S 8 KR 50/13

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 KR 50/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 200/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 63/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob der Beigeladene als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin ab dem 03.02.2010 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig beschäftigt ist.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Zubehör für die Zoofachbranche, der Fachgroßhandel mit Artikeln des zoologischen Bedarfs und die Durchführung entsprechender Speditionsleistungen. Bis einschließlich 02.02.2010 hatte die Gesellschaft ein Stammkapital von 50.000 DM. Gesellschafter waren der Beigeladene mit einer Beteiligung in Höhe von 45.000 DM, Dr. E. und F. waren mit jeweils 2.500 DM am Stammkapital beteiligt. Ab dem 03.02.2010 erfolgte die Umstellung des Stammkapitals auf Euro in Verbindung mit einer Kapitalerhöhung, sodass das Stammkapital der Klägerin seit dem 03.02.2010 26.000 EUR beträgt. Der Beigeladene ist seither mit 10.400 EUR (dies entspricht 40 %) am Stammkapital der Klägerin beteiligt, Dr. E. ist mit 1.300 EUR (10 %) am Stammkapital beteiligt und die A. ist mit 13.000 EUR (50 %) am Stammkapital der Klägerin beteiligt. Geschäftsführer der Klägerin sind der Beigeladene und Herr B. A. aus G-Stadt, Italien. Beide Geschäftsführer sind berechtigt die Gesellschaft alleine zu vertreten und von § 181 BGB befreit.

Die Klägerin schloss mit dem Beigeladenen am 02.01.2006 einen Anstellungsvertrag in Bezug auf die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen. Gemäß § 1 des Anstellungsvertrages vertritt der Geschäftsführer die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer Geschäftsführungsordnung. Gemäß § 1 Abs. 4 des Anstellungsvertrages ist der Beigeladene von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. In § 3 des Anstellungsvertrages ist ein Wettbewerbsverbot während der Geschäftsführertätigkeit geregelt. In § 4 des Anstellungsvertrages ist die Vergütung des Beigeladenen geregelt. Danach erhält der Beigeladene ein festes Monatsgehalt in Höhe von 5.190 EUR brutto, das jeweils am Monatsletzten zu zahlen ist. Nach § 4 Abs. 2 erhält der Beigeladene eine Tantieme in Höhe von 25 % des Jahresgewinns der Gesellschaft, begrenzt auf 1/3 des festen Jahresgehalts des Geschäftsführers. Nach § 4 Abs. 4 des Anstellungsvertrages hat der Beigeladene Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen. Nach § 5 Abs. 2 des Anstellungsvertrages hat die Gesellschaft eine Direktversicherung abgeschlossen, welche den Geschäftsführer versichert. Gemäß § 8 Abs. 1 des Anstellungsvertrages ist die Kündigung des Vertrages unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Halbjahresende möglich. Zusätzlich besteht nach § 8 Abs. 2 des Anstellungsvertrages das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund.

Am 23.09.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die versicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin ab der Änderung des Gesellschaftsvertrages zum 03.02.2010 unter Vorlage des "Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status", des "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung" und des "Fragebogen für Auftragnehmer zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Im "Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung" gab der Beigeladene an, sein Jahresarbeitsentgelt würde die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigen und hätte in den letzten drei Jahren die Jahresarbeitsentgeltgrenze durchgängig überschritten.

Mit Bescheid vom 01.03.2012 stellte die Beklagte nach erfolgter Anhörung fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Die Beklagte stellte fest, dass der Beigeladene ab dem 03.02.2010 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale überwiegen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen würden. Der Beigeladene sei mit 40 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt. Beschlüsse des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes würden mit einfacher Mehrheit gefasst. Der Beigeladene sei nicht der alleinige Geschäftsführer. Die Abberufung als Geschäftsführer sei jederzeit zulässig. Vetorechte bzw. Sperrminoritäten seien dem Beigeladenen nicht eingeräumt worden. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage der Beigeladene kein eine selbständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko, das nur dann gegeben sei, wenn der Einsatz von Kapital oder der eigenen Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes verbunden sei. Zwar sei dem Beigeladenen hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit weitgehende Gestaltungsfreiheit gelassen. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine der Gesellschafterversammlung vorgegebene Ordnung des Betriebes eingliedere. Die Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess.

