Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 5/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist ein Regress wegen der Verordnung eines fiktiv zugelassenen Arzneimittels.
Die Klägerin ist eine rheumatologisch ausgerichtete Berufsausübungsgemeinschaft von Ärzten für Innere Medizin und Allgemeinmedizin mit Vertragsarztsitz in N. In den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 verordneten die ihr angehörenden Ärzte in zahlreichen Behandlungsfällen das Fertigarzneimittel Myoson direct.
Auf Prüfantrag der Beigeladenen zu 1) setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein mit Bescheid vom 25.08.2015 einen Regress in Höhe von 1.458,88 EUR für diese Quartale fest, wobei ein Betrag von 1.383,07 EUR auf das hier streitbefangene Myoson direct entfiel. Einen hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2015 zurück:
Bei dem Medikament Myoson direct handele es sich um ein sog. "fiktiv zugelassenes Arzneimittel". Fiktiv zugelassene Arzneimittel seien Fertigarzneimittel, die sich bei Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes (AMG) 1976 im Handel befunden hätten oder für die bereits ein Antrag auf Eintrag in das damals gültige Spezialitätenregister gestellt worden sei. Die Präparate sollten bis 2005 einer Nachzulassung unterzogen werden, um den Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu erbringen. Die behördliche Prüfung der Anträge auf Nachzulassung sei bei einigen fiktiv zugelassenen Arzneimitteln aufgrund laufender Klageverfahren bis heute noch nicht endgültig abgeschlossen.
Laut Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) - Az. B 1 KR 6/04 R - aus dem Jahr 2005 bestehe bei fiktiv zugelassenen Arzneimitteln keine Pflicht zur Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Auf die Versorgung mit diesen Präparaten hätten daher weder die Versicherten einen Anspruch noch könnten die Verordnungen durch Vertragsärzte zu Lasten der GKV erfolgen. Die Verordnungen der Präparate seien in den o. g. Fällen unzulässig.
Hinsichtlich der Argumentation der Klägerin, dass das Neuzulassungsverfahren für Myoson direct zwar nicht abgeschlossen sei, die Erteilung der Zulassung jedoch unmittelbar bevorstünde und nur noch eine Formalität darstelle, stelle der Beklagte fest, dass ganz formal bis zur abschließenden Erteilung der arzneimittelrechtlichen Zulassung - die für Myoson direct ausstehe - lediglich eine fiktive Zulassung bestehe. Der Zulassungsantrag als solcher sei noch kein Garant dafür, dass die Zulassung vom BfArM auch tatsächlich erteilt werde. Die Zulassungsstudien müssten vom BfArM oder der EMA als unabhängige Behörden geprüft werden. Das BfArM bzw. die EMA beurteilten abschließend, ob die eingereichten Unterlagen Wirkung und Unbedenklichkeit des Arzneimittels ausreichend belegten und eine Zulassung erteilt werden könne.
Hiergegen richtet sich die am 06.01.2016 erhobene Klage.
Die Klägerin hält den Regress für rechtswidrig, da Myoson zu Lasten der GKV verordnungs- und erstattungsfähig sei. Die Rechtsprechung des BSG zu Wobe Mugos E sei auf die Zulassungssituation von Myoson direct nicht übertragbar. Der Nachzulassungsantrag zu Wobe Mugos E sei für ein oral einzunehmendes Mittel gestellt worden, während sich die Altzulassung auf ein rektal zu verabreichendes Mittel bezogen habe. Diese Situation bestehe bei Myoson nicht. Wobe Mugos E sei zudem nie im Rahmen groß angelegter Studien geprüft worden, während zu Myoson zahlreiche Studien und Erkenntnismaterial existierten, innerhalb derer das Arzneimittel unter Wirksamkeits- und Sicherheitsgesichtspunkten geprüft worden sei. Diese Unterlagen seien 2010 mit dem Neuzulassungsantrag, der aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches vereinbart worden sei, eingereicht worden. Myoson stehe kurz vor Erteilung einer Neuzulassung durch das BfArM.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Prüfungsstelle vom 25.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 07.12.2015 aufzuheben, soweit darin wegen der Verordnung des Arzneimittels "Myoson direct®" ein Regress in Höhe von 1.433,61 EUR festgesetzt worden ist.
