S 14 KA 111/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 111/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 71/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der etwaigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen unzulässiger Verordnung von Arzneimitteln in den Quartalen IV/2006 und I bis III/2007, der aufgrund einer Prüfung in besonderen Fällen nach § 15 bzw. § 16 der jeweils geltenden Prüfvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und den Landesverbänden der Krankenkassen (Prüfvereinbarung) festgesetzt worden war.

Der Kläger ist praktischer Arzt und war im streitgegenständlichem Zeitraum in C zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Unter dem 13.12.2007 beantragte die Beigeladene zu 1) gegenüber der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein die Prüfung in besonderen Fällen gemäß § 15 Abs. 1 der Prüfvereinbarung für das Quartal IV/2006. Sie führte aus, dass der Kläger zur Durchführung der Substitution Opiatabhängiger zugelassen sei und sich seine Zulassung auf 80 kassenübergreifende Fälle im Quartal beschränke. Allein für sie habe er im Quartal IV/2006 bereits 69 Patienten substituiert. Aus ihren Unterlagen ergebe sich, dass er bei weiteren 101 Patienten eine Verordnung von Methadon oder Subutex vorgenommen habe, ohne dass eine Abrechnung nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) erfolgt sei und eine Genehmigung zur Durchführung der Substitution vorgelegen habe. Sie bitte um Festsetzung eines Regresses in Höhe von 13.619,52 Euro.

Mit Schreiben vom 03.03.2008 und 30.04.2008 gab die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.

Unter dem 10.03.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) auch für das Quartal I/2007 eine Prüfung in besonderen Fällen gemäß § 16 Abs. 1 der Prüfvereinbarung. Der Kläger habe allein für sie im Quartal I/2007 117 Patienten substituiert und aus ihren Unterlagen ergebe sich, dass bei weiteren 117 Patienten eine Verordnung von Methadon bzw. L-Polamidon erfolgt sei, ohne dass eine Abrechnung nach dem EBM erfolgt sei und eine Genehmigung zur Durchführung der Substitution vorgelegen habe. Zusätzlich habe der Kläger unabhängig davon, ob eine Genehmigung zur Durchführung der Substitution vorgelegen habe, Mittel mit hohem Suchtpotential verordnet, beispielsweise Benzodiazepam. Die Beigeladene zu 1) bat um Festsetzung eines Regresses in Höhe von 15.247,22 Euro.

Mit Schreiben vom 03.04.2008 und 30.04.2008 gab die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.

Unter dem 17.03.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) für das Quartal II/2007 eine weitere Prüfung in besonderen Fällen gemäß § 16 Abs. 1 der Prüfvereinbarung. Sie berief sich darauf, dass der Kläger allein für sie im Quartal II/2007 71 Patienten substituiert habe und sich aus ihren Unterlagen ergebe, dass er weiteren 142 Patienten Methadon bzw. L-Polamidon verordnet habe, ohne dass eine Abrechnung nach dem EBM erfolgt sei und eine Genehmigung zur Durchführung der Substitution vorgelegen habe. Zusätzlich habe der Kläger unabhängig davon, ob eine Genehmigung zur Durchführung der Substitution vorgelegen habe, Mittel mit hohem Suchtpotential verordnet, beispielsweise Benzodiazepam. Die Beigeladene zu 1) bat um Festsetzung eines Regresses in Höhe von 22.447,44 Euro.

Mit Schreiben vom 03.04.2008 und 30.04.2008 gab die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.

Unter dem 10.04.2008 beantragte die Beigeladene zu 1) schließlich für das Quartal III/2007 eine Prüfung in besonderen Fällen nach § 16 Abs. 1 der Prüfvereinbarung. Der Kläger habe allein für sie im Quartal III/2007 67 Patienten substituiert und aus ihren Unterlagen ergebe sich, dass er weiteren 152 Patienten Methadon bzw. L-Polamidon verordnet habe, ohne dass eine Abrechnung nach dem EBM erfolgt sei und eine Genehmigung zur Durchführung der Substitution vorgelegen habe. Zusätzlich habe sie festgestellt, dass der Kläger auch Mittel mit hohem Suchtpotential wie Benzodiazepam verordnet habe, unabhängig davon, ob eine Genehmigung zur Durchführung der Substitution vorgelegen habe. Die Beigeladene zu 1) bat um Festsetzung eines Regresses in Höhe von 26.454,87 Euro.

