Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 KR 207/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Streitwert wird auf 100.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin bei Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarfs (SSB) weiterhin im Wege des Direktabrechnungsverfahrens mit der Antragsgegnerin abrechnen kann. Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben eine der bundesweit führenden Lieferanten von nicht apothekenpflichtigem Sprechstundenbedarf und entwickelt, produziert und vertreibt Medizin- und Hygieneprodukte. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen 826 Mitarbeiter. Die Antragstellerin gehört als Tochterunternehmen zur L. & R. International GmbH & Co. KG. Weitere Tochterunternehmen des Konzerns sind der R. C. P. W. und die L. & R. GmbH W ... Neben den Hauptstandorten in Deutschland und Österreich ist L. & R. – wie ihrem Internetauftritt zu entnehmen ist -in weiteren 17 Ländern der Welt vertreten und erzielt ein Umsatzvolumen von über 376 Millionen EUR (www. L.& R ...de). Die Antragsgegnerin vertreibt die von ihr hergestellten Produkte über Händler und direkt. Der Direktvertrieb erfolgt zum einen an Krankenhäuser sowie an den niedergelassenen Bereich (Ärzte, Apotheken, Sanitäts- und medizinischer Fachhandel und Großhandel) sowie für die Industriekunden (www. L.& R ...de). Nach der Vereinbarung über die vertragsärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 18.01.2006 zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) und der AOK Hamburg, dem BKK Landesverband Nord, der Innungskrankenkasse Hamburg, der Krankenkasse für den Gartenbau, der See-Krankenkasse, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e.V, sowie dem Sozialhilfeträger Freie und Hansestadt Hamburg ist der Sprechstundenbedarf für Anspruchsberechtigte der vertragsschließenden Krankenkassen zu Lasten der Antragsgegnerin zu verordnen. Die Antragstellerin liefert SSB im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) auf entsprechende ärztliche Verordnung direkt an die Ärzte und rechnet diese Leistungen unmittelbar mit der Antragsgegnerin ab. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zur Direktabrechnung – wie z.B. ausdrücklich im Bereich Nordrhein – existiert für den Bereich der KVH nicht. Seit Mitte 2005 führt die Staatsanwaltschaft KOBLENZ wegen des Verdachts der Untreue bzw. des Betruges ein Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Vorstandes sowie einen Verkaufsmitarbeiter der Antragstellerin. Hintergrund ist die Frage der Lieferung und Abrechung von sogenannten Kitpacks (OP-Sets). Mit Schreiben vom 27.02.2007 teilte die Landesgeschäftsstelle Nord der Antragsgegnerin der Antragstellerin folgendes mit: " ...aufgrund staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen Sie im Zusammenhang mit der Lieferung von Sprechstundenbedarf (SBB) an Vertragsärzte ist das Vertrauensverhältnis zu Ihnen gestört. Deshalb beenden wir das Direktabrechnungsverfahren mit Ihnen bei der Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen SSB zum 31.03.2007. Nehmen Sie bitte die Abrechnung von SSB ab dem 01.04.2007 mit denen von Ihnen belieferten Vertragsärzten vor." Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.03.2007 Widerspruch ein. Eine Entscheidung der Antragsgegnerin hierüber liegt noch nicht vor. Ebenso zum 31.03.2007 haben die Landesverbände Brandenburg (SG Potsdam - S 1 KA 30/07 ER), Sachsen (SG Dresden - S 18 KR 142/07 ER) und Sachsen-Anhalt (SG Magdeburg - S 13 KR 103/07 ER) der Antragsgegnerin die Direktabrechnung beendet. Am 12.03.2007 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht KOBLENZ beantragt. Mit Beschluss vom 20.03.2007 hat das Sozialgericht KOBLENZ den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hamburg verwiesen. Die Antragstellerin trägt vor, bei dem Schreiben vom 27.02.2007 handele es sich um einen Verwaltungsakt. Dementsprechend habe der Widerspruch gemäß § 86 a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung. Aber auch wenn man dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt ansehe, habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Unterlassen