Der Beklagte beantragt:
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Er verteidigt seinen Bescheid.
Unstreitig habe Myoson in den streitgegenständlichen Quartalen nicht über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt. Erst mit der Zulassung - und der damit gegebenen Verkehrsfähigkeit im Sinne des AMG - sei zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV gegeben. Die Klägerin könne sich für die Verordnungsfähigkeit auch nicht darauf berufen, dass die fortgeschrittene Durchführung eines Nachzulassungsverfahrens die Verordnungsfähigkeit begründe. Wie sie selbst vortrage, hätten sich Hersteller und Zulassungsbehörde in einem Rechtsstreit auf Nachzulassung vergleichsweise auf ein Neuzulassungsverfahren verständigt. Wie bei der Entscheidung des BSG zu Wobe Mugos E ergäben sich auch in diesem Fall gegen den Weiterbestand der Verordnungsfähigkeit deshalb im Sinne des SGB V Bedenken, ob eine aufschiebende Wirkung im Sinne des § 105 Abs. 5 b Satz 2 AMG eingetreten gewesen sei. Die Verständigung auf eine Neuzulassung spreche gegen eine fiktive Weiterzulassung im Sinne des Artikel 3 § 7 Abs. 1 ff. NeuordnungsG und eine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 105 Abs. 5 b Satz 1 i.V.m. Satz 2 AMG.
Letztlich sei im Rahmen der (Neu-)Zulassung von Myoson darauf hinzuweisen, dass neben der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zusätzlich ein Nachweis der Wirtschaftlichkeit im Sinne einer Kosten-Nutzen-Bewertung gefordert werden könne und derzeit noch völlig offen sei, ob Myoson diese sog. "vierte Hürde" nehmen könne. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin darauf verweise, dass ein Antrag auf Zulassung von Myoson anders als im Falle der Nachzulassung von Wobe Mugos E nicht abgelehnt worden sei, lehne der Beklagte die Verordnungsfähigkeit vor diesem Hintergrund zu Recht als unwirtschaftlich ab.
Die Angaben zu Art und Umständen der Verordnungen ließen auch nicht erkennen oder darauf schließen, dass eine ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit im Wege des "Off-Label Use" nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung gegeben sei.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf die vielfältigen (Warn-)Hinweise der Beigeladenen zu 2) zu drohenden Regressen bei Verordnung von fiktiv zugelassenen Arzneimitteln in KVNo aktuell, Ausgaben 3 und 4/2012; 6 und 7/2012 und 1 und 2/2013 mit jeweils aktuellen Auflistungen einschlägiger Arzneimittel, darunter auch Myoson, hinzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keine Prozessanträge.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Alle Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid des Beschwerdeausschusses (BSG, Urteil vom 29.06.2011 - B 6 KA 16/10 R -). Gegen Entscheidungen der Prüfungsstelle über Maßnahmen wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in der vertragsärztlichen Versorgung kann grundsätzlich der Beschwerdeausschuss "angerufen" werden. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt als Vorverfahren (§ 106 Abs. 5 SGB V). Es ist aber kein echtes Widerspruchsverfahren, sondern ein besonderes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz (BSG, Urteil vom 15.07.2015 - B 6 KA 30/14 R -). Der Beschwerdeausschuss überprüft nicht nur die Rechtmäßigkeit der Ausgangsentscheidung, sondern wird in vollem Umfang selbst zuständig. § 95 SGG findet deshalb keine Anwendung.
Soweit es den Klageantrag im Übrigen betrifft, hat ihn die Klägerin auf den Regress wegen der Verordnung von Myoson beschränkt. Die Regresssumme beträgt insofern 1.383,07 EUR. Der Differenzbetrag von 75,81 EUR (bis zur Gesamtsumme von 1.458,88 EUR) entfällt auf die Verordnung von Pentalong 80 mg, die jedoch nicht streitbefangen ist.