Hiergegen erhob die Klägerin am 30.03.2012 Widerspruch. Zur Begründung führte die Klägerin aus, der Beigeladene könne über seine Arbeitskraft frei verfügen und seine Tätigkeit und Arbeitszeit völlig frei gestalten und unterliege keinen Weisungen. Er trage aufgrund seines ergebnisorientierten Arbeitsvertrages auch ein unternehmerisches Risiko, sei alleinvertretungsberechtigt und handle auch sonst wie ein Unternehmer. Der Beigeladene nehme seit Jahren seinen Urlaubsanspruch nicht war und erhalte keine Überstunden abgegolten. Der zweite vorhandene Geschäftsführer lebe in Italien und habe mangels deutscher Sprachkenntnisse und wegen fehlender Einblicke in das Unternehmen überhaupt nicht die Möglichkeit die Geschäfte zu führen. Der Beigeladene verfüge auch über die für die Existenz der Firma maßgeblichen Geschäftskontakte. Des Weiteren sei für wesentliche Entscheidungen wie Betriebsaufgabe, Sitzverlegung, Änderung des Geschäftsmodells etc. eine 75 %-Mehrheit erforderlich, sodass der Beigeladene diese Beschlüsse verhindern könne. Der Beigeladene nehme auch eigenverantwortlich die Stimmrechte des Mitgesellschafters E. wahr, sodass er tatsächlich über 50 % der Stimmrechte verfüge. Er legte ein Schreiben des Dr. E. vor, in dem dieser wörtlich erklärte: "Ich erkläre hiermit, dass ich seit dem 01.01.2010 mein Stimmrecht als Gesellschafter bei der A. GmbH an Herrn C. C. abgetreten habe und seit diesem Zeitpunkt meine Stimmrechte nicht mehr selber wahrnahm, sondern diese durch meinen Mitgesellschafter, Herrn C. C., völlig eigenverantwortlich wahrgenommen wurden".

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 15.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, aufgrund seines Kapitaleinsatzes von 40 % und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es dem Beigeladenen nicht möglich, die Geschicke der Firma maßgeblich zu beeinflussen. Eine Sperrminorität zugunsten des Beigeladenen bestehe nicht. Es bestehe kein Einfluss auf die Willenserklärung der Gesellschaft hinsichtlich der Beendigung des Mitarbeiterverhältnisses. Die Stimmrechtsbindungserklärung des Dr. E. reiche nicht aus. Durch die eventuell abweichend gelebte Praxis in Bezug auf die Mitbestimmungsrechte seien die formellen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag nicht überlagert oder gar aufgehoben. Offensichtlich sei auf Seiten der Gesellschafter die dazu erforderliche Satzungsänderung nicht gewollt. Nicht entscheidend sei, ob der Auftraggeber die Rechtsmacht gebrauche um Einfluss auf die Tätigkeit zu nehmen und vom Weisungsrecht Gebrauch zu machen. Es genüge bereits deren Existenz zum Entstehen einer abhängigen Beschäftigung, denn zur Beurteilung sei nur in dem Umfang auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, die sich im Rahmen des rechtlich zugelassenen bewegen. Das BSG habe ausgeführt, dass Stimmrechtsvollmachten keine entscheidende Bedeutung beizumessen sei. Stimmrechtsvollmachten seien jederzeit widerrufbar. Gleiches gelte für die in der Widerspruchsbegründung angeführte Stimmrechtsabtretung. Das Merkmal der alleinigen Fachkompetenz im Geschäftsfeld der GmbH reiche für sich allein nicht aus. In der Regel würde eine GmbH einen Branchenkenner zum Geschäftsführer bestellen.

Am 17.02.2013 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt die Klägerin vor, der Beigeladene treffe die Personalentscheidungen selbständig.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht ist die Beklagte von der Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ausgegangen.