Mit Schreiben vom 13.05.2008 und 19.05.2008 korrigierte die Beigeladene zu 1) ihre Anträge für die Quartale IV/2006 bzw. III/2007 und führte als weiteres verordnetes Arzneimittel L-Polamidon auf bzw. erhöhte den Regressbetrag auf 26.509,50 Euro.

Mit Schreiben vom 26.05.2008 gab die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Bescheid vom 07.07.2008 setzte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein gegenüber dem Kläger für die Quartale IV/2006 und I bis III/2007 einen Regress in Höhe von insgesamt 76.653,78 Euro fest. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus Einzelbeträgen von 13.619,52 Euro (Quartal IV/2006), 14.729,76 Euro (Quartal I/2007), 21.800,93 Euro (Quartal II/2007) und 26.503,57 Euro (Quartal III/2007). Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen führte zur Begründung aus, die Regressforderung für das Quartal II/2007 habe um Beträge von 11,22 Euro und 5,93 Euro korrigiert werden müssen. Der Beigeladenen zu 1) seien Additions- und Übertragungsfehler unterlaufen. Im Übrigen habe sie zu prüfen gehabt, ob die aufgelisteten Verordnungen zur Durchführung der Substitution Opiatabhängiger zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung hätten ausgestellt werden können oder Verstöße gegen die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) unzulässig gewesen seien. Zu beachten sei § 7 Abs. 2 der Anlage I (Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden), Ziffer 2. (Substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger), der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung. Danach seien Beginn und Beendigung einer Substitution durch den Arzt unverzüglich der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und der leistungspflichtigen Krankenkasse anzuzeigen. Sie habe im Rahmen der Amtshilfe die zuständige Kommission der Beigeladenen zu 2) um Zusendung der Beginn- und Beendigungsanzeigen im Zusammenhang mit der Substitution durch den Kläger gebeten. Die Beigeladene zu 2) habe mitgeteilt, dass die Anmeldung der Patienten für die streitgegenständlichen Quartale nur teilweise ordnungsgemäß erfolgt sei. Es handele sich um acht Patienten. Die Regressforderung reduziere sich entsprechend. Maßgebend sei weiter § 4 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung. Danach dürfe eine Substitution nicht durchgeführt werden, wenn und solange der Substitution medizinisch allgemein anerkannte Ausschlussgründe entgegenstünden, beispielsweise eine primäre/hauptsächliche Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen (unter anderem Benzodiazepine). Gemäß § 8 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung sei die Substitution schließlich zu beenden, wenn eine Ausweitung und Verfestigung des Gebrauchs von Suchtstoffen neben der Substitution vorliege. Damit seien die Verordnungen von Benzodiazepinen wie Diazepam, Rivotril und Tranxilium neben der Methadonsubstitution kontraindiziert. Die ersatzweise oder zusätzliche Verschreibung von psychotropen Stoffen an drogenabhängige Patienten sei unzulässig, da sie nicht zu einer Entwöhnung führe, sondern die Gesundheit der Abhängigen zusätzlich gefährde. Die Verschreibung von Neuroleptika, Antidepressiva und anderen psychotropen Medikamenten sei ausschließlich vom substituierenden bzw. behandelnden Arzt oder in Absprache mit diesem zulässig, und zwar mit Dokumentation der Begründung für die Indikation. Der Kläger habe jedoch keine entsprechende Stellungnahme abgegeben.

Am 15.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, der Umfang seiner Genehmigung für die Substitution Opiatabhängiger betrage mehr als 80. Derzeit handele es sich um 100 Genehmigungen. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Beigeladenen zu 1) durch die streitgegenständlichen Verordnungen kein Schaden entstanden sei. Die Patienten wären anderenfalls bei einem anderen Vertragsarzt substituiert worden. Entsprechend habe die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein den festgesetzten Regress auch nicht auf eine fehlende Indikation oder off-label-use gestützt. Die Annahme einer Kontraindikation der Verordnung von Benzodiazepinen neben einer Methadon-Substitution bestreite er. Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein habe nicht geklärt, ob eine entsprechende Indikation bestanden habe. Dies habe aber vorgelegen. Es habe sich um eine supportive Verordnung bei der ambulanten Drogenentwöhnung gehandelt. Es seien Angstsyndrome zu behandeln gewesen. Die Beklagte möge berücksichtigen, dass er jeweils nur die Tagesdosis zugeteilt habe. Er nehme schließlich Bezug auf den Aufsatz "Beigebrauch von Benzodiazepinen in der Methadonsubstitution: medizinisch korrekte Selbstmedikation gegen die methadonassoziierten Schlafstörungen?" in: Suchttherapie 2006, 7, Seite 8 ff., und die "Handlungsempfehlungen der Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe in Abstimmung mit den Apothekenkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe zur Verordnung und Abgabe von Benzodiazepinen an betäubungsmittelabhängige Patienten".