der einseitigen Beendigung bzw. des Boykotts durch die Antragsgegnerin. Der Ausschluss vom Direktabrechnungsverfahren sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und verstoße gegen Art. 3 GG. Die Abrechnung stehe nicht zur Disposition der Antragsgegnerin. Für einen Ausschluss einzelner SSB-Lieferanten durch eine Kasse gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Antragstellerin sei auch nicht zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, da wesentliche und nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden. Der Marktanteil- bzw. Umsatzverlust im Bereich der KVH betrüge mindestens 90 %, wenn der Arzt selbst in Vorleistung treten müsse. Hierbei sei zu beachten, dass der Anteil der SSB-Lieferungen, die im Jahre 2006 direkt mit den Krankenkassen abgerechnet worden seien, ca. 99 % betrage. Durch die Beendigung des Direktabrechnungsverfahrens gingen gefestigte Kundenbeziehungen irreparabel verloren. In der Direktlieferung seien 118 Mitarbeiter beschäftigt. Die Direktlieferung von niedergelassenen Ärzten mache einen Jahresumsatz von 21.000.000 Mio. EUR aus, den von der Maßnahme der Antragsgegnerin betroffenen Gebieten Nordrhein, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ca. 2.700.000 EUR. Der Gesamtumsatz des Unternehmens habe in 2006 205 Mio. EUR betragen. Noch gravierender als der Umsatzverlust sei die dauerhafte Zerstörung der aufgebauten Kundenbeziehungen. Die Antragstellerin beantragt, 1. festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 07.03.2007 gegen die mit Schreiben der Landesgeschäftsstelle Nord der Antragsgegnerin vom 27.02.2007 zum 31.03.2007 erklärte Beendigung des Abrechnungsverfahrens bei der Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarfs aufschiebende Wirkung hat. 2. hilfweise festzustellen, dass die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich verpflichtet ist, den von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg nach Maßgabe der gültigen Sprechstundenbedarfsvereinbarung der Antragsgegnerin zu Lasten der Antragsgegnerin verordneten Sprechstundenbedarf wie bisher mit der Antragsgegnerin abzurechnen. Hiervon unberührt besteht nach wie vor das Recht der Antragsgegnerin, die Abrechnung von SSB-Verordnungen, die ihrer Ansicht nach nicht ordnungsgemäß sind- insbesondere im Falle der Lieferung von SSB im Rahmen von OP-Sets – bis zur rechtskräftigen Klärung der Abrechenbarkeit im Einzelfall, zu verweigern.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie trägt vor, zwischen den Beteiligten bestünden keine anspruchsbegründenden Rechtsbeziehungen. Der Umfang der in der Vergangenheit gelieferten Kitpacks könne nicht akzeptiert werden und habe das Vertrauen in die Direktabrechnung mit der Antragstellerin zerstört. Im Übrigen fehle es am Anordnungsgrund, da die Antragstellerin ihre finanzielle Betroffenheit nicht ausreichend dargelegt habe.
II. 1. Der Hauptantrag ist unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzinteresse fehlt. Das Rechtsschutzinteresse fehlt einem Rechtsbehelf unter anderem dann, wenn der Rechtsbehelf entweder zur Erreichung des Rechtsschutzzieles nicht erforderlich ist oder aber, wenn dieses von vornherein nicht erreicht werden kann (vgl. SG Kostanz, B. v. 5.7. 2005 - S 9 AY 1240/05 ER; SG Hamburg, B. v. 19.10.2006 – S 51 AS 1899/06 ER). Die Feststellung, dass ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat oder die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches setzen voraus, dass der Widerspruch in zulässiger Weise erhoben worden ist oder jedenfalls noch erhoben werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Bei dem Schreiben vom 27.02.2007 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, so dass ein "Widerspruch" hiergegen keine aufschiebende Wirkung haben kann. Vorliegend handelt es sich um einen Streit im Gleichordnungsverhältnis, bei dem keine Regelungen durch Verwaltungsakt zu treffen sind. Auch aus der Sicht des maßgeblichen objektivierten Empfängers ist das Schreiben nicht als Verwaltungsakt auszulegen. Das Schreiben ist weder als Bescheid gekennzeichnet noch enthält es eine Rechtsmittelbelehrung.