Die insoweit zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da der verfügte Regress rechtmäßig ist.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung und damit auch der Beklagte sind befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln festzusetzen. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeinsamen Prüfvereinbarung. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in § 106 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), nach dem die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vorsehen können. Demgemäß ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Prüfgremien die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden darf (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R -; LSG NRW, Urteil vom 14.11.2007 - L 11 KA 112/06 -).
Der von der Beklagten ausgesprochene Regress ist auch materiell-rechtlich begründet.
Die von den Ärzten der Klägerin vorgenommene Verordnung von Myoson direct in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 war nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der GKV verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.
In der Rechtsprechung des 1. wie des 6. Senats des BSG ist geklärt, dass aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Arzneimittels, sofern hierbei dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft worden waren, zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV gefolgert werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 02.09.2014 - B 1 KR 11/13 R -; vom 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R - jeweils m.w.N.). Für eine solche Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit im System der GKV fehlt aber dann die Grundlage, wenn der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Medikaments keine - oder eine strukturell nur unzureichende - Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugrunde liegt. Solche Fälle arzneimittelrechtlicher Zulassung ohne Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gab es während der Geltung des Übergangsrechts nach der Neuordnung des Arzneimittelrechts Ende der 1970er Jahre. Damals genügte eine Anzeige mit der Mitteilung über die bisherige Anwendung des Arzneimittels, damit dieses weiterhin als zugelassen galt. Soweit ein Arzneimittel in dieser Weise, ohne Durchlaufen des Arzneimittelzulassungsverfahrens mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, die Zulassung behielt bzw. diese verlängert wurde, fehlte es an den inhaltlichen Merkmalen, die es rechtfertigen konnten, die Arzneimittelzulassung als ausreichend für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV zu akzeptieren. Die lediglich auf übergangsrechtlichen Vorschriften beruhende Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln, die keine Prüfung nach den Maßstäben des AMG durchlaufen haben, führt daher nicht ohne Weiteres zur Verordnungsfähigkeit zulasten der Krankenkassen (vgl. etwa BSG, Urteile vom 27.09.2005 - B 1 KR 6/04 R -; vom 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R -; vom 06.05.2009 - B 6 KA 3/08 R - zu Wobe Mugos E). Nur wenn im Verfahren der Zulassung des Arzneimittels eine Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfolgt ist, ist die Arzneimittelzulassung als ausreichend auch für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV zu akzeptieren.
Soweit sich die vom BSG entschiedenen Fälle verfahrensrechtlich von dem hier zu beurteilenden insofern unterscheiden, als für Wobe Mugos E bereits eine Ablehnung der Verlängerung der Zulassung vorlag, während vorliegend das Zulassungsverfahren noch läuft, macht dies keinen relevanten Unterschied. Unabhängig vom Stadium des Verfahrens auf Verlängerung der Zulassung ist entscheidend, dass in beiden Fällen die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels arzneimittelrechtlich lediglich fingiert wurde (vgl. BSG, Beschlüsse vom 15.07.2015 - B 6 KA 18/15 B und B 6 KA 19/15 B - zu Leukonorm).
Bis heute ist für Myoson direct im Übrigen keine Zulassung erteilt worden. Die jüngste Fachinformation des Herstellers T zu Myoson direct® (Abruf am 31.08.2016) trägt den Informationsstand Februar 2014 und führt zu Ziffer 9. "Datum der Verlängerung der Zulassung" aus: "Myoson direct ist nach den gesetzlichen Übergangsvorschriften im Verkehr". Selbst wenn eine Zulassung - wie behauptet - unmittelbar bevorstehen sollte, ändert dies nichts daran, dass jedenfalls im hier streitbefangenen Zeitraum der Quartale 1/2014 bis 4/2014 eine Zulassung nicht bestand; allein das ist entscheidend.
Dass die Klägerin das Arzneimittel für ausreichend geprüft hält und jahrelang aus ihrer Sicht erfolgreich angewendet hat, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Das Gleiche gilt für etwaige positive Stellungnahmen einzelner Sachverständiger. Ebenso wenig ist Raum für eine Einzelbetrachtung des jeweiligen Arzneimittels (vgl. BSG, Beschlüsse vom 15.07.2015, a.a.O.).
Der Rechtmäßigkeit des vorliegenden Regresses stehen auch nicht die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - entgegen. Danach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (so jetzt auch § 2 Abs. 1a SGB V).
