Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
45
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 45 (40) R 213/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 66/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im hiesigen Verfahren über die Verpflichtung der Klägerin zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin ist ein seit dem Jahr 1981 im Baugewerbe tätiges Unternehmen und beschäftigt sich vornehmlich mit Rohbauarbeiten im Hochbau. In diesem Zusammenhang unterhielt die Klägerin zu der "B. L1. C1 GmbH" (nachfolgend B. L1.) zwischen dem 16.2.2004 und dem 26.05.2004 mindestens fünf "Nachunternehmerverträge" hinsichtlich verschiedener Bauvorhaben in N1, E und L2. Im August 2006 wurden im Zusammenhang mit Ermittlungen des Hauptzollamtes Braunschweig zur Aufdeckung von Schwarzarbeit gegen die Klägerin deren Geschäftsräume durchsucht, wobei unter anderem 28 Originalrechnungen der BL1 aufgefunden wurden. Die Rechnung datiert aus dem Zeitraum von Februar 2004 bis Dezember 2004. Insgesamt wurden auf die verschiedenen Rechnung 75.091,59 EUR seitens der Klägerin an die B.L1. überwiesen.
Mit Bescheid vom 8.12.2008 begehrte die Beklagte von der Klägerin die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 19.432,19 EUR auf der Grundlage von § 28e Abs. 2 SGB IV als Gesamtschuldnerin neben der B.L1 ... Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die vom Hauptzollamt geführten Ermittlungen Anlass zu der Vermutung gegeben haben, dass die B.L1. der Klägerin im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung illegal Arbeitnehmer überlassen habe. Die B. L1. habe über keinerlei Geschäftsräume, Lager oder Materialien zur Fertigstellung von eigenen Gewerken verfügt. Ihr Geschäftszweck habe ausschließlich in der Arbeitnehmerüberlassung bestanden, wofür jedoch – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – keine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bestanden habe.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte zugleich die Vollziehung des Bescheides vom 8.12.2008 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass das Hauptzollamt eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung nicht mit letzter Sicherheit nachweisen konnte. Die Mitarbeiter der B. L1. seien ihr nicht bekannt gewesen. Vielmehr seien die geschuldeten Leistungen aufgrund werkvertraglicher Beziehung erbracht worden. Eine eigene Betriebsstätte und ein eigenes Lager seien in diesem Rahmen nicht erforderlich gewesen, da auch die B. L1. Materialien und Geräte von Dritten ggf. habe beschaffen können. Auch im Rahmen einer werkvertraglichen Vereinbarung bestünde mithin der Hauptzweck des Vertrages in der Stellung der Arbeitskräfte.
Mit Schreiben vom 13.2.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Mit Beschluss vom 17.3.2009 hat das Sozialgericht Düsseldorf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid vom 8.12.2008 angeordnet. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Bescheid offensichtlich rechtswidrig sei, weil die Arbeitnehmer der B L1. nicht in den Betriebsablauf der Klägerin integriert gewesen seien. Gegen den Beschluss hat die Beklagte Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss des LSG NRW vom 27.7.2009 wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin abgelehnt. Zur Begründung führte das Landessozialgericht aus, dass die objektiven Gesichtspunkte überwiegend gegen einen Werkvertrag und für eine Arbeitnehmerüberlassung sprechen würden. Die Einordnung von Weisungen des Hauptunternehmers an Mitarbeiter des Nachunternehmers als Weisungen im Sinne von § 645 Absatz ein S. 1 BGB setze voraus, dass im Rahmen des Nachunternehmervertrages ein hinreichend bestimmtes abnahmefähiges Werk beschrieben werde. Daran fehle es, wenn der wesentliche Inhalt des Leistungsgegenstandes erst durch Anweisungen des Hauptunternehmers konkretisiert werde. Bei Durchsicht der überreichten "Nachunternehmerverträge" lasse sich eine hinreichende vertragliche Konkretisierung der angeblich von der B. L1. zu erbringenden Werkleistung nicht erkennen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Konkretisierung der Werkleistung erst durch den jeweiligen Bauleiter der Klägerin gegenüber den Mitarbeitern der B. L1. erfolgt sei, womit diese – als Leiharbeitnehmer – in den Arbeitsablauf der B. L1. eingegliedert seien. Zudem habe die B. L1. nicht die betrieblichen Voraussetzungen gehabt, welche eine eigenständige Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin zuließen. Dies ergebe sich insbesondere aus der fehlenden Betriebsstätte und den fehlenden Werkmaterialien.
