Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 493/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 483/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Der Streitwert wird auf 15 000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Hinblick auf den Gefahrtarif der Beklagten für das Jahr 2010 eine abweichende (günstigere) Veranlagung.
Die Beklagte hat ihr Unternehmen mit Bescheid vom 25.08.2010 zur Gefahrtarifstelle 05 "Bildungseinrichtung" mit der Gefahrklasse 1,79 veranlagt.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde zurückgewiesen.
Im Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 ist zur begründung ausgeführt:
Mit Bescheid vom 25.08.2010 hat die VBG Ihr Unternehmen nach dem ab 01.01.2010 geltenden Gefahrtarif zur
Unternehmensart Bildungseinrichtung Gefahrtarifstelle 05 Mit den Gefahrklassen
ab 2010 1,79
veranlagt. Hiergegen richtet sich der fristgerecht eingegangene Widerspruch.
Zur Begründung führten Sie im Wesentlichen aus,
dass die JTU-U GmbH als Veranstalter von Fernlehrgängen ist. Als Veranstalter konzipiert und verwaltet die JTU U GmbH lediglich die Ausbildungslehrgänge. Es handelt sich um eine nahezu ausschließliche Bürotätigkeit, wie dem Konzept als Fernunterrichtsinstitut zu entnehmen ist, wird die meiste Wissensvermittlung mittels Fernlehrheft vorgenommen.
Der Widerspruch ist zulässig, jedoch sachlich nicht begründet.
Die Verwaltung, die den angefochtenen Veranlagungsbescheid erlassen hat, half dem Widerspruch nicht ab. Der Rechtsbehelf wurde deshalb dem Widerspruchs- und Einspruchsausschuss der VBG zur Entscheidung vorgelegt. Der Ausschuss hat sich mit dem Widerspruch auseinander gesetzt und die Grundlagen für den angefochtenen Verwaltungsakt nochmals überprüft. Er hat keinen Anlass zu dessen Abänderung gesehen.
Die VBG ist für eine Vielzahl von Unternehmensarten zuständig, die sich unter anderem nach Art und Gegenstand ihrer Unternehmen, der eingesetzten Technik und nicht zuletzt ihrer Unfallgefahr unterscheiden. Die einzelnen Unternehmensarten nehmen die gesetzlich geregelten Leistungen der VBG unterschiedlich kostenintensiv in Anspruch. Deshalb wird der Beitrag nicht allein nach den unterschiedlich hohen Arbeitsentgelten festgesetzt. Zur Abstufung der Beiträge nach den unterschiedlichen Gefährdungsrisiken beschließt die Vertreterversammlung der VBG einen Gefahrtarif. Hierzu ist die VGB gesetzlich verpflichtet.
Der Gefahrtarif enthält alle Unternehmensarten, für die die VBG sachlich zuständig ist, und die für sie geltenden Gefahrklassen. Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Entschädigungsleistungen zu den Arbeitsentgelten und Versicherungssummen im Beobachtungszeitraum errechnet. Sie werden nicht für einzelne Unternehmen, sondern für Unternehmensarten (= Gewerbezweige) berechnet. Jede Gefahrtarifstelle umfasst mindestens eine Unternehmensart.
Die Entscheidung über die Zuordnung eines Unternehmens zu einer Unternehmensart richtet sich nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Dabei spielen die ausgeübten Tätigkeiten der Beschäftigten grundsätzlich keine Rolle. Nach diesen Grundlagen und anhand Ihrer Unternehmensbeschreibung haben wir Ihr Unternehmen veranlagt. Sie haben an, dass Sie Ausbildung und Beratung im Freizeitsport betreiben. Unternehmensgegenstand ist dabei Ausbildung zum Freizeit-Manager mittels Fernstudium. Unternehmen dieser Art ordnen wir der Unternehmensart "Bildungseinrichtung" zu.
Zu Bildungseinrichtungen zählen berufsbildende, nicht berufsbildende (allgemeinbildende) und sonstige Unternehmen/Einrichtungen, die Bildung, wissen und/oder Fertigkeiten vermitteln, außer den sportlichen Handlungsfelder wie z. B. Sport- und Gymnastikschulen, Schwimmschulen. Hierbei ist es unerheblich, in welcher Form das entsprechende Fachwissen vermittelt wird.