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein hat erwidert, die Klagebegründung trage nicht. Der angegebene Genehmigungsumfang sei nicht relevant. Sie habe in jedem Einzelfall das Vorliegen einer Beginn- und Änderungsanzeige bei der zuständigen Kommission der Beigeladenen zu 2) überprüft und die Mitteilung erhalten, dass die Anmeldung der Patienten zur Substitution nur teilweise ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Argumentation, der Beigeladenen zu 1) sei kein Schaden entstanden, verfange nicht. Bei Verordnungen für Patienten, die nicht im Rahmen eines Methadon-Substitutions-Programms der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt würden, liege ein Verstoß gegen die Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung vor. Auch ein Fall des sonstigen Schadens, der daraus folge, stelle eine unwirtschaftliche Verordnungsweise dar. Sofern der Kläger ihr die medizinisch nicht haltbare Auffassung unterstelle, dass Substitutionspatienten keine Benzodiazepine verabreicht werden dürften, weise sie darauf hin, dass sie auf das Fehlen der erforderlichen Begründung und Dokumentation abgestellt habe.

Die Beigeladene zu 1) hat ergänzend vorgetragen, der Kläger habe eine Genehmigung für 100 Patienten besessen, die aber im Umfang von 20 Patienten widerrufen worden sei. Im Übrigen sehe die Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung vor, dass der Arzt in der Regel nicht mehr als 50 Opiatabhängige gleichzeitig substituieren sollte. Darüber hinaus habe der Kläger mehrfach gegen die Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung verstoßen und damit einen sonstigen Schaden verursacht. Schließlich sollte die Verordnung von Benzodiazepinen gemäß Abschnitt J 36 der Arzneimittelrichtlinie (AMR) grundsätzlich nicht länger als vier Wochen andauern. Diesen Zeitraum habe der Kläger überschritten. Auch habe bei den streitgegenständlichen Patienten ein Verstoß gegen §§ 11, 12 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung wegen eines Beikonsums von Benzodiazepinen vorgelegen. Die Beigeladene zu 1) hat schließlich auf ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren hingewiesen.

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein hat ergänzend mitgeteilt, dass zunächst das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die von dem Kläger vertragsärztlich durchzuführenden Substitutionsbehandlungen auf 50 beschränkt habe und sodann der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln dem Kläger die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung entzogen habe.

Nachdem das Gericht von der Beigeladenen zu 2) die geprüfte Liste der klägerischen Patienten beigezogen hatte, hat es den Kläger um Stellungnahme gebeten, ob über die im Bescheid vom 07.07.2008 genannten Genehmigungen weitere vorlägen. Die Anfrage ist unbeantwortet geblieben. Das Gericht hat sodann die Akte 920 Js 169/08 R der Staatsanwaltschaft Bonn beigezogen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Gericht das Verfahren mit Beschluss vom 27.10.2011 bis zur Entscheidung des Beklagten über die als Widerspruch gewertete Klage gegen den Bescheid vom 07.07.2008 ausgesetzt. Es hat darauf abgestellt, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 11.05.2011, Az.: B 6 KA 13/10 R, die Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung des § 106 Abs. 5 Satz 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) nicht erfüllt seien und das Vorverfahren nicht entfallen könne.

Mit Bescheid vom 13.02.2012 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, die Regresse aufgrund der Verordnungen von Methadon, Methadicct, L-Polamidon und Subutex sowie Diazepam, Rivotril und Tranxilium durch den Kläger in den Quartalen IV/2006 und I bis III/2007 seien zu bestätigen. Die nach § 7 Abs. 2 und 3 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung erforderliche Anzeige des Beginns und der Beendigung einer Substitution liege nur für acht Versicherte vor. Bezüglich der Verordnung von Benzodiazepinen habe der Kläger durch Umfang, Art und Dauer der Medikation gegen Abschnitt J 36 AMR verstoßen habe. Er habe keinen Nachweis erbracht, der eine Verordnung von Benzodiazepinen über einen Zeitraum von vier Wochen hinaus im Rahmen der Substitution nachvollziehbar erscheinen lasse. Er habe schließlich gegen § 4 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung verstoßen. Die Verschreibung von Mitteln mit hohem Suchtpotential an drogenabhängige Patienten sei unzulässig.