2. Der Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der auch im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gilt (Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 123 Rn. 2), ist das Gericht bei seiner Entscheidung nicht an die Fassung des Antrags gebunden. Erforderlichenfalls ist das Rechtsschutzbegehren durch Auslegung des Antrags zu ermitteln. Im Zweifel wird der Rechtsschutzsuchende den Antrag stellen wollen, der ihm am besten zum Ziel verhilft (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 123 Rn. 3). Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag zu 2) als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin weiterhin am Direktabrechnungsverfahren teilnehmen zu lassen, auszulegen.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Nach § 86 b Abs 2 S 1 SGG kann das Gericht – soweit ein Fall nach Abs. 1 nicht vorliegt - auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Die Antragstellerin hat nicht mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, dass die begehrte Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Es kann insoweit offen bleiben, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Ein solcher folgt zumindest nicht aus dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Bei der Antragstellerin handelt es sich nicht um einen Leistungserbringer i.S.d. SGB V (so im Ergebnis auch SG KOBLENZ, B. v. 16.06.2005 – S 5 ER 98/05 KR). Die Antragstellerin ist kein Leistungserbringer i.S.d. §§ 295 bis 301 a SGB V. Die Antragstellerin ist auch kein sonstiger Leistungserbringer i.S.d. § 302 SGB V. Von dieser Regelung werden die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel (§§ 124,126 SGB V) sowie diejenigen erfasst, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Haushaltshilfe (§ 132 SGB V) sowie Krankentransportleistungen (§ 133 SGB V) erbringen. Die Antragstellerin fällt unter keine dieser Fallgruppen.
Es gibt auch keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin für den Bereich der KVH mit der Vereinbarung einer Direktabrechnung.
Allerdings kann sich ein Anspruch aus der Richtlinie der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "Sonstigen Leistungserbringern" sowie mit Hebammen und Entbindungspflegern vom 09.05.1996 in der Fassung vom 15.12.2003 (im folgenden Richtlinie § 302 SGB V) i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung (soweit man das Verhältnis zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlich ansieht) oder i.V.m. dem Grundsatz venire contra factum proprium (soweit man das Verhältnis zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin als privatrechtlich ansieht) ergeben. Insoweit spricht nach Auffassung des Gerichts mehr für eine Heranziehung des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung, da mit der Neuregelung des § 69 SGB V zum 01.01.2000 alle Handlungen der Krankenkassen und ihrer Verbände die ihre Beziehungen zu den Leistungserbringern sowie hiervon berührten Dritten betreffen, ausschließlich nach öffentlichen Recht zu beurteilen sind. Es spricht viel dafür, hier die Antragstellerin als "berührte Dritte" anzusehen. Nach § 1 Nr. 1 Punkt 1.6 der Richtlinie § 302 SGB V werden als "Sonstige Leistungserbringer" definiert "Direktlieferanten von Arznei- und Verbandmitteln (einschließlich von Sprechstundenbedarf)". Weiterhin ist ausgeführt, dass die Abrechnung der Direktlieferanten von Arznei- und Verbandmitteln und von Sprechstundenbedarf entsprechend dem Verfahren gemäß der Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. erfolgt. Die Spitzenverbände der Krankenkassen wollen damit offensichtlich die Direktlieferanten von Sprechstundenbedarf genau so behandeln wie die sonstigen Leistungserbringer