Abs. 2 SGB VI bzw. § 1423 Reichsversicherungsordnung, RVO). Schon in der Anordnung vom 5.7.1940 heißt es, dass "die vermittelten jüdischen Arbeitskräfte sind von den Betriebsführern selbstverständlich zur Sozialversicherung anzumelden". Auch damit wird deutlich, dass zumindest auch für die Beschäftigung von jüdischen Arbeitskräften Beiträge zur Sozialversicherung erhoben werden sollten, selbst wenn beabsichtigt war, ihnen später die Leistungen vorzuenthalten.
Die vom Kläger im Ghetto Warschau zurückgelegte Zeit der Beschäftigung von Februar 1941 bis September 1942, für die Beiträge nach § 2 Abs. 1 ZRBG als gezahlt gelten, ist auch auf die Wartezeit als Beitragszeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI anrechenbar, insbesondere scheidet eine solche Anrechnung nicht schon deshalb aus, weil der Kläger nicht zum deutschen Sprach- und Kulturkreis gehört. Eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis ist nicht Tatbestandsmerkmal des ZRBG (so aber Landessozialgericht, LSG, Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 13.01.2006, L 4 RJ 113/04 und LSG Hamburg, Urteil vom 15.12.2005 zum Az. L 6 RJ 24/03, das in seinen Gründen auch auf die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.1.2006 verweist). Dies ergibt zunächst die Auslegung des ZRBG anhand des Wortlauts. In § 2 Abs. 1 ZRBG wird festgelegt, dass Zeiten, die Verfolgte in Ghettos zurückgelegt haben und die den Anforderungen nach § 1 ZRBG entsprechen, als Beitragszeiten gelten. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Ebenfalls spricht für diese Auslegung der Wortlaut des § 2 Abs. 1 ZRBG, in dem im Wege einer Legaldefinition eine Ghetto-Beitragszeit definiert wird, für die Beiträge als gezahlt gelten. Wenn jedoch das ZRBG in § 2 Abs. 1 Ziffer 1 festlegt, dass für solche Zeiten Beiträge als "Beiträge nach der Reichsversicherungsordnung" als gezahlt gelten, kommt es weder auf die Anwendbarkeit des Fremdrentengesetzes (FRG) oder des WGSVG an, um rentenrechtliche Zeiten begründen zu können. Ähnlich ist die Regelung im ZRBG für die Frage der Zahlbarmachung. Die Voraussetzungen des § 21 WGSVG müssen nicht erfüllt sein. Ghetto-Beitragszeiten gelten ohne Nachentrichtungsnotwendigkeit als Bundesgebietszeiten (§ 1 Abs. 1 Ziffer 2 ZRBG). Das anhand der Auslegung nach dem Wortlaut gewonnene Ergebnis wird gestützt durch das Ergebnis der systematischen Auslegung. In § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ist geregelt, dass auch solche Zeiten auf die Wartezeit anrechenbar sind, für die Beiträge als gezahlt gelten. Ferner sprechen für eine durch das ZRBG geschaffene eigenständige Beitragszeit, die zu den bis zum Erlass des ZRBG nach SGB VI bzw. RVO, WGSVG und FRG vorhandenen Möglichkeiten von Beitragszeiten für Verfolgte hinzutritt, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine solche Zeit nach § 1 ZRBG, insbesondere das Erfordernis einer entgeltlichen Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss. Die Benennung dieser, den früheren Regelungen zwar ähnlichen, mit ihnen aber nicht identischen Voraussetzungen im ZRBG wäre nicht erforderlich gewesen, wenn lediglich, wie die Überschrift des Gesetzes unvollständig ausdrückt, mit dem ZRBG bereits bestehende Rentenansprüche ins Ausland zahlbar gemacht werden sollten. Denn dann hätte die Qualifikation einer Beschäftigung in einem Ghetto nach den bis zum Erlass des ZRBG geltenden Regeln, nämlich einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der Vorschriften der RVO und des SGB VI mit den Besonderheiten des FRG und des WGSVG ausgereicht. Es hätte lediglich der Regelungen in § 2 Abs. 1 ZRBG für die Zahlbarmachung ins Ausland bedurft. Dasselbe Ergebnis zeigt sich, wenn man § 1 Abs.1 Satz 1 Ziffer 2 des ZRBG betrachtet, wonach Beschäftigungszeiten in Ghettos in vom Deutschen Reich besetzten Gebieten ebenso behandelt werden wie Zeiten in eingegliederten Gebieten, was nach dem vor Inkrafttreten des ZRBG geltenden Rentenrechts