Die Veranlagung Ihres Unternehmens halten wir daher für zutreffend.
Der Widerspruch war deshalb zurückzuweisen.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage (Schriftsatz vom 07.10.2010) verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält die Einstufung als Bildungseinrichtung für unrichtig, diese werde weder Art noch Gegenstand des Unternehmens gerecht. Die Risiken für Bildungsein-richtungen würden nicht ihrem Verwaltungsunternehmen entsprechen. Sie organisiere und verwalte lediglich Fernlerngänge. Die Wissensvermittlung werde größtenteils mittels Fern¬lehr-heften vorgenommen, ergänzenden Präsenzphasen käme nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Mitarbeiter würden selbst keinen Unterricht geben oder Seminare. Diese Form der Wissensvermittlung werde externen Dozenten überlassen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Einstufung in die Gefahrtarifstelle 17 "Verwaltungs- und Beteiligungsunternehmen" (Gefahrklasse 0,57) ihrem Unternehmen eher entspreche. Hilfs-weise sei die Veranlagung zu einem eigenen – verselbstständigten – Gewerbezweig vorzunehmen (Schriftsatz vom 13.01.2011). Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vor¬trags wird im Übrigen auf den restlichen Inhalt der von ihr im Laufe des Verfahrens ein¬ge¬reichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Veranlagungs-bescheid vom 25.08.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 auf¬zuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin ihrer tatsäch-lichen Tätigkeit entsprechend in die Gefahrtarifstelle 17 einzustufen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Veranlagungsbescheid vom 25.08.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Eingruppierung in die Gefahr¬tarif-stelle neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an der Entscheidung fest und verweist darauf, dass die Klägerin be¬reits seit 1989 als Schule, schulische Einrichtung veranlagt worden sei (Schriftsatz vom 21.12.2010) und eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 17 nicht sachgerecht sei (Schriftsatz vom 14.04. 2011). Auch hier wird ergänzend auf den weiteren Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Ihr Gegenstand ist auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung der Kammer gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird daher auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die von der Beklagten vorgenommene Veranlagung ist weder rechtlich noch tatsächlich zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine abweichende Veranlagung.
Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Gerichts aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und Streitverfahrens.
Der Unfallversicherungsträger setzt den Gefahrtarif als autonomes Recht fest (siehe § 157 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (Sozialgesetzbuch – Siebtes Buch – Gesetzliche Unfall¬ver-sicherung)). In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzu¬stellen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird – gemäß § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII – nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefähr¬dungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs ge¬bil¬det werden. Die Gefahrklassen werden dabei – nach § 157 Abs. 3 SGB VII – aus dem Ver¬hältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.
Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten (§ 33 SGB IV (Sozial-gesetzbuch – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung)) ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern – als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften – ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (vgl. BSG (Bundessozialgericht), Urteil vom 11.04.2013 – B 2 U 8/12 R – Rn. 16 m.w.N.). Prüfungsmaßstab für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs ist allein, ob das autonom gesetze Recht mit dem SGB VII - insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage des § 157 SGB VII – sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist (BSG a. a. O. Rn. 18 m.w.N.). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu. Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs entsprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber, obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallver¬siche¬rungsträgers. Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Un¬fallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen. Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs. 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Ge¬werbe¬zweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt. Dies setzt grds. voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Anknüpfungs¬punkt für die Definition und den Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind – worauf die Beklagte zu¬treffend hingewiesen hat – Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die Klägerin zu den von der Gefahrtarifstelle erfassten Bildungseinrichtungen zählt.
Zu den in der Gefahrtarifstelle 17 genannten "Verwaltungs- und Beteiligungsunternehmen" kann die Klägerin dagegen ersichtlich nicht gezählt werden. Hiermit gemeint sind allein solche Unternehmen, welche die Verwaltung- und/oder Geschäftsführung anderer Unter-nehmen durchführen oder Beteiligungen erwerben bzw. verwalten oder Vermögenswerte verwalten, beispielsweise Holdinggesellschaften oder Lizenzverwaltungen.