Rechtsgrundlage des Bescheides vom 01.03.2012 ist § 7a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Hiernach wird im Rahmen des Antragsverfahrens nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt. Die Versicherungs- und Beitragspflicht richtet sich in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach den besonderen Bestimmungen (§§ 24 ff. SGB III für die Arbeitslosenversicherung, §§ 5 ff. SGB V für die Krankenversicherung, §§ 1 ff. SGB VI für die Rentenversicherung und §§ 20 ff. SGB XI für die soziale Pflegeversicherung). Vorliegend kommt als Anknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht als einzig denkbare Variante eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt in Betracht, die nach § 7 SGB IV zu beurteilen ist.

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Diese Anhaltspunkte sind indes nicht abschließend. Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Beschäftigung ist auf eine Reihe von im Gesetz nicht ausdrücklich genannten, von der Rechtsprechung herausgearbeiteten typusbildenden Merkmalen zurückzugreifen und eine Gesamtbetrachtung und Gewichtung aller Umstände vorzunehmen (statt vieler: BSG, Urteil vom 23.06.1994, Az.: 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974 ff.; Schreiber/Moritz-Ritter, Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, 2010, I. 2.; zusammenfassend: Seewald, in Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV Rn. 46-49 m.w.N.). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04 R).

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dabei schließt ein maßgeblicher rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft auf Grund der Gesellschafterstellung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG, Urteil vom 23.06.1994, Az.: B 12 RK 72/92; BSG, Urteil vom 25.01.2006, Az.: B 12 KR 30/04 R). Eine derartige Rechtsmacht haben GmbH-Gesellschafter regelmäßig dann, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und zumindest 50 % des Stammkapitals innehaben (BSG, Urteil vom 20.03.1984, Az.: 7 RAr 70/82). Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung geringer ist, kann sich aus den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Rechtsmacht ergeben, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit seinem Anteil alle ihm nicht genehmen Entscheidungen verhindern kann (sogenannte Sperrminorität, vgl. BSG, Urteil vom 18.04.1991, Az.: 7 RAr 32/90). Ein Geschäftsführer einer GmbH, der am Stammkapital nicht beteiligt ist, ist grundsätzlich abhängig Beschäftigter der GmbH und versicherungspflichtig. Unerheblich ist, dass die Gesellschafter in der Regel keinen direkten Einfluss auf die Arbeit des Geschäftsführers nehmen und sie keine konkreten Anweisungen bzgl. Art, Ort und Umfang seiner Tätigkeit erteilen, sie sich insbesondere nicht ins "Tagesgeschäft" einmischen. Ausreichend ist, dass sich der Geschäftsführer im Sinne funktionsgerecht dienender Teilhabe in den von den Gesellschaftern geprägten Betrieb einordnet, er die Beschlüsse der Gesellschafter ausführt und er nur im Rahmen dieser Beschlüsse handeln darf. Abhängige Beschäftigung setzt regelmäßig eine Eingliederung in eine "von anderer Seite" vorgegebene Ordnung voraus. Findet der Geschäftsführer eine solche Ordnung nicht vor, sondern gehört es zu seinem Aufgabenkreis, eine Betriebsordnung, ein Managementkonzept erst auf- oder auszubauen, steht dies seiner abhängigen Beschäftigung ebenfalls nicht entgegen; vielmehr ist dies Teil seiner von den Gesellschaftern vorgegebenen Aufgaben (vgl. Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, § 7 Rn. 122 m.w.N.).

Der Beigeladene verfügt lediglich über einen Anteil am Stammkapital der Klägerin von 40 %. Eine umfassende Sperrminorität zugunsten des Beigeladenen ist im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen. Lediglich für bestimmte Geschäfte, insbesondere die Betriebsaufgabe, Sitzverlegung und Änderung des Geschäftsmodells ist im Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Mehrheit von 75 % vorgesehen. Eine nur partielle Sperrminorität steht abhängiger Beschäftigung jedoch nicht entgegen (vgl. BSG, Urteil vom 24.09.1992, Az. 7 RAr 12/92; Segebrecht in jurisPK-SGB IV, § 7 Rn. 128). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Abtretung der Stimmrechte des Dr. E. an den Beigeladenen seit dem 01.01.2010 (so auch BSG, Urteil vom 18.12.2001, Az. B 12 KR 10/01 R in Bezug auf Stimmrechtsvollmachten). Das Stimmrecht kann nicht losgelöst vom Geschäftsanteil übertragen werden (Abspaltungsverbot). Möglich ist lediglich die Erteilung einer grundsätzlich freiwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht an einen Mitgesellschafter oder Dritten (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Auflage 2012, § 47 Rn. 19).

Bereits diese fehlende Rechtsmacht steht der Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen entgegen. Nach dem Gesellschaftsvertrag in Kombination mit dem Geschäftsführeranstellungsvertrag steht der Gesellschafterversammlung die Rechtsmacht zu, den Beigeladenen als Geschäftsführer zu entlassen, in bestimmten Fällen Weisungen zu erteilen und die Unternehmenspolitik fortan selbst zu bestimmen. In "ruhigen Zeiten" mag zwar faktisch von der Rechtsmacht der Gesellschafterversammlung, insbesondere des italienischen Mehrheitsgesellschafters kein Gebrauch gemacht werden. Die Rechtsmacht entfällt jedoch nicht dadurch, dass rechtliche Vereinbarungen zunächst "nur auf dem Papier stehen" und sie ihre Bedeutung oft erst im Konfliktfall erlangen. Vor diesem Hintergrund ist eine von Anfang an latent vorhandene Rechtsmacht auch dann als ein für abhängige Beschäftigung sprechendes Kriterium zu berücksichtigen, wenn von ihr konkret (noch) kein Gebrauch gemacht wird (Segebrecht, in jurisPK-SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 124). Dies muss vor allem im Hinblick darauf gelten, dass der Gesellschaftsvertrag einer GmbH nicht durch eine ihm entgegenstehende tatsächliche Praxis und auch nicht durch die Abtretung von Stimmrechten geändert werden kann. Vielmehr bedarf die Änderung des Gesellschaftsvertrages einer GmbH einer notariellen Beurkundung [§ 53 Abs. 2 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)] und der Eintragung der Änderung in das Handelsregister (vgl. § 54 Abs. 3 GmbHG).

Zudem gibt es im vorliegenden Fall weitere Indizien, die für eine abhängige Tätigkeit des Beigeladen sprechen. Die Regelungen, die die Beteiligten im Anstellungsvertrag vom 02.01.2006 vereinbart haben, sprechen für eine abhängige Tätigkeit des Beigeladenen (vgl. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch, Kündigungsmöglichkeit, Direktversicherung, Erfordernis der Zustimmung zu entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeiten sowie die Entrichtung von Lohnsteuer von der Vergütung des Beigeladenen sowie die Verbuchung der Vergütung als Betriebsausgabe). Auch trägt der Beigeladene kein erhebliches Unternehmerrisiko. Insbesondere erhält der Beigeladene eine feste erfolgsunabhängige Vergütung. Die zusätzlich an den Beigeladenen gewährte erfolgsabhängige Tantieme begründet nach Auffassung der Kammer kein unternehmerisches Risiko, da die Tantieme lediglich eine zusätzliche Gewinnchance zu der erfolgsunabhängigen Vergütung bietet. Im Übrigen besteht lediglich das Risiko, im Insolvenzfall keine Vergütung zu erhalten, was aber nicht über das Risiko eines jeden Arbeitnehmers hinausgeht. Daran ändert auch der teilweise Verzicht des Beigeladenen auf seine Vergütung nichts. Auch die Gewährung eines Darlehens und die Stundung der Rückzahlungsverpflichtung ändert nichts an der Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen als abhängige Beschäftigung. Zwar bringt die Gewährung von Darlehen und die Übernahme von Bürgschaften durch den Beigeladenen eine Haftung auch mit seinem Privatvermögen mit sich. Je nach Höhe der gewährten Darlehen bzw. übernommenen Bürgschaften und in Abhängigkeit von den von der GmbH gestellten Sicherheiten kann dies im Einzelfall ein unternehmerisches Risiko begründen. Jedoch ist hier dennoch davon auszugehen, dass die fehlende Rechtsmacht des Beigeladenen das erst durch die Gewährung des Darlehens begründete Unternehmerrisiko bei der Abwägung überwiegt.

Die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen in der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Dementsprechend ist der Beigeladene auch nicht versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 20 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, soziale Pflegeversicherung (SGB XI)).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
Saved