Der Kläger, der weitere Ausführungen nicht gemacht hat, beantragt konkludent,

den Bescheid des Beklagten vom 13.02.2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt Bezug auf den streitgegenständlichen Bescheid.

Im Zusammenhang mit einer Terminierung am 22.05.2013 hat der Kläger das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das Verfahren L 11 KA 66/11 des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen beantragt, da er gegen die Zurückweisung seiner Berufung Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einlegen wolle. Im Übrigen hat er auf die Beanspruchung durch ein parallel anhängiges Strafverfahren hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein, der Verwaltungsakte des Beklagten und der beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten entscheiden, denn Gegenstand des Verfahrens war eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Kammer konnte in Abwesenheit des Klägers und der Beigeladenen zu 1) und 2) entscheiden. Gemäß § 126 SGG kann das Gericht, sofern in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, nach Lage der Akten entscheiden, wenn in einem Termin keiner der Beteiligten erscheint oder beim Ausbleiben von Beteiligten die erschienenen Beteiligten es beantragen. Die Beteiligten sind gemäß § 110 Abs. 1 SGG vom Termin benachrichtigt worden. Der Erhalt der Ladungen ist im Fall des Klägers durch die Zustellungsurkunde vom 21.11.2013 und im Fall der Beigeladenen zu 1) und 2) durch die Empfangsbekenntnisse vom 26.11.2013 dokumentiert. Sie sind durch die Ladung gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG auf die Möglichkeit der Entscheidung in ihrer Abwesenheit hingewiesen worden. Der erschienene Beteiligte hat einen Antrag gestellt.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist zwar zulässig.

Sie ist insbesondere fristgerecht erhoben worden. Abzustellen ist auf die Klageerhebung am 15.07.2008 im Zusammenhang mit der Erteilung des Bescheides vom 07.07.2008 durch die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein. Der durch den Beklagten am 13.02.2012 erteilte Bescheid ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Dass der Kläger dazu inhaltlich nicht Stellung bezogen hat, steht der Annahme einer Klage auch gegen diesen Bescheid nicht entgegen. Der Kläger hat durch seinen Antrag auf Ruhen des Verfahrens im Zusammenhang mit der Terminierung am 22.05.2013 zum Ausdruck gebracht, dass er sich auch gegen diesen Bescheid wendet.

Dass ein Vorverfahren nach § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V durchgeführt worden ist, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.02.2012. Nach § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V können die betroffenen Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen, die Krankenkasse, die betroffenen Landesverbände der Krankenkassen sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Beschwerdeausschüsse anrufen. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt als Vorverfahren. Nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens unter anderem dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt; ein solcher Ausnahmefall ist in § 106 Abs. 5 Satz 8 SGB V geregelt. Danach findet abweichend von § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (BSG, Urteil vom 11.05.2011, Az.: B 6 KA 13/10 R; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2013, Az.: L 11 KA 66/11). Steht die medizinische Notwendigkeit einer Verordnung in Streit, zu dessen Klärung es der Fachkenntnis des mit Vertretern von Ärzten und Krankenkassen besetzten Beschwerdeausschusses bedarf, ist das Vorverfahren hingegen nicht entbehrlich (BSG a. a. O.). Sofern das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen a. a. O. in einem Parallelverfahren des Klägers die Auffassung vertritt, dass es der Durchführung eines Vorverfahrens im Sinne des § 106 Abs. 5 Satz 3 SGB V nicht bedurfte, da es allein um die Frage gegangen sei, ob die in den Richtlinien geregelten Voraussetzungen zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung bei manifest Opiatabhängigen in der vertragsärztlichen Versorgung erfüllt seien, mithin um einen vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt, bei dem sich die Frage nach dem Leistungsausschluss ohne weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lasse, hält die Kammer diese nicht für auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Kläger hat Ausführungen getätigt, die medizinische Fragen aufgeworfen haben, indem er vorgetragen hat, für die Verordnung von Benzodiazepinen neben der Methadon-Substitution habe eine Indikation bestanden. Es habe sich um eine supportive Verordnung bei der ambulanten Drogenentwöhnung gehandelt, da Angstsyndrome zu behandeln gewesen seien. Dass es im Ergebnis an einer Individualisierung dieses Vortrags gefehlt hat, ist aus Sicht der Kammer unschädlich.