i.S.d. § 302 SGB V. Dies wird auch durch die Umsetzung der bislang praktizierten Direktabrechung – die im Bereich der KV Nordrhein sogar ausdrücklich vereinbart wurde – bestätigt. Damit kann sich aber ein grundsätzlicher Anspruch auf die Direktabrechnung aus der Richtlinie i.V.m der Selbstbindung der Verwaltung bzw. Grundsatz venire contra factum proprium ergeben. Dieser grundsätzlich denkbare Anspruch kann aber wiederum entfallen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten durch falsche Abrechnungen zerstört ist. Dies wäre der Fall, soweit die Vorwürfe der Antragsgegnerin zutreffen sollten. Dies kann das Gericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber nicht abschließend prüfen. Im Ergebnis kann dies aber offen bleiben, da ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde. Dass der Antragstellerin bei Beendigung des Direktabrechnungsverfahrens im Bereich der KVH wirtschaftliche Nachteile, die eine Existenzgefährdung der Antragstellerin begründen, drohen, ist nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen. Die Antragstellerin bleibt zunächst in dem Bereich der Herstellung und Entwicklung von Medizin- und Hygieneprodukten unangetastet. Weiterhin bleibt sie in dem Vertrieb von Produkten, die nicht unter den Sprechstundenbedarf fallen, zunächst völlig unangetastet. Auch der Vertrieb an Apotheken, Sanitäts- und medizinischen Handel und Großhandel sowie für Industriekunden ist durch die Beendigung der Direktabrechnung nicht betroffen. Der unmittelbar tangierte Bereich der Direktbelieferung von niedergelassenen Arztpraxen macht nach eigenen Angaben der Antragstellerin einen Jahresumsatz von über 21.000.000 EUR aus, wobei im Bereich der momentan betroffenen Gebiete (Nordrhein, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg) ca. 2.700.000 EUR Umsatz erzielt werden. In Anbetracht des gesamt erzielten Umsatzes im Inland von vorgetragenen 170.000.000 EUR kann das Gericht eine Existenzgefährdung nicht erkennen. In diesem Zusammenhang muss auch noch berücksichtigt werden, dass der Anteil, der auf die KVH entfällt, wesentlich geringer als 2.700.000 EUR anzusetzen ist. Der größte Anteil wird auf das bevölkerungsreichste Gebiet Nordrhein entfallen. Unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Mitgliederzahlen der Gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich Hamburg wird der Umsatzverlust für Hamburg – mit Unterstellung, dass alle Ärzte den Bezug der SSB-Produkte der Antragstellerin beenden – bei unter 200.000 EUR liegen. Im Übrigen ist es spekulativ und auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Ärzte im vollen Umfang nicht bereit sind, die Geschäftsbeziehungen mit der Antragstellerin auch ohne Direktabrechnung aufrechtzuerhalten und damit gefestigte Kundenbeziehungen verloren gehen. Es ist zwar nicht völlig von der Hand zu weisen, dass möglicherweise Ärzte sich aus Vereinfachungsgründen einen anderen Anbieter, der direkt abrechnen kann, suchen. Hierzu fehlt aber jegliche Glaubhaftmachung, z.B. in Form von schriftlichen Erklärungen von Ärzten. Es ist ebenfalls spekulativ davon auszugehen, dass die anderen Kassen in anderen Bundesländern dem Beispiel der Antragsgegnerin folgen und die Antragstellerin von der Direktabrechnung ausschließen. Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die anderen Krankenkassen ohne eigene Sachprüfung einfach Handlungsweisen der Antragsgegnerin übernehmen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht von einem zu erwartenden Umsatzverlust von 200.000 EUR jährlich ausgeht, was der Dauer eines Hauptsacheverfahrens entspricht. Da es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren handelt, ist dieser Wert zu halbieren.