Anwendungsgebiete von Myoson direct sind nach den Fachinformationen:
• Bei zentralen und peripheren Muskelspasmen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. • Prophylaxe und Therapie nächtlicher Beinkrämpfe, Torticollis, tendomuskuläre hypertonische Kontraktur bei arthrotischen Gelenken; statisch, traumatisch und postoperativ bedingte Muskelspasmen. • Zur Vorbereitung und Unterstützung physikalisch-therapeutischer Maßnahmen.
Das sind ersichtlich Anwendungsbereiche weit außerhalb der engen verfassungsrechtlichen Grenzen.
Auf ein Verschulden der Klägerin kommt es nicht an. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass ein Verschuldenserfordernis im Rahmen von Verordnungsregressen nicht besteht (BSG, Beschlüsse vom 15.07.2015, a.a.O., m.v.w.N.). Im Übrigen sind die Vertragsärzte im Bereich der Beigeladenen zu 2) vielfach darauf hingewiesen worden, dass bei fiktiv zugelassenen Arzneimitteln Regresse in Betracht kommen. Über die von dem Beklagten benannten Quellen hinaus gab es weitere Warnhinweise etwa in der KVNo extra, Verordnungsmanagement 2013, Stand: Juli 2013, sowie in der KVNo aktuell 9+10/2014, S. 19 (Verordnungsinfo), in denen Myoson ausdrücklich als fiktiv zugelassenes Arzneimittel benannt wird und zum Teil schon in der Überschrift: "Bei fiktiv zugelassenen Arzneimitteln droht Regress" auf die Rechtsfolgen hingewiesen wird.
Rechtmäßig ist schließlich auch die Höhe des Regresses. Der Beklagte hat zutreffend den erforderlichen Abzug des Apothekenrabatts und der Patienteneigenanteile vorgenommen und damit lediglich die Nettobeträge regressiert.
Tatbestand:
Streitig ist ein Regress wegen der Verordnung eines fiktiv zugelassenen Arzneimittels.
Die Klägerin ist eine rheumatologisch ausgerichtete Berufsausübungsgemeinschaft von Ärzten für Innere Medizin und Allgemeinmedizin mit Vertragsarztsitz in N. In den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 verordneten die ihr angehörenden Ärzte in zahlreichen Behandlungsfällen das Fertigarzneimittel Myoson direct.
Auf Prüfantrag der Beigeladenen zu 1) setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein mit Bescheid vom 25.08.2015 einen Regress in Höhe von 1.458,88 EUR für diese Quartale fest, wobei ein Betrag von 1.383,07 EUR auf das hier streitbefangene Myoson direct entfiel. Einen hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2015 zurück:
Bei dem Medikament Myoson direct handele es sich um ein sog. "fiktiv zugelassenes Arzneimittel". Fiktiv zugelassene Arzneimittel seien Fertigarzneimittel, die sich bei Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes (AMG) 1976 im Handel befunden hätten oder für die bereits ein Antrag auf Eintrag in das damals gültige Spezialitätenregister gestellt worden sei. Die Präparate sollten bis 2005 einer Nachzulassung unterzogen werden, um den Nachweis von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu erbringen. Die behördliche Prüfung der Anträge auf Nachzulassung sei bei einigen fiktiv zugelassenen Arzneimitteln aufgrund laufender Klageverfahren bis heute noch nicht endgültig abgeschlossen.
Laut Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) - Az. B 1 KR 6/04 R - aus dem Jahr 2005 bestehe bei fiktiv zugelassenen Arzneimitteln keine Pflicht zur Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Auf die Versorgung mit diesen Präparaten hätten daher weder die Versicherten einen Anspruch noch könnten die Verordnungen durch Vertragsärzte zu Lasten der GKV erfolgen. Die Verordnungen der Präparate seien in den o. g. Fällen unzulässig.