Die Klage ist aber unbegründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid des Beklagten vom 13.02.2012 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage ist § 15 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 16 Nr. 1c der Prüfvereinbarung. Danach prüft die Prüfungsstelle auf Antrag der Vertragspartner, ob der Vertragsarzt bei Verordnungen in ungerechtfertigter Weise Rechtsverordnungen oder Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen unbeachtet gelassen bzw. unwirtschaftliche Arzneimittelanwendungen veranlasst hat.

Die formellen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt. Die Beigeladene zu 1) hat ihren Antrag fristgerecht gestellt. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz bzw. § 16 Nr. 2 Satz 3 der Prüfvereinbarung können vorbehaltlich abweichender Regelungen im Bundesmantelvertrag in den Fällen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bzw. § 16 Nr. 1a bis c der Prüfvereinbarung Anträge innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Abschluss des Quartals gestellt werden, in dem der vom Antrag erfasste Sachverhalt angefallen ist. Der das Quartal IV/2006 betreffende Antrag der Beigeladenen zu 1) datiert vom 13.12.2007, der das Quartal I/2007 betreffende Antrag der Beigeladenen zu 1) datiert vom 10.03.2008, der das Quartal II/2007 betreffende Antrag der Beigeladenen zu 1) datiert vom 17.03.2008 und der das Quartal III/2007 betreffende Antrag der Beigeladenen zu 1) datiert vom 10.04.2008.

Auch die materiellen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt.

Die Vorgaben für die Substitution Opiatabhängiger ergeben sich aus der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung. Diese Bestimmungen, die als Anlage zu einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V erlassen worden sind, stehen mit höherrangigem Recht in Einklang und sind nach § 91 Abs. 6 SGB V für den Vertragsarzt verbindlich (BSG, Urteil vom 23.06.2010, Az.: B 6 KA 12/09 R; SG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2011, Az.: S 14 KA 184/08). Regelungsgegenstand sind nach § 1 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung die Voraussetzungen zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung bei manifest Opiatabhängigen in der vertragsärztlichen Versorgung.

Gemäß § 7 Abs. 2 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung hat der Arzt Beginn und Beendigung einer Substitution unverzüglich der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und der leistungspflichtigen Krankenkasse anzuzeigen.

Gegen diese Melde- und Anzeigepflichten hat der Kläger in den streitgegenständlichen Behandlungsfällen verstoßen. Dies ergibt sich aus den Aufstellungen der zuständigen Kommission der Beigeladenen zu 2), deren Unterlagen die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein beigezogen und im Klageverfahren vorgelegt hat. Die geprüfte Liste der Patienten enthält Angaben zur Meldung der bei der Beigeladenen zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum versicherten und von dem Kläger behandelten Personen. Eine Meldung ist mit zeitlichen Angaben verzeichnet für die Versicherten N1 I (ab 22.02.2007), M1 K (ab 30.05.2007), D M2 (ab 30.03.2007) und F T1 (ab 18.05.2007) sowie mit dem Vermerk "liegt vor" für die Versicherten G C2 und T2 E1. Die Beigeladene zu 2) gab ergänzend die Auskunft, dass für folgende Versicherten Genehmigungen vorlagen: T2 E1, N2 E2, J H, N1 I, D M2, M1 K, F T1 und G T3 C2. Diese Sachverhalte hat die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein ebenso berücksichtigt wie der Beklagte. Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der Angaben der Beigeladenen zu 2) zu zweifeln und legt ihrer Entscheidung die Schlussfolgerung zugrunde, dass für sämtliche streitgegenständlichen Behandlungsfälle die nach § 7 Abs. 2 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung erforderliche Anzeige unterblieben ist. Damit entsprechen weder die Behandlung noch die Verordnung mit Arzneimitteln den Vorgaben der der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, so dass sich eine Leistungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung hierfür nicht ergibt.

