Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 1257/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1) Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 16.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.3.2014 wird aufgehoben, soweit die Forderung den Betrag übersteigt, der sich ergibt aus dem Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2) Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Rücknahme- und Erstattungsbescheid, mit dem der Beklagte diversen Bewilligungsbescheide betreffend den Zeitraum Juni 2006 bis Oktober 2013 aufhebt und vom Kläger die Erstattung eines Betrages von 31.233,72 EUR fordert. Der Kläger steht seit 1.6.2006 im Leistungsbezug. Mit Bewilligungsbescheid vom 30.5.2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Juni bis November 2006 sowie mit diversen weiteren Bewilligungsbescheiden – insoweit wird auf die Übersicht auf Seite 2 des Widerspruchsbescheids verwiesen - für die folgenden Zeiträume bis einschließlich Oktober 2013. Bei erstmaliger Antragsstellung im Mai 2006 verneinte der Kläger, über ein den Betrag von 4.850 EUR übersteigendes Vermögen zu verfügen. Er gab diverse Sparbücher und Girokonten an, nicht aber ein weiteres Sparbuch mit einem Guthaben von 10.061,88 EUR im Mai und Juni 2006. Aufgrund eines Datenabgleichs erhielt der Beklagte Kenntnis von Zinszahlungen für dieses Konto und fragte insoweit beim Kläger nach. Dieser gab im Rahmen einer Anhörung durch den Beklagten an, dass er mit den Beträgen Kredite zurückzahlen haben wollen und das Geld auch zur Anschaffung eines PKW haben zurückhalten wollen. Er habe das Guthaben und die Zinserträge verschwiegen, weil er angesichts von damals fünf Millionen Arbeitslosen und seinen prekären Beschäftigungsverhältnisses Existenzsorgen gehabt hätte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird im Übrigen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Der Beklagte hob daraufhin die oben genannten bzw. darauf verwiesenen Bewilligungsbescheide mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16.12.2013 auf, forderte vom Kläger die Erstattung von 31.233,72 EUR und rechnete in Höhe von 117,30 EUR oder 30 % mit den dem Kläger laufend zustehenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II auf. Der Kläger hat gegen den Bescheid Widerspruch erhoben, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.3.2014 als unbegründet zurückgewiesen hat. Auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird verwiesen. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger sodann Klage erhoben. Der Kläger ist der Auffassung, dass man den fiktiven Verzehr seines Vermögens berücksichtigen müsse. Denn hätte er das Vermögen ordnungsgemäß angegeben und entsprechend keinerlei Leistungen nach dem SGB II bezogen, wäre sein Vermögen spätestens nach fünf Monaten unter den für ihn geltenden Freibetrag gefallen. Mithin müsse er nur den Betrag erstatten, der über dem für ihn geltenden Freibetrag liege, mithin 3.625,04 EUR. Er könne sein Vermögen schließlich nur einmal einsetzen, dann sei es – nach fünf Monaten – verbraucht. Der Beklagte fordere aber die Erstattung für 90 Monate, was geradezu widersinnig und nicht im Sinne des Gesetzes sei. Er stünde damit bedeutend schlechter als er stehen würde, wenn er das Vermögen bei Antragstellung angegeben hätte. Die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung auch den BSG sei nicht einschlägig, da es sich in diesen Fällen nicht um Erstattungen, sondern um laufende Bewilligungen gehandelt habe. Der Kläger beruft sich seinerseits auf diverse Entscheidungen, die seine Ansicht stützten.
Der Kläger beantragt,
der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des beklagten Jobcenters vom 16.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.3.2014 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 3.461,88 EUR übersteigt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Das nicht verbrauchte und seinen Freibetrag übersteigende Vermögen des Klägers könne ihm während des gesamten streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums entgegengehalten werden. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BSG und diverser Landessozialgerichte, u.a. des LSG NRW.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG, soweit sie von dem Kläger die Erstattung eines Betrages fordern, der den Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags im Sinne des § 12 Abs. 2 SGG übersteigt.
