S 16 U 115/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 115/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 65/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob der 1960 geborene Kläger am 13.05.2004 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Dazu äußerte der Kläger unter dem 15.06.2004, beim Hochheben einer Bierkiste habe er plötzlich einen reissenden Schmerz verspürt, der sich von da an bei jeder Bewegung des rechten Arms verschlimmert habe. In der Unfallanzeige des Arbeitgebers, der G-Getränke GmbH heißt es dazu u. a., bei einem Kunden habe der Kläger Getränkekisten aufgestapelt und sich durch falsches Anpacken die Sehne gerissen. Im Durchgangsarztbericht von I, den der Kläger am 14.05.2004 aufgesucht hatte, ist von einem Verdacht auf Ruptur der langen Bizepssehne am rechten Oberarm die Rede. Eine MRT-Untersuchung des rechten Schultergelenks am 24.05.2004 ergab eine alte kurze Bankkartläsion und eine geringe Eckgelenkarthrose sowie Partialrupturen der oedematös veränderten langen Bizepssehne und der Supraspianatussehne bei oedematöser Rotatorenmanschetteninsertionsendopathie. Die Beklagte zog über den Kläger vorliegende medizinische Unterlagen bei: In dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Rheinland, Geschäftsstelle C, ist von Arbeitsunfähigkeitszeiten im Jahre 2001 wegen eines Impingementsyndroms der Schulter die Rede. Dazu äußerte der behandelnde Arzt, I, im Dezember 2001 sei der Kläger wegen Beschwerden im linken Schultergelenk behandelt worden, zuvor habe er am 03.087.2001 über eine schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks geklagt. Die Funktion des rechten Schultergelenks sei damals insbesondere bei der Abduktion und Retroflexion schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Die Behandlung sei am 03.08.2001 abgeschlossen worden. Einem Bericht des Chirurgen P (vom 16.08.2005) ist zu entnehmen, dass der Kläger bereits im August 1995 über seit 4 Monaten bestehende Schmerzen im rechten Schultergelenk geklagt hatte, die er auf eine Überlastung durch die Arbeiten im Getränkehandel zurückführte. Nach einem Bericht des Orthopäden M vom 17.11.2005 war der Kläger am 02.02.1998 wegen Schmerzen in der rechten Schulter, die in den Oberarm ausstrahlten, behandelt worden. Sodann holte die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten von dem Unfallchirurgen U ein. Dieser stellte eine Zusammenhangstrennung der langen Bizepssehne bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Röntgenbefund fest und meinte, die Vorschäden seien bereits soweit fortgeschritten gewesen, dass es zur Auslösung der akuten Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen äußeren Einwirkungen bedurft hätte, so dass die Ursache der Bizepssehnenruptur in vorbestehenden degenerativen Veränderungen gesehen werden müsse. Auf dieser medizinischen Grundlage verneinte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls (Bescheid vom 13.03.2006). Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.05.2006). Mit seiner am 31.05.2006 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im Wesent- lichen geltend, beim Heben und Stapeln von entsprechend gewichtigen Getränkekisten habe er am 13.05.2004 plötzlich einen stechenden Schmerz im rechten Oberarm verspürt und sich darauf hin am darauffolgenden Tag in die Praxis des Chirurgen I begeben. Da seine Beschwerden bei der Arbeit nicht nachgelassen hätten, habe er bei der Beklagten einen Antrag auf Entschädigung gestellt. Tatsächlich habe ein Arbeitsunfall vorgelegen, denn es sei am 13.03.2006 zu einer Ruptur der langen Bizepssehne rechts gekommen. Unerheblich sei, dass es möglicherweise zu einem solchen Ereignis auch außerhalb der versicherten Tätigkeit theoretisch hätte kommen können.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Bescheides vom 13.03.2006 in der Fassung des Wider- spruchsbescheides vom 05.12.2006 festzustellen, dass es sich bei dem Geschehen vom 13.05.2004 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat ein orthopädisches Gutachten von W eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, im Hinblick auf die vorbestehenden Schäden der Supraspinatussehne und der langen Bizepssehne sei das Geschehen am 13.05.2004 austauschbar mit einer alltäglichen Belastung ohne Unfallcharakter gewesen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 13.