Zwar kann grds. auch ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig bestehen, falls sich ergibt, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durch-schnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U 32/03 R – Rn. 28). Den Bestrebungen nach einer Differenzierung sowie der Berücksichtigung des individuellen Gefährdungsrisikos bei der Bil-dung von Gewerbezweigen sind jedoch Grenzen gesetzt, die sich aus der Funktion und der Systematik eines Gefahrtarifs ergeben. Unzulänglichkeiten sind dabei als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (LSG (Landessozialgericht) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.08.2010 – L 3 U 549/08 – Rn. 30/31). Eine Unter¬nehmens¬art kann nur dann als eigenständiger Gewerbezweig geführt werden, wenn die zugehörigen Betriebe und Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung er¬reichen, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast nach versicherungsmathematischen Grundsätzen (siehe § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) berechnen lässt (BSG, Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U 32/03 R – Rn. 29). Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Ge¬werbe¬zweigprinzip hat zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weni¬ger deutlich abweichende Unternehmen gibt. Dass alle gewerbezugehörigen Betriebe und Ein¬richtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse ver¬an¬lagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden als andere, ist als Ausdruck des dem Versicherungsprinzip innewohnenden Solidaritätsgedankens hin¬zu¬nehmen (BSG a. a. O. Rn. 30; BSG, Urteil vom 11.04.2013 – B 2 U 8/12 R – Rn. 37; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.07.2010 – L 3 U 247/08 – Rn. 36).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs 1 Satz 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz) i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung). Die Festsetzung des Streit¬wertes beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 1 Absatz 2 Nr. 3, § 52 Abs. 1 GKG (Ge¬richts-kostengesetz).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Hinblick auf den Gefahrtarif der Beklagten für das Jahr 2010 eine abweichende (günstigere) Veranlagung.
Die Beklagte hat ihr Unternehmen mit Bescheid vom 25.08.2010 zur Gefahrtarifstelle 05 "Bildungseinrichtung" mit der Gefahrklasse 1,79 veranlagt.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde zurückgewiesen.
Im Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 ist zur begründung ausgeführt:
Mit Bescheid vom 25.08.2010 hat die VBG Ihr Unternehmen nach dem ab 01.01.2010 geltenden Gefahrtarif zur
Unternehmensart Bildungseinrichtung Gefahrtarifstelle 05 Mit den Gefahrklassen
ab 2010 1,79
veranlagt. Hiergegen richtet sich der fristgerecht eingegangene Widerspruch.
Zur Begründung führten Sie im Wesentlichen aus,
dass die JTU-U GmbH als Veranstalter von Fernlehrgängen ist. Als Veranstalter konzipiert und verwaltet die JTU U GmbH lediglich die Ausbildungslehrgänge. Es handelt sich um eine nahezu ausschließliche Bürotätigkeit, wie dem Konzept als Fernunterrichtsinstitut zu entnehmen ist, wird die meiste Wissensvermittlung mittels Fernlehrheft vorgenommen.
Der Widerspruch ist zulässig, jedoch sachlich nicht begründet.
Die Verwaltung, die den angefochtenen Veranlagungsbescheid erlassen hat, half dem Widerspruch nicht ab. Der Rechtsbehelf wurde deshalb dem Widerspruchs- und Einspruchsausschuss der VBG zur Entscheidung vorgelegt. Der Ausschuss hat sich mit dem Widerspruch auseinander gesetzt und die Grundlagen für den angefochtenen Verwaltungsakt nochmals überprüft. Er hat keinen Anlass zu dessen Abänderung gesehen.
Die VBG ist für eine Vielzahl von Unternehmensarten zuständig, die sich unter anderem nach Art und Gegenstand ihrer Unternehmen, der eingesetzten Technik und nicht zuletzt ihrer Unfallgefahr unterscheiden. Die einzelnen Unternehmensarten nehmen die gesetzlich geregelten Leistungen der VBG unterschiedlich kostenintensiv in Anspruch. Deshalb wird der Beitrag nicht allein nach den unterschiedlich hohen Arbeitsentgelten festgesetzt. Zur Abstufung der Beiträge nach den unterschiedlichen Gefährdungsrisiken beschließt die Vertreterversammlung der VBG einen Gefahrtarif. Hierzu ist die VGB gesetzlich verpflichtet.