Ein weiterer Verstoß gegen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Sinne des § 16 Nr. 1c der Prüfvereinbarung liegt in der Verordnung von Benzodiazepinen in den Quartalen I bis III/2007. Nach Abschnitt J 36 AMR soll der Vertragsarzt vor jeder Wiederholung von Arzneimittelverordnungen prüfen, ob eine Wiederholung erforderlich ist und verantwortet werden kann und ob die verordnete Menge mit der vorgesehenen Anwendungszeit übereinstimmt. Zutreffend stellt der Beklagte darauf ab, dass nach den entsprechenden Fachinformationen Benzodiazepine bei Patienten, die eine Abhängigkeitserkrankung haben, kontraindiziert seien, da sie ein primäres Abhängigkeitspotenzial besitzen. Der Kläger hat trotz der Gelegenheiten zur Stellungnahme keinen Nachweis erbracht, der eine Verordnung von Benzodiazepinen über einen Zeitraum von vier Wochen hinaus im Rahmen der Substitutionstherapie indiziert erscheinen lässt.

In diesem Zusammenhang ist auch ein Verstoß gegen § 4 der der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung zu berücksichtigen, nach dem eine Substitution nicht durchgeführt werden darf, wenn und solange der Substitution medizinisch allgemein anerkannte Ausschlussgründe entgegenstehen, wie zum Beispiel eine primäre/hauptsächliche Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen (Alkohol, Kokain, Benzodiazepine etc.). Der Kläger hat zwar ausgeführt, für die Verordnung von Benzodiazepinen neben der Methadon-Substitution habe eine Indikation bestanden. Es habe sich um eine supportive Verordnung bei der ambulanten Drogenentwöhnung gehandelt, da Angstsyndrome zu behandeln gewesen seien. Dieser pauschale Vortrag lässt aber eine weitere Überprüfung der Indikation nicht zu.

Durch die Verstöße des Klägers ist auch ein Schaden eingetreten. Dem kann nicht ein hypothetischer alternativer Geschehensablauf entgegengehalten werden mit dem Vorbringen, die Verordnung sei inhaltlich sachgerecht gewesen und bei sachgerechter Ausstellung der Verordnung, beispielsweise durch einen anderen Arzt, wären dieselben Kosten entstanden (vgl. LSG NRW, Urteil a. a. O.). Im Vertragsarztrecht ist kein Raum, einen Verstoß gegen Gebote und Verbote, die nicht bloße Ordnungsvorschriften betreffen, durch Berücksichtigung eines alternativen Geschehensablaufs als unbeachtlich anzusehen; die Zuerkennung der Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte es zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme (LSG NRW a. a. O.). Beispielsweise dient die Anzeigepflicht nach § 7 Abs. 2 der Anlage I, Ziffer 2., der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung der Vermeidung sowohl von Mehrfachsubstitutionen als auch anderen Missbrauchsmöglichkeiten und stellt keine unbeachtliche Nebenpflicht dar (SG Düsseldorf a. a. O.).

Nach dem normativen Schadensbegriff, der auch im Vertragsarztrecht gilt, muss sich der Geschädigte bei der Ermittlung des eingetretenen Vermögensschadens schadensmindernde Vorteile nur dann entgegenhalten lassen, wenn die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht (SG Düsseldorf, a. a. O.). Ob das der Fall ist, ist unter Berücksichtigung rechtlicher Wertungen außerhalb des Schadensersatzrechts zu bestimmen (SG Düsseldorf a. a. O.). Bei einem durch unzulässige Verordnungen entstandenen Schaden ist dies aber nicht der Fall (LSG Nordrhein-Westfalen a. a. O.). Maßgebend ist, dass die für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit geltenden Vorschriften auch dazu bestimmt sind, die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems als Ganzes zu sichern, und dass dieser Zweck nicht durch die Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze unterlaufen werden darf (SG Düsseldorf a. a. O.).

Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften (SG Düsseldorf a. a. O.). Der Schaden, der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht damit denjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise im Sinne des § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V verursacht worden ist (BSG, Urteil vom 05.05.2010, Az.: B 6 KA 5/09 R; SG Düsseldorf a. a. O.). Diese Zuordnung wird durch § 106 Abs. 5 b SGB V bekräftigt, der klarstellt, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Einhaltung der AMR zu prüfen ist; in solchen Fällen kommt es auf ein Verschulden des Vertragsarztes nicht an (SG Düsseldorf a. a. O., unter Bezugnahme auf BSG a. a. O. und LSG NRW, Urteil vom 30.07.2003, Az.: L 11 KA 149/01).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Die Kostenentscheidung berücksichtigt im Übrigen § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 162 VwGO. Danach sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Hier ist maßgebend, dass die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben und damit kein Kostenrisiko im Sinne des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen sind. Dieser bestimmt, dass dem Beigeladenen Kosten nur auferlegt werden können, wenn er Anträge gestellt hat.
Rechtskraft
Aus
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