Sodann lehnte die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit streitgegenständlichem Widerspruchsbescheid vom zweiten 20.10.2009 als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, dass insbesondere aufgrund des bereits im Bescheid zitierten Urteils des Bundesarbeitsgerichts (AZ: 7 AZR 217/94) von einer Arbeitnehmerüberlassung auszugehen sei, da die Klägerin keine eigene Betriebsstätte unterhalte.
Dagegen hat die Klägerin vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass die Aufrechnung der B. L1. gegenüber der Klägerin nie nach Stunden sondern nur nach Aufmaß i.V.m. einer Einheitspreisliste erfolgt sei. Zudem seien auch schriftliche Werkverträge geschlossen worden, welche eine eigenverantwortliche Durchführung des Gewerkes vorsahen. Insbesondere seien in diesen Werkverträgen auch Gewährleistungspflichten der B. L1. gegenüber der Klägerin geregelt gewesen. Letztlich seien den Mitarbeitern der B. L1. seitens der Klägerin auch keine detaillierten Weisungen erteilt worden.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 08.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend.
Das Gericht hat bereits zur Frage der Eingliederung der Arbeitnehmer der B.L1. In den Betrieb der Klägerin Beweis erhoben, durch die persönliche Vernehmung von Herrn T als Geschäftsführer der Klägerin und durch die Vernehmung des Zeugen N2. Der Zeuge C2 ist im Termin nicht erschienen. Letztlich wurden die Aktenbestände im Wege des Urkundsbeweises ausgewertet.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 08.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 beschwert die Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 SGG.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung der Beklagten ist § 28p Abs 1 Sätze 1 und 5 SGB IV in der ab 15.06.2007 geltenden Fassung iVm § 28e Abs 1, 2 und 4 SGB IV in der ab 01.04.2006 geltenden Fassung. Nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB IV Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat "der Arbeitgeber" den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Arbeitgeber ist dabei zum einen derjenige, der unmittelbar mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis iSv § 7 Abs 1 SGB IV eingegangen ist. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht zudem der Entleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr 1 AÜG, dh wegen Fehlens der erforderlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG, unwirksam ist (§ 10 Abs 1 Satz 1 AÜG).Der illegale Verleiher und sein Entleiher haften auf gleicher Stufe für die Erfüllung der Zahlungspflichten, da sie nach § 28e Abs 2 Satz 4 SGB IV Gesamtschuldner im Sinne des § 421 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind.
Die Klägerin haftet für die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung. Die Firma B.L1. war nach Aktenlage unstreitig nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Maßgebend für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag ist der tatsächliche Geschäftsinhalt des Vertragsverhältnisses (vgl dazu und im Folgenden: BSG 11.02.1988, 7 RAr 5/86; 19.03.1992, 7 RAr 34/91; 29.04.2004, B 11 AL 3/04 R, jeweils juris mwN). Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist auf die entgeltliche Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung bei einem Dritten gerichtet. Gegenstand eines Werkvertrages kann gemäß § 631 Abs 2 BGB demgegenüber sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt. Ihm steht ein unmittelbares Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern zu. Diese sind voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert. Beim Werkvertrag wird der Unternehmer oder Subunternehmer für einen anderen tätig und organisiert die zur Erreichung des wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Vorstellungen. Dabei hat der Arbeitnehmer als sein Erfüllungsgehilfe vor allem nach seinen, des Werkunternehmers, Weisungen zu handeln. Der Erfüllungsgehilfe ist nicht in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert. Der Werkbesteller kann nur Anweisungen im Hinblick auf das in Auftrag gegebene Werk insgesamt geben. Über die rechtliche Einordnung eines Vertrages als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder als Werk- oder Dienstvertrag entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Vertragsparteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht (BAG 30.01.1991, 7 AZR 497/89; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2012 – L 11 KR 19/11).
In Anlehnung daran war die Tätigkeit der Arbeitnehmer der B.L1. bei der Klägerin als illegale Arbeitnehmerüberlassung einzustufen.
