S 14 RJ 577/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 14 RJ 577/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die von der Rechtsprechung des BSG postulierten sog. Katalogfälle (vgl. zB Großer Senat, Beschluß vom 19. Dezember 1995 - GS 2/95 - BSGE 80, 24ff) sind zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmales der „üblichen Bedingungen“ (des allgemeinen Arbeitsmarktes) in § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung weiterhin anwendbar.
2. Der allgemeine Arbeitsmarkt ist für Versicherte verschlossen, für die kein Beschäftigungsverhältnis besteht, die nur noch sechs Stunden werktäglich erwerbstätig sein können und bei einer entsprechenden Tätigkeit Ruhepausen benötigen. Denn bei einer Arbeitszeit von nicht mehr als sechs Stunden besteht kraft Gesetzes kein Recht auf Ruhepausen (vgl. § 4 Satz 1 Arbeitszeitgesetz) und ein (faktisches) Einstellungshindernis für Arbeitnehmer, die besondere, über den gesetzlichen Mindestvorgaben hinausgehende, Pausen benötigen.
Tenor: I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Vor-schriften zu leisten. Im übrigen wird die Klage abgewie-sen. II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außerge-richtliche Kosten zur Hälfte zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Rechte des Klägers auf Renten we-gen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1. Mai 1956 geborene Kläger erwarb nach einer Ausbildung von September 1972 bis Juli 1975 die Qualifikation als Fahr-zeugschlosser mit Abitur und war anschließend bis Mai 1978 in diesem Beruf tätig. Danach arbeitete er von Juni 1978 bis De-zember 1984 als Kundendienstmonteur und von Januar 1985 bis März 1999 als Taxifahrer. Im Juni 1988 erwarb der Kläger nach berufsbegleitender Ausbildung das Facharbeiterzeugnis als Be-rufskraftfahrer. Nach anschließenden Zeiten der Arbeitslosig-keit war der Kläger von Oktober 1999 bis Oktober 2000 selbstän-dig tätig im Kurierdienst und Vertrieb. Seit November 2000 ist der Kläger wiederum arbeitslos und bezieht derzeit Leistungen der Bundesanstalt (-agentur) für Arbeit (BA).

Vom 16. Februar bis 30. März 1994, 7. November bis 12. Dezember 1995, 1. April bis 6. Mai 1998, 2. bis 23. September 1998, 10. Dezember 1997 bis 2. Dezember 1998 (ambulant) sowie 23. Januar bis 13. Februar 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leis-tungen zur medizinischen Rehabilitation. Ein Grad der Behinderung von 40 ist anerkannt. Als Behinderun-gen wurden festgestellt: Gelenkersatz der Hüfte beidseits.

Am 4. Februar 1999 machte der Kläger bei der Beklagten erstmals die Leistung einer der Renten wegen verminderter Erwerbsfähig-keit geltend. Seine Erwerbsfähigkeit sei seit März 1998 wegen zwei Hüftoperationen vermindert. Denn mit den künstlichen Hüft-gelenken könne er nur noch stundenweise Arbeiten mit wechseln-den Bewegungen verrichten oder Taxi fahren. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, Bescheid vom 7. Juli 1999.

Am 23. August 2001 machte der Kläger mit nahezu identischer Be-gründung erneut die Leistung entsprechender Renten geltend. Er könne nur noch leichte Tätigkeiten bis zu drei Stunden werktäg-lich verrichten. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2001 lehnte die Beklagte den Antrag mangels Mitwirkung des Klägers ab. Die vom Kläger ausgefertigten Antragsformulare gingen bei der Beklagten am 18. Oktober 2001 ein.