Gründe:
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragstellerin bei Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarfs (SSB) weiterhin im Wege des Direktabrechnungsverfahrens mit der Antragsgegnerin abrechnen kann. Die Antragstellerin ist nach eigenen Angaben eine der bundesweit führenden Lieferanten von nicht apothekenpflichtigem Sprechstundenbedarf und entwickelt, produziert und vertreibt Medizin- und Hygieneprodukte. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen 826 Mitarbeiter. Die Antragstellerin gehört als Tochterunternehmen zur L. & R. International GmbH & Co. KG. Weitere Tochterunternehmen des Konzerns sind der R. C. P. W. und die L. & R. GmbH W ... Neben den Hauptstandorten in Deutschland und Österreich ist L. & R. – wie ihrem Internetauftritt zu entnehmen ist -in weiteren 17 Ländern der Welt vertreten und erzielt ein Umsatzvolumen von über 376 Millionen EUR (www. L.& R ...de). Die Antragsgegnerin vertreibt die von ihr hergestellten Produkte über Händler und direkt. Der Direktvertrieb erfolgt zum einen an Krankenhäuser sowie an den niedergelassenen Bereich (Ärzte, Apotheken, Sanitäts- und medizinischer Fachhandel und Großhandel) sowie für die Industriekunden (www. L.& R ...de). Nach der Vereinbarung über die vertragsärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf vom 18.01.2006 zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) und der AOK Hamburg, dem BKK Landesverband Nord, der Innungskrankenkasse Hamburg, der Krankenkasse für den Gartenbau, der See-Krankenkasse, dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassenverband e.V, sowie dem Sozialhilfeträger Freie und Hansestadt Hamburg ist der Sprechstundenbedarf für Anspruchsberechtigte der vertragsschließenden Krankenkassen zu Lasten der Antragsgegnerin zu verordnen. Die Antragstellerin liefert SSB im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) auf entsprechende ärztliche Verordnung direkt an die Ärzte und rechnet diese Leistungen unmittelbar mit der Antragsgegnerin ab. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zur Direktabrechnung – wie z.B. ausdrücklich im Bereich Nordrhein – existiert für den Bereich der KVH nicht. Seit Mitte 2005 führt die Staatsanwaltschaft KOBLENZ wegen des Verdachts der Untreue bzw. des Betruges ein Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Vorstandes sowie einen Verkaufsmitarbeiter der Antragstellerin. Hintergrund ist die Frage der Lieferung und Abrechung von sogenannten Kitpacks (OP-Sets). Mit Schreiben vom 27.02.2007 teilte die Landesgeschäftsstelle Nord der Antragsgegnerin der Antragstellerin folgendes mit: " ...aufgrund staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen Sie im Zusammenhang mit der Lieferung von Sprechstundenbedarf (SBB) an Vertragsärzte ist das Vertrauensverhältnis zu Ihnen gestört. Deshalb beenden wir das Direktabrechnungsverfahren mit Ihnen bei der Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen SSB zum 31.03.2007. Nehmen Sie bitte die Abrechnung von SSB ab dem 01.04.2007 mit denen von Ihnen belieferten Vertragsärzten vor." Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.03.2007 Widerspruch ein. Eine Entscheidung der Antragsgegnerin hierüber liegt noch nicht vor. Ebenso zum 31.03.2007 haben die Landesverbände Brandenburg (SG Potsdam - S 1 KA 30/07 ER), Sachsen (SG Dresden - S 18 KR 142/07 ER) und Sachsen-Anhalt (SG Magdeburg - S 13 KR 103/07 ER) der Antragsgegnerin die Direktabrechnung beendet. Am 12.03.2007 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht KOBLENZ beantragt. Mit Beschluss vom 20.03.2007 hat das Sozialgericht KOBLENZ den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hamburg verwiesen. Die Antragstellerin trägt vor, bei dem Schreiben vom 27.02.2007 handele es sich um einen Verwaltungsakt. Dementsprechend habe der Widerspruch gemäß § 86 a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung. Aber auch wenn man dieses Schreiben nicht als Verwaltungsakt ansehe, habe die Antragstellerin einen Anspruch auf Unterlassen der einseitigen Beendigung bzw. des Boykotts durch die Antragsgegnerin. Der Ausschluss vom