1) Soweit der Beklagte einen Betrag fordert, der dem Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags im Sinne des § 12 Abs. 2 SGG entspricht (als Teil der insgesamt geforderten 31.233,72 EUR), sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig. Der Kläger muss zunächst sein über den für ihn geltenden Freibetrag liegendes Vermögen zur eigenen Bedarfsdeckung einsetzen muss. Dies wird vom Kläger auch selbst eingestanden. Die Kammer verweist insoweit nach § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Da der entsprechende Rückforderungsbetrag geringfügig höher ist als der im Klageantrag durch den Klägerbevollmächtigten Errechneten führt dies dazu, dass der Kläger insoweit unterliegt. 2) Soweit der Beklagte darüber hinaus die weitere Erstattung fordert, sind die Bescheide rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG. Den vom Beklagten angeführten Entscheidungen des BSG und des LSG NRW liegt eine entscheidend andere Konstellation zugrunde: Dort geht es jeweils nicht um Rückforderungen erbrachter Leistungen für vergangene Zeiträume, sondern um aktuelle Bewilligungszeiträume. In diesen Fällen war ein die Freibeträge übersteigendes Vermögen noch tatsächlich vorhanden und konnte zur Deckung der eigenen Existenz durch die Hilfebedürftigen eingesetzt werden. Dass diese das Vermögen während vergangener Bewilligungszeiträume hätten verbrauchen können, spielt insoweit zu Recht keine Rolle.
Die Annahme eines längeren Zeitraums der Bedarfsdeckung kommt vorliegend indes nicht in Betracht. Zwar ist bei vorausschauenden Bewilligungsentscheidungen wie soeben dargelegt ein einzusetzendes, aber tatsächlich nicht verbrauchtes Vermögen solange anzurechnen, wie es noch vorhanden ist. Ein "fiktiver Vermögensverbrauch" ist nicht zu prüfen (vgl. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2008, Az.: B 14 AS 14/08 B, juris RN 5). Bei der Rücknahme von Bewilligungsbescheiden wegen verschwiegenem Vermögen ist dagegen rückschauend zu überprüfen, ob und wie lange einzusetzende Beträge zur Bedarfsdeckung ausgereicht hätten (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juli 2012 – L 5 AS 55/10: SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 13 AS 1217/09, unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1986 - 5 B 10/85). Der "Grundsatz der Subsidiarität" von Leistungen nach dem SGB II würde jedoch überstrapaziert, wenn die hier maßgeblichen Vorschriften auf eine Weise ausgelegt werden, dass jemand in die Ver- oder gar Überschuldung getrieben wird, der "nur" (grob) fahrlässig falsche Angaben gemacht hat (aA nunmehr offenbar LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2011, L 12 AS 4994/10, wobei die von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG und des BVerwG gerade keine Rückforderungskonstellationen betreffen). Soweit – wie vom Beklagten – vertreten wird, im Rahmen von § 45 SGB X sei eine Mehrfachanrechnung zulässig (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. März 2010, Az.: L 5 AS 2340/08, juris RN 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2011, Az.: L 12 AS 4994/10, juris RN 33), ist dem nicht zu folgen. Durch die Anwendung des § 45 SGB X soll die materiell zutreffende Rechtslage hergestellt werden nach einer rechtswidrigen Begünstigung des Leistungsempfängers (vgl. Schütze in von Wulffen: SGB X, 7. Auflage 2010, § 45 RN 2). Dabei ist der Normalfall, also die ordnungsgemäße Verwertung des Vermögens, zugrunde zulegen und nicht der atypische Fall einer verweigerten Verwertung. Die Regelung des § 45 SGB X hat keinen über die genannte Zielsetzung hinausgehenden Sanktionscharakter (a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., RN 35). Hätte ein Hilfebedürftiger beispielsweise bloß fahrlässig einen geringen dreistelligen – aber in seinem Fall einen Monat lang bedarfsdeckenden – Betrag vergessen anzugeben, wäre die Folge dieser Rechtsprechung – die mitunter hoffnungslose Überschuldung des Leistungsempfängers – völlig unverhältnismäßig, wenn der Betreffende lange im Leistungsbezug stünde und das Vermögen erst zu einem späten Zeitpunkt bekannt würde. Würde eine gesetzliche Regelung dies ausdrücklich anordnenden – und sei es nur dass § 45 SGB X ein Sanktionscharakter innewohnte –, hat die Kammer große Zweifel, ob dies verfassungemäß wäre oder ob nicht vielmehr ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorläge. Soweit dem Leistungsempfänger – wie vorliegend – ein Vorwurf gemacht werden kann wegen vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Verhalten, kann dem über Strafbarkeitsnormen Rechnung getragen werden. Ob darüber hinaus der Beklagte in einer Situation wie hier – in der der zurückgeforderte Betrag nicht nur höher ist als der Betrag, um den die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II überschritten sind, sondern sogar höher als das gesamte Vermögen – zumindest gehalten gewesen, eine besondere Härte zu prüfen (wie das SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 13 AS 1217/09, meint), kann daher offen bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Das nur geringfügige Unterliegen des Klägers wirkt sich kostenmäßig nicht aus.