Als gewichtigstes Merkmal für eine illegale Arbeitnehmerüberlassung spricht zunächst die Tatsache, dass die B.L1. als bloße Dienstleistungsgesellschaft weder über einen eigenen Geschäftsbetrieb, Bauhof noch Fuhrpark verfügte. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts war alleiniger Gegenstand der Firma die Überlassung von Arbeitskräften. Die B.L1. konnte demnach die hier im Streit stehenden Bauarbeiten mit eigenen Mittel überhaupt nicht ausführen. Dementsprechend – und dies wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie im Erörterungstermin vom 28.09.2011 (Bl. 46 d. GA) vom Geschäftsführer der Klägerin ausdrücklich bestätigt – nahm die Klägerin die Planungen selbständig vor und stellte sowohl das Material als auch die Gerätschaften zur Verfügung. Damit allerdings war nach allgemeiner Lebenserfahrung denknotwendig eine Eingliederung in die Arbeitsabläufe der Klägerin verbunden, weil die Klägerin ihr Material und die Gerätschaften sicherlich nicht ohne Beaufsichtigung durch einen Bauleiter der B.L1. zur Verfügung stellen würde. Die Leistungspflicht der B.L1. erschöpfte sich in der Zurverfügungstellung der benötigten Arbeitskräfte. Ergänzend verweist das Gericht diesbezüglich auf die Ausführungen des Sozialgerichts Reutlingen (Urteil vom 21.06.2011, Az.: S 3 R 193/10), welchen sich die Kammer vollumfänglich anschließt.
Darüber hinaus – und darauf hat bereits das LSG NRW im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hingewiesen – setzt die Annahme eines Werkvertragsverhältnisses zwischen der B. L1. und der Klägerin eine vertragliche Vereinbarung über einen hinreichend bestimmtes abnahmefähiges Werk voraus (vergleiche hierzu BAG, Urteil vom 9.11.1994, Az.: 7 AZ R 217/94). Die dem Akteninhalt zu entnehmenden "Nachunternehmerverträge" lassen eine derartige hinreichende vertragliche Konkretisierung nicht erkennen. Vielmehr enthalten sie lediglich allgemeine Regelungen, welche im konkreten Einzelfall auf eine Einheitspreisliste verweisen. Eine detaillierte Leistungsbeschreibung zu einem konkreten Bauvorhaben ist keinem dieser Verträge zu entnehmen. Dies führt nach Auffassung der Kammer dazu, dass die Einordnung als Werkvertrag und die Einordnung der Anweisung als solche im Sinne des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB nicht haltbar ist. Vielmehr musste bei der Durchführung der jeweiligen Gewerke eine Konkretisierung der Arbeiten durch den jeweiligen Bauleiter der Klägerin erfolgen, um eine Fertigstellung zu gewährleisten.
Sollte aufgrund dieser Tatsachen nicht bereits der Vollbeweis einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung bestehen, so besteht nach Auffassung der Kammer zumindest der Beweis des ersten Anscheins, was zu einer Umkehr der Beweislast führt. In diesem Fall hätte die Klägerin den Beweis für das Nichtvorliegen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung nicht führen können. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die unergiebige Zeugenaussage des Zeugen N 2 und das Nichterscheinen des Zeugen C2.
Letztlich sei darauf hingewiesen, dass die Rechtsansicht des erkennenden Gerichts bereits durch mehrere Parallelentscheidungen (z.B. Gerichtsbescheid des SG Reutlingen, 21.06.2011, Az.: S 3 R 193/10; Beschluss des LSG Baden-Württemberg, 25.06.2010, Az.: L 4 R 2242/10 ER-B) bestätigt wurde. Auf die dortigen (Entscheidungs-) Gründe wird ebenso Bezug genommen.
Bedenken gegen die Höhe der Beitragsforderung sind seitens der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Von einer Erhebung von Säumniszuschlägen wurde mangels Verschuldens des Geschäftsführers der Klägerin abgesehen. Im Übrigen wird zur Berechnung auf die Gründe des Bescheides vom 08.12.2008 verwiesen.