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2006 ist rechtmäßig. Der Kläger hat am 13.05.2004 keinen Arbeitsunfall erlitten, da die damals eingetretene Bizepssehnenruptur im Wesentlichen auf vorbestehende degenerative Veränderungen der Bizepssehne zurückzuführen ist. Dabei geht die Kammer davon aus, dass der Geschehnisablauf am 13.05.2004, nämlich das Heben und Stapeln von Getränkekisten, in naturwissenschaftlichen Sinn für den Bizepssehnenriss ursächlich geworden ist. Die naturwissenschaftliche Ursachenbegriff ist jedoch nur der Ausgangspunkt für den in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblichen Ursachenbegriff der wesentlichen Bedingung. Nach diesem Ursachenbegriff werden rechtlich nicht alle im naturwissenschaftlichen Sinne für den Eintritt eines Zustandes kausale Faktoren als Ursachen angesehen, sondern nur diejenigen, die den Zustand wesentlich mitverursacht haben. Ereignisse, die in dem Sinne austauschbar sind, dass jeder andere alltäglich vorkommende und ähnlich geartete Vorgang zu etwa derselben Zeit die gleichen Erscheinungen ausgelöst hätte oder dass diese sogar ohne äußere Einwirkungen zutage getreten wären, sind dagegen rechtlich nicht wesentlich, sondern als rechtlich unerhebliche Gelegenheitsursache zu behandeln. In diesem Sinne ist der im vorliegenden Fall zu beurteilende Hergang, das Heben und Stapeln von Getränkekisten als Gelegenheitsursache der Bizepssehnenruptur des Klägers anzusehen. Überragende Ursachenfaktoren sind die bereits vorbestehenden degenerativen Veränderungen gewesen. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf am 13.05.2004 keine unphysiologische Belastung der Bizepssehne mit sich gebracht hat. Dieser Auffassung steht in Übereinstimmung mit den unfallmedizinischer Literatur, nach der das Anheben auch schwerer Gewichte, das "Überheben" oder willentliche (gewollte) Armbelastungen - da das Zusammenwirken von Muskel-Sehne-Knochen eine abgestimmte Belastbarkeit der Einzelkomponenten voraussetzt - nicht geeignet ist, eine unfallbedingte Ruptur der Bizepssehne zu begründen. Eine Überbeanspruchung des Bizepssehnemuskels kann zwar als Grund für einen Sehnenriss angesehen werden. Dabei reißt jedoch überwiegend zuerst der Muskel, dann die Sehne, eine nicht rupturierter Muskel spricht deshalb gegen die rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls. Für eine traumatische Entstehung sprechen Begleitverletzungen anderer Weichteilstrukturen, die zu dem durch das Ereignis belastenden Funktionsverbund gehören (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 498, 499). In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen hat der Sachverständigen den vom Kläger beschriebenen Geschehensablauf als ungeeignet für eine Bizepssehnenruptur angesehen und darauf hingewiesen, dass traumatisch bedingte Begleitverletzungen nicht feststellbar gewesen sind. Letzlich ist dem Sachverständigen festzuhalten, dass degenerative Veränderungen der langen Bizepssehne häufig sind und Funktionsstörungen beim Kläger schon in den Jahren 2000 bzw. 2001 dokumentiert sind. Die Beschwerdefreiheit des Klägers unmittelbar vor dem Geschehensablauf vom 13.05.2004 stellt demgegenüber kein Indiz für einen Unfallschaden dar, das es zu den typischen Besonderheiten degenerativer Sehnenschäden gehört, dass sie lange Zeit klinisch stumm verlaufen können. Wahrscheinlich ist es daher am 13.05.2004 zu einer Manifestation bereits vorbestehender Veränderungen, möglicherweise auch in Form einer teilweisen Zusammenhangsdurchtrennung der langen Bizepssehne gekommen, anders ausgedrückt, die Ruptur ist nur bei Gelegenheit bzw. aus Anlass des Hebens der Kisten aufgetreten. Sie hätte zur selben Zeit aus anderem Anlass ebenfalls auftreten können. Auch darauf hat der Sachverständige hingewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
Saved