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Rücknahme- und Erstattungsbescheid, mit dem der Beklagte diversen Bewilligungsbescheide betreffend den Zeitraum Juni 2006 bis Oktober 2013 aufhebt und vom Kläger die Erstattung eines Betrages von 31.233,72 EUR fordert. Der Kläger steht seit 1.6.2006 im Leistungsbezug. Mit Bewilligungsbescheid vom 30.5.2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Juni bis November 2006 sowie mit diversen weiteren Bewilligungsbescheiden – insoweit wird auf die Übersicht auf Seite 2 des Widerspruchsbescheids verwiesen - für die folgenden Zeiträume bis einschließlich Oktober 2013. Bei erstmaliger Antragsstellung im Mai 2006 verneinte der Kläger, über ein den Betrag von 4.850 EUR übersteigendes Vermögen zu verfügen. Er gab diverse Sparbücher und Girokonten an, nicht aber ein weiteres Sparbuch mit einem Guthaben von 10.061,88 EUR im Mai und Juni 2006. Aufgrund eines Datenabgleichs erhielt der Beklagte Kenntnis von Zinszahlungen für dieses Konto und fragte insoweit beim Kläger nach. Dieser gab im Rahmen einer Anhörung durch den Beklagten an, dass er mit den Beträgen Kredite zurückzahlen haben wollen und das Geld auch zur Anschaffung eines PKW haben zurückhalten wollen. Er habe das Guthaben und die Zinserträge verschwiegen, weil er angesichts von damals fünf Millionen Arbeitslosen und seinen prekären Beschäftigungsverhältnisses Existenzsorgen gehabt hätte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird im Übrigen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Der Beklagte hob daraufhin die oben genannten bzw. darauf verwiesenen Bewilligungsbescheide mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16.12.2013 auf, forderte vom Kläger die Erstattung von 31.233,72 EUR und rechnete in Höhe von 117,30 EUR oder 30 % mit den dem Kläger laufend zustehenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II auf. Der Kläger hat gegen den Bescheid Widerspruch erhoben, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.3.2014 als unbegründet zurückgewiesen hat. Auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird verwiesen. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger sodann Klage erhoben. Der Kläger ist der Auffassung, dass man den fiktiven Verzehr seines Vermögens berücksichtigen müsse. Denn hätte er das Vermögen ordnungsgemäß angegeben und entsprechend keinerlei Leistungen nach dem SGB II bezogen, wäre sein Vermögen spätestens nach fünf Monaten unter den für ihn geltenden Freibetrag gefallen. Mithin müsse er nur den Betrag erstatten, der über dem für ihn geltenden Freibetrag liege, mithin 3.625,04 EUR. Er könne sein Vermögen schließlich nur einmal einsetzen, dann sei es – nach fünf Monaten – verbraucht. Der Beklagte fordere aber die Erstattung für 90 Monate, was geradezu widersinnig und nicht im Sinne des Gesetzes sei. Er stünde damit bedeutend schlechter als er stehen würde, wenn er das Vermögen bei Antragstellung angegeben hätte. Die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung auch den BSG sei nicht einschlägig, da es sich in diesen Fällen nicht um Erstattungen, sondern um laufende Bewilligungen gehandelt habe. Der Kläger beruft sich seinerseits auf diverse Entscheidungen, die seine Ansicht stützten.
Der Kläger beantragt,
der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des beklagten Jobcenters vom 16.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.3.2014 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 3.461,88 EUR übersteigt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Das nicht verbrauchte und seinen Freibetrag übersteigende Vermögen des Klägers könne ihm während des gesamten streitgegenständlichen Bewilligungszeitraums entgegengehalten werden. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des BSG und diverser Landessozialgerichte, u.a. des LSG NRW.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG, soweit sie von dem Kläger die Erstattung eines Betrages fordern, der den Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags im Sinne des § 12 Abs. 2 SGG übersteigt.
1) Soweit der Beklagte einen Betrag fordert, der dem Betrag von 10.061,88 EUR abzüglich des für den Kläger im streitigen Zeitraum geltenden Freibetrags im Sinne des § 12 Abs. 2 SGG entspricht (als Teil der insgesamt geforderten 31.233,72 EUR), sind die angegriffenen Bescheide rechtmäßig. Der Kläger muss zunächst sein über den für ihn geltenden Freibetrag liegendes Vermögen zur eigenen Bedarfsdeckung einsetzen muss. Dies wird vom Kläger auch selbst eingestanden. Die Kammer verweist insoweit nach § 136 Abs. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Da der entsprechende Rückforderungsbetrag geringfügig höher ist als der im Klageantrag durch den Klägerbevollmächtigten Errechneten führt dies dazu, dass der Kläger insoweit unterliegt. 2) Soweit der Beklagte darüber hinaus die weitere Erstattung fordert, sind die Bescheide rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG. Den vom Beklagten angeführten Entscheidungen des BSG und des LSG NRW liegt eine entscheidend andere Konstellation zugrunde: Dort geht es jeweils nicht um Rückforderungen erbrachter Leistungen für vergangene Zeiträume, sondern um aktuelle Bewilligungszeiträume. In diesen Fällen war ein die Freibeträge übersteigendes Vermögen noch tatsächlich vorhanden und konnte zur Deckung der eigenen Existenz durch die Hilfebedürftigen eingesetzt werden. Dass diese das Vermögen während vergangener Bewilligungszeiträume hätten verbrauchen können, spielt insoweit zu Recht keine Rolle.
