S 56 AS 2601/06 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
56
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 AS 2601/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die Wohnung A. T.-Weg, Hamburg und über die Berücksichtigung von Unterkunftskosten bei der Bewilligung von Leistungen ab Februar 2007.

Am 14.10.2005 beantragte der Ehemann der Antragstellerin, der damals noch mit dieser und den beiden minderjährigen Kindern des Ehepaares zusammenlebte, bei der Antragsgegnerin die Zusicherung zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für eine 86,92 qm große Wohnung unter der Adresse A. T.-Weg, Hamburg. Das zugrundeliegende Wohnungsangebot der Grundstücksverwaltung B. GmbH & Co wies eine derzeit gültige Nettokaltmiete von 373,33 EUR zuzüglich 130,10 EUR Betriebskosten auf. Es enthielt zugleich den Hinweis, dass sich nach Ablauf der Mietpreisbindung zum 31.12.2006 die Miete ab 1.1.2007 um netto 20% erhöhen würde.

Die Antragsgegnerin lehnte die Zusicherung mit Bescheid vom 17.10.2005 unter Hinweis auf die unangemessene Größe der Wohnung sowie die zum 1.1.2007 bevorstehende Mieterhöhung, die zu einer unangemessenen Miethöhe führen würde, ab. Die in Rede stehende Wohnung wurde daraufhin von Herrn I. angemietet, der sie ab 1.12.2005 an die Antragstellerin untervermietete. Im Untermietvertrag wurde (in Übereinstimmung mit dem Wohnungsangebot) eine Nettokaltmiete von 373,33 EUR und eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 130,10 EUR vereinbart. Vereinbarungen hinsichtlich einer künftigen Mieterhöhung enthielt der Untermietvertrag nicht. Daraufhin bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen für diese Unterkunft.

Am 1.8.2006 zog der Ehemann der Antragstellerin aus der Wohnung aus, was die Antragstellerin der Antragsgegnerin am 9.11.2006 mitteilte. Mit Schreiben vom 31.10.2006, der Antragsstellerin zugegangen am 1.11.2006, kündigte Herr I. den Untermietvertrag zum 31.1.2007 mit der Begründung, er habe den Hauptmietvertrag zu diesem Datum gekündigt. Die Grundstücksverwaltung B. GmbH & Co unterbreitete der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 6.12.2006 ein Angebot über die Anmietung der Wohnung. Das Angebot bezifferte die Nettokaltmiete mit 546,97 EUR und die Betriebkostenvorauszahlung mit 135,00 EUR. Mit Bescheid vom 13.12.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für die Wohnung ab, da diese sowohl hinsichtlich der Größe als auch hinsichtlich der Miethöhe unangemessen sei. Mit Bescheid vom 21.12.2006 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin und den beiden Kindern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1.1. – 31.5.2007 bewilligt, wobei ab dem 1.2.2007 keine Kosten für Unterkunft und Heizung mehr anerkannt werden.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, 1. die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Wohnung A. T.-Weg zuzusichern und 2. Leistungen ab Februar 2007 unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten entsprechend des Mietvertragsangebots vom 6.12.2006 zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

II.

Der Antrag ist unter verständiger Würdigung des Rechtsschutzbegehrens gemäß § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszulegen. Da bislang noch kein neuer Vertrag über die Anmietung der Wohnung A. T.- 40 abgeschlossen wurde, ist das Interesse der Antragstellerin zum einen darauf gerichtet, eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung dieser Wohnung zu erhalten. Zum anderen geht es ihr erkennbar auch darum, dass die entsprechend des Vertragsangebots erhöhten Unterkunftskosten bei der Leistungsbewilligung für den Zeitraum ab Februar 2007 Berücksichtigung finden. Hingegen hat der Vertreter der Antragstellerin mit Schreiben an das Gericht vom 8.1.2007 klargestellt, dass die Übernahme höherer Mietkosten für den Monat Januar nicht begehrt wird.

Der so verstandene Antrag ist nach § 86 b Abs. 2 und 3 SGG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Ein Anordnungsanspruch ist weder hinsichtlich der Zusicherung der Unterkunftskosten (dazu unter 1) noch hinsichtlich der Berücksichtigung von Unterkunftskosten bei der Bewilligung von Leistungen ab Februar 2007 (dazu unter 2) glaubhaft gemacht.

1. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zusicherung zu den Aufwendungen für die Unterkunft richten sich vorliegend nach § 22 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach dieser Vorschrift soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Ein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung besteht dabei nur, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Wohnung angemessen sind.