Hinsichtlich der Argumentation der Klägerin, dass das Neuzulassungsverfahren für Myoson direct zwar nicht abgeschlossen sei, die Erteilung der Zulassung jedoch unmittelbar bevorstünde und nur noch eine Formalität darstelle, stelle der Beklagte fest, dass ganz formal bis zur abschließenden Erteilung der arzneimittelrechtlichen Zulassung - die für Myoson direct ausstehe - lediglich eine fiktive Zulassung bestehe. Der Zulassungsantrag als solcher sei noch kein Garant dafür, dass die Zulassung vom BfArM auch tatsächlich erteilt werde. Die Zulassungsstudien müssten vom BfArM oder der EMA als unabhängige Behörden geprüft werden. Das BfArM bzw. die EMA beurteilten abschließend, ob die eingereichten Unterlagen Wirkung und Unbedenklichkeit des Arzneimittels ausreichend belegten und eine Zulassung erteilt werden könne.
Hiergegen richtet sich die am 06.01.2016 erhobene Klage.
Die Klägerin hält den Regress für rechtswidrig, da Myoson zu Lasten der GKV verordnungs- und erstattungsfähig sei. Die Rechtsprechung des BSG zu Wobe Mugos E sei auf die Zulassungssituation von Myoson direct nicht übertragbar. Der Nachzulassungsantrag zu Wobe Mugos E sei für ein oral einzunehmendes Mittel gestellt worden, während sich die Altzulassung auf ein rektal zu verabreichendes Mittel bezogen habe. Diese Situation bestehe bei Myoson nicht. Wobe Mugos E sei zudem nie im Rahmen groß angelegter Studien geprüft worden, während zu Myoson zahlreiche Studien und Erkenntnismaterial existierten, innerhalb derer das Arzneimittel unter Wirksamkeits- und Sicherheitsgesichtspunkten geprüft worden sei. Diese Unterlagen seien 2010 mit dem Neuzulassungsantrag, der aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches vereinbart worden sei, eingereicht worden. Myoson stehe kurz vor Erteilung einer Neuzulassung durch das BfArM.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Prüfungsstelle vom 25.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 07.12.2015 aufzuheben, soweit darin wegen der Verordnung des Arzneimittels "Myoson direct®" ein Regress in Höhe von 1.433,61 EUR festgesetzt worden ist.
Der Beklagte beantragt:
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Er verteidigt seinen Bescheid.
Unstreitig habe Myoson in den streitgegenständlichen Quartalen nicht über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt. Erst mit der Zulassung - und der damit gegebenen Verkehrsfähigkeit im Sinne des AMG - sei zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV gegeben. Die Klägerin könne sich für die Verordnungsfähigkeit auch nicht darauf berufen, dass die fortgeschrittene Durchführung eines Nachzulassungsverfahrens die Verordnungsfähigkeit begründe. Wie sie selbst vortrage, hätten sich Hersteller und Zulassungsbehörde in einem Rechtsstreit auf Nachzulassung vergleichsweise auf ein Neuzulassungsverfahren verständigt. Wie bei der Entscheidung des BSG zu Wobe Mugos E ergäben sich auch in diesem Fall gegen den Weiterbestand der Verordnungsfähigkeit deshalb im Sinne des SGB V Bedenken, ob eine aufschiebende Wirkung im Sinne des § 105 Abs. 5 b Satz 2 AMG eingetreten gewesen sei. Die Verständigung auf eine Neuzulassung spreche gegen eine fiktive Weiterzulassung im Sinne des Artikel 3 § 7 Abs. 1 ff. NeuordnungsG und eine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 105 Abs. 5 b Satz 1 i.V.m. Satz 2 AMG.
Letztlich sei im Rahmen der (Neu-)Zulassung von Myoson darauf hinzuweisen, dass neben der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zusätzlich ein Nachweis der Wirtschaftlichkeit im Sinne einer Kosten-Nutzen-Bewertung gefordert werden könne und derzeit noch völlig offen sei, ob Myoson diese sog. "vierte Hürde" nehmen könne. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin darauf verweise, dass ein Antrag auf Zulassung von Myoson anders als im Falle der Nachzulassung von Wobe Mugos E nicht abgelehnt worden sei, lehne der Beklagte die Verordnungsfähigkeit vor diesem Hintergrund zu Recht als unwirtschaftlich ab.