Direktabrechnungsverfahren sei ein Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und verstoße gegen Art. 3 GG. Die Abrechnung stehe nicht zur Disposition der Antragsgegnerin. Für einen Ausschluss einzelner SSB-Lieferanten durch eine Kasse gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Antragstellerin sei auch nicht zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, da wesentliche und nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden. Der Marktanteil- bzw. Umsatzverlust im Bereich der KVH betrüge mindestens 90 %, wenn der Arzt selbst in Vorleistung treten müsse. Hierbei sei zu beachten, dass der Anteil der SSB-Lieferungen, die im Jahre 2006 direkt mit den Krankenkassen abgerechnet worden seien, ca. 99 % betrage. Durch die Beendigung des Direktabrechnungsverfahrens gingen gefestigte Kundenbeziehungen irreparabel verloren. In der Direktlieferung seien 118 Mitarbeiter beschäftigt. Die Direktlieferung von niedergelassenen Ärzten mache einen Jahresumsatz von 21.000.000 Mio. EUR aus, den von der Maßnahme der Antragsgegnerin betroffenen Gebieten Nordrhein, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg ca. 2.700.000 EUR. Der Gesamtumsatz des Unternehmens habe in 2006 205 Mio. EUR betragen. Noch gravierender als der Umsatzverlust sei die dauerhafte Zerstörung der aufgebauten Kundenbeziehungen. Die Antragstellerin beantragt, 1. festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 07.03.2007 gegen die mit Schreiben der Landesgeschäftsstelle Nord der Antragsgegnerin vom 27.02.2007 zum 31.03.2007 erklärte Beendigung des Abrechnungsverfahrens bei der Belieferung von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit Artikeln des nicht apothekenpflichtigen Sprechstundenbedarfs aufschiebende Wirkung hat. 2. hilfweise festzustellen, dass die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich verpflichtet ist, den von Vertragsärzten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg nach Maßgabe der gültigen Sprechstundenbedarfsvereinbarung der Antragsgegnerin zu Lasten der Antragsgegnerin verordneten Sprechstundenbedarf wie bisher mit der Antragsgegnerin abzurechnen. Hiervon unberührt besteht nach wie vor das Recht der Antragsgegnerin, die Abrechnung von SSB-Verordnungen, die ihrer Ansicht nach nicht ordnungsgemäß sind- insbesondere im Falle der Lieferung von SSB im Rahmen von OP-Sets – bis zur rechtskräftigen Klärung der Abrechenbarkeit im Einzelfall, zu verweigern.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Sie trägt vor, zwischen den Beteiligten bestünden keine anspruchsbegründenden Rechtsbeziehungen. Der Umfang der in der Vergangenheit gelieferten Kitpacks könne nicht akzeptiert werden und habe das Vertrauen in die Direktabrechnung mit der Antragstellerin zerstört. Im Übrigen fehle es am Anordnungsgrund, da die Antragstellerin ihre finanzielle Betroffenheit nicht ausreichend dargelegt habe.
II. 1. Der Hauptantrag ist unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzinteresse fehlt. Das Rechtsschutzinteresse fehlt einem Rechtsbehelf unter anderem dann, wenn der Rechtsbehelf entweder zur Erreichung des Rechtsschutzzieles nicht erforderlich ist oder aber, wenn dieses von vornherein nicht erreicht werden kann (vgl. SG Kostanz, B. v. 5.7. 2005 - S 9 AY 1240/05 ER; SG Hamburg, B. v. 19.10.2006 – S 51 AS 1899/06 ER). Die Feststellung, dass ein Widerspruch aufschiebende Wirkung hat oder die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches setzen voraus, dass der Widerspruch in zulässiger Weise erhoben worden ist oder jedenfalls noch erhoben werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Bei dem Schreiben vom 27.02.2007 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, so dass ein "Widerspruch" hiergegen keine aufschiebende Wirkung haben kann. Vorliegend handelt es sich um einen Streit im Gleichordnungsverhältnis, bei dem keine Regelungen durch Verwaltungsakt zu treffen sind. Auch aus der Sicht des maßgeblichen objektivierten Empfängers ist das Schreiben nicht als Verwaltungsakt auszulegen. Das Schreiben ist weder als Bescheid gekennzeichnet noch enthält es eine Rechtsmittelbelehrung.