Zwar handelt es sich vorliegend nicht um einen Umzug im eigentlichen Sinn, da die Antragstellerin in der derzeitigen Wohnung verbleiben möchte. Es geht jedoch auch nicht um eine bloße Mieterhöhung für diese Wohnung. Der bisherige Vermieter der Klägerin, der Hauptmieter Herr I., hat nicht die Miete aus dem bislang bestehenden Untermietvertrag erhöht, vielmehr wurde dieser Vertrag gekündigt. Der Sache nach geht es daher um den Abschluss eines neuen Vertrages (wenn auch für die bereits jetzt bewohnte Wohnung) mit einem neuen Vermieter, der Grundstücksverwaltung B. GmbH & Co. Diese Konstellation ist einem Umzug in eine neue Wohnung gleichzustellen, sodass § 22 Abs. 2 SGB II entsprechend anzuwenden ist. Allein dies trägt dem Zweck dieser Norm Rechnung. Die Regelung in § 22 Abs. 2 SGB II soll vermeiden, dass Hilfebedürftige ohne Abstimmung mit dem Leistungsträger Wohnungen anmieten, für die unangemessen hohe Unterkunftskosten anfallen (vgl. Gerenkamp, in: Mergler/Zink, SGB II, Stand Mai 2006, § 22 Rn. 24). Dies ist im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 22 Abs. 1 SGB II zu sehen, wonach Leistungen für die Unterkunft grundsätzlich nur übernommen werden, soweit sie angemessen sind. Steht die Anmietung einer neuen Wohnung bevor, so ist dies der Zeitpunkt, in dem die Entstehung unangemessen hoher Kosten im Interesse sowohl des Hilfebedürftigen als auch der Allgemeinheit vorbeugend vermieden werden kann. Diese Überlegungen greifen aber nicht nur dann, wenn ein Umzug in eine neue Wohnung beabsichtigt ist, sondern auch dann, wenn ein neuer Vertrag über die bereits vorhandene Wohnung abgeschlossen werden soll. Auch in diesen Fällen besteht ein Interesse daran, dass der Hilfebedürftige keine Verpflichtung zur Zahlung unangemessener Kosten eingeht bzw. – wenn er den Vertrag dennoch abschließt – selbst das Risiko hierfür trägt. Die im Fall der Antragstellerin vorliegende Konstellation unterscheidet sich letztlich nicht wesentlich von derjenigen, dass ein Mietvertrag gekündigt wird und die alte Wohnung nicht mehr zur Verfügung steht, dafür aber eine andere Wohnung angeboten wird. Die Kammer vermag daher keinen Grund für eine unterschiedliche Behandlung zu erkennen.

Die in § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II geregelten Voraussetzungen für eine Zusicherung sind vorliegend nicht gegeben. Zwar ist ein "Umzug" der Antragstellerin und ihrer Kinder, der entsprechend den obigen Ausführungen analog auch in einer Neubegründung eines Mietverhältnisses für die jetzige Wohnung liegen kann, erforderlich. Denn der bisherige Mietvertrag wurde von Seiten des Hauptmieters gekündigt. Die Aufwendungen für die "neue Unterkunft" (die hier die schon bisher bewohnte Wohnung in der Ausprägung durch den neu abzuschließenden Mietvertrag ist) sind jedoch nicht angemessen. Nach der Fachlichen Vorgabe der Antragsgegnerin zu § 22 SGB II - Angemessenheit der Kosten der Unterkunft vom 4.7.2006 (Az.: SI 212/110.47-1/29) sind für einen Dreipersonenhaushalt bis zu 75 qm Wohnungsfläche und bis zu 499,- EUR Bruttokaltmiete (d.h. inklusive Betriebskosten, aber ohne Heizkosten) angemessen. Das Vertragsangebot für die Wohnung A. T.-Weg sieht eine Bruttokaltmiete von 681,97 EUR (546,97 EUR Nettokaltmiete zuzüglich 135,00 EUR Betriebskosten) vor und liegt damit deutlich – nämlich um 36,67 % – über dem Wert der Fachlichen Vorgabe. Angesichts dieser erheblichen Überschreitung bedarf es vorliegend keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Höchstwert der Fachlichen Vorgabe für alle Fallkonstellationen als rechtmäßige Konkretisierung des gesetzlichen Begriffs der Angemessenheit anzusehen ist oder ob angesichts der zu erwartenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) von höheren Werten auszugehen ist (vgl. hierzu ausführlich SG Hamburg, Beschluss vom 30.11.2006, Az: S 59 AS 1755/06 ER; Beschluss vom 21.12.2006, Az: S 56 AS 2546/06 ER). Eine so erhebliche Erhöhung der Angemessenheitsgrenze, dass diese vorliegend noch gewahrt wäre, ist auch in der Rechtsprechung des BSG nicht zu erwarten.

2. Die Antragstellerin hat ferner keinen Anspruch darauf, dass bei der Leistungsbewilligung ab Februar 2007 Kosten der Unterkunft in der im Vertragsangebot vom 6.12.2006 vorgesehenen Höhe berücksichtigt werden. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bereits daraus ergibt sich, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Berücksichtigung der erhöhten Miete hat, da diese wie oben dargelegt unangemessen hoch ist und eine Zusicherung der Übernahme der unangemessenen Unterkunftskosten weder erteilt worden noch zu erteilen ist.

Jedenfalls derzeit besteht aber auch kein Anspruch auf Berücksichtigung niedrigerer Unterkunftskosten. Denn es steht momentan nicht fest, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Antragstellerin ab Februar 2007 Unterkunftskosten entstehen. Der Untermietvertrag, aus dem sich die bisherigen Unterkunftskosten ergaben, ist mit Wirkung zum 31.1.2007 gekündigt, ein neuer Vertrag über eine Unterkunft ist bislang nicht abgeschlossen worden. Die Antragsgegnerin konnte daher bislang nicht über die Höhe der künftig zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft entscheiden. Wenn feststeht, dass Unterkunftskosten ab Februar 2007 anfallen, wird die Antragsgegnerin diese bei ihrer Leistungsbewilligung zu berücksichtigen haben, soweit sie angemessen sind.

3. Die Kammer weist außerdem darauf hin, dass der Antragstellerin keineswegs erst infolge des ablehnenden Bescheids vom 13.12.2006 bekannt war, dass die erhöhten Mietkosten von der Antragsgegnerin nicht übernommen werden würden. Bereits aus der Vorgeschichte zur erstmaligen Anmietung der Wohnung im Rahmen des Untermietvertrags wusste die Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin zur Übernahme der zum 1.1.2007 zu erwartenden erhöhten Miete nicht bereit war. Zudem ist ihr die Kündigung des Untermietvertrages bereits am 1.11.2006 zugegangen. Sie hätte sich also bereits ab Anfang November 2006 um die Anmietung einer sozialhilferechtlich angemessenen Wohnung bemühen können.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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