Die Einrede der Verjährung wurde nicht erhoben, womit diese vom Gericht nicht zu prüfen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im hiesigen Verfahren über die Verpflichtung der Klägerin zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin ist ein seit dem Jahr 1981 im Baugewerbe tätiges Unternehmen und beschäftigt sich vornehmlich mit Rohbauarbeiten im Hochbau. In diesem Zusammenhang unterhielt die Klägerin zu der "B. L1. C1 GmbH" (nachfolgend B. L1.) zwischen dem 16.2.2004 und dem 26.05.2004 mindestens fünf "Nachunternehmerverträge" hinsichtlich verschiedener Bauvorhaben in N1, E und L2. Im August 2006 wurden im Zusammenhang mit Ermittlungen des Hauptzollamtes Braunschweig zur Aufdeckung von Schwarzarbeit gegen die Klägerin deren Geschäftsräume durchsucht, wobei unter anderem 28 Originalrechnungen der BL1 aufgefunden wurden. Die Rechnung datiert aus dem Zeitraum von Februar 2004 bis Dezember 2004. Insgesamt wurden auf die verschiedenen Rechnung 75.091,59 EUR seitens der Klägerin an die B.L1. überwiesen.
Mit Bescheid vom 8.12.2008 begehrte die Beklagte von der Klägerin die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 19.432,19 EUR auf der Grundlage von § 28e Abs. 2 SGB IV als Gesamtschuldnerin neben der B.L1 ... Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die vom Hauptzollamt geführten Ermittlungen Anlass zu der Vermutung gegeben haben, dass die B.L1. der Klägerin im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung illegal Arbeitnehmer überlassen habe. Die B. L1. habe über keinerlei Geschäftsräume, Lager oder Materialien zur Fertigstellung von eigenen Gewerken verfügt. Ihr Geschäftszweck habe ausschließlich in der Arbeitnehmerüberlassung bestanden, wofür jedoch – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – keine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bestanden habe.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte zugleich die Vollziehung des Bescheides vom 8.12.2008 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass das Hauptzollamt eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung nicht mit letzter Sicherheit nachweisen konnte. Die Mitarbeiter der B. L1. seien ihr nicht bekannt gewesen. Vielmehr seien die geschuldeten Leistungen aufgrund werkvertraglicher Beziehung erbracht worden. Eine eigene Betriebsstätte und ein eigenes Lager seien in diesem Rahmen nicht erforderlich gewesen, da auch die B. L1. Materialien und Geräte von Dritten ggf. habe beschaffen können. Auch im Rahmen einer werkvertraglichen Vereinbarung bestünde mithin der Hauptzweck des Vertrages in der Stellung der Arbeitskräfte.
Mit Schreiben vom 13.2.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Mit Beschluss vom 17.3.2009 hat das Sozialgericht Düsseldorf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid vom 8.12.2008 angeordnet. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Bescheid offensichtlich rechtswidrig sei, weil die Arbeitnehmer der B L1. nicht in den Betriebsablauf der Klägerin integriert gewesen seien. Gegen den Beschluss hat die Beklagte Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss des LSG NRW vom 27.7.2009 wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin abgelehnt. Zur Begründung führte das Landessozialgericht aus, dass die objektiven Gesichtspunkte überwiegend gegen einen Werkvertrag und für eine Arbeitnehmerüberlassung sprechen würden. Die Einordnung von Weisungen des Hauptunternehmers an Mitarbeiter des Nachunternehmers als Weisungen im Sinne von § 645 Absatz ein S. 1 BGB setze voraus, dass im Rahmen des Nachunternehmervertrages ein hinreichend bestimmtes abnahmefähiges Werk beschrieben werde. Daran fehle es, wenn der wesentliche Inhalt des Leistungsgegenstandes erst durch Anweisungen des Hauptunternehmers konkretisiert werde. Bei Durchsicht der überreichten "Nachunternehmerverträge" lasse sich eine hinreichende vertragliche Konkretisierung der angeblich von der B. L1. zu erbringenden Werkleistung nicht erkennen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Konkretisierung der Werkleistung erst durch den jeweiligen Bauleiter der Klägerin gegenüber den Mitarbeitern der B. L1. erfolgt sei, womit diese – als Leiharbeitnehmer – in den Arbeitsablauf der B. L1. eingegliedert seien. Zudem habe die B. L1. nicht die betrieblichen Voraussetzungen gehabt, welche eine eigenständige Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber der Klägerin zuließen. Dies ergebe sich insbesondere aus der fehlenden Betriebsstätte und den fehlenden Werkmaterialien.