gerade nicht der Fall war. In den eingegliederten Gebieten z.B. Oberschlesien, in denen grundsätzlich Versicherungspflicht nach der RVO (mit bestimmten als nationalsozialistisches Unrecht zu kennzeichnenden Ausnahmen für die jüdische Bevölkerung) bestand, bedurfte es für die Anrechenbarkeit der Zeit in der deutschen Rentenversicherung regelmäßig keiner Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (auch BSG, Urteil vom 20.7.2005, Az: B 13 RJ 37/04 R, veröffentlicht unter www.juris.de, spricht davon, dass in dieser Norm die Anspruchsberechtigung "örtlich ausgeweitet" wird). In den besetzten Gebieten wie dem Generalgouvernement, zu dem auch Warschau gehörte, wo solche Zeiten nur im Rahmen des FRG anrechenbar sein konnten, bedurfte es dagegen zusätzlich zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen einer dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung einer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis. Dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem ZRBG jedoch beide Gebiete gleichgestellt hat, ergibt sich schon aus der Systematik, dass der deutsche Sprach- und Kulturkreis kein weiteres, den Kreis der Anspruchsberechtigten einschränkendes Tatbestandsmerkmal ist. Ebenfalls für die hier vertretene Rechtsauffassung spricht die teleologische Auslegung des ZRBG, denn Sinn und Zweck des ZRBG war es, rentenrechtliches Neuland zu betreten. Dazu führt der Gesetzgeber im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung (Bundestags- Drucksache 14/8583) aus: "Mit diesem Gesetz wird daher zugunsten von Verfolgten, die alle bereits das für die Regelaltersrente geltende Alter von 65 Jahren – teils erheblich- überschritten haben, im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Neuland betreten, wobei von bestimmten Grundsätzen sowohl im Bereich der Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten als auch der Erbringung von Leistungen ins Ausland abgewichen wird." Hieraus ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber nicht nur, wie die Gesetzesüberschrift nahe legen könnte, die Regelungen des allgemeinen Auslandsrentenrechts zur Zahlbarmachung von Ansprüchen ins Ausland ergänzen, sondern auch im Bereich der Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten "Neuland betreten" wollte. Nur wenn eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis nicht verlangt wird, wird im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung tatsächlich Neuland betreten, weil der Kreis der Anspruchsberechtigten größer wird. Auch das LSG Nordrhein-Westfalen erwägt die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber mit dem ZRBG einen neuen Beitragszeittatbestand schaffen wollte, hält sie jedoch nicht für durchschlagend wegen des Verweises in § 1 Abs. 2 ZRBG auf eine Ergänzung der Vorschriften des WGSVG, das auf Schadensausgleich in der Sozialversicherung ausgerichtet sei. Die Formulierung in der Gesetzesbegründung zum ZRBG, dass bei der Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten von bestimmten Grundsätzen des Rentenrechts abgewichen werde, ist jedoch so eindeutig, dass ein anderer Wille des Gesetzgebers als die Schaffung eines neuen Beitragszeittatbestandes nicht erkennbar ist. Hierfür spricht der im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung zum ZRBG enthaltene Hinweis, dass auch eine Lösung dafür für nötig gehalten worden sei, dass Ansprüche aus Beschäftigungszeiten im Sinne von § 16 FRG nie ins Ausland gezahlt werden konnten. Auch insoweit ergibt sich die vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Änderung durch das ZRBG nur, wenn wie hier angenommen wird, dass auch für Zeiten, die nach früherem Recht keine Versicherungspflicht begründen würden (auch nicht mit Hilfe des deutschen Sprach- und Kulturkreises) durch das ZRBG neue Beitragszeittatbestände geschaffen wurden. Das Ergebnis wird weiter gestützt durch die Ausführungen des Gesetzgebers im Besonderen Teil der Begründung zu Artikel 