Die Beklagte zog daraufhin die medizinischen Unterlagen aus den vorangegangenen Rehabilitations- und Rentenverfahren - u.a. Re-ha-Entlassungsberichte vom 18. April 1994, 2. Februar 1996, 16. Juni 1998, 20. Oktober 1998 und 17. April 1999, Gutachten ihres Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) 7. Juni 1999 - und ein Ärzt-liches Gutachten des Arbeitsamtes vom 4. Juli 2001 bei, forder-te aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers an und ließ ihn erneut vom SMD begutachten. Im Gutachten vom 21. Februar 2002 werden folgende Diagnose benannt: Kunstgelenk-ersatz beide Hüften nach Femurkopfnekrose, gutes funktionelles Ergebnis; belastungabhängige Rücken- und Knieschmerzen beid-seits bei beginnenden Verschleißerscheinungen sowie Knick-Senk-Spreiz-Füße. Aus orthopädischer Sicht sei die körperliche Be-lastung des Klägers auf die Ausübung vorwiegend leichter Tätig-keiten im Wechsel der Körperhaltungen zu beschränken. In einem weiteren Gutachten des SMD vom 19. März 2002 wird folgende Di-agnose benannt: Alkoholabhängigkeitssyndrom, gegenwärtig absti-nent, ohne schwerwiegende alkoholtoxische Folgeerkrankungen. Aus nervenärztlicher Sicht könne der Kläger leichte bis mittel-schwere Arbeiten vollschichtig ausüben. Abschließend zog die Beklagte den Reha-Entlassungsbericht vom 15. Februar 2002 und ein weiteres Ärztliches Gutachten nach Aktenlage des Arbeitsam-tes vom 8. Juli 2002 bei.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2002 lehnte die Beklagte den Rentenan-trag ab. Der Kläger könne zwar nicht mehr den angelernten Beruf als Kraftfahrer, jedoch die zumutbare Verweisungstätigkeit als Pförtner mindestens sechs Stunden werktäglich verrichten. Dage-gen erhob der Kläger am 6. Juni 2002 Widerspruch. Mit Bescheid vom 10. September 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger sei wegen des zuletzt ausgeübten Be-schäftigungsverhältnisses als Taxifahrer allenfalls der Berufs-gruppe der angelernten Arbeiter (oberer Bereich) zuzuordnen. Vom erlernten Beruf des Schlossers habe er sich bereits 1984 rentenrechtlich gelöst. Damit sei er mit dem vorhandenen Leis-tungsvermögen auf die Tätigkeit als Bürohilfskraft (zB in der Registratur öffentlicher Verwaltungen oder größerer Firmen) verweisbar.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 14. Oktober 2002.

Im Rahmen der medizinischen Ermittlungen hat das Gericht Be-fundberichte der behandelnden Ärzte angefordert. Sodann beauf-tragte das Gericht Prof. Dr. R ..., Facharzt für Neurologie, Spezielle Schmerztherapie und Sportmedizin sowie Dipl.-Med. Wendland, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Im Gutachten vom 5. Mai 2003 wird auf psychiatrischem Fachgebiet die Diagnose Alkoholabhängigkeit vom Delta-Typ nach Jellinek benannt. Hin-weise auf eine neurologische Erkrankung seien nicht feststell-bar. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne der Kläger leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ohne Heben und Tragen von La-sten vollschichtig ausführen. Ein orthopädisches Gutachten sei zur weiteren Objektivierung der klägerischen Leistungsfähigkeit erforderlich. Das Gericht beauftragte daraufhin den Facharzt für Orthopädie K ... mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Im Gutachten vom 24. Juni 2003 werden folgende Diagnosen benannt: Z.n. Implantation einer zementfreien Hüft-TEP bds. 1998 bei Fe-murkopfnekrose mit sekundärer Koxarthrose und klinischer Belas-tungsunfähigkeit der rechten Hüfte; beginnende Gonarthrose mit Chondropathia patellae; Osteochondrosis intervertebralis der unteren Lendenwirbelsäule ohne klinisches Korrelat sowie chro-nischer Alkoholabusus mit chronischer Alkoholkrankheit. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten mit wechselnden Anforderungen an die Körperhaltung vollschichtig erbringen. Derzeit seien ihm alle 1,5 bis 2 Stunden Pausen für mindestens 15 Minuten zu ge-währen. Wegen der weiteren Einzelheiten beider Gutachten wird auf deren Inhalte sowie die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen K ... vom 30. Juli 2003 verwiesen (Blatt 97ff, 119ff und 153f der Gerichtsakte).

Als berufskundliche Unterlagen zog das Gericht die Berufsinfor-mationskarte (BIK) zur Berufsordnung (BO) 784 für die Tätigkeit als Bürohilfskraft, herausgegeben von der BA, bei. Auf deren Inhalt wird verwiesen (Blatt 188 der Gerichtsakte).

Der Kläger ist der Auffassung, er sei erwerbsgemindert. Denn er könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeits-marktes nicht regelmäßig und vollwertig erwerbstätig sein. Ins-besondere benötige er betriebsunübliche Pausen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 dem Grunde nach zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung der Rentenantragstellung eine der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Bei Einhaltung aller zu beachtenden qualitativen Leistungsein-schränkungen seien nicht genügend Hinweise erkennbar, die den Bedarf an zusätzlichen Pausen drängend nahe legen. Dessen unge-achtet seien zusätzliche Erholungsmomente im Rahmen der persön-lichen Verteilzeit denkbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Bescheid vom 15. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Klä-ger in eigenen Rechten. Denn der Kläger hat ein Recht auf be-fristete Leistung der Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (nF).

Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme ist für die Kammer eine rentenrechtsbegründende Minderung der Erwerbsfähig-keit seit dem 23. Juni 2003 (Termin der ambulanten Untersuchung bei dem Sachverständigen K ...) nachgewiesen. Die Anwendung des Rechtes der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung ergibt sich aus Art. 24 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I, S. 1827, 1845). Ausnahmen hiervon sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist § 300 Abs. 2 SGB VI nicht anwendbar. Denn Anspruch in die-sem Sinne meint den fälligen Anspruch auf Zahlung der Rente, vgl. zB Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. Februar 1999 - 5 RJ 28/98 R - SozR 3-2600 § 300 Nr. 14. Ein derartiger An-spruch kann weder bei einer rentenrechtsbegründenden Leistungs-minderung im Juni 2003 noch bei einer Geltendmachung entspre-chender Rechte im August 2001 bis zum 31. Dezember 2000 bestan-den haben. Ebenso wenig ist § 302b Abs. 1 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung anzuwenden. Denn insoweit wird nur ein Bestandsschutz für die am 31. Dezember 2000 zustehenden Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gewährt. Der Klä-ger hatte zu diesem Zeitpunkt kein Recht auf eine dieser Ren-ten.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI nF sind teilweise erwerbsgemin-dert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Be-dingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stun-den täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung be-steht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nF bei einem Leistungs-vermögen von unter drei Stunden. Aus den Gesetzesmaterialien sowie dem Regelungsgehalt des Rechtes der Renten wegen vermin-derter Erwerbsfähigkeit folgt, daß Versicherte auch dann voll erwerbsgemindert sind, wenn sie wegen Krankheit oder Behinde-rung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den übli-chen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein und ihr Restleis-tungsvermögen aus arbeitsmarktbedingten Gründen nicht auf einem Teilzeitarbeitsplatz verwerten können, sog. konkrete Betrach-tungsweise. Denn trotz des Gesetzes vom 20. Dezember 2000 hat sich der Gesetzgeber nicht von der Berücksichtigung der konkre-ten Arbeitsmarktlage verabschiedet, allg. Auffassung, vgl. nur BTDrucks. 14/4230, Seite 23, 25f; KassKomm-Niesel, Band 1, Stand der 38. EL, August 2002, § 43 Rn 4, 30ff; Verband Deut-scher Rentenversicherungsträger (VDR) in DRV 2-3/2002, S. 96, 136ff.

Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme kann der Kläger zwar noch qualitativ zumutbare Tätigkeiten mindestens sechs Stunden werktäglich ausüben. Dies ergibt sich für die Kammer aus einer Gesamtbewertung der widerspruchsfreien, sich ergänzenden und bestätigenden sowie nachvollziehbaren medizini-schen Bewertungen und Gutachten aus dem streitgegenständlichen Zeitraum unter Berücksichtigung der vorhergehenden, aktenkundi-gen und verwertbaren medizinischen Stellungnahmen. Danach kann der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten unter Vermei-dung von kontinuierlichen Tragen von Lasten über 5 kg, stunden-langer Haltungen (zB durch PC-Arbeiten), häufigen Bücken sowie Arbeiten auf Leitern, Gerüsten und an laufenden Maschinen min-destens sechs Stunden werktäglich verrichten. Nach Überzeugung der Kammer kann der Kläger diese Tätigkeiten jedoch nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aus-üben. Insoweit geht die Kammer für den Kläger von einer Ver-schlossenheit des Arbeitsmarktes wegen des Erfordernisses der Einhaltung von betriebsunüblichen Pausen aus.

Das Erfordernis der üblichen Bedingungen (des allgemeinen Ar-beitsmarktes) normierte der Gesetzgeber bei der Reform der Ren-ten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (insoweit erstmals, vgl. aber zum Beispiel § 119 SGB Drittes Buch bzw. § 103 Ar-beitsförderungsgesetz) explizit als Tatbestandsmerkmal. Zur Be-gründung wurde ausgeführt, vgl. BTDrucks 14/4230, Seite 25: Maßstab für die Feststellung des Leistungsvermögens ist die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, d.h. in jeder nur denkbaren Tätigkeit, die es auf dem Arbeitsmarkt gibt. Allerdings kommen dabei nur Tätigkeiten in Betracht, die auf dem allgemeinen Arbeits-markt üblich sind. Damit wird sichergestellt, dass für die Festsstellung des Leistungsvermögens solche Tätigkeiten, für die es für den zu beurteilenden Versicherten einen Ar-beitsmarkt schlechthin nicht gibt (BSGE 80, 24, 34) nicht in Betracht zu ziehen sind.