Die Angaben zu Art und Umständen der Verordnungen ließen auch nicht erkennen oder darauf schließen, dass eine ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit im Wege des "Off-Label Use" nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung gegeben sei.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf die vielfältigen (Warn-)Hinweise der Beigeladenen zu 2) zu drohenden Regressen bei Verordnung von fiktiv zugelassenen Arzneimitteln in KVNo aktuell, Ausgaben 3 und 4/2012; 6 und 7/2012 und 1 und 2/2013 mit jeweils aktuellen Auflistungen einschlägiger Arzneimittel, darunter auch Myoson, hinzuweisen.
Die Beigeladenen stellen keine Prozessanträge.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Alle Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Entscheidungsgründe:
Gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid des Beschwerdeausschusses (BSG, Urteil vom 29.06.2011 - B 6 KA 16/10 R -). Gegen Entscheidungen der Prüfungsstelle über Maßnahmen wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot in der vertragsärztlichen Versorgung kann grundsätzlich der Beschwerdeausschuss "angerufen" werden. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt als Vorverfahren (§ 106 Abs. 5 SGB V). Es ist aber kein echtes Widerspruchsverfahren, sondern ein besonderes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz (BSG, Urteil vom 15.07.2015 - B 6 KA 30/14 R -). Der Beschwerdeausschuss überprüft nicht nur die Rechtmäßigkeit der Ausgangsentscheidung, sondern wird in vollem Umfang selbst zuständig. § 95 SGG findet deshalb keine Anwendung.
Soweit es den Klageantrag im Übrigen betrifft, hat ihn die Klägerin auf den Regress wegen der Verordnung von Myoson beschränkt. Die Regresssumme beträgt insofern 1.383,07 EUR. Der Differenzbetrag von 75,81 EUR (bis zur Gesamtsumme von 1.458,88 EUR) entfällt auf die Verordnung von Pentalong 80 mg, die jedoch nicht streitbefangen ist.
Die insoweit zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da der verfügte Regress rechtmäßig ist.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung und damit auch der Beklagte sind befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln festzusetzen. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeinsamen Prüfvereinbarung. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in § 106 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), nach dem die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vorsehen können. Demgemäß ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Prüfgremien die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden darf (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R -; LSG NRW, Urteil vom 14.11.2007 - L 11 KA 112/06 -).
Der von der Beklagten ausgesprochene Regress ist auch materiell-rechtlich begründet.
Die von den Ärzten der Klägerin vorgenommene Verordnung von Myoson direct in den Quartalen 1/2014 bis 4/2014 war nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der GKV verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.
In der Rechtsprechung des 1. wie des 6. Senats des BSG ist geklärt, dass aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Arzneimittels, sofern hierbei dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft worden waren, zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV gefolgert werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 02.09.2014 - B 1 KR 11/13 R -; vom 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R - jeweils m.w.N.). Für eine solche Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Verordnungsfähigkeit im System der GKV fehlt aber dann die Grundlage, wenn der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Medikaments keine - oder eine strukturell nur unzureichende - Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zugrunde liegt. Solche Fälle arzneimittelrechtlicher Zulassung ohne Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gab es während der Geltung des Übergangsrechts nach der Neuordnung des Arzneimittelrechts Ende der 1970er Jahre. Damals genügte eine Anzeige mit der Mitteilung über die bisherige Anwendung des Arzneimittels, damit dieses weiterhin als zugelassen galt. Soweit ein Arzneimittel in dieser Weise, ohne Durchlaufen des Arzneimittelzulassungsverfahrens mit Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, die Zulassung behielt bzw. diese verlängert wurde, fehlte es an den inhaltlichen Merkmalen, die es rechtfertigen konnten, die Arzneimittelzulassung als ausreichend für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV zu akzeptieren. Die lediglich auf übergangsrechtlichen Vorschriften beruhende Verkehrsfähigkeit von Arzneimitteln, die keine Prüfung nach den Maßstäben des AMG durchlaufen haben, führt daher nicht ohne Weiteres zur Verordnungsfähigkeit zulasten der Krankenkassen (vgl. etwa BSG, Urteile vom 27.09.2005 - B 1 KR 6/04 R -; vom 05.11.2008 - B 6 KA 63/07 R -; vom 06.05.2009 - B 6 KA 3/08 R - zu Wobe Mugos E). Nur wenn im Verfahren der Zulassung des Arzneimittels eine Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfolgt ist, ist die Arzneimittelzulassung als ausreichend auch für die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV zu akzeptieren.