Sodann lehnte die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit streitgegenständlichem Widerspruchsbescheid vom zweiten 20.10.2009 als unbegründet ab. Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, dass insbesondere aufgrund des bereits im Bescheid zitierten Urteils des Bundesarbeitsgerichts (AZ: 7 AZR 217/94) von einer Arbeitnehmerüberlassung auszugehen sei, da die Klägerin keine eigene Betriebsstätte unterhalte.
Dagegen hat die Klägerin vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass die Aufrechnung der B. L1. gegenüber der Klägerin nie nach Stunden sondern nur nach Aufmaß i.V.m. einer Einheitspreisliste erfolgt sei. Zudem seien auch schriftliche Werkverträge geschlossen worden, welche eine eigenverantwortliche Durchführung des Gewerkes vorsahen. Insbesondere seien in diesen Werkverträgen auch Gewährleistungspflichten der B. L1. gegenüber der Klägerin geregelt gewesen. Letztlich seien den Mitarbeitern der B. L1. seitens der Klägerin auch keine detaillierten Weisungen erteilt worden.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid vom 08.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend.
Das Gericht hat bereits zur Frage der Eingliederung der Arbeitnehmer der B.L1. In den Betrieb der Klägerin Beweis erhoben, durch die persönliche Vernehmung von Herrn T als Geschäftsführer der Klägerin und durch die Vernehmung des Zeugen N2. Der Zeuge C2 ist im Termin nicht erschienen. Letztlich wurden die Aktenbestände im Wege des Urkundsbeweises ausgewertet.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 08.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2009 beschwert die Klägerin nicht nach § 54 Abs. 2 SGG.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung der Beklagten ist § 28p Abs 1 Sätze 1 und 5 SGB IV in der ab 15.06.2007 geltenden Fassung iVm § 28e Abs 1, 2 und 4 SGB IV in der ab 01.04.2006 geltenden Fassung. Nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB IV Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat "der Arbeitgeber" den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Arbeitgeber ist dabei zum einen derjenige, der unmittelbar mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis iSv § 7 Abs 1 SGB IV eingegangen ist. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht zudem der Entleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr 1 AÜG, dh wegen Fehlens der erforderlichen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 AÜG, unwirksam ist (§ 10 Abs 1 Satz 1 AÜG).Der illegale Verleiher und sein Entleiher haften auf gleicher Stufe für die Erfüllung der Zahlungspflichten, da sie nach § 28e Abs 2 Satz 4 SGB IV Gesamtschuldner im Sinne des § 421 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind.
Die Klägerin haftet für die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung. Die Firma B.L1. war nach Aktenlage unstreitig nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Maßgebend für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag ist der tatsächliche Geschäftsinhalt des Vertragsverhältnisses (vgl dazu und im Folgenden: BSG 11.02.1988, 7 RAr 5/86; 19.03.1992, 7 RAr 34/91; 29.04.2004, B 11 AL 3/04 R, jeweils juris mwN). Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist auf die entgeltliche Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung bei einem Dritten gerichtet. Gegenstand eines Werkvertrages kann gemäß § 631 Abs 2 BGB demgegenüber sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt. Ihm steht ein unmittelbares Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern zu. Diese sind voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert. Beim Werkvertrag wird der Unternehmer oder Subunternehmer für einen anderen tätig und organisiert die zur Erreichung des wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Vorstellungen. Dabei hat der Arbeitnehmer als sein Erfüllungsgehilfe vor allem nach seinen, des Werkunternehmers, Weisungen zu handeln. Der Erfüllungsgehilfe ist nicht in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert. Der Werkbesteller kann nur Anweisungen im Hinblick auf das in Auftrag gegebene Werk insgesamt geben. Über die rechtliche Einordnung eines Vertrages als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder als Werk- oder Dienstvertrag entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Vertragsparteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht (BAG 30.01.1991, 7 AZR 497/89; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2012 – L 11 KR 19/11).
In Anlehnung daran war die Tätigkeit der Arbeitnehmer der B.L1. bei der Klägerin als illegale Arbeitnehmerüberlassung einzustufen.