1 Abs. 2 des ZRBG, nämlich zu den Folgen der Anwendbarkeit des WGSVG. Dort heißt es: "Bedeutung hat dies insbesondere für die dort zum Leistungsrecht getroffenen Regelungen über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Berücksichtigung von Anrechnungszeiten, die besondere Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten und die Bewertung von Verfolgungsersatzzeiten für pflichtversicherte Verfolgte. Weiterer ergänzender Regelungen bedarf es nicht, zumal die allgemein geltenden Vorschriften des Rentenrechts im SGB VI, insbesondere auch diejenigen über die Ermittlung von Entgeltpunkten (z. B. § 256 b SGB VI) Anwendung finden. Die übrigen Regelungen des rentenrechtlichen Teils des WGSVG über die Nachzahlung von Beiträgen und deren Berücksichtigung im Rahmen des Leistungsrechts brauchen wegen der in § 2 Abs. 1 für die Erbringung von Leistungen ins Ausland fiktiv angenommenen Gleichstellung von Ghetto- Beitragszeiten mit Bundesgebiets- Beitragszeiten nicht angewendet zu werden." Es ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber einerseits in der Gesetzesbegründung zum ZRBG sehr detaillierte Ausführungen über einzelne Folgen der Regelung zur Geltung des WGSVG z. B. für Kindererziehungszeiten macht, jedoch eine so gravierende und für einen Großteil der Verfolgten anspruchssausschließende Folge nicht benennen würde, wie dies die Notwendigkeit der Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis wäre. Zum selben Ergebnis führt die Auswertung des "Berichts zur Umsetzung des ZRBG" vom 15.02.2005 des für den damaligen Gesetzesentwurf zuständigen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Dort ist auf Seite 7 ausdrücklich ausgeführt: "Aufgabe des ZRBG ist die Schließung einer letzten, im Zusammenhang mit dem Urteil des BSG aus dem Jahre 1997 entstandenen Lücke im Regelungskomplex der Ausgleichs- und Rentenleistungen an Verfolgte des Nationalsozialismus. Nachdem mit dem WGSVG und dem FRG für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Regelungen getroffen worden sind, die bei den Betroffenen die verfolgungsbedingt entstandenen Lücken in ihrer Versicherungsbiographie geschlossen haben, und nachdem mit dem Stiftungsgesetz Zwangsarbeitern Entschädigungen für erlittene Zwangsarbeit gewährt wurden, verfolgt das ZRBG zwei Ziele: Die Anerkennung von Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in einem Ghetto im sozialversicherungsrechtlichen Sinne unabhängig davon, ob der Verfolgte zum Personenkreis des FRG oder des Deutschen Sprach- und Kulturkreises(DSK) gehört (§ 1 und 17 a FRG, 20 WGSVG) und die Zahlung daraus resultierender Renten auch ins Ausland". Ebenso eindeutig wird dies von den Rentenversicherungsträgern so gesehen, siehe die "Dienstanweisung zum ZRBG der Deutsche Rentenversicherung Bund vom 4.11.2005, Punkt 2" und "Gemeinsame Arbeitsanweisungen LVA Freie und Hansestadt Hamburg EL N 22 – August 2004 zum ZRBG, R 3.2, Seite 6", wo es heißt: "Im Unterschied zur bisherigen Feststellung von Beitragszeiten von Verfolgten in den eingegliederten und besetzten Gebieten nach der BSG-Rechtsprechung ist nach dem ZRBG einer Anerkennung von Ghetto-Beitragszeiten unabhängig davon möglich, welches Sozialversicherungsrecht (deutsches Recht oder weiter geltendes Recht des Aufenthaltsstaates) in dem betroffenen Gebiet seinerzeit galt, ob die Beschäftigung nach dem in dem jeweiligen Gebiet geltenden Recht zur Versicherungspflicht geführt hätte und ob gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des FRG (z. B. Personenkreis §§ 1,17a FRG oder Beitragsübergang nach § 17 Abs. 1 Buchstabe b FRG a.F.) erfüllt sind. Das ZRBG reduziert die Anerkennungsvoraussetzungen auf das Grundelement der "frei gewählten" Beschäftigung gegen Entgelt." Einziger Ausschlußgrund für Leistungen nach dem ZRBG wäre, wenn für die hier in Streit stehenden Zeiten bereits eine Leistung aus einem anderen System der sozialen Sicherheit erbracht würde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger bezieht für diese Zeit nicht bereits eine Leistung aus einem anderen System der sozialen Sicherung. Dies sind nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 14/8583) zu § 1 Abs.1 Satz 2 ZRBG ausländische soziale Sicherungssysteme, insbesondere Rentenversicherungen im Herkunfts- bzw. Wohnlandes des Verfolgten. Hier sind keinerlei Gesichtspunkte erkennbar, dass der Kläger aus Polen oder den USA entsprechende Leistungen für dieselben Verfolgungszeiten erhält. Auch die Zahlungen, die ein Kläger über die Claims Conference erhält, stellen keine solchen Leistungen dar. Die Ausschlußregelung des § 16 Abs. 3 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (EVZStiftG) erfasst nicht weitergehende Wiedergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen gegen die öffentliche Hand, wozu auch bereits bestehende und zukünftige Wiedergutmachungsregelungen der Sozialversicherung gehören (vgl. Urteil des BSG vom 22.3.2006, Az. B 12 RJ 1/05 R, www.juris.de). Im übrigen hat der Gesetzgeber das am 20.6.2002 in Kraft getretene ZRBG in Ergänzung zu dem am 12.8.2000 in Kraft getretenem EVZStiftG, also auch in Kenntnis der über das EVZStiftG geschaffenen Regelungen zur Entschädigung von Zwangsarbeitern, geschaffen, worauf auch im Bericht zur Umsetzung des ZRBG (S.7) hingewiesen wird. Ein Anspruchsausschluß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG bei Leistungen nach dem EVZStiftG kommt deshalb auch von daher nicht in Betracht.
Neben der Ghettobeitragszeit sind auf die allgemeine Wartezeit auch verfolgungsbedingte Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI anzurechnen. Gem. § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sind Ersatzzeiten u.a. Zeiten vor dem 01.01.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und in denen Versicherte, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und Verfolgte im Sinne des § 1 BEG sind, in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 BEG). Der Kläger ist Versicherter im Sinne dieser Norm wegen der von ihm zurückgelegten Beitragszeiten für eine Beschäftigung im Ghetto Warschau.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 2 BEG hat der Verfolgte Anspruch auf Entschädigung, wenn ihm in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 08. Mai 1945 die Freiheit entzogen worden ist, wobei gemäß § 43 Abs. 2 BEG Freiheitsentziehung im Sinne dieser Vorschrift insbesondere polizeiliche oder militärische Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslagerhaft und Zwangsaufenthalt in einem Ghetto sind. Nach § 43 Abs. 3 BEG ist der Freiheitsentziehung das Leben unter haftähnlichen Bedingungen, Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen und Zugehörigkeit zu einer Straf- oder Bewährungseinheit der Wehrmacht gleichgestellt. Gem. § 47 Abs. 1 BEG hat der Verfolgte Anspruch auf Entschädigung, wenn er in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 08. Mai 1945 den Judenstern getragen oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität gelebt hat.
Die Zeiten vom 1.10.1939 bis Februar 1941 und ab September 1941 sind als Zeiten nach § 43 BEG anzusehen, weil der Kläger in jener Zeit den Judenstern tragen und versteckt bis Januar 1945 leben musste, so dass der Kläger auch ohne die bisher nicht geklärten amerikanischen Versicherungszeiten, die aufgrund des DASVA zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit heranzuziehen sind, wenn mindestens 18 Monate deutscher Versicherungszeiten vorliegen, die allgemeine Wartezeit allein nach deutschem Rentenversicherungsrecht erfüllt ist.
Der Kläger hat nach alledem Anspruch auf eine Regelaltersrente. Da der Antrag am 2.5.2003 bei der Beklagten gestellt worden ist, findet § 3 Abs. 1 ZRBG Anwendung, so dass eine rückwirkende Zahlung ab 1.7.1997 vorzunehmen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz. Die Entscheidung ergeht für den Kläger gerichtskostenfrei.
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