Soweit sich die vom BSG entschiedenen Fälle verfahrensrechtlich von dem hier zu beurteilenden insofern unterscheiden, als für Wobe Mugos E bereits eine Ablehnung der Verlängerung der Zulassung vorlag, während vorliegend das Zulassungsverfahren noch läuft, macht dies keinen relevanten Unterschied. Unabhängig vom Stadium des Verfahrens auf Verlängerung der Zulassung ist entscheidend, dass in beiden Fällen die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels arzneimittelrechtlich lediglich fingiert wurde (vgl. BSG, Beschlüsse vom 15.07.2015 - B 6 KA 18/15 B und B 6 KA 19/15 B - zu Leukonorm).
Bis heute ist für Myoson direct im Übrigen keine Zulassung erteilt worden. Die jüngste Fachinformation des Herstellers T zu Myoson direct® (Abruf am 31.08.2016) trägt den Informationsstand Februar 2014 und führt zu Ziffer 9. "Datum der Verlängerung der Zulassung" aus: "Myoson direct ist nach den gesetzlichen Übergangsvorschriften im Verkehr". Selbst wenn eine Zulassung - wie behauptet - unmittelbar bevorstehen sollte, ändert dies nichts daran, dass jedenfalls im hier streitbefangenen Zeitraum der Quartale 1/2014 bis 4/2014 eine Zulassung nicht bestand; allein das ist entscheidend.
Dass die Klägerin das Arzneimittel für ausreichend geprüft hält und jahrelang aus ihrer Sicht erfolgreich angewendet hat, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Das Gleiche gilt für etwaige positive Stellungnahmen einzelner Sachverständiger. Ebenso wenig ist Raum für eine Einzelbetrachtung des jeweiligen Arzneimittels (vgl. BSG, Beschlüsse vom 15.07.2015, a.a.O.).
Der Rechtmäßigkeit des vorliegenden Regresses stehen auch nicht die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - entgegen. Danach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (so jetzt auch § 2 Abs. 1a SGB V).
Anwendungsgebiete von Myoson direct sind nach den Fachinformationen:
• Bei zentralen und peripheren Muskelspasmen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. • Prophylaxe und Therapie nächtlicher Beinkrämpfe, Torticollis, tendomuskuläre hypertonische Kontraktur bei arthrotischen Gelenken; statisch, traumatisch und postoperativ bedingte Muskelspasmen. • Zur Vorbereitung und Unterstützung physikalisch-therapeutischer Maßnahmen.
Das sind ersichtlich Anwendungsbereiche weit außerhalb der engen verfassungsrechtlichen Grenzen.
Auf ein Verschulden der Klägerin kommt es nicht an. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass ein Verschuldenserfordernis im Rahmen von Verordnungsregressen nicht besteht (BSG, Beschlüsse vom 15.07.2015, a.a.O., m.v.w.N.). Im Übrigen sind die Vertragsärzte im Bereich der Beigeladenen zu 2) vielfach darauf hingewiesen worden, dass bei fiktiv zugelassenen Arzneimitteln Regresse in Betracht kommen. Über die von dem Beklagten benannten Quellen hinaus gab es weitere Warnhinweise etwa in der KVNo extra, Verordnungsmanagement 2013, Stand: Juli 2013, sowie in der KVNo aktuell 9+10/2014, S. 19 (Verordnungsinfo), in denen Myoson ausdrücklich als fiktiv zugelassenes Arzneimittel benannt wird und zum Teil schon in der Überschrift: "Bei fiktiv zugelassenen Arzneimitteln droht Regress" auf die Rechtsfolgen hingewiesen wird.
Rechtmäßig ist schließlich auch die Höhe des Regresses. Der Beklagte hat zutreffend den erforderlichen Abzug des Apothekenrabatts und der Patienteneigenanteile vorgenommen und damit lediglich die Nettobeträge regressiert.
Rechtskraft
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