Als gewichtigstes Merkmal für eine illegale Arbeitnehmerüberlassung spricht zunächst die Tatsache, dass die B.L1. als bloße Dienstleistungsgesellschaft weder über einen eigenen Geschäftsbetrieb, Bauhof noch Fuhrpark verfügte. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts war alleiniger Gegenstand der Firma die Überlassung von Arbeitskräften. Die B.L1. konnte demnach die hier im Streit stehenden Bauarbeiten mit eigenen Mittel überhaupt nicht ausführen. Dementsprechend – und dies wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie im Erörterungstermin vom 28.09.2011 (Bl. 46 d. GA) vom Geschäftsführer der Klägerin ausdrücklich bestätigt – nahm die Klägerin die Planungen selbständig vor und stellte sowohl das Material als auch die Gerätschaften zur Verfügung. Damit allerdings war nach allgemeiner Lebenserfahrung denknotwendig eine Eingliederung in die Arbeitsabläufe der Klägerin verbunden, weil die Klägerin ihr Material und die Gerätschaften sicherlich nicht ohne Beaufsichtigung durch einen Bauleiter der B.L1. zur Verfügung stellen würde. Die Leistungspflicht der B.L1. erschöpfte sich in der Zurverfügungstellung der benötigten Arbeitskräfte. Ergänzend verweist das Gericht diesbezüglich auf die Ausführungen des Sozialgerichts Reutlingen (Urteil vom 21.06.2011, Az.: S 3 R 193/10), welchen sich die Kammer vollumfänglich anschließt.
Darüber hinaus – und darauf hat bereits das LSG NRW im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hingewiesen – setzt die Annahme eines Werkvertragsverhältnisses zwischen der B. L1. und der Klägerin eine vertragliche Vereinbarung über einen hinreichend bestimmtes abnahmefähiges Werk voraus (vergleiche hierzu BAG, Urteil vom 9.11.1994, Az.: 7 AZ R 217/94). Die dem Akteninhalt zu entnehmenden "Nachunternehmerverträge" lassen eine derartige hinreichende vertragliche Konkretisierung nicht erkennen. Vielmehr enthalten sie lediglich allgemeine Regelungen, welche im konkreten Einzelfall auf eine Einheitspreisliste verweisen. Eine detaillierte Leistungsbeschreibung zu einem konkreten Bauvorhaben ist keinem dieser Verträge zu entnehmen. Dies führt nach Auffassung der Kammer dazu, dass die Einordnung als Werkvertrag und die Einordnung der Anweisung als solche im Sinne des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB nicht haltbar ist. Vielmehr musste bei der Durchführung der jeweiligen Gewerke eine Konkretisierung der Arbeiten durch den jeweiligen Bauleiter der Klägerin erfolgen, um eine Fertigstellung zu gewährleisten.
Sollte aufgrund dieser Tatsachen nicht bereits der Vollbeweis einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung bestehen, so besteht nach Auffassung der Kammer zumindest der Beweis des ersten Anscheins, was zu einer Umkehr der Beweislast führt. In diesem Fall hätte die Klägerin den Beweis für das Nichtvorliegen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung nicht führen können. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die unergiebige Zeugenaussage des Zeugen N 2 und das Nichterscheinen des Zeugen C2.
Letztlich sei darauf hingewiesen, dass die Rechtsansicht des erkennenden Gerichts bereits durch mehrere Parallelentscheidungen (z.B. Gerichtsbescheid des SG Reutlingen, 21.06.2011, Az.: S 3 R 193/10; Beschluss des LSG Baden-Württemberg, 25.06.2010, Az.: L 4 R 2242/10 ER-B) bestätigt wurde. Auf die dortigen (Entscheidungs-) Gründe wird ebenso Bezug genommen.
Bedenken gegen die Höhe der Beitragsforderung sind seitens der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Von einer Erhebung von Säumniszuschlägen wurde mangels Verschuldens des Geschäftsführers der Klägerin abgesehen. Im Übrigen wird zur Berechnung auf die Gründe des Bescheides vom 08.12.2008 verwiesen.
Die Einrede der Verjährung wurde nicht erhoben, womit diese vom Gericht nicht zu prüfen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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