2. Der Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der auch im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gilt (Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 123 Rn. 2), ist das Gericht bei seiner Entscheidung nicht an die Fassung des Antrags gebunden. Erforderlichenfalls ist das Rechtsschutzbegehren durch Auslegung des Antrags zu ermitteln. Im Zweifel wird der Rechtsschutzsuchende den Antrag stellen wollen, der ihm am besten zum Ziel verhilft (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 123 Rn. 3). Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag zu 2) als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin weiterhin am Direktabrechnungsverfahren teilnehmen zu lassen, auszulegen.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Nach § 86 b Abs 2 S 1 SGG kann das Gericht – soweit ein Fall nach Abs. 1 nicht vorliegt - auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Die Antragstellerin hat nicht mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, dass die begehrte Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Es kann insoweit offen bleiben, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Ein solcher folgt zumindest nicht aus dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Bei der Antragstellerin handelt es sich nicht um einen Leistungserbringer i.S.d. SGB V (so im Ergebnis auch SG KOBLENZ, B. v. 16.06.2005 – S 5 ER 98/05 KR). Die Antragstellerin ist kein Leistungserbringer i.S.d. §§ 295 bis 301 a SGB V. Die Antragstellerin ist auch kein sonstiger Leistungserbringer i.S.d. § 302 SGB V. Von dieser Regelung werden die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel (§§ 124,126 SGB V) sowie diejenigen erfasst, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Haushaltshilfe (§ 132 SGB V) sowie Krankentransportleistungen (§ 133 SGB V) erbringen. Die Antragstellerin fällt unter keine dieser Fallgruppen.
Es gibt auch keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin für den Bereich der KVH mit der Vereinbarung einer Direktabrechnung.
Allerdings kann sich ein Anspruch aus der Richtlinie der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "Sonstigen Leistungserbringern" sowie mit Hebammen und Entbindungspflegern vom 09.05.1996 in der Fassung vom 15.12.2003 (im folgenden Richtlinie § 302 SGB V) i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung (soweit man das Verhältnis zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlich ansieht) oder i.V.m. dem Grundsatz venire contra factum proprium (soweit man das Verhältnis zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin als privatrechtlich ansieht) ergeben. Insoweit spricht nach Auffassung des Gerichts mehr für eine Heranziehung des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung, da mit der Neuregelung des § 69 SGB V zum 01.01.2000 alle Handlungen der Krankenkassen und ihrer Verbände die ihre Beziehungen zu den Leistungserbringern sowie hiervon berührten Dritten betreffen, ausschließlich nach öffentlichen Recht zu beurteilen sind. Es spricht viel dafür, hier die Antragstellerin als "berührte Dritte" anzusehen. Nach § 1 Nr. 1 Punkt 1.6 der Richtlinie § 302 SGB V werden als "Sonstige Leistungserbringer" definiert "Direktlieferanten von Arznei- und Verbandmitteln (einschließlich von Sprechstundenbedarf)". Weiterhin ist ausgeführt, dass die Abrechnung der Direktlieferanten von Arznei- und Verbandmitteln und von Sprechstundenbedarf entsprechend dem Verfahren gemäß der Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. erfolgt. Die Spitzenverbände der Krankenkassen wollen damit offensichtlich die Direktlieferanten von Sprechstundenbedarf genau so behandeln wie die sonstigen Leistungserbringer i.S.d. § 302 SGB V. Dies wird auch