Der Gefahrtarif enthält alle Unternehmensarten, für die die VBG sachlich zuständig ist, und die für sie geltenden Gefahrklassen. Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Entschädigungsleistungen zu den Arbeitsentgelten und Versicherungssummen im Beobachtungszeitraum errechnet. Sie werden nicht für einzelne Unternehmen, sondern für Unternehmensarten (= Gewerbezweige) berechnet. Jede Gefahrtarifstelle umfasst mindestens eine Unternehmensart.
Die Entscheidung über die Zuordnung eines Unternehmens zu einer Unternehmensart richtet sich nach Art und Gegenstand des Unternehmens. Dabei spielen die ausgeübten Tätigkeiten der Beschäftigten grundsätzlich keine Rolle. Nach diesen Grundlagen und anhand Ihrer Unternehmensbeschreibung haben wir Ihr Unternehmen veranlagt. Sie haben an, dass Sie Ausbildung und Beratung im Freizeitsport betreiben. Unternehmensgegenstand ist dabei Ausbildung zum Freizeit-Manager mittels Fernstudium. Unternehmen dieser Art ordnen wir der Unternehmensart "Bildungseinrichtung" zu.
Zu Bildungseinrichtungen zählen berufsbildende, nicht berufsbildende (allgemeinbildende) und sonstige Unternehmen/Einrichtungen, die Bildung, wissen und/oder Fertigkeiten vermitteln, außer den sportlichen Handlungsfelder wie z. B. Sport- und Gymnastikschulen, Schwimmschulen. Hierbei ist es unerheblich, in welcher Form das entsprechende Fachwissen vermittelt wird.
Die Veranlagung Ihres Unternehmens halten wir daher für zutreffend.
Der Widerspruch war deshalb zurückzuweisen.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage (Schriftsatz vom 07.10.2010) verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält die Einstufung als Bildungseinrichtung für unrichtig, diese werde weder Art noch Gegenstand des Unternehmens gerecht. Die Risiken für Bildungsein-richtungen würden nicht ihrem Verwaltungsunternehmen entsprechen. Sie organisiere und verwalte lediglich Fernlerngänge. Die Wissensvermittlung werde größtenteils mittels Fern¬lehr-heften vorgenommen, ergänzenden Präsenzphasen käme nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Mitarbeiter würden selbst keinen Unterricht geben oder Seminare. Diese Form der Wissensvermittlung werde externen Dozenten überlassen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Einstufung in die Gefahrtarifstelle 17 "Verwaltungs- und Beteiligungsunternehmen" (Gefahrklasse 0,57) ihrem Unternehmen eher entspreche. Hilfs-weise sei die Veranlagung zu einem eigenen – verselbstständigten – Gewerbezweig vorzunehmen (Schriftsatz vom 13.01.2011). Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vor¬trags wird im Übrigen auf den restlichen Inhalt der von ihr im Laufe des Verfahrens ein¬ge¬reichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Veranlagungs-bescheid vom 25.08.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 auf¬zuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin ihrer tatsäch-lichen Tätigkeit entsprechend in die Gefahrtarifstelle 17 einzustufen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Veranlagungsbescheid vom 25.08.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Eingruppierung in die Gefahr¬tarif-stelle neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält an der Entscheidung fest und verweist darauf, dass die Klägerin be¬reits seit 1989 als Schule, schulische Einrichtung veranlagt worden sei (Schriftsatz vom 21.12.2010) und eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 17 nicht sachgerecht sei (Schriftsatz vom 14.04. 2011). Auch hier wird ergänzend auf den weiteren Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Ihr Gegenstand ist auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung der Kammer gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird daher auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die von der Beklagten vorgenommene Veranlagung ist weder rechtlich noch tatsächlich zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine abweichende Veranlagung.
Dies ergibt sich zur vollen Überzeugung des Gerichts aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und Streitverfahrens.