In den vom Gesetzgeber in Bezug genommenen Passagen der Ent-scheidung des BSG, Großer Senat (GrS), Beschluss vom 19. Dezem-ber 1995 - GS 2/95 - BSGE 80, 24ff heißt es u.a.: Nach den Beschlüssen des GrS beurteilt sich die Fähigkeit eines Versicherten nicht allein nach der Fähigkeit, Arbei-ten zu verrichten, sondern auch danach, durch Arbeit Er-werb zu erzielen. Erwerbsunfähig (EU) ist ein Versicher-ter, der noch vollschichtig arbeiten kann, zwar nicht schon dann, wenn er arbeitslos ist, weil er bei der Ar-beitsplatzsuche der gesunden Konkurrenz den Vortritt las-sen muß. EU liegt erst vor, wenn der Leistungsgeminderte einen seinem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz nicht finden kann, weil es solche Arbeits-plätze nicht gibt. In seinem Beschluss vom ... hat der GrS entschieden, daß dem nur zur Teilzeitarbeit fähigen Versi-cherten - unabhängig von der Zahl vorhandener Arbeitsplät-ze oder dem Verhältnis dieser Zahl zu den Personen, die solche Arbeitsplätze suchen - der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei, wenn man ihm nicht innerhalb eines Jah-res einen solchen Arbeitsplatz anbieten könne. Entspre-chende Konsequenzen für leistungsgeminderte, aber noch vollschichtig einsetzbare Versicherten zu ziehen, hatte das BSG ständig abgelehnt. Die Rechtsprechung geht gene-rell davon aus, daß es für Vollzeittätigkeiten Arbeits-plätze in ausreichendem Umfang gibt und der Arbeitsmarkt für den Versicherten offen ist, so daß eine diesbezügliche Prüfung im Einzelfall regelmäßig nicht vorgenommen zu wer-den braucht. Als Ausnahmen sind bislang nur solche Fall-gestaltungen herausgestellt worden, in denen 1. der Versicherter zwar an sich noch eine Vollzeittätig-keit ausüben kann, aber nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen (Katalogfall Nr. 1), 2. der Versicherter zwar an sich noch eine Vollzeittätig-keit ausüben kann, entsprechende Arbeitsplätze aber aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann (Katalogfall Nr. 2), 3. die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze des-halb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicher-ter nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann (Katalogfall Nr. 3), 4. für den Versicherten nur Tätigkeiten in Betracht kom-men, die auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, a) die an Berufsfremde nicht vergeben zu werden pflegen (Katalogfall Nr. 5), b) die als Schonarbeitsplätze oder als Aufstiegspositionen (Katalogfall Nr. 6) nicht an Betriebsfremde vergeben wer-den, und 5. entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen (Katalogfall Nr. 7). Es besteht keine Veranlassung, diesen Katalog zu erwei-tern.

Unter Berücksichtigung dessen ist aufgrund der Formulierung in § 43 Abs. 3 SGB VI (übliche Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes), der bisherigen (nicht stets einheitlichen) Ter-minologie der Rechtsprechung (unter den in den Betrieben übli-chen Bedingungen) sowie des Bezuges durch den Gesetzgeber auf die vom GrS des BSG zusammengefaßte und bestätigte Rechtspre-chung dem Grunde nach allgemeine Auffassung, daß, soweit § 43 Abs. 3 SGB VI für die Frage einer Erwerbsminderung auf die üb-lichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes abstellt, die hierzu von der Rechtsprechung des BSG herausgearbeiteten Grund-sätze weiterhin Gültigkeit haben, so zB BSG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - B 13 RJ 215/02 B - JURIS, mwN aus dem Schrift-tum.

Nach der Rechtsprechung des BSG zum Katalogfall Nr. 1 kann u.a. eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bestehen, wenn Arbeit-nehmer für eine Vollzeittätigkeit zusätzliche, in den gesetzli-chen Vorschriften nicht vorgesehene, Pausen benötigen, wenn auch in der Praxis Arbeitnehmer zu solchen Bedingungen nicht eingestellt werden, vgl. grundlegend zB BSG, Urteil vom 30. Mai 1984 - 5a RKn 18/83 - SozR 2200 § 1247 Nr. 43 und aus jüngerer Zeit zB BSG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97 - MittL-VA Oberfr 1998, 255, jeweils mwN.

Die gesetzlichen Vorschriften zu den vorgesehenen Ruhepausen ergeben sich aus dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vom 6. Juni 1994, zuletzt geändert durch Art. 4b des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, 3002). Nach § 4 ArbZG ist die Arbeit durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen (Satz 1). Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden (Satz 2). Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ru-hepause beschäftigt werden (Satz 3).

Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme bedarf der Kläger bei der Ausübung oben genannter Tätigkeiten zusätzliche, im ArbZG nicht vorgesehene, Ruhepausen. Denn nach den Ausfüh-rungen des Sachverständigen K ... im Gutachten vom 24. Juni 2003 und in der ergänzenden Stellungnahme hierzu vom 30. Juli 2003 benötigt der Kläger bei Ausübung der ihm qualitativ zumutbaren Tätigkeiten spätestens nach je zwei Stunden Arbeit Ruhepausen von jeweils mindestens 15 Minuten. Die Kammer ist sich zwar der Schwierigkeit der Objektivierung der qualitativen und quantita-tiven (Rest-) Leistungsfähigkeit im allgemeinen und der Beur-teilung eines Pausenbedürfnisses im besonderen bewußt. Sie hält dennoch die Ausführungen des Sachverständigen für schlüssig und überzeugend. Denn der Kläger befindet sich nach Überzeugung der Kammer in einem Zustand, aus dem er sich (entsprechende Motiva-tion hierzu unterstellend) aus eigener Kraft nur schwer lösen können wird. Zum einen bestehen beim Kläger unzweifelhaft soma-tische Erkrankungen multipler Art und unterschiedlicher Ausprä-gung. Ein Schwerpunkt insoweit stellen die orthopädischen Er-krankungen dar. Diese sind bereits sei Januar 1994 aktenkundig, vgl. Befundbericht vom 28. Januar 1994. Danach litt der Kläger (damals) seit ca. einem Jahr an Beschwerden im Bereich der Hüftgelenke. Die Diagnose lautete Femurkopfnekrose beidseits rechts mehr als links. Auch nach erfolgten Implantationen von Hüft-Totalendoprothesen rechts am 11. März 1998 und links am 18. August 1998 sowie jeweils anschließenden Leistungen zur me-dizinischen Rehabilitation ist der Kläger insoweit bis jetzt nicht beschwerdefrei. Dies stellten die Sachverständigen im ge-richtlichen Verfahren übereinstimmend fest, vgl. zB jeweils die Antworten zu Frage 1 in den Gutachten vom 5. Mai und 24. Juni 2003. Zum anderen ist beim Kläger ebenso von Beginn an eine be-stehende Alkoholabhängigkeit aktenkundig. Die bisherigen stati-onären (sog. Entgiftungs-) Behandlungen begleiten seit dem kon-tinuierlich die bisherigen Verwaltungs- und das Gerichtsverfah-ren. Eigenen Angaben zufolge befand der Kläger sich zuletzt im Sommer 2003 aus diesem Grund in stationärer Behandlung. Dies wird bestätigt durch die Epikrisen vom 16. Juli und 11. August 2003. Seit dem habe er die Abhängigkeit unter Kontrolle. Die bisherigen Umstände sprechen eher dagegen, vgl. hierzu zB die auszugsweise wiedergegebenen Angaben im Befundbericht vom 11. September 1995 (Patient eigenen Angaben zufolge jetzt trocken), vom 11. September 1997 (wiederholter Alkoholabusus, labile Psy-che), im Bericht der Suchthilfe vom 6. Oktober 1998 (Rückfall, stationäre Entgiftung), vom 17. April 1999 (Patienten gelang es nicht, eine stabile Abstinenz zu erreichen; sehr unwahrschein-lich, daß der Patient ohne fachspezifische Hilfe erneut zur Abstinenz findet), im Befundbericht vom 6. Januar 2001 (mehrfa-che Alkoholentgiftungen und eine stationäre Entzugsrehabilita-tionsmaßnahme brachten keinen Erfolg), in der Epikrise vom 2. Mai 2001 (Entzugssymptomatik wurde medikamentös kupiert; Lang-zeiterfolg allerdings fraglich), vom 27. September 2001 (erneu-te Entgiftungstherapie; angebotene Motivationstherapie abge-lehnt), im Reha-Entlassungs-bericht vom 15. Februar 2002 (es besteht eindeutig eine Kontrollverlustsymptomatik), im Gutach-ten des SMD vom 19. März 2002 (akute Blutung des Magen-Darm-Traktes im Dezember des Vorjahres; auffällige vegetative und als Entzugserscheinungen zu wertende Symptome; Langzeitprognose hinsichtlich Alkoholabstinenz fraglich), in der Epikrise vom 16. August 2002 (Alkoholabhängigkeit in der chronischen Phase mit somatischen Folgeschäden; begrenzte Krankheitseinsicht), vom 16. November 2002 (Patient in somnolentem Zustand in seiner Wohnung vorgefunden; Alkoholabusus mit Alkoholentzugsdelir; Al-koholentzugsbehandlung lehnt der Patient strikt ab), im Befund-bericht vom 20. Dezember 2002 (Befunde verschlechtern sich ständig wegen Nichteinhaltung der Alkoholkarenz), im Gutachten vom 5. Mai 2003 (hinsichtlich Alkoholproblematik fiel ein baga-tellisierendes Verhalten bei fehlender Krankheitseinsicht auf; ernsthafte Behandlungsbereitschaft mit Durchführung einer län-gerfristigen stationären Entwöhnungsbehandlung liegt nicht vor) sowie in der Epikrise vom 11. August 2003 (Einweisung zur ge-planten Entgiftung bei chronischem Alkoholabusus). Unter Be-rücksichtigung dessen besteht nach Überzeugung der Kammer fol-gendes Dilemma:

Einerseits leidet der Kläger nachvollziehbar an Beschwerden in-folge der durchaus gewichtigen orthopädischen Erkrankungen (insbesondere der deutlichen Einschränkung der Hüftgelenksbe-weglichkeit beidseits). Schmerzverstärkend wirkt sich zusätz-lich noch die derzeit fehlende adäquate Schmerzmedikation / -behandlung aus. Grund hierfür ist eigenen Angaben des Klägers zufolge die Angst vor weiteren lebensbedrohlichen Folgeerschei-nungen bei dauerhafter Schmerzmedikation. Dies ist angesichts der aktenkundigen (Not-) Operation vom 20. Dezember 2001, vgl. hierzu den Befundbericht zum AHB-Antrag vom 15. Januar 2002 so-wie den Reha-Entlassungsbericht vom 15. Februar 2002 (plötzlich rektaler Blutabgang, Bauchschmerzen, ursächlich am ehesten eine Kombination aus 50 bis 100 mg Doclofenac / Tag plus Alkoholabu-sus plus Nikotinkonsum), ansatzweise nachvollziehbar. Aus die-sen Gründen hält die Kammer die Beurteilung des Sachverständi-gen zum Erfordernis der oben genannten Pausen ohne weiteres für schlüssig und überzeugend. Dies gilt auch unter Berücksichti-gung der einen Bedarf an zusätzlichen Pausen ablehnenden Stel-lungnahme des SMD der Beklagten vom 6. Oktober 2003. Zum einen fehlt bereits dem dortigen Sprachgebrauch (es ergeben sich nicht genügend sichere Hinweise, die den Bedarf an Zusatzpausen drängend nahe legen) die notwendige Überzeugungskraft. Zum an-deren sind die darin angeführten Argumente nicht wirklich ge-eignet, den Ausführungen des Sachverständigen K ... zum Pausen-bedarf des Klägers entgegenzustehen. Denn der Sachverständige führte ausdrücklich aus, er könne hinsichtlich des Schmerzemp-findens nur die derzeitige Verfassung des Klägers beurteilen. Daraus ergebe sich die genannte Einschränkung der Leistungsfä-higkeit. Damit besteht kein Widerspruch zu den Vorgutachten. Hinsichtlich der im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten und medizinischen Stellungnahme ist dessen ungeachtet bereits nicht erkennbar, ob und wenn ja, inwieweit die Notwendigkeit der Beurteilung eines Pausenbedarfes überhaupt (zumindest ge-danklich) thematisiert wurde. Insbesondere aus den beiden Gut-achten des SMD vom 21. Februar und 19. März 2002 lassen sich insoweit Anhaltspunkte weder aus den Ausführungen unter 4. (E-pikrise) noch aus der Votierung unter 5. (sozialmedizinische Leistungsbeurteilung) entnehmen. Die Sachverständigen im Gut-achten vom 5. Mai 2003 wiederum verneinen zwar einen zusätzli-chen Pausenbedarf aus neurologisch-psychiatrischer Sicht, hal-ten jedoch gleichzeitig eine orthopädische Begutachtung des Klägers zur Klärung der sozialmedizinischen Folgen der vom Klä-ger beschriebenen Schmerzen für erforderlich. Diese erfolgte dann im Gutachten vom 24. Juni 2003. Das dort dargestellte Be-dürfnis des Klägers an oben genannten Pausen hält die Kammer, wie bereits erwähnt, für überzeugend und schlüssig.

Andererseits ist zu beachten, daß diese (zusätzliche) Leis-tungseinschränkung dem Grunde nach nicht von Dauer ist. Denn ebenso plausibel verweist der Sachverständige K ... weiterhin auf die bestehende Möglichkeit einer adäquaten Schmerzmedikati-on / -behandlung hin. Diese soll unter Beachtung der Alkoholab-hängigkeit des Klägers und der individuellen Gefährdungssitua-tion durch medikamentös bedingte Nebenwirkungen möglich sein und eine Besserung der Leistungsfähigkeit des Klägers bewirken können. Die Kammer hat daraus nicht die Schlußfolgerung gezo-gen, daß das temporäre Pausenbedürfnis innerhalb von sechs Mo-naten (vgl. zur Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher Kranken- und Rentenversicherung § 101 Abs. 1 SGB VI als eine Konkreti-sierung des Tatbestandsmerkmals der nicht absehbaren Zeit in § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI nF) behoben werden kann. Eine solche Betrachtung wurde zwar in Erwägung gezogen, würde jedoch nach Überzeugung der Kammer ein monokausales Krankheitsverständnis implizieren. Vielmehr können die somatischen Erkrankungen des Klägers, die einen wesentli-chen, wenn nicht sogar den prägenden Anteil am Schmerzgeschehen bedingen, nach dem von der Kammer bevorzugten komplexen (biolo-gisch-psychisch-sozialen) Krankheitsmodell nicht isoliert von der vom Sachverständigen K ... als Grunderkrankung klassifizier-ten Alkoholabhängigkeit gewürdigt werden. Mit anderen Worten sind nach Überzeugung der Kammer indizierte Therapien jeglicher Art beim Kläger nur dann geeignet, andauernde Wirkungen zu er-zielen, wenn diese interdisziplinär aus ganzheitlicher Sicht erfolgen und nicht nur einzelne (somatische) Erkrankungen oder (psychische) Störungen zum Gegenstand haben. Dazu gehört nach den bisherigen und übereinstimmenden medizinischen Stellungnah-men eine stationäre mehrmonatige abstinenzorientierte Behand-lung. Motivation hierzu besteht allerdings nicht. Dies wird zum einen aus den bisherigen medizinischen Stellungnahmen, vgl. aus letzter Zeit zB die Ausführungen im Gutachten vom 5. Mai 2003, deutlich. Zum anderen wurde dies auch durch die insoweit unmiß-verständlichen Äußerungen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt. Danach habe er sich jetzt selbst (vom Alkohol) entwöhnt. Die Klägerbevollmächtigte beeilte sich hin-zuzufügen, daß der Kläger dessen ungeachtet selbstverständlich (bisher vergeblich) versucht habe, durch physiotherapeutische und andere nichtmedikamentöse Therapien den geklagten ständigen Schmerzen entgegenzuwirken.