durch die Umsetzung der bislang praktizierten Direktabrechung – die im Bereich der KV Nordrhein sogar ausdrücklich vereinbart wurde – bestätigt. Damit kann sich aber ein grundsätzlicher Anspruch auf die Direktabrechnung aus der Richtlinie i.V.m der Selbstbindung der Verwaltung bzw. Grundsatz venire contra factum proprium ergeben. Dieser grundsätzlich denkbare Anspruch kann aber wiederum entfallen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten durch falsche Abrechnungen zerstört ist. Dies wäre der Fall, soweit die Vorwürfe der Antragsgegnerin zutreffen sollten. Dies kann das Gericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aber nicht abschließend prüfen. Im Ergebnis kann dies aber offen bleiben, da ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde. Dass der Antragstellerin bei Beendigung des Direktabrechnungsverfahrens im Bereich der KVH wirtschaftliche Nachteile, die eine Existenzgefährdung der Antragstellerin begründen, drohen, ist nicht erkennbar und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen. Die Antragstellerin bleibt zunächst in dem Bereich der Herstellung und Entwicklung von Medizin- und Hygieneprodukten unangetastet. Weiterhin bleibt sie in dem Vertrieb von Produkten, die nicht unter den Sprechstundenbedarf fallen, zunächst völlig unangetastet. Auch der Vertrieb an Apotheken, Sanitäts- und medizinischen Handel und Großhandel sowie für Industriekunden ist durch die Beendigung der Direktabrechnung nicht betroffen. Der unmittelbar tangierte Bereich der Direktbelieferung von niedergelassenen Arztpraxen macht nach eigenen Angaben der Antragstellerin einen Jahresumsatz von über 21.000.000 EUR aus, wobei im Bereich der momentan betroffenen Gebiete (Nordrhein, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg) ca. 2.700.000 EUR Umsatz erzielt werden. In Anbetracht des gesamt erzielten Umsatzes im Inland von vorgetragenen 170.000.000 EUR kann das Gericht eine Existenzgefährdung nicht erkennen. In diesem Zusammenhang muss auch noch berücksichtigt werden, dass der Anteil, der auf die KVH entfällt, wesentlich geringer als 2.700.000 EUR anzusetzen ist. Der größte Anteil wird auf das bevölkerungsreichste Gebiet Nordrhein entfallen. Unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Mitgliederzahlen der Gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich Hamburg wird der Umsatzverlust für Hamburg – mit Unterstellung, dass alle Ärzte den Bezug der SSB-Produkte der Antragstellerin beenden – bei unter 200.000 EUR liegen. Im Übrigen ist es spekulativ und auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Ärzte im vollen Umfang nicht bereit sind, die Geschäftsbeziehungen mit der Antragstellerin auch ohne Direktabrechnung aufrechtzuerhalten und damit gefestigte Kundenbeziehungen verloren gehen. Es ist zwar nicht völlig von der Hand zu weisen, dass möglicherweise Ärzte sich aus Vereinfachungsgründen einen anderen Anbieter, der direkt abrechnen kann, suchen. Hierzu fehlt aber jegliche Glaubhaftmachung, z.B. in Form von schriftlichen Erklärungen von Ärzten. Es ist ebenfalls spekulativ davon auszugehen, dass die anderen Kassen in anderen Bundesländern dem Beispiel der Antragsgegnerin folgen und die Antragstellerin von der Direktabrechnung ausschließen. Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass die anderen Krankenkassen ohne eigene Sachprüfung einfach Handlungsweisen der Antragsgegnerin übernehmen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht von einem zu erwartenden Umsatzverlust von 200.000 EUR jährlich ausgeht, was der Dauer eines Hauptsacheverfahrens entspricht. Da es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren handelt, ist dieser Wert zu halbieren.
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