Die Annahme eines längeren Zeitraums der Bedarfsdeckung kommt vorliegend indes nicht in Betracht. Zwar ist bei vorausschauenden Bewilligungsentscheidungen wie soeben dargelegt ein einzusetzendes, aber tatsächlich nicht verbrauchtes Vermögen solange anzurechnen, wie es noch vorhanden ist. Ein "fiktiver Vermögensverbrauch" ist nicht zu prüfen (vgl. BSG, Beschluss vom 30. Juli 2008, Az.: B 14 AS 14/08 B, juris RN 5). Bei der Rücknahme von Bewilligungsbescheiden wegen verschwiegenem Vermögen ist dagegen rückschauend zu überprüfen, ob und wie lange einzusetzende Beträge zur Bedarfsdeckung ausgereicht hätten (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Juli 2012 – L 5 AS 55/10: SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 13 AS 1217/09, unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1986 - 5 B 10/85). Der "Grundsatz der Subsidiarität" von Leistungen nach dem SGB II würde jedoch überstrapaziert, wenn die hier maßgeblichen Vorschriften auf eine Weise ausgelegt werden, dass jemand in die Ver- oder gar Überschuldung getrieben wird, der "nur" (grob) fahrlässig falsche Angaben gemacht hat (aA nunmehr offenbar LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.07.2011, L 12 AS 4994/10, wobei die von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des BSG und des BVerwG gerade keine Rückforderungskonstellationen betreffen). Soweit – wie vom Beklagten – vertreten wird, im Rahmen von § 45 SGB X sei eine Mehrfachanrechnung zulässig (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. März 2010, Az.: L 5 AS 2340/08, juris RN 28; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juli 2011, Az.: L 12 AS 4994/10, juris RN 33), ist dem nicht zu folgen. Durch die Anwendung des § 45 SGB X soll die materiell zutreffende Rechtslage hergestellt werden nach einer rechtswidrigen Begünstigung des Leistungsempfängers (vgl. Schütze in von Wulffen: SGB X, 7. Auflage 2010, § 45 RN 2). Dabei ist der Normalfall, also die ordnungsgemäße Verwertung des Vermögens, zugrunde zulegen und nicht der atypische Fall einer verweigerten Verwertung. Die Regelung des § 45 SGB X hat keinen über die genannte Zielsetzung hinausgehenden Sanktionscharakter (a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., RN 35). Hätte ein Hilfebedürftiger beispielsweise bloß fahrlässig einen geringen dreistelligen – aber in seinem Fall einen Monat lang bedarfsdeckenden – Betrag vergessen anzugeben, wäre die Folge dieser Rechtsprechung – die mitunter hoffnungslose Überschuldung des Leistungsempfängers – völlig unverhältnismäßig, wenn der Betreffende lange im Leistungsbezug stünde und das Vermögen erst zu einem späten Zeitpunkt bekannt würde. Würde eine gesetzliche Regelung dies ausdrücklich anordnenden – und sei es nur dass § 45 SGB X ein Sanktionscharakter innewohnte –, hat die Kammer große Zweifel, ob dies verfassungemäß wäre oder ob nicht vielmehr ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorläge. Soweit dem Leistungsempfänger – wie vorliegend – ein Vorwurf gemacht werden kann wegen vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Verhalten, kann dem über Strafbarkeitsnormen Rechnung getragen werden. Ob darüber hinaus der Beklagte in einer Situation wie hier – in der der zurückgeforderte Betrag nicht nur höher ist als der Betrag, um den die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II überschritten sind, sondern sogar höher als das gesamte Vermögen – zumindest gehalten gewesen, eine besondere Härte zu prüfen (wie das SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2011 – S 13 AS 1217/09, meint), kann daher offen bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Das nur geringfügige Unterliegen des Klägers wirkt sich kostenmäßig nicht aus.
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