Der Unfallversicherungsträger setzt den Gefahrtarif als autonomes Recht fest (siehe § 157 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (Sozialgesetzbuch – Siebtes Buch – Gesetzliche Unfall¬ver-sicherung)). In dem Gefahrtarif sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzu¬stellen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird – gemäß § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII – nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefähr¬dungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs ge¬bil¬det werden. Die Gefahrklassen werden dabei – nach § 157 Abs. 3 SGB VII – aus dem Ver¬hältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.
Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten (§ 33 SGB IV (Sozial-gesetzbuch – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung)) ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern – als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften – ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (vgl. BSG (Bundessozialgericht), Urteil vom 11.04.2013 – B 2 U 8/12 R – Rn. 16 m.w.N.). Prüfungsmaßstab für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs ist allein, ob das autonom gesetze Recht mit dem SGB VII - insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage des § 157 SGB VII – sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist (BSG a. a. O. Rn. 18 m.w.N.). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu. Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs entsprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber, obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallver¬siche¬rungsträgers. Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Un¬fallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen. Im Grundsatz ist anerkannt und wird von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen, dass nach § 157 Abs. 2 SGB VII die Gefahrengemeinschaften entsprechend der Gliederung nach Ge¬werbe¬zweigen durch einen gewerbezweigspezifischen Gefahrtarif gebildet werden können. Ein solcher gewerbezweigorientierter Gefahrtarif findet seine Rechtfertigung in der Gleichartigkeit der Versicherungsfallrisiken und der Präventionserfordernisse in den Betrieben. Die Gefährdungsrisiken werden ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt. Dies setzt grds. voraus, dass die in einer Tarifstelle zusammengefassten Unternehmen strukturelle, technologische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Anknüpfungs¬punkt für die Definition und den Zuschnitt eines Gewerbezweigs sind – worauf die Beklagte zu¬treffend hingewiesen hat – Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die Klägerin zu den von der Gefahrtarifstelle erfassten Bildungseinrichtungen zählt.
Zu den in der Gefahrtarifstelle 17 genannten "Verwaltungs- und Beteiligungsunternehmen" kann die Klägerin dagegen ersichtlich nicht gezählt werden. Hiermit gemeint sind allein solche Unternehmen, welche die Verwaltung- und/oder Geschäftsführung anderer Unter-nehmen durchführen oder Beteiligungen erwerben bzw. verwalten oder Vermögenswerte verwalten, beispielsweise Holdinggesellschaften oder Lizenzverwaltungen.
Zwar kann grds. auch ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig bestehen, falls sich ergibt, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durch-schnitt des Gewerbezweigs erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U 32/03 R – Rn. 28). Den Bestrebungen nach einer Differenzierung sowie der Berücksichtigung des individuellen Gefährdungsrisikos bei der Bil-dung von Gewerbezweigen sind jedoch Grenzen gesetzt, die sich aus der Funktion und der Systematik eines Gefahrtarifs ergeben. Unzulänglichkeiten sind dabei als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (LSG (Landessozialgericht) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.08.2010 – L 3 U 549/08 – Rn. 30/31). Eine Unter¬nehmens¬art kann nur dann als eigenständiger Gewerbezweig geführt werden, wenn die zugehörigen Betriebe und Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung er¬reichen, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast nach versicherungsmathematischen Grundsätzen (siehe § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) berechnen lässt (BSG, Urteil vom 05.07.2005 – B 2 U 32/03 R – Rn. 29). Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Ge¬werbe¬zweigprinzip hat zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weni¬ger deutlich abweichende Unternehmen gibt. Dass alle gewerbezugehörigen Betriebe und Ein¬richtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse ver¬an¬lagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden als andere, ist als Ausdruck des dem Versicherungsprinzip innewohnenden Solidaritätsgedankens hin¬zu¬nehmen (BSG a. a. O. Rn. 30; BSG, Urteil vom 11.04.2013 – B 2 U 8/12 R – Rn. 37; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.07.2010 – L 3 U 247/08 – Rn. 36).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs 1 Satz 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz) i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung). Die Festsetzung des Streit¬wertes beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 1 Absatz 2 Nr. 3, § 52 Abs. 1 GKG (Ge¬richts-kostengesetz).
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