Die Kammer sah sich trotz dieser Ausgangssituation und vor al-lem auch unter Würdigung des von den Sachverständigen im Gut-achten vom 5. Mai 2003 befürchteten negativen Einflusses einer sog. Rentengewährung aus dargestellten Gründen weder aus recht-lichen noch tatsächlichen Gründen dazu in der Lage, das vom Sachverständigen K ... dargestellte Pausenbedürfnis des Klägers zu ignorieren.

Da der Arbeitstag in der Regel nicht mit einer Ruhepause be-ginnt, benötigt der Kläger somit für die genau sechsstündige Ausübung einer qualitativ zumutbaren Erwerbstätigkeit zwei Ru-hepausen von jeweils mindestens 15 Minuten (nach zwei und vier Stunden Arbeit). Bei einer Tätigkeit von (bis zu und genau) sechs Stunden werktäglich ist allerdings nach dem ArbZG keine Ruhepause (zwingend) einzuhalten. Denn nach § 4 Satz 1 ArbZG ist die Arbeit erst bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden durch im voraus feststehende Ruhepausen zu unterbre-chen, vgl. auch § 4 Satz 3 ArbZG. Bei einer Arbeit von mehr als sechs Stunden benötigt der Kläger allerdings mehr als die in § 4 Satz 1 iVm 2 ArbZG vorgesehenen Ruhepausen, nämlich drei Pau-sen von jeweils mindestens 15 Minuten (nach zwei, vier und sechs Stunden Arbeit). Damit benötigt der Kläger bei einer Tä-tigkeit von mehr als sechs Stunden werktäglich insgesamt min-destens 45 Minuten statt der in § 4 Satz 1 ArbZG mindestens vorgeschriebenen 30 Minuten Ruhepause. Anders ausgedrückt kann der Kläger zwar noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbs-tätig sein, vgl. zB § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI nF zur seit dem 1. Januar 2001 geltenden zeitlichen Grenze zur Bestimmung des Versicherungsgegenstandes. Dafür benötigt er jedoch bei ei-ner genau sechsstündigen Erwerbstätigkeit täglich mindestens zwei Ruhepausen von je 15 Minuten. Diese sind ihm nach dem ArbZG nicht (zwingend) zu gewähren. Bei einer mehr als sechs-stündigen Erwerbstätigkeit täglich benötigt er mindestens drei Ruhepausen von je 15 Minuten. Dieses Bedürfnis überschreitet wiederum die durch das ArbZG (zwingend) vorgesehene Mindest-grenze von 30 Minuten. Vom ArbZG zugunsten von Arbeitnehmern abweichende gesetzliche Regelungen, aus denen sich ein Recht auf (mehrere, hier mindestens zwei) Pausen bei einer Tätigkeit von (nur) sechs Stunden werktäglich oder ein Recht auf mehr als zwei Ruhepausen von jeweils mindestens 15 Minuten bei einer Er-werbstätigkeit von mehr als sechs Stunden werktäglich ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Inwieweit anderes im Rahmen be-stehender Arbeitsverhältnisse gilt, kann hier offen bleiben. Denn der Kläger ist derzeit nicht (abhängig) beschäftigt. Des weiteren besteht nach Überzeugung der Kammer auf dem allgemei-nen Arbeitsmarkt ein (faktisches) Einstellungshindernis für Ar-beitnehmer, die besondere, über den gesetzlichen Mindestvorga-ben hinausgehende, Pausen bei der Verrichtung einer regelmäßi-gen Erwerbstätigkeit benötigen. Denn selbst jüngeren, qualifi-zierten und gesundheitlich im wesentlichen nicht beeinträchtig-ten Arbeitnehmern gelingt es nur unter Schwierigkeiten, ihre Arbeitskraft zur Existenzsicherung adäquat zu verwerten. Der Kläger ist zumindest nicht gesundheitlich unbeeinträchtigt. Vielmehr gehört er aufgrund orthopädischer Erkrankungen und psychischer Störungen zu der Gruppe der schwer bis kaum vermit-telbaren (Langzeit-) Arbeitsuchenden. Die Kammer verweist hier-zu auf die seit Ende 2000 durchgehend bestehende Erwerbslosig-keit des Klägers und stützt sich insoweit ergänzend auf die ge-richtsbekannte Arbeitsmarktlage. Schließlich bestehen für die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger dem Bedürfnis nach Pausen von jeweils mindestens 15 Minuten nach einer Ar-beitszeit von maximal zwei Stunden durch andere, nicht gesetz-lich vorgeschriebene, Pausen (vgl. zu den Formen von Arbeits-pausen zB Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 6. Auflage 2003, herausgegeben vom VDR, Seite 52f) gerecht werden könnte. Dies gilt insbesondere für die sog. Verteilzeiten, dh Zeitanteile, die nicht für den Ar-beitsprozeß selbst verwendet werden, aber dennoch als Arbeits-zeit gerechnet werden (zB persönliche Verrichtungen, Erholungs- und Entspannungszeiten außerhalb der Pausen), vgl. Sozialmedi-zinische Begutachtung, aaO. Daraus mögen zwar ggf. zusätzliche Erholungsmomente resultieren, worauf zutreffend der SMD in sei-ner Stellungnahme vom 6. Oktober 2003 hinweist. Keineswegs sind diese Zeiten aber ausreichend, um dem Bedarf an zwei Pausen von jeweils mindestens 15 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden oder an einer zusätzlichen Pause von 15 Minu-ten bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden zu genügen.

Somit kann der Kläger zwar mindestens sechs Stunden täglich, aber nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Ar-beitsmarktes erwerbstätig sein. Der allgemeine Arbeitsmarkt ist daher für ihn verschlossen. Daraus folgt ein Recht des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dieses Recht ist erst mit dem Nachweis des erhöhten Pausenbedürfnisses durch das Gut-achten des Sachverständigen K ... nachgewiesen. Dies folgt be-reits aus den Einschränkungen in den Ausführungen des Sachver-ständigen K ... Danach könne er nur die derzeitige Verfassung des Klägers beurteilen. Des weiteren könne bei chronischen Schmerzerkrankungen das klinische Erscheinungsbild in seiner Ausprägung und therapeutischen Beeinflußbarkeit so schwanken, daß er nicht (damit konkludent auch nicht retrospektiv) von ei-nem Dauerzustand ausgehe. Objektive Anhaltspunkte für den Ein-tritt des versicherten Risikos sind somit nicht erkennbar. Ins-besondere ergeben sich diese auch nicht aus den vorangegangenen Gutachten, wie bereits in einem anderen Zusammenhang darge-stellt wurde. Die Kammer geht aus diesem Grund (notwendigerwei-se hilfsweise) von dem Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung des Klägers durch den Sachverständigen K ... zur Bestimmung des Eintrittes der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus. Soweit der Kläger einen früheren Eintritt des Versicherungsfalles begehrt, war die Klage daher abzuweisen.

Gleiches gilt für Rechte auf unbefristete Renten wegen Erwerbs-minderung. Denn die Rentendauer ergibt sich unter Berücksichti-gung des Vorschlages des Sachverständigen K ... im Gutachten vom 24. Juni 2003 (Nachbegutachtung in 2 Jahren) aus § 102 Abs. 2 Satz 1 und 2 iVm Abs. 1 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (nF). Ausnahmen von dem - nunmehr geltenden - Grundsatz der Befristung der Renten wegen verminderter Erwerbs-fähigkeit liegen nicht vor. Denn die unbefristete Leistung der Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung bleiben bei einem temporär bestehenden erhöhten Pausenbedürfnis kraft Ge-setzes ausgeschlossen, vgl. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI nF. Nichts anderes gilt schließlich für eine Recht auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach der Ü-bergangsregelung des § 240 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung. Denn mangels qualifizierten Berufsschutzes des Klägers gilt insoweit im Ergebnis nichts anderes als zu den Renten iSd § 43 SGB VI nF. Auf die hinsichtlich der Bestimmung des sog. Hauptberufes des Klägers zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 10. September 2002 wird gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verwiesen. Damit kann der Kläger auf eine Vielzahl von Verweisungstätigkeiten aus dem Be-reich der unteren beiden Stufen des sog. Mehrstufenschemas des BSG verwiesen werden. Die konkrete Ausübung einer sozial zumut-baren Verweisungstätigkeit scheitert allerdings wiederum am er-höhten Pausenbedürfnis des Klägers. Der Rentenbeginn ergibt sich aus § 101 Abs. 1 SGB VI. Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (voller, teil-weiser Erwerbsminderung, letztere auch bei Berufsunfähigkeit) löst § 89 Abs. 1 SGB VI.

Nach §§ 130 Satz 1, 54 Abs. 4 SGG konnte die Beklagte dem Grun-de nach verurteilt werden. Die Höhe der Rentenleistung (der Wert des Rentenrechtes) bestimmt sich nach Maßgabe der